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„Bierdeckel-Fritz“ war der letzte Ordnungspolitiker der Union

Deutschland hat zu wenig Parlamentarier mit ökonomischem Sachverstand
marketing-BÖRSE | 08.02.2007
Bonn/Düsseldorf – www.ne-na.de Die politischen Nachrufe auf „Bierdeckel-Fritz“ (taz) waren absehbar. Mit Friedrich Merz verliere die CDU einen der letzten überzeugten Marktwirtschaftler. Der sauerländische Finanzexperte stand innerhalb der Union viel stärker für politischen Sachverstand als der Müllermeister im Ministeramt, Michael Glos von der CSU. Dabei ist Merz von Haus aus Jurist. Wie so viele in der deutschen Politik. Und dies gereicht ihr nicht unbedingt zum Vorteil, schreibt Handelsblatt-Chefredakteur http://www.handelsblatt.de Bernd Ziesemer, dessen neues Buch „Eine kurze Geschichte der ökonomischen Unvernunft“ vom 8. Februar 2007 an im Buchhandel erhältlich ist. Ein Blick auf die Kabinettsliste bestätigt den Autor: In dem von einer Physikerin geführten Bundesregierung finden sich fünf Juristen, drei Lehrer und Lehrerinnen, ein Verwaltungswirt, ein Ingenieur, ein gelernter Müller, ein ausgebildeter Industriekaufmann und eine Theologin. Nur der Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) hat Volkswirtschaftslehre studiert.



Es kommt erschwerend hinzu, so Ziesemer, dass das parlamentarische System in Deutschland so gut wie keine Quereinsteiger kennt, die aus einen Top-Job in der Wirtschaft in die Politik wechseln. Die Folge ist klar: „In den Parlamenten fehlt es deshalb dramatisch an wirtschaftlichem Urteilsvermögen aus der Praxis, von theoretischen Kenntnissen ganz zu schweigen.“ Mit dem Fachwissen amerikanischer Spitzenpolitiker aus der Welt der Finanzmärkte könne auf jeden Fall kein europäischer Amtskollege mithalten. Denn „Deutschland wird traditionell von Berufspolitikern oder von Juristen regiert“, so Ziesemer.



Da die Politiker in der Regel über geringe ökonomische Kenntnisse verfügen, sind sie eigentlich in besonderer Weise auf das Know-how von Wirtschaftsexperten angewiesen. Nach den Worten des ehemaligen Wirtschaftsweisen Horst Siebert schlägt die Politik die Ratschläge der Ökonomen seit Jahrzehnten in den Wind. In der frühen Bundesrepublik sei dies noch anders gewesen, schreibt Ziesemer. Damals waren die theoretischen Positionen der Freiburger Schule noch weitgehend deckungsgleich mit der Politik Ludwig Erhards, „der als ehemaliger Professor der Nationalökonomie in engstem Kontakt mit seinen Kollegen stand“.



Doch nicht nur bei den Politikern liege das Problem. Es sei auch fraglich, ob Deutschland noch über international konkurrenzfähige Ökonomen verfüge, die zugleich Einfluss auf die Politik ausüben können: „Das Handelsblatt veröffentlichte im Mai 2005 die bisher einzige repräsentative Rangliste in Deutschland für Ökonomen. An der Spitze steht der Spieltheoretiker Klaus Schmidt, der in der Fachwelt mit seinen Forschungen über Wettbewerb, Fairness und Kooperation Furore macht. Auf Platz zwei folgt Thomas Lux, der sich als Volkswirtschaftsprofessor in Kiel mit Studien zum Zusammenwirken unterschiedlichster Akteure an den Finanzmärkten profilierte. Platz drei in der Liste der deutschen Topökonomen eroberte Wolfgang Härdle, der sich mit Statistik und Ökonometrie beschäftigt. Was alle drei gemeinsam haben: In der deutschen Öffentlichkeit sind sie so gut wie unbekannt, kein Politiker dürfte je von ihnen gehört haben.“



Michael Müller, Geschäftsführer der a&o-Gruppe http://www.ao-services.de und Wirtschaftssenator im Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) http://www.bvmwonline.de, äußert sich zustimmend zu Ziesemers Thesen über die ökonomische Unvernunft. „Wir können uns keine besseren Politiker backen. Ich habe auch meine Zweifel daran, dass es Quereinsteiger in Zukunft leichter haben werden, in der Politik Fuß zu fassen. Die CSU in Bayern hat vor kurzem gezeigt, wie politische Entscheidungen zustande kommen. Die Nachfolge von Edmund Stoiber wurde in Hinterzimmern ausgekungelt. Damit die Wirtschaft mehr Gehör in der Politik findet, sollte sie einen anderen Weg beschreiten als die übliche Ochsentour durch die Parteigliederungen. Die finanzstarken Unternehmen müssen mehr Geld in private Stiftungen und Denkfabriken stecken, die mit klaren Aussagen und Kampagnen an die Öffentlichkeit treten.“ Auch Ziesemer schreibt, dass man in diesem Punkt in den USA schon viel weiter ist.

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