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Höchstes Gericht bestätigt Risiko der Scheinselbständigkeit

Timo Schutt | 08.10.2013
Das Bundesarbeitsgericht hat wenig überraschend die Keule geschwungen und klargestellt, dass aus einem Werkvertrag (mit “Freien Mitarbeitern”) ganz schnell ein Arbeitsvertrag werden kann. Hier ist also besondere Vorsicht geboten!

Maßgeblich ist die Gesamtschau aller Umstände: In dem Fall hatte ein Dienstleister den Auftrag, bestimmte Daten in eine Software einzugeben. Dazu musste er in die Dienststellen seines Auftraggebers gehen, tat dies aber über einen längeren Zeitraum immer zu festen Tageszeiten und rechnete monatlich auch immer einen festen Betrag ab. Die Vertragspartner schlossen seit 2005 dazu mehrere “Werkverträge”.

Das Bundesarbeitsgericht, ebenso wie die beiden Vorinstanzen, hat nun entschieden, dass es sich dabei in Wahrheit um ein Arbeitsverhältnis handele: Ein Arbeitsvertrag ist bekanntlich ein Dienstvertrag (§ 611 BGB). In Abgrenzung zum Werkvertrag (§ 631 BGB) kann man festhalten:
• Beim Dienstvertrag wird eine Leistung bzw. Tätigkeit versprochen,
• beim Werkvertrag wird ein Erfolg versprochen.

Bei der Eingabe von Daten in eine Software fehlt aber der dazu notwendige Erfolg, vielmehr steht die Erbringung der Tätigkeit (“Tippen”) im Vordergrund. Dann schließen die Parteien aber keinen Werkvertrag, sondern einen Dienstvertrag. Wird diese Tätigkeit dann auch noch weisungsgebunden, d.h. in persönlicher Abhängigkeit geleistet, liegt ein Arbeitsverhältnis vor (= Scheinselbständigkeit: Der “Freie Mitarbeiter” ist nur zum Schein selbständig).

Ob die Parteien doch viel lieber einen Werkvertrag würden haben wollen, ist dabei irrelevant: Maßgeblich ist vor allem, was die beiden tatsächlich machen: Ist also ein Werkvertrag /Freie Mitarbeiterschaft gewollt, es werden aber tatsächlich die Kriterien eines Arbeitsverhältnisses erfüllt, dann liegt auch ein Arbeitsverhältnis vor.

Die Folgen sind durchaus dramatisch:
• Der Auftraggeber ist jetzt Arbeitgeber – und zwar rückwirkend.
• Der Auftragnehmer ist jetzt rückwirkend Arbeitnehmer und hat Ansprüche u.a. auf Urlaub und Gehalt.
• Der “Neue” hat ggf. Kündigungsschutz (bei einem Betrieb von mehr als 10 Arbeitnehmern und bei einer zurückgerechneten Betriebszugehörigkeit von mehr als 6 Monaten).
• Der Arbeitgeber muss Sozialversicherungsbeiträge plus Säumniszuschläge nachzahlen.
• Der Arbeitgeber muss die erhaltene Vorsteuer (zwischen den beiden ging es ja bisher nur um die Umsatzsteuer, die der Auftraggeber dem “Freien” bezahlt hatte und im Vorsteuerabzug wieder geltend gemacht hat) zurückerstatten und Lohnsteuer nachzahlen.
• Sowohl das Nichtabführen der Sozialversicherungsbeiträge wie auch die nicht bezahlte Lohnsteuer ist jeweils eine Straftat.

Finanziell können diese Folgen den neuen Arbeitgeber schnell mit mehreren zehntausend Euro pro neuem Mitarbeiter/Scheinselbständigen belasten.

Es lohnt sich also sprichwörtlich, sich im Voraus gut zu überlegen, was man tut: Auch in der Veranstaltungsbranche ist die Meinung weit verbreitet, sich Lohnkosten und Arbeitsschutz (Arbeitszeit…) vom Hals zu halten, indem man “Freie” beschäftigt. In der Gerichtspraxis mehren sich aber die Fälle, in denen Scheinselbständigkeiten aufgedeckt werden.

Thomas Waetke
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Autor eventfaq