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Wie Marken klingen. Impulse aus der Klangforschung für die Markenführung

Berlin – Klang ist eine der fünf Dimensionen der Sensorik. Die neusten Erkenntnisse aus der Klangforschung waren Thema des 3. G⋅E⋅M Forums der Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens (G·E·M) am 16. November 2010 in der Universität der Künste Berlin.

Unter dem Motto „Wie Marken klingen. Impulse aus der Klangforschung für die Markenführung“ referierten Wissenschaftler und Kommunikationsexperten. Sie alle waren sich einig: Akustische Kennung, Sound-Branding und Produkt-Klang stärken die emotionale Markenprofilierung, die Unverwechselbarkeit, die Identität und Konsistenz im Markenauftritt. In der Nutzung des Akustik-Potentials steht die Praxis aber erst am Anfang.

Der immer gleiche Klang: Tonmeister machten Karajan zum Kassenschlager

Prof. Dr. Martin Supper, Leiter des postgradualen Studiengangs „Sound Studies“ an der Universität der Künste Berlin, führte mit seinem Vortrag „Sound Colour – Von der reinen Klangforschung zum angewandten Klangmaterial“ in die Komplexität des Themas ein.

Supper erklärte, dass das Differenzierende an Tönen in der Musik ihr Klang ist. Spielt man zum Beispiel drei Aufnahmen desselben klassischen Konzertes ein, entstehen drei Klang-Identitäten. Eine Aufnahme Karajans hingegen erkennt der Klassikfan am immer gleichen Klang, egal ob dieser Beethoven oder Mozart einspielt. „Der größte Erfolg Karajans lag primär daran, eine bestimmte Klangfarbe zu produzieren, die als weich zu bezeichnen ist“, so Prof. Supper. „Die Käufer haben sich am Klang orientiert.“ Damit machten die Tonmeister der Deutschen Grammophon Karajans Werk zum Kassenschlager.

Sound-Logos: die populärste Variante der akustischen Markenführung

Der Löwe von MGM, der Mitarbeiterchor von Intel und der Herzschlag von Audi sind Beispiele der bekanntesten Sound-Logos, die zur Identitätskennung der jeweiligen Marke dazugehören. Mit diesen und weiteren Beispielen führte Prof. Carl-Frank Westermann in die „Akustische Markenführung“ ein. Westermann, Gastprofessor für „Akustische Markenkommunikation“ im Masterstudiengang „Sound Studies“ an der Universität der Künste Berlin und Creative Director bei MetaDesign, Berlin, zeigte in Wort, Klang und Bild, wie das Auditive ein Teil der Marke und ihrer Markenidentität wird.

Ein Sound-Logo kann zum „ear catcher“ werden; es wird jedoch erst dann zum akustischen Marken-Guthaben, wenn die Marke den Klang erhält, der zu ihrer Identität passt. Kenntnisse im Sound-Branding werden künftig gefragt sein, denn immer mehr Entscheider aus der Markenführung erkennen die Potentiale, die sie für ihre Marke nutzen können. „Am Beispiel der Automobilindustrie lässt sich die Parallelität von Linguistik und Akustik hervorragend verdeutlichen“, erläuterte Carl-Frank Westermann. „Brand in one Word – das ist für Mercedes Kultiviertheit, für BMW Fahrfreude und für Audi Vorsprung. Auf den TV-Spot übertragen bedeutet dies ein akustisches Signal: Brand in two seconds. Diese zwei Sekunden am Ende eines Spots lassen heute viele Marken ungenutzt.“ Darüber hinaus erwartet Professor Westermann, „dass es in der Zukunft neben Sound-Logos verstärkt auch darum gehen wird, durch Klang innerhalb von Räumen eine bestimmte Atmosphäre zu schaffen. Oder den Produkten selbst einen individuellen Sound zu verleihen, durch den sie dann die Klangwelt, in der sie wahrgenommen werden, selbst mitgestalten.“

Eine Unternehmenswelt aus Klängen: Siemens

Einblick in die vielfältige, variantenreiche „Klangwelt Siemens“ gab Jürgen Barthel, Brand Management, Head of Corporate Design der Siemens AG, München mit seinem Vortrag „Die Klangwelt Siemens. Geräusche, Klang und Musik als wichtige Aspekte beim Auftritt einer Marke“. Für ihn ist in einer umfassenden akustischen Markenführung der Klang ebenso Bestandteil der Marke wie das Logo, die Schrift, die Firmenfarbe, die Corporate Voice und das gesamte Corporate Layout. Multisensuelle Markenführung bedeutet, dass Klang eine sensorische Dimension der Markenarchitektur ist.

Die Markenwerte des Unternehmens wurden in akustische Basiselemente übersetzt. Aus diesen Modulen wurde eine „Klangwelt Siemens“, der Corporate Sound gestaltet. Im Internet, in Image- und Motivationsfilmen, bei der Präsentation von Produktlinien oder beim Auftritt auf Messen ertönt ein markentypisch konsistenter Gesamtauftritt. Und das in allen Kulturen der Welt, in denen die Firma operiert. In der akustischen Signatur griff Siemens den Algorithmus von Fibonacci auf, ein mathematisches Proportionsprinzip, welches auch Grundlage des visuellen Erscheinungsbildes von Siemens ist.

Die Macht des Knack: Bahlsen

Wie die Firma Bahlsen das Knacken ihrer Kekse zum herausragenden Alleinstellungsmerkmal gemacht hat, präsentierte Steffen Weise, Sound Designer und Head of R&D der Bahlsen GmbH & Co. KG, Hannover, in seinem Vortrag „Der Produktklang – Welche Rolle spielt das Knacken der Kekse?“. Der Knack, der in den 1990ern als Inbegriff der Frische galt, wurde ab 2000 zum Gütesiegel des Leibniz Butterkeks und später auch des Pickups von Bahlsen. Denn, so Weise, das Ohr kauft mit. Er arbeitet mit seinen Forschern und Produktentwicklern an einem reproduzierbaren, identischen Knacken. Für R&D musste das Problem der Messbarkeit des Knacks ebenso gelöst werden wie die Inhalte der Messung zu definieren waren.

Heute verfügt Bahlsen über das Knowhow, welche Einflussgrößen in der Produktion wie ausgesteuert werden müssen, um den Produktklang entsprechend darzustellen. Aus dem Knacken der Bahlsen-Kekse entstand eine wissenschaftlich begründete Produktphilosophie, Produktentwicklung und kundenorientierte Sortimentspolitik. Einzig eine Herausforderung ist noch nicht gelöst: Wie kann dieser Produktklang rechtlich geschützt werden?

Weitere Informationen zu Vorträgen und Referenten des 3. G⋅E⋅M Forums finden Sie Anfang Dezember auf der G⋅E⋅M Homepage http://www.gem-online.de