Werbung soll „nachhaltiger” verkaufen
Soll Sie „lediglich” verkaufen, Menschen zu einem nachhaltigeren Konsum anregen oder sogar für weniger Konsum werben? Das Marktforschungsunternehmen Civey hat im Auftrag der DMEXCO im Juli und August über 5.000 Konsument:innen und knapp 300 Marketer nach ihrer Meinung gefragt. Dabei sind sich Marketer und die Verbraucher:innen über die generelle Rolle der Werbung einig: Sie soll auch weiterhin über Produkte und Preise informieren - allerdings wohl künftig mit mehr Details über die Nachhaltigkeit der beworbenen Marken und Services.
Die Rolle der Werbung in unserer Gesellschaft und Wirtschaft wird in letzter Zeit häufiger diskutiert. Ist sie Teil des Problems, weil sie für ungehemmtes Wachstum und Ressourcenverbrauch steht? Oder Teil der Lösung, weil sie die Verbraucher:innen zu einem nachhaltigeren Konsum oder sogar zu Konsumverzicht bewegt? Wie schätzen Konsument:innen und Expert:innen die Funktion der Werbung heute und in Zukunft im Vergleich ein? Das hat das Marktforschungsinstitut Civey im Juli und August 2023 im Auftrag der DMEXCO über 5.000 Konsument:innen und rund 300 Fachkräfte aus Marketing- und Kommunikation gefragt.
Klassische Funktionen von Werbung bleiben wichtig – auf beiden Seiten
Die Ergebnisse der DMEXCO-Befragung zeigen deutlich, dass die klassische Funktion der Werbung als Verkaufsinstrument derzeit noch unangefochten dominiert - in beiden Zielgruppen. Eine klare Mehrheit der Verbraucher:innen erwartet von der Werbung vor allem Informationen zu Produkten und Services sowie zu Rabatten und Sonderverkäufen. Künftig erhoffen sich die Konsument:innen allerdings auch mehr Information zu Nachhaltigkeit (+24 Prozentpunkte), zur Kreislaufwirtschaft (+16 Prozentpunkte) und mehr Transparenz über die Angebote im Markt (+15 Prozentpunkte).
Für die Fachkräfte aus Marketing und Kommunikation bleibt die verkaufsfördernde Funktion der Werbung naturgemäß zentral. Sie sind jedoch deutlich skeptischer, was den Aspekt der Nachhaltigkeit betrifft. Dass Werbung in Zukunft nachhaltigen Konsum fördern soll, sagen lediglich sechs Prozent der Befragten. Für die Expert:innen sind zwei andere Kriterien deutlich wichtiger: Sie sehen in Zukunft vor allem starken Nachholbedarf beim Markenimage (plus 17 Prozentpunkte). Und: Sie erwarten, dass Werbung - angesichts des Personalmangels in vielen Branchen - künftig eine viel stärkere Rolle im Recruiting bekommt (+13 Prozentpunkte).
Was sich Verbraucher:innen wünschen und was Marketer ihnen zutrauen
Möglicherweise liegt die nachrangige Priorisierung der Werbung für nachhaltigen Konsum auf Seiten der Marketer auch am mangelnden Vertrauen in das tatsächliche Kaufverhalten der Menschen: 43 Prozent der befragten Fachkräfte sagen, dass sich das Konsumverhalten der Bürger:innen kaum oder gar nicht verändert hat. Nur 19 Prozent der Expert:innen sind der Meinung, dass die Menschen allgemein nachhaltiger als früher einkaufen.
Fragt man die Verbraucher:innen, was sie sich in Sachen Nachhaltigkeit von der Werbung wünschen, dann liegen die Punkte nah beieinander: Informationen zu den verwendeten Materialien wollen 54 Prozent, Infos zu Lieferketten 40 Prozent und mehr Transparenz durch Infos zu Gütesiegeln wünschen 37 Prozent. Den Verkauf nachhaltiger Produkte stärken wollen 38 Prozent, Werbung für mehr Kreislaufwirtschaft wünschen 28 Prozent.
Für Prof. Dr. Dominik Matyka, Chief Advisor der DMEXCO, belegt die Umfrage, dass „die Marketer dem geäußerten Wunsch der Bevölkerung nach mehr Nachhaltigkeit in der Werbung noch nicht so recht trauen. Zwischen den geäußerten Absichten der Bürger:innen in Befragungen und dem tatsächlichen Einkaufsverhalten klafft anscheinend noch eine größere Lücke. Die Civey-Daten zeigen auch, dass weder die Konsument:innen noch die Marketer von der Werbung erwarten, dass sich ihre Funktion in Gesellschaft und Wirtschaft gravierend ändert. Werbung soll weiter vor allem verkaufen, nur in Zukunft etwas nachhaltiger. Auf der DMEXCO 2023 werden wir sowohl Beispiele für nachhaltigere Werbung gezeigt bekommen - Stichwort Green oder Responsible Media - als auch eine ganze Reihe von Strategien, Maßnahmen und Tools, wie vor allem digitale Werbung auch in Zukunft erfolgreich verkauft.“
Dirk Freytag, Präsident des Bundesverbandes Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V.: „Auch wenn Verkaufszahlen und Markenbekanntheit für Unternehmen im Mittelpunkt stehen, Konsument:innen erwarten künftig zu Recht mehr Informationen zur Nachhaltigkeit und zum verantwortlichen Handeln von Unternehmen. Damit muss das Image von Marken und Unternehmen verstärkt in den Mittelpunkt der Kommunikation rücken, nicht zuletzt, weil sie immer auch potenzielle Mitarbeiter anspricht. Nur über Nachhaltigkeit sprechen reicht jedoch nicht – das Marketing muss auch einen konkreten Beitrag leisten. Der BVDW wird daher auf der DMEXCO erste Guidelines vorstellen, wie digitale Werbung ressourcenschonend verbreitet werden kann.“
Über die Umfrage
Um ein klareres Bild darüber zu erhalten, welche Rolle Werbung gesellschaftlich sowie aus Sicht der Werbungtreibenden im Hinblick auf das Thema Nachhaltigkeit spielt, hat die DMEXCO das Marktforschungsunternehmen Civey beauftragt, im Juli und August 2023 knapp 300 Fachkräfte aus Marketing und Kommunikation sowie etwas über 5.000 Verbraucher:innen online zu befragen.