Rechtswidrig beschaffte E-Mails können für Berichterstattung benutzt werden
Die Verwertung rechtswidrig beschaffter privater E-Mails eines Politikers zum Zwecke der Berichterstattung über die Geburt einer unehelichen Tochter sowie die mögliche Erschleichung von Sozialleistungen kann trotz Eingriffs in die Vertraulichkeitssphäre gerechtfertigt sein. Dies jedenfalls dann, wenn sich das berichtende Presseorgan an dem Einbruch in die Vertraulichkeitssphäre nicht beteiligt hat, und die Informationen hohen Öffentlichkeitswert haben, da sie Missstände von erheblichem Gewicht offenbaren, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht.
Was war passiert?
Geklagt hatte ein ehemaliger Minister des Landes Brandenburg gegen eine Berichterstattung des Springer-Verlags, u.a. in der BILD-Zeitung. Der Verlag verwendete dabei E-Mails, die von einem gestohlenen Laptop des Ministers stammten und ihm zugespielt wurden.
Es ging darum, dass der Minister Vater des unehelichen Kindes einer seiner Mitarbeiterinnen ist, welches Bezüge von der Unterhaltskasse, also letztlich vom Steuerzahler bezog. Die BILD-Zeitung sprach daher von Sozialbetrug. Die Tatsache der Vaterschaft ergab sich erst aus den rechtswidrig erlangten E-Mails, die zwischen dem Minister und seiner Geliebten gewechselt wurden.
Der Kläger trat in Folge der Berichterstattung von seinem Ministeramt zurück. Er hält die Verwertung der privaten E-Mails zum Zwecke der Berichterstattung für rechtswidrig.
Der BGH hat jetzt letztinstanzlich die Berichterstattung gebilligt.
Warum wurde so entschieden?
Die Entscheidung des BGH wurde u.a. wie folgt begründet:
„Zwar greift eine Berichterstattung, die sich auf den Inhalt der zwischen dem Kläger und seiner Geliebten gewechselten E-Mails stützt, in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Beide genannten Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützen das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt privater E-Mails nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Der Eingriff ist aber nicht rechtswidrig. Das von den Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungsfreiheit überwiegen das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die veröffentlichten Informationen von einem Dritten in rechtswidriger Weise beschafft worden sind.
Nach den getroffenen Feststellungen haben sich die Beklagten die E-Mails nicht durch vorsätzlichen Rechtsbruch verschafft, um sie zu publizieren. Sie haben sich an dem Einbruch in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers auch nicht beteiligt, sondern aus dem Bruch der Vertraulichkeit lediglich Nutzen gezogen. Die Informationen, deren Wahrheit der Kläger nicht in Frage stellt, haben einen hohen "Öffentlichkeitswert". Sie offenbaren einen Missstand von erheblichem Gewicht, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht. Als Minister und als Landtagsabgeordneter gehörte der Kläger zu den Personen des politischen Lebens, an deren Verhalten unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle ein gesteigertes Informationsinteresse besteht.
Die der Beklagten zugespielten E-Mails belegen, dass sich der Kläger über viele Jahre der wirtschaftlichen Verantwortung für seine Tochter entzogen und diese auf den Steuerzahler abgewälzt hat. Er hat es im eigenen persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Interesse hingenommen, dass seine ehemalige Geliebte für die gemeinsame Tochter Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bezog, obwohl die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug nicht gegeben waren. Denn die Kindesmutter hatte der zuständigen Behörde den Kläger pflichtwidrig nicht als Vater von E benannt.
Auch die Veröffentlichung verschiedener E-Mails in direkter oder indirekter Rede ist zulässig. Die im Wortlaut veröffentlichten E-Mails dokumentieren mit besonderer Klarheit, wie der Kläger mit der Verantwortung gegenüber seiner nichtehelichen Tochter und der Mutter seines Kindes - und damit mittelbar gegenüber der Allgemeinheit, die jedenfalls bis zur Veröffentlichung der streitgegenständlichen Informationen die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen tragen musste - umgegangen ist.“
Quelle: BGH PM Nr. 137 vom 30.9.2014
(BGH 30.9.2014, VI ZR 490/12)
Unsere Meinung
Das Urteil darf nicht verallgemeinert werden. Der BGH zeigt ganz deutlich auf, dass die besonderen Umstände des Falles zur Berechtigung der Berichterstattung führten.
Gründe dafür waren im Kern, dass
• keinerlei Mitwirkung des Verlags an der Beschaffung der E-Mails vorlag;
• der Kläger in seiner Eigenschaft als Minister und Landtagsabgeordneter eine herausragende Person des öffentlichen politischen Lebens war;
• es daher ein „gesteigertes“ Informationsinteresse an dem Inhalt der Berichterstattung gab;
• es um den begründeten Verdacht der Beteiligung an einer Straftat ging; und
• hier deshalb das öffentliche Informationsinteresse und das Recht der Öffentlichkeit auf Meinungsfreiheit ausnahmsweise das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit überwiegen.
In anderen Fällen, die weniger gravierend gewesen wären, hätte der BGH also vermutlich anders entschieden. Immerhin greift die Berichterstattung massiv in die besonders geschützte Intimsphäre des Klägers ein.
Je mehr jedoch der Betroffene im Fokus der Öffentlichkeit steht und sich deren Auseinandersetzung mit sich selbst und seinen Handlungen bewusst aussetzt, desto weniger schutzwürdig ist der Betroffen sodann, wenn es um Verfehlungen seiner Person geht.
So gesehen kann man nur froh sein, wenn man nicht so in der Öffentlichkeit steht. Dann darf auch über das uneheliche Kind nicht – zumindest nicht auf der Basis rechtswidrig erlangter Erkenntnisse - berichtet werden. Also vielleicht besser doch kein Ministeramt anstreben.
Timo Schutt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für IT-Recht
Was war passiert?
Geklagt hatte ein ehemaliger Minister des Landes Brandenburg gegen eine Berichterstattung des Springer-Verlags, u.a. in der BILD-Zeitung. Der Verlag verwendete dabei E-Mails, die von einem gestohlenen Laptop des Ministers stammten und ihm zugespielt wurden.
Es ging darum, dass der Minister Vater des unehelichen Kindes einer seiner Mitarbeiterinnen ist, welches Bezüge von der Unterhaltskasse, also letztlich vom Steuerzahler bezog. Die BILD-Zeitung sprach daher von Sozialbetrug. Die Tatsache der Vaterschaft ergab sich erst aus den rechtswidrig erlangten E-Mails, die zwischen dem Minister und seiner Geliebten gewechselt wurden.
Der Kläger trat in Folge der Berichterstattung von seinem Ministeramt zurück. Er hält die Verwertung der privaten E-Mails zum Zwecke der Berichterstattung für rechtswidrig.
Der BGH hat jetzt letztinstanzlich die Berichterstattung gebilligt.
Warum wurde so entschieden?
Die Entscheidung des BGH wurde u.a. wie folgt begründet:
„Zwar greift eine Berichterstattung, die sich auf den Inhalt der zwischen dem Kläger und seiner Geliebten gewechselten E-Mails stützt, in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers und sein Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Beide genannten Ausprägungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts schützen das Interesse des Kommunikationsteilnehmers daran, dass der Inhalt privater E-Mails nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Der Eingriff ist aber nicht rechtswidrig. Das von den Beklagten verfolgte Informationsinteresse der Öffentlichkeit und ihr Recht auf Meinungsfreiheit überwiegen das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die veröffentlichten Informationen von einem Dritten in rechtswidriger Weise beschafft worden sind.
Nach den getroffenen Feststellungen haben sich die Beklagten die E-Mails nicht durch vorsätzlichen Rechtsbruch verschafft, um sie zu publizieren. Sie haben sich an dem Einbruch in die Vertraulichkeitssphäre des Klägers auch nicht beteiligt, sondern aus dem Bruch der Vertraulichkeit lediglich Nutzen gezogen. Die Informationen, deren Wahrheit der Kläger nicht in Frage stellt, haben einen hohen "Öffentlichkeitswert". Sie offenbaren einen Missstand von erheblichem Gewicht, an dessen Aufdeckung ein überragendes öffentliches Interesse besteht. Als Minister und als Landtagsabgeordneter gehörte der Kläger zu den Personen des politischen Lebens, an deren Verhalten unter dem Gesichtspunkt demokratischer Transparenz und Kontrolle ein gesteigertes Informationsinteresse besteht.
Die der Beklagten zugespielten E-Mails belegen, dass sich der Kläger über viele Jahre der wirtschaftlichen Verantwortung für seine Tochter entzogen und diese auf den Steuerzahler abgewälzt hat. Er hat es im eigenen persönlichen, wirtschaftlichen und politischen Interesse hingenommen, dass seine ehemalige Geliebte für die gemeinsame Tochter Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz bezog, obwohl die Voraussetzungen für einen Leistungsbezug nicht gegeben waren. Denn die Kindesmutter hatte der zuständigen Behörde den Kläger pflichtwidrig nicht als Vater von E benannt.
Auch die Veröffentlichung verschiedener E-Mails in direkter oder indirekter Rede ist zulässig. Die im Wortlaut veröffentlichten E-Mails dokumentieren mit besonderer Klarheit, wie der Kläger mit der Verantwortung gegenüber seiner nichtehelichen Tochter und der Mutter seines Kindes - und damit mittelbar gegenüber der Allgemeinheit, die jedenfalls bis zur Veröffentlichung der streitgegenständlichen Informationen die daraus resultierenden wirtschaftlichen Folgen tragen musste - umgegangen ist.“
Quelle: BGH PM Nr. 137 vom 30.9.2014
(BGH 30.9.2014, VI ZR 490/12)
Unsere Meinung
Das Urteil darf nicht verallgemeinert werden. Der BGH zeigt ganz deutlich auf, dass die besonderen Umstände des Falles zur Berechtigung der Berichterstattung führten.
Gründe dafür waren im Kern, dass
• keinerlei Mitwirkung des Verlags an der Beschaffung der E-Mails vorlag;
• der Kläger in seiner Eigenschaft als Minister und Landtagsabgeordneter eine herausragende Person des öffentlichen politischen Lebens war;
• es daher ein „gesteigertes“ Informationsinteresse an dem Inhalt der Berichterstattung gab;
• es um den begründeten Verdacht der Beteiligung an einer Straftat ging; und
• hier deshalb das öffentliche Informationsinteresse und das Recht der Öffentlichkeit auf Meinungsfreiheit ausnahmsweise das Interesse des Klägers am Schutz seiner Persönlichkeit überwiegen.
In anderen Fällen, die weniger gravierend gewesen wären, hätte der BGH also vermutlich anders entschieden. Immerhin greift die Berichterstattung massiv in die besonders geschützte Intimsphäre des Klägers ein.
Je mehr jedoch der Betroffene im Fokus der Öffentlichkeit steht und sich deren Auseinandersetzung mit sich selbst und seinen Handlungen bewusst aussetzt, desto weniger schutzwürdig ist der Betroffen sodann, wenn es um Verfehlungen seiner Person geht.
So gesehen kann man nur froh sein, wenn man nicht so in der Öffentlichkeit steht. Dann darf auch über das uneheliche Kind nicht – zumindest nicht auf der Basis rechtswidrig erlangter Erkenntnisse - berichtet werden. Also vielleicht besser doch kein Ministeramt anstreben.
Timo Schutt
Rechtsanwalt
Fachanwalt für IT-Recht