DIN-Normen können urheberrechtlich geschützt sein
Die Blattgröße „DIN A4“ ist ebenso ein gängiger Begriff geworden wie „Tempo“ für ein Taschentuch. DIN steht dabei für Deutsches Institut für Normung, das unabhängig von einem verfassungsrechtlich legitimierten Organ Normen formuliert und verbreitet – das, was nach Auffassung des Instituts richtig oder geeignet ist.
Der Beuth-Verlag, der die DIN-Normen verkauft, und das Institut kämpfen vehement gegen eine kostenfreie Verbreitung dieser Normen: Gesetzestexte dürfen von Jedermann kopiert werden, sie sind „gemeinfrei“ (siehe § 5 UrhG). DIN-Normen aber sind keine Gesetze, sind sie also urheberrechtlich geschützt?
Diese Frage hat nun das Landgericht Hamburg vorerst entschieden: Ja, DIN-Normen können urheberrechtlich geschützt sein. Die Organisation „Public.Resource.org“ hatte u.a. DIN-Normen kostenlos ins Internet gestellt. Das Argument: DIN-Normen seien keine urheberrechtlich geschützten Werke, weil sie innerhalb eines “engen Korsetts” entstünden: Sie müssten in einer vorregulierten Sprache formuliert sein; hierfür gebe es wiederum eine eigene DIN-Norm und viele weitere Vorgaben, die zu beachten seien. Auch sei keine persönliche Urheberschaft erkennbar, wenn eine amorphe Gruppe aus Gremien und externen Experten die Dokumente nach und nach erstelle. Kurzum: Die DIN-Norm könne nicht mit der für das Urheberrecht erforderlichen Kreativität geschrieben werden.
Die Organisation beruft sich auch darauf, dass DIN-Normen, die Sicherheitsaspekte behandeln und von den Gerichten als „must have“ angesehen werden, allgemein öffentlich zugänglich sein müssten, eben wie ein Gesetzestext.
Das Landgericht Hamburg sah dies nun anders:
Auch rein technisch-basierte Sprachwerke können die für den Urheberrechtsschutz erforderliche Schöpfungshöhe erreichen.
Außerdem würde das DIN-Institut die Normen an bundesweit über 100 Auslegestellen zur Einsicht zugänglich machen, was ausreichend wäre. Das Argument der Organisation, dass die körperliche Einsichtnahme heutzutage nicht mehr zeitgemäß sei, ließ das Landgericht Hamburg nicht gelten.
Die genauen Urteilsgründe sind noch nicht veröffentlicht, die Organisation „Public.Resource.Org“ hat aber bereits angekündigt, in die Berufung zu gehen. Für beide, insbesondere für das DIN-Institut, geht es um viel: Für die Organisation droht ein immenser Schadenersatz, für das DIN-Institut und den Beuth-Verlag droht der Verlust erheblicher Einnahmen aus der Lizenzierung der Normen.
Anmerkung von Rechtsanwalt Thomas Waetke:
Nur, weil das DIN-Institut bzw. der Beuth-Verlag sagen, dass ihre Normen urheberrechtlich geschützt seien, ist das noch lange nicht so. Der Urheberrechtsschutz entsteht kraft Gesetzes – er ist also entweder da oder er ist nicht da. Er ist aber nicht nur deshalb da, weil das einer gerne so hätte, vielmehr müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.
Das Besondere: Wer aber mit dem Beuth-Verlag einen Lizenzvertrag schließt, unterwirft sich vertraglich dem Urheberrechtsschutz – dann gelten die Regelungen aus dem Urheberrecht zwischen den beiden Vertragspartnern. Das ist genauso bei der FIFA und den Übertragungen der Fußball-WM: Oftmals hat die FIFA gar keine Rechte an der Ausstrahlung eines Fußballspiels und kann bspw. von Restaurants und Veranstaltern auch keine Lizenzgebühren fordern. Wer aber mit der FIFA einen Vertrag schließt, weil er meint, dass die FIFA die Rechte habe, der wird durch den Vertrag ggf. zu etwas verpflichtet, was er ohne den Vertrag gar nicht machen/zahlen müsste.
Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg hat m. E. noch eine weitere erhebliche Bedeutung:
Würde man den Normen den Urheberrechtsschutz aberkennen, dann könnte das zur Folge haben, dass der Hersteller der Normen das Interesse daran verliert, die Normen zu entwickeln: Immerhin kostet es auch viel Geld, eine Normung vorzunehmen; die Juristen, die die Gesetze schreiben, werden über Steuergelder finanziert. Mit Blick auf „Kleinigkeiten“, die bisher über DIN-Normen u.a. geregelt werden, macht es sich der Staat insoweit einfach, als er dies durch die Wirtschaft (eben u.a. das DIN-Institut) erledigen lässt.
Was könnte passieren, wenn das DIN-Institut die Motivation verliert, die Normen herzustellen? Es gibt weniger Vorschriften. Das mag gewisse Vorteile haben, führt aber sicherlich nicht zu mehr Rechtssicherheit für den Anwender.
Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Autor eventfaq
Justitiar des Bundesverbandes Veranstaltungssicherheit (bvvs.org)
Der Beuth-Verlag, der die DIN-Normen verkauft, und das Institut kämpfen vehement gegen eine kostenfreie Verbreitung dieser Normen: Gesetzestexte dürfen von Jedermann kopiert werden, sie sind „gemeinfrei“ (siehe § 5 UrhG). DIN-Normen aber sind keine Gesetze, sind sie also urheberrechtlich geschützt?
Diese Frage hat nun das Landgericht Hamburg vorerst entschieden: Ja, DIN-Normen können urheberrechtlich geschützt sein. Die Organisation „Public.Resource.org“ hatte u.a. DIN-Normen kostenlos ins Internet gestellt. Das Argument: DIN-Normen seien keine urheberrechtlich geschützten Werke, weil sie innerhalb eines “engen Korsetts” entstünden: Sie müssten in einer vorregulierten Sprache formuliert sein; hierfür gebe es wiederum eine eigene DIN-Norm und viele weitere Vorgaben, die zu beachten seien. Auch sei keine persönliche Urheberschaft erkennbar, wenn eine amorphe Gruppe aus Gremien und externen Experten die Dokumente nach und nach erstelle. Kurzum: Die DIN-Norm könne nicht mit der für das Urheberrecht erforderlichen Kreativität geschrieben werden.
Die Organisation beruft sich auch darauf, dass DIN-Normen, die Sicherheitsaspekte behandeln und von den Gerichten als „must have“ angesehen werden, allgemein öffentlich zugänglich sein müssten, eben wie ein Gesetzestext.
Das Landgericht Hamburg sah dies nun anders:
Auch rein technisch-basierte Sprachwerke können die für den Urheberrechtsschutz erforderliche Schöpfungshöhe erreichen.
Außerdem würde das DIN-Institut die Normen an bundesweit über 100 Auslegestellen zur Einsicht zugänglich machen, was ausreichend wäre. Das Argument der Organisation, dass die körperliche Einsichtnahme heutzutage nicht mehr zeitgemäß sei, ließ das Landgericht Hamburg nicht gelten.
Die genauen Urteilsgründe sind noch nicht veröffentlicht, die Organisation „Public.Resource.Org“ hat aber bereits angekündigt, in die Berufung zu gehen. Für beide, insbesondere für das DIN-Institut, geht es um viel: Für die Organisation droht ein immenser Schadenersatz, für das DIN-Institut und den Beuth-Verlag droht der Verlust erheblicher Einnahmen aus der Lizenzierung der Normen.
Anmerkung von Rechtsanwalt Thomas Waetke:
Nur, weil das DIN-Institut bzw. der Beuth-Verlag sagen, dass ihre Normen urheberrechtlich geschützt seien, ist das noch lange nicht so. Der Urheberrechtsschutz entsteht kraft Gesetzes – er ist also entweder da oder er ist nicht da. Er ist aber nicht nur deshalb da, weil das einer gerne so hätte, vielmehr müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein.
Das Besondere: Wer aber mit dem Beuth-Verlag einen Lizenzvertrag schließt, unterwirft sich vertraglich dem Urheberrechtsschutz – dann gelten die Regelungen aus dem Urheberrecht zwischen den beiden Vertragspartnern. Das ist genauso bei der FIFA und den Übertragungen der Fußball-WM: Oftmals hat die FIFA gar keine Rechte an der Ausstrahlung eines Fußballspiels und kann bspw. von Restaurants und Veranstaltern auch keine Lizenzgebühren fordern. Wer aber mit der FIFA einen Vertrag schließt, weil er meint, dass die FIFA die Rechte habe, der wird durch den Vertrag ggf. zu etwas verpflichtet, was er ohne den Vertrag gar nicht machen/zahlen müsste.
Die Entscheidung des Landgerichts Hamburg hat m. E. noch eine weitere erhebliche Bedeutung:
Würde man den Normen den Urheberrechtsschutz aberkennen, dann könnte das zur Folge haben, dass der Hersteller der Normen das Interesse daran verliert, die Normen zu entwickeln: Immerhin kostet es auch viel Geld, eine Normung vorzunehmen; die Juristen, die die Gesetze schreiben, werden über Steuergelder finanziert. Mit Blick auf „Kleinigkeiten“, die bisher über DIN-Normen u.a. geregelt werden, macht es sich der Staat insoweit einfach, als er dies durch die Wirtschaft (eben u.a. das DIN-Institut) erledigen lässt.
Was könnte passieren, wenn das DIN-Institut die Motivation verliert, die Normen herzustellen? Es gibt weniger Vorschriften. Das mag gewisse Vorteile haben, führt aber sicherlich nicht zu mehr Rechtssicherheit für den Anwender.
Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Autor eventfaq
Justitiar des Bundesverbandes Veranstaltungssicherheit (bvvs.org)