MEDIENTAGE MÜNCHEN 2009: Transformation und Regulierung
München – Der bayerische Staatsminister Siegfried Schneider hat zum Auftakt der MEDIENTAGE MÜNCHEN für die Medienregulierung eine „sektorübergreifende Rechtsordnung“ gefordert. Weil das Internet für die Meinungsbildung eine wachsende Rolle spiele, bedürfe es einer Neuordnung „die sich von der Fixierung auf den Rundfunk und dessen Regulierungsdichte löse“, sagte der Leiter der Bayerischen Staatskanzlei in seiner Eröffnungsrede. „Die Länder hatten möglicherweise in den letzten Jahren zu wenig Mut, neue Wege in der Regulierung zu beschreiten“, regte Schneider neue ordnungspolitische Diskussionen an. Dabei müsse das gegenwärtig existierende Medienkonzentrationsrecht „zu einem übergreifenden Instrument der Vielfaltsicherung weiterentwickelt werden“. Einerseits dürfe der Staat nicht zu stark in Bereiche eingreifen, in denen „die Ergebnisse auch für die Nutzer stimmen“. Das gelte beispielsweise für die umfangreichen Informationsangebote von Rundfunk, Verlagen und Internet. Andererseits gebe es Bereiche wie Jugendschutz oder „Diebstahl geistigen Eigentums“, in denen die Medienpolitik gefordert sei. „Wir können und werden den neuen Markt nicht der Anarchie überlassen“, lautete Schneiders Credo.
Siegfried Schneider sprach bei der Eröffnung der MEDIENTAGE MÜNCHEN stellvertretend für den Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, der wegen der Wahl von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Berlin gereist war. Einen Tag, bevor Seehofer mit den anderen Ministerpräsidenten der Bundesländer in Mainz über den 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag verhandeln wird, sprach sich sein Staatskanzlei-Chef für ein „fortentwickeltes Gebührenmodell“ aus. Zurzeit werde für die Rundfunkgebühr das neue System einer Haushalts- und Betriebsstättenabgabe favorisiert, berichtete der Medienminister. Allerdings müssten vor einer gesetzlichen Umsetzung noch verfassungsrechtliche Aspekte geprüft werden.
Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Medientage München GmbH und Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), warnte in seinem Grußwort vor einem Ungleichgewicht. Wenn die Balance im dualen Rundfunksystem nicht gewahrt werde, sei die Qualität in Gefahr. „Während beim privaten Rundfunk nach zwei einschneidenden Werberezessionen in den zurückliegenden acht Jahren die finanzielle Basis und damit ein Stück weit auch publizistische Substanz schwindet, rüstet der öffentlich-rechtliche Rundfunk, ausgestattet mit einer Gebührenerhöhung, zusätzlich im Internet auf“, sagte Ring. „Es liegt auf der Hand, dass die Nachrichtenportale des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit ihren Qualitätsinhalten inhaltlich ähnlich gelagerte Pay-Online-Angebote von Verlagen unterlaufen“, nannte der BLM-Präsident ein konkretes Beispiel, bei dem es darum gehe, dass die Politik ARD und ZDF „im Zaum“ halte.
Der Philosoph und Publizist Richard David Precht warnte, die Politik dürfe auf die digitalen Herausforderungen des Internet nicht mit „Deregulierung und Teilnahmslosigkeit“ reagieren. Vielmehr gehe es angesichts der „Fragmentarisierung“ von Publikum und Medienangeboten darum, eine Zersplitterung der Öffentlichkeit zu verhindern. „Meinungsvielfalt wird allein über das Internet nicht möglich sein“, prognostizierte Precht und schlug zur Qualitätssicherung einen „Strukturfonds für meinungsbildende Zeitungen vor“. Der TV-Branche sagte der Bestseller-Autor angesichts des starken Verdrängungswettbewerbs einen weiteren „Gesundschrumpfungsprozess“ voraus.
Google-Manager Philipp Schindler deutete die aktuellen Verschiebungen auf den Medienmärkten nicht als Verdrängungsprozess, sondern als einen Veränderungsprozess, der von den Konsumenten ausgelöst werde. Vorwürfe, Google mache ohne eigene Inhalte Geschäfte auf Kosten anderer, wehrte Schindler mit dem Hinweis darauf ab, dass es ohne den Suchmaschinen-Konzern niemand besser gehe. Vielmehr verstehe sich Google als Partner anderer Medienunternehmen. Eine ähnliche Rolle nahm auch René Obermann für die Deutsche Telekom in Anspruch. Der Vorstandsvorsitzende des Branchenführers betonte, die Telekom betrachte sich bei den aktuellen Transformationsprozessen als „Teil der Lösung, nicht als Problem“.
Während Precht zu staatlicher Regulierung ermutigte, äußerten bei der anschließenden Podiumsdiskussion sowohl Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als auch der privatwirtschaftlichen Konkurrenz Befürchtungen, es drohe eine „Überregulierung“. Vor dem Hintergrund der Verhandlungen über den 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag sagte Anke Schäferkordt, die geplante Umsetzung der EU-Vorgaben zum Thema Product Placement erfordere nahezu Unmögliches. Schließlich sei deutschen Programmanbietern bei der Übernahme von US-Produktionen in der Regel nicht bekannt, welche Produkte gegen Bezahlung platziert worden seien, erläuterte die Geschäftsführerin der Mediengruppe RTL Deutschland ihre Bedenken.
Der ZDF-Intendant Prof. Markus Schächter und der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust sprachen im Zusammenhang mit den Themen Telemedienkonzept und Drei-Stufen-Test von Überregulierung. Jürgen Doetz, Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), hingegen sieht bei der Umsetzung der neuen gesetzlichen Bestimmungen große Defizite. Die Telemedienkonzepte wiesen vor allem bei der Beschreibung von Inhalten und bei Finanzierungsangaben große Lücken auf, monierte Doetz. Prof. Dr. Hubert Burda äußerte den Verdacht, das ZDF engagiere sich trotz eines rundfunkrechtlichen Verbotes immer noch im Bereich des digitalen ECommerce. Der Vorstandsvorsitzende von Hubert Burda Media und Präsident des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger berichtete, er habe im ZDF-Programm Trailer gesehen, die auf gebührenpflichtige I-Phone-Applikation verwiesen hätten. Intendant Schächter konterte, das ZDF habe die Koch-Show mit Markus Lanz sublizenziert und sei selbst für die Vermarktung nicht zuständig.
Auf Kritik bei den Vertretern privatwirtschaftlicher TV-Programme stößt auch das Beispiel ZDF Neo. Die Umwandlung des ZDF-Dokukanals in ein an junge Zuschauer gerichtetes Angebot sei ursprünglich ganz anders angekündigt worden, protestierten Jürgen Doetz und der geschäftsführende Gesellschafter der Tele München Gruppe, Dr. Herbert Kloiber. Das am Sonntag startende Programm wende sich mit zahlreichen fiktionalen US- und BBC-Formaten an die auch von kommerziellen Anbietern umworbenen junge Zielgruppe. Prof. Schächter erwiderte, das neue digitale TV-Programm sei wichtig, damit dem ZDF kein „Generationsabriss“ drohe. Im Übrigen sehe das Programmschema zu fünfzig Prozent Dokumentationen vor.
Zu den umstrittenen Themen der von Focus-Chefredakteur Helmut Markwort geleiteten Diskussion gehörte das Vorhaben, für das hochauflösende Fernsehen demnächst den gebührenpflichtigen Standard HD+ zu etablieren. RTL-Geschäftsführerin Schäferkordt sprach von einer Service-Gebühr (fünfzig Euro pro Jahr), die allein für den technischen Zugang entrichtet werden müsse. SES-Astra-Chef Ferdinand Kayser verteidigte das neue Entgelt mit den höheren Kosten, die für den Datentransport von HD+-Programmen anfielen. Seien diese Ausgaben refinanziert, würden auch die TV-Programmanbieter an den Einnahmen beteiligt. Dr. Adrian von Hammerstein, Vorsitzender der Geschäftsführung der Kabel Deutschland GmbH, verwies darauf, HD-Angebote benötigten vier Mal so viel Transportkapazität wie herkömmliche digitale Kanäle.
Der ProSiebenSat.1-Vorstandsvorsitzende Thomas Ebeling rechtfertigte die Tatsache, dass HD+ nur noch begrenzt das Vorspulen von aufgezeichneten Sendungen ermöglicht, mit der Notwendigkeit von Werbeeinnahmen. Er nannte es einen „fairen Kompromiss“, dass Zuschauer Werbung bei HD+-Angeboten nicht mehr durch das Vorspulen überspringen könnten. Schließlich garantiere dies den Anbietern Werbeerlöse, die wiederum in die Qualität der Programme investiert werden könnten.
Während die Digitalisierung im Fernsehsektor voranschreitet, herrscht im Hörfunkbereich seit Jahren Stagnation. VPRT-Präsident Doetz sagte dem Standard Digital Audio Broadcasting keine große Zukunft mehr voraus. BLM-Präsident Ring erwiderte, ohne Digitalisierung habe der Hörfunk keine Zukunft. Wenn die Politik die Frequenzen freigebe, würden die Landesmedienanstalten demnächst entsprechende Ressourcen ausschreiben. Eine Umstellung auf digitalen Radioempfang sei flächendeckend aber frühestens für 2018 zu erwarten.
Weitere Informationen erhalten Sie unter http://www.medientage.de.
Siegfried Schneider sprach bei der Eröffnung der MEDIENTAGE MÜNCHEN stellvertretend für den Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer, der wegen der Wahl von Bundeskanzlerin Angela Merkel nach Berlin gereist war. Einen Tag, bevor Seehofer mit den anderen Ministerpräsidenten der Bundesländer in Mainz über den 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag verhandeln wird, sprach sich sein Staatskanzlei-Chef für ein „fortentwickeltes Gebührenmodell“ aus. Zurzeit werde für die Rundfunkgebühr das neue System einer Haushalts- und Betriebsstättenabgabe favorisiert, berichtete der Medienminister. Allerdings müssten vor einer gesetzlichen Umsetzung noch verfassungsrechtliche Aspekte geprüft werden.
Prof. Dr. Wolf-Dieter Ring, Vorsitzender der Gesellschafterversammlung der Medientage München GmbH und Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), warnte in seinem Grußwort vor einem Ungleichgewicht. Wenn die Balance im dualen Rundfunksystem nicht gewahrt werde, sei die Qualität in Gefahr. „Während beim privaten Rundfunk nach zwei einschneidenden Werberezessionen in den zurückliegenden acht Jahren die finanzielle Basis und damit ein Stück weit auch publizistische Substanz schwindet, rüstet der öffentlich-rechtliche Rundfunk, ausgestattet mit einer Gebührenerhöhung, zusätzlich im Internet auf“, sagte Ring. „Es liegt auf der Hand, dass die Nachrichtenportale des öffentlich-rechtlichen Rundfunks mit ihren Qualitätsinhalten inhaltlich ähnlich gelagerte Pay-Online-Angebote von Verlagen unterlaufen“, nannte der BLM-Präsident ein konkretes Beispiel, bei dem es darum gehe, dass die Politik ARD und ZDF „im Zaum“ halte.
Der Philosoph und Publizist Richard David Precht warnte, die Politik dürfe auf die digitalen Herausforderungen des Internet nicht mit „Deregulierung und Teilnahmslosigkeit“ reagieren. Vielmehr gehe es angesichts der „Fragmentarisierung“ von Publikum und Medienangeboten darum, eine Zersplitterung der Öffentlichkeit zu verhindern. „Meinungsvielfalt wird allein über das Internet nicht möglich sein“, prognostizierte Precht und schlug zur Qualitätssicherung einen „Strukturfonds für meinungsbildende Zeitungen vor“. Der TV-Branche sagte der Bestseller-Autor angesichts des starken Verdrängungswettbewerbs einen weiteren „Gesundschrumpfungsprozess“ voraus.
Google-Manager Philipp Schindler deutete die aktuellen Verschiebungen auf den Medienmärkten nicht als Verdrängungsprozess, sondern als einen Veränderungsprozess, der von den Konsumenten ausgelöst werde. Vorwürfe, Google mache ohne eigene Inhalte Geschäfte auf Kosten anderer, wehrte Schindler mit dem Hinweis darauf ab, dass es ohne den Suchmaschinen-Konzern niemand besser gehe. Vielmehr verstehe sich Google als Partner anderer Medienunternehmen. Eine ähnliche Rolle nahm auch René Obermann für die Deutsche Telekom in Anspruch. Der Vorstandsvorsitzende des Branchenführers betonte, die Telekom betrachte sich bei den aktuellen Transformationsprozessen als „Teil der Lösung, nicht als Problem“.
Während Precht zu staatlicher Regulierung ermutigte, äußerten bei der anschließenden Podiumsdiskussion sowohl Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks als auch der privatwirtschaftlichen Konkurrenz Befürchtungen, es drohe eine „Überregulierung“. Vor dem Hintergrund der Verhandlungen über den 13. Rundfunkänderungsstaatsvertrag sagte Anke Schäferkordt, die geplante Umsetzung der EU-Vorgaben zum Thema Product Placement erfordere nahezu Unmögliches. Schließlich sei deutschen Programmanbietern bei der Übernahme von US-Produktionen in der Regel nicht bekannt, welche Produkte gegen Bezahlung platziert worden seien, erläuterte die Geschäftsführerin der Mediengruppe RTL Deutschland ihre Bedenken.
Der ZDF-Intendant Prof. Markus Schächter und der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust sprachen im Zusammenhang mit den Themen Telemedienkonzept und Drei-Stufen-Test von Überregulierung. Jürgen Doetz, Präsident des Verbandes Privater Rundfunk und Telemedien (VPRT), hingegen sieht bei der Umsetzung der neuen gesetzlichen Bestimmungen große Defizite. Die Telemedienkonzepte wiesen vor allem bei der Beschreibung von Inhalten und bei Finanzierungsangaben große Lücken auf, monierte Doetz. Prof. Dr. Hubert Burda äußerte den Verdacht, das ZDF engagiere sich trotz eines rundfunkrechtlichen Verbotes immer noch im Bereich des digitalen ECommerce. Der Vorstandsvorsitzende von Hubert Burda Media und Präsident des Verbandes Deutscher Zeitschriftenverleger berichtete, er habe im ZDF-Programm Trailer gesehen, die auf gebührenpflichtige I-Phone-Applikation verwiesen hätten. Intendant Schächter konterte, das ZDF habe die Koch-Show mit Markus Lanz sublizenziert und sei selbst für die Vermarktung nicht zuständig.
Auf Kritik bei den Vertretern privatwirtschaftlicher TV-Programme stößt auch das Beispiel ZDF Neo. Die Umwandlung des ZDF-Dokukanals in ein an junge Zuschauer gerichtetes Angebot sei ursprünglich ganz anders angekündigt worden, protestierten Jürgen Doetz und der geschäftsführende Gesellschafter der Tele München Gruppe, Dr. Herbert Kloiber. Das am Sonntag startende Programm wende sich mit zahlreichen fiktionalen US- und BBC-Formaten an die auch von kommerziellen Anbietern umworbenen junge Zielgruppe. Prof. Schächter erwiderte, das neue digitale TV-Programm sei wichtig, damit dem ZDF kein „Generationsabriss“ drohe. Im Übrigen sehe das Programmschema zu fünfzig Prozent Dokumentationen vor.
Zu den umstrittenen Themen der von Focus-Chefredakteur Helmut Markwort geleiteten Diskussion gehörte das Vorhaben, für das hochauflösende Fernsehen demnächst den gebührenpflichtigen Standard HD+ zu etablieren. RTL-Geschäftsführerin Schäferkordt sprach von einer Service-Gebühr (fünfzig Euro pro Jahr), die allein für den technischen Zugang entrichtet werden müsse. SES-Astra-Chef Ferdinand Kayser verteidigte das neue Entgelt mit den höheren Kosten, die für den Datentransport von HD+-Programmen anfielen. Seien diese Ausgaben refinanziert, würden auch die TV-Programmanbieter an den Einnahmen beteiligt. Dr. Adrian von Hammerstein, Vorsitzender der Geschäftsführung der Kabel Deutschland GmbH, verwies darauf, HD-Angebote benötigten vier Mal so viel Transportkapazität wie herkömmliche digitale Kanäle.
Der ProSiebenSat.1-Vorstandsvorsitzende Thomas Ebeling rechtfertigte die Tatsache, dass HD+ nur noch begrenzt das Vorspulen von aufgezeichneten Sendungen ermöglicht, mit der Notwendigkeit von Werbeeinnahmen. Er nannte es einen „fairen Kompromiss“, dass Zuschauer Werbung bei HD+-Angeboten nicht mehr durch das Vorspulen überspringen könnten. Schließlich garantiere dies den Anbietern Werbeerlöse, die wiederum in die Qualität der Programme investiert werden könnten.
Während die Digitalisierung im Fernsehsektor voranschreitet, herrscht im Hörfunkbereich seit Jahren Stagnation. VPRT-Präsident Doetz sagte dem Standard Digital Audio Broadcasting keine große Zukunft mehr voraus. BLM-Präsident Ring erwiderte, ohne Digitalisierung habe der Hörfunk keine Zukunft. Wenn die Politik die Frequenzen freigebe, würden die Landesmedienanstalten demnächst entsprechende Ressourcen ausschreiben. Eine Umstellung auf digitalen Radioempfang sei flächendeckend aber frühestens für 2018 zu erwarten.
Weitere Informationen erhalten Sie unter http://www.medientage.de.