Präsidentin der Ökonomen zu den Ergebnissen des Weltfinanzgipfels:
Die Finanz- und Wirtschaftskrise ist bei der weltweiten Verflechtung der Gütermärkte und der weitgehenden Integration der Finanzmärkte nur im Rahmen multilateraler Zusammenarbeit zu überwinden. Nationale Alleingänge sind zum Scheitern verurteilt und führen eher zu einer Verschärfung der Krise, wie die Erfahrungen in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts gezeigt haben. Die Zusammenarbeit der 20 wichtigsten Industrie- und Entwicklungsländer (G 20) sowie der enge Schulterschluss in der EU sind ohne Alternative zu begrüßen.
Finanz- und Geldpolitik haben nach dem Ausbruch der Krise weltweit und schnell mit ihren Stabilisierungsmaßnahmen reagiert. Nach dem akuten Krisenmanagement geht es jetzt darum, einen Regulierungsrahmen für eine stabile und effiziente Weltfinanzordnung zu entwickeln. Für den Bundesverband der Ökonomen sind dabei die folgenden Herausforderungen von Bedeutung:
Malusregelung für Banken
Eine liberale Wirtschaftsordnung bedeutet nicht nur Freiheit, sondern auch Verantwortung, d.h. Haftung der Wirtschaftsakteure für unternehmerisches Handeln. Erfolg muss honoriert, Misserfolg sanktioniert werden. Dabei sollte nur der nachhaltige, langfristige Erfolg belohnt werden. Ein Teil der Leistungsprämien sollte einbehalten werden, um sie in späteren Phasen mit etwaigen Verlusten zu verrechnen. Solche Malusregelungen sollten gerade auch für Banken gelten. Da der Staat große Banken wegen ihrer Systemrelevanz nicht in die Insolvenz gehen lassen kann – wie der Fall Lehmann Brothers gezeigt hat -, muss er sie stärker regulieren, d.h. die Eigenkapitalregulierung entsprechend anpassen als Prophylaxe gegen Fehlanreize bzw. „moral hazard“. Die ordnungspolitische Korrespondenz von Freiheit und Verantwortung – in der Vergangenheit häufig vernachlässigt unter dem Druck partikularer, von der Politik tolerierter Interessenvertretung – muss wiederhergestellt werden. Die Finanzkrise ist damit nicht Beleg für eine Systemkrise der sozialen Marktwirtschaft, sondern für mangelhafte Respektierung ihrer konstituierenden Elemente.
Supranationale Finanzaufsicht
Die Struktur der Finanzaufsicht hat mit der Internationalisierung der Märkte nicht Schritt gehalten. Grenzüberschreitend tätige Finanzinstitute müssen adäquat, d.h.
supranational beaufsichtigt werden. Diese Forderung ist im weltweiten Rahmen erfolgreicher durchzusetzen, wenn zuvor der Aufbau einer europäischen Finanzaufsicht gelingt. Die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission dazu gehen in die richtige Richtung. Die für die Entstehung der Finanzkrise nicht unwesentliche „Aufsichtsarbitrage“, d.h. liberale Aufsichtspraktiken zur Attrahierung ausländischer Institute muss wirksam unterbunden werden. Finanzprotektionismus darf nicht an die Stelle von Handelsprotektionismus treten.
Koordinierte Exitstrategien
Niemand kann derzeit seriös voraussagen, wann die Finanzkrise endgültig überwunden sein wird. In jedem Fall wird sie aber eine riesige Hypothek hinterlassen: Die massive Liquiditätsexplosion durch die Zentralbanken sowie die ausufernden Defizite in den öffentlichen Haushalten. Es ist keineswegs zu früh, Exitstrategien zu entwickeln, mit denen einer inflationären Geldmengenexpansion entgegengewirkt und die Haushaltskonsolidierung wieder auf die Tagesordnung der Regierungen gesetzt werden können. Zum Defizitabbau in der EU wird die EU-Kommission in diesem Jahr für 20 Mitgliedsstaaten das im Vertrag vorgesehene Verfahren zur Vermeidung übermäßiger Haushaltsdefizite eröffnen. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Ministerrat erscheint es jedoch zweifelhaft, ob die gegebenen Verfahren und der zwischen den Staaten aufgebaute Druck hinreichen, die Perspektive einer nachhaltigen Haushaltskonsolidierung zu eröffnen. Das Haftungsprinzip gilt aber nicht nur für Unternehmen, sondern auch für die Staaten selber, wie dies im EU-Vertrag ausdrücklich verankert ist.
Die von den USA und Großbritannien kurzfristig eingebrachte Diskussion über eine globale Wachstumsstrategie darf – wie die Bundesregierung zu Recht fordert – die notwendige Haushaltskonsolidierung und Finanzmarktregulierung nicht von der Agenda verdrängen und sich auch nicht einseitig auf Überschussländer konzentrieren, da die Summe der Leistungsbilanzsalden global naturgemäß Null ist. Konzertierte Strukturreformen dienen dagegen der Erhöhung des in der Finanzkrise gesunkenen Wachstumspotenzials.
Reform der Weltfinanzordnung auf gutem Weg
Die Bilanz der bisherigen Weltfinanzgipfel ist weniger negativ als dies vielfach hingestellt wird. Von den auf dem ersten Gipfel in Washington vor einem Jahr vereinbarten 92 Maßnahmen sind viele bereits realisiert, weitere stehen in intensiver Vorbereitung. Im Gegensatz zu anderen Bewertungen stellt der bdvb fest, dass die weltweite Zusammenarbeit zu mehr als inhaltsleeren Absichtserklärungen geführt hat. Wichtiger als Schnellschüsse ist der Aufbau tragfähiger Fundamente für eine neue Weltfinanzordnung. Die Tiefe und die plötzliche Eruption der Krise haben die Bereitschaft zu weltweiter Kooperation trotz aller Interessenunterschiede gestärkt. Der bdvb warnt allerdings davor, diese Chance ungenutzt verstreichen zu lassen, bevor sich das „window of opportunities“ wieder schließt und der Reformeifer bei der Stabilisierung von Wirtschaft und Finanzen zu erlahmen droht. „Business as usual“ darf nicht wieder zur Handlungsmaxime werden.
Finanz- und Geldpolitik haben nach dem Ausbruch der Krise weltweit und schnell mit ihren Stabilisierungsmaßnahmen reagiert. Nach dem akuten Krisenmanagement geht es jetzt darum, einen Regulierungsrahmen für eine stabile und effiziente Weltfinanzordnung zu entwickeln. Für den Bundesverband der Ökonomen sind dabei die folgenden Herausforderungen von Bedeutung:
Malusregelung für Banken
Eine liberale Wirtschaftsordnung bedeutet nicht nur Freiheit, sondern auch Verantwortung, d.h. Haftung der Wirtschaftsakteure für unternehmerisches Handeln. Erfolg muss honoriert, Misserfolg sanktioniert werden. Dabei sollte nur der nachhaltige, langfristige Erfolg belohnt werden. Ein Teil der Leistungsprämien sollte einbehalten werden, um sie in späteren Phasen mit etwaigen Verlusten zu verrechnen. Solche Malusregelungen sollten gerade auch für Banken gelten. Da der Staat große Banken wegen ihrer Systemrelevanz nicht in die Insolvenz gehen lassen kann – wie der Fall Lehmann Brothers gezeigt hat -, muss er sie stärker regulieren, d.h. die Eigenkapitalregulierung entsprechend anpassen als Prophylaxe gegen Fehlanreize bzw. „moral hazard“. Die ordnungspolitische Korrespondenz von Freiheit und Verantwortung – in der Vergangenheit häufig vernachlässigt unter dem Druck partikularer, von der Politik tolerierter Interessenvertretung – muss wiederhergestellt werden. Die Finanzkrise ist damit nicht Beleg für eine Systemkrise der sozialen Marktwirtschaft, sondern für mangelhafte Respektierung ihrer konstituierenden Elemente.
Supranationale Finanzaufsicht
Die Struktur der Finanzaufsicht hat mit der Internationalisierung der Märkte nicht Schritt gehalten. Grenzüberschreitend tätige Finanzinstitute müssen adäquat, d.h.
supranational beaufsichtigt werden. Diese Forderung ist im weltweiten Rahmen erfolgreicher durchzusetzen, wenn zuvor der Aufbau einer europäischen Finanzaufsicht gelingt. Die jüngsten Vorschläge der EU-Kommission dazu gehen in die richtige Richtung. Die für die Entstehung der Finanzkrise nicht unwesentliche „Aufsichtsarbitrage“, d.h. liberale Aufsichtspraktiken zur Attrahierung ausländischer Institute muss wirksam unterbunden werden. Finanzprotektionismus darf nicht an die Stelle von Handelsprotektionismus treten.
Koordinierte Exitstrategien
Niemand kann derzeit seriös voraussagen, wann die Finanzkrise endgültig überwunden sein wird. In jedem Fall wird sie aber eine riesige Hypothek hinterlassen: Die massive Liquiditätsexplosion durch die Zentralbanken sowie die ausufernden Defizite in den öffentlichen Haushalten. Es ist keineswegs zu früh, Exitstrategien zu entwickeln, mit denen einer inflationären Geldmengenexpansion entgegengewirkt und die Haushaltskonsolidierung wieder auf die Tagesordnung der Regierungen gesetzt werden können. Zum Defizitabbau in der EU wird die EU-Kommission in diesem Jahr für 20 Mitgliedsstaaten das im Vertrag vorgesehene Verfahren zur Vermeidung übermäßiger Haushaltsdefizite eröffnen. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Ministerrat erscheint es jedoch zweifelhaft, ob die gegebenen Verfahren und der zwischen den Staaten aufgebaute Druck hinreichen, die Perspektive einer nachhaltigen Haushaltskonsolidierung zu eröffnen. Das Haftungsprinzip gilt aber nicht nur für Unternehmen, sondern auch für die Staaten selber, wie dies im EU-Vertrag ausdrücklich verankert ist.
Die von den USA und Großbritannien kurzfristig eingebrachte Diskussion über eine globale Wachstumsstrategie darf – wie die Bundesregierung zu Recht fordert – die notwendige Haushaltskonsolidierung und Finanzmarktregulierung nicht von der Agenda verdrängen und sich auch nicht einseitig auf Überschussländer konzentrieren, da die Summe der Leistungsbilanzsalden global naturgemäß Null ist. Konzertierte Strukturreformen dienen dagegen der Erhöhung des in der Finanzkrise gesunkenen Wachstumspotenzials.
Reform der Weltfinanzordnung auf gutem Weg
Die Bilanz der bisherigen Weltfinanzgipfel ist weniger negativ als dies vielfach hingestellt wird. Von den auf dem ersten Gipfel in Washington vor einem Jahr vereinbarten 92 Maßnahmen sind viele bereits realisiert, weitere stehen in intensiver Vorbereitung. Im Gegensatz zu anderen Bewertungen stellt der bdvb fest, dass die weltweite Zusammenarbeit zu mehr als inhaltsleeren Absichtserklärungen geführt hat. Wichtiger als Schnellschüsse ist der Aufbau tragfähiger Fundamente für eine neue Weltfinanzordnung. Die Tiefe und die plötzliche Eruption der Krise haben die Bereitschaft zu weltweiter Kooperation trotz aller Interessenunterschiede gestärkt. Der bdvb warnt allerdings davor, diese Chance ungenutzt verstreichen zu lassen, bevor sich das „window of opportunities“ wieder schließt und der Reformeifer bei der Stabilisierung von Wirtschaft und Finanzen zu erlahmen droht. „Business as usual“ darf nicht wieder zur Handlungsmaxime werden.