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Mobilfunk sollte stärker auf werbefinanzierte Geschäftskonzepte setzen

Mautstellen für mobiles Internet, Prepaid-Sackgassen und die Kostenlosmentalität der Web-Generation
Gunnar Sohn | 23.06.2008
Frankfurt am Main/Bad Homburg/Düsseldorf, 23. Juni 2008, www.ne-na.de - Den wachstumsverwöhnten Mobilfunkbetreibern bricht nach einem Bericht der FAZ in immer stärkerem Maße das klassische Geschäftsmodell auseinander. „Schnell fallende Preise sorgen in fast allen Märkten in Europa für sinkende Umsätze. Der Durchschnittsumsatz je Kunde ist in den vergangenen zwei Jahren in zweistelligen Prozentsätzen gesunken, hat die Ratingagentur Fitch ausgerechnet. Der durchschnittliche Minutenpreis, den die Kunden zum Beispiel in Deutschland zahlen, hat sich zwischen 2005 und 2007 auf weniger als 14 Cent fast halbiert“, so die FAZ. Zur Verschärfung der Lage tragen die sinkenden Entgelte für die Ablieferung der Gespräche aus fremden Netzen (Terminierung) bei.



„Konnten zum Beispiel die deutschen Mobilfunkanbieter im Jahr 2005 noch zwischen 13 und 15 Cent je Minute verlangen, hat die Regulierung diesen Betrag auf jetzt 8 bis 9 Cent gedrückt. Da zwischen 15 und 25 Prozent des Umsatzes der Mobilfunkunternehmen auf diese Entgelte entfielen, mussten die Anbieter hier signifikante Umsatzverluste verkraften, die in gleicher Höhe auch ergebniswirksam waren“, berichtet die FAZ. Auch der Umsatz mit dem Datengeschäft verläuft bislang dürftig. Eine Kompensation der gesunkenen Einnahmen aus dem Sprachgeschäft konnte nicht erreicht werden: „Die Mobilfunker sollten sich am Vorbild der Konsumgüterindustrie orientieren und lernen, wie man in gesättigten Märkten profitabel bleibt und nicht nur im Verdrängungswettbewerb über den Preis seine Marktanteile sichert“, rät TK-Experte Jens Klemann von der Bad Homburger Beratungsfirma Strateco http://www.strateco.de. Um den Margendruck abzufedern, setzen die Großen der Branche auf Diversifikation. Die Mobilfunker sehen sich künftig als Vollsortimenter für Mobilfunk, Festnetz und Breitband. Paradebeispiel ist Vodafone. „Nach dem Arcor lange Zeit ein Dasein als Waisenkind fristete, wurde es jetzt adoptiert. Vodafone geht seit Anfang des Jahres mit einer Werbekampagne im zweistelligen Millionenbereich auf Kundenfang im DSL-Markt und sieht sich auf Augenhöhe mit den Wettbewerbern der Telekom“, erläutert Klemann, Co-Autor der Studie „Praxisleitfaden Mobile Marketing“ http://www.absatzwirtschaft.de/mobile-marketing.



Im Kampf der Giganten setzt die Deutsche Telekom ebenfalls auf die Strategie des integrierten Anbieters. Die Festnetz- und Mobilfunksparte rücken enger zusammen. So wurde zum Beispiel der Kundenservice in einer neuen strategischen Service-Einheit mit mehr als 50.000 Mitarbeitern unter dem Namen DTKS zusammengeführt. Mit T-Home Entertain wird per Highspeed-Internet zusätzlich der TV-Markt adressiert. Der Kunde soll also alle Dienstleistungen aus einer Hand beziehen, um den durchschnittlichen Umsatz je Kunde zu steigern – diese Strategie ist nach Expertenmeinung noch nicht aufgegangen.



Die Gretchenfrage für die vier großen Mobilfunknetzbetreiber in Deutschland lautet, wie lässt sich im Kerngeschäft profitables Wachstum in stagnierenden Märkten realisieren. „E-Plus hat aus der Not eine Tugend gemacht. Unter Aufgabe der Endkundenbeziehung hat die Nummer drei des deutschen Marktes sehr erfolgreich Kooperationspartnern einen Netzzugang ermöglicht, so genannte MVNOs. Vodafone und T-Mobile folgen halbherzig und sind eher bemüht, Markenbindung aufzubauen und sich als Qualitätsführer zu positionieren“, sagt Klemann. Um beim MVNO-Geschäft nicht in der Prepaid-Sackgasse zu landen, müssten die Mobilfunker nach Erfahrungen von Andreas Dippelhofer, Mitglied der Geschäftsführung von acoreus http://www.acoreus.de, über neue Geschäftsmodelle nachdenken. „Die Chance liegt darin, dass die Netze auch für fremde Mehrwertdienste, eigentlich beliebige Dienste, geöffnet werden. Man kann das gut mit dem Internet vergleichen. Jeder kann anbieten was er will. Er kann seine Angebote verkaufen oder kostenlos vertreiben. Die Herausforderung liegt vielmehr darin, technische Standards zu etablieren, um Mehrwertdienste auf möglichst einfache Art und Weise in ein Mobilfunknetz zu integrieren“, betont Dippelhofer.



Welche Dienste erfolgreich sein werden, sei nur schwer vorher zu sagen und zähle nicht zu den Kernkompetenzen der Netzbetreiber. „Für bestimmte Altersgruppen können es Spiele sein, für wiederum andere sind es vielleicht Börsenanwendungen. Der Phantasie sind an dieser Stelle keine Grenzen gesetzt“, führt Dippehofer aus. Die Mobilfunker sollten sich nach seiner Ansicht nicht als Medienunternehmer, als Entertainer oder als Logistiker verstehen, nur weil sie Kommunikationsnetze betreiben. Sie sollten ihre Kreativität und Innovationskraft in die Entwicklung von technischen und kommerziellen Plattformen stecken.



Potentiale liegen nach Meinung von Klemann beim mobilen Internet. „Es verdichten sich die Anzeichen, dass jetzt ein reales Wachstum erfolgen könnte. So nutzen rund zehn Prozent der europäischen Handy-Besitzer ihr mobiles Endgerät, um aktuelle Nachrichten zu lesen. Acht Prozent setzen es als E-Mail-Maschine ein. Dieser Trend wird sich verstärken mit der Verbreitung kostengünstiger Flatrates und einfach zu bedienenden Endgeräte“, prognostiziert Klemann. So entdecken Online-Werber das mobile Internet als neues Werbemedium. „Die Ausgangsposition der Mobilfunker ist sicherlich nicht die schlechteste, sich als Betreiber von elektronischen Mautstellen im mobilen Internet positionieren. Jedoch wurde mit der Einführung von Daten-Flatrates die Dose der Pandora geöffnet. Mit der steigenden Nutzung des mobilen Internets wird sich auch hier die Kostenlos-Mentalität des stationären Internets durchsetzen. Die Geschäftsmodelle werden sich radikal verändern, von so genannten Mehrwertdiensten auf Abobasis oder Zahlung per Abruf hin zu werbefinanzierten Konzepten. Die entstehenden Werbeeinnahmen werden an den Netzbetreibern vorbei bei Google & Co. und den Medienhäuser landen“, so der Ausblick von Klemann.



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Über Gunnar Sohn

Gunnar Sohn ist Freiberufler und u.a. Wirtschaftspublizist, Buchautor, Blogger, Medienberater, Moderator und Kolumnist.