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Homeoffice mit Luft nach oben aus Sicht der Beschäftigten

Homeoffice-Quote seit Ende 2020 rückläufig. Eingeschwungener Zustand beim Homeoffice mit 1,2 Arbeitstagen pro Woche erreicht.
Rogator AG | 20.07.2023
Homeoffice mit Luft nach oben aus Sicht der Beschäftigten © freepik / rawpixel
 

Die COVID-19-Pandemie löste „quasi über Nacht“ eine große und dauerhafte Verbreitung der Heimarbeit aus, die für Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern erhebliche Veränderungen im Lebensstil mit sich brachte und – wie jetzt zunehmend erkennbar wird – in weiten Teilen Bestand haben wird. Seit Frühjahr 2020 führte die (später auch gesetzlich vorgeschriebene) Homeoffice-Tätigkeit zu erheblichen Herausforderungen für Unternehmen, hybride oder vollständig ferngesteuerte Arbeitsformen einzuführen und aufrecht zu erhalten, verbunden mit vielfältigen Auswirkungen auf die Organisation der Arbeit.

Zusätzlich hatte der Übergang zum Remote-Arbeitsprozess über die betroffenen Unternehmen hinaus weitgehende ökonomische und gesellschaftliche Konsequenzen, angefangen von der Verlagerung der Ausgaben von Arbeitnehmern aus den Stadtzentren hin zu den Wohnorten, über den Rückgang der städtischen Immobilienwerte und Abwanderung aus einigen Städten bis hin zu einer veränderten Mobilität. Umso mehr ist es relevant, die bisherigen und weiter erwartbaren Entwicklungen in puncto Arbeit von zuhause zu beobachten und einzuordnen. „Nach einer Phase rückläufiger Homeoffice-Quoten zeigt sich in Teilen der Beschäftigten der Wunsch, mehr von zuhause zu arbeiten“, betont Johannes Hercher, Vorstand der Rogator AG und Co-Autor der Studie OpinionTRAIN©.

Die Ergebnisse der Studie im Überblick:

Homeoffice-Quote seit Ende 2020 rückläufig

In der Studienreihe OpinionTRAIN, die zu Beginn der Corona-Pandemie aufgesetzt wurde, ist die Messung der Homeoffice-Quote eine feste Größe, so dass Zeitreihenanalysen möglich sind. Die Studienteilnehmenden werden im Fall der Erwerbstätigkeit gebeten, die Arbeitstage eines aktuellen Monats auf Tätigkeit im Homeoffice bzw. auf der Arbeitsstelle (oder unterwegs) aufzuteilen. Der Anteil der Arbeitstage mit Homeoffice an allen Arbeitstagen wird als Homeoffice-Quote definiert. Im April 2023 werden in Deutschland im Mittel 23 % der Arbeitstage im Homeoffice geleistet (1,2 Arbeitstage pro Woche), deutlich weniger als noch im Nov. 2020 (36 %). Der Anteil der Beschäftigten, die mindestens 80 % im Homeoffice arbeiten, ist von 25 % (Nov. 2020) auf aktuell 11 % (Apr. 2023) gesunken. Je nach Branche liegen zum Teil erhebliche Unterschiede vor. Die höchsten Homeoffice-Quoten (51 %) liegen weiterhin im Bereich IT, Medien & Kommunikation vor, gefolgt von Banken und Versicherungen (40 %) sowie Beratungen und Agenturen (36 %). In den Bereichen Handel und Konsumgüter oder Gesundheit, Medizin und Pharma liegen die Homeoffice-Quoten dagegen bei 10 % oder geringer.

Eingeschwungener Zustand beim Homeoffice mit 1,2 Arbeitstagen pro Woche erreicht

Nachdem der Blick auf die vergangenen 2-3 Jahre eine starke Veränderungsdynamik verdeutlicht, unterstreichen die Erwartungen in die Zukunft eher Stabilität und lassen erwarten, dass erst einmal ein eingeschwungener Zustand erreicht ist: Fast 80 % der Befragten erwarten persönlich in den kommenden Monaten keine Veränderung in punkto Homeoffice-Tätigkeit. Jeweils etwa 10 % der Erwerbstätigen gehen von mehr bzw. weniger Homeoffice-Tätigkeit aus. Diese Ergebnisse sind unabhängig davon, ob aktuell wenig, mittel oder häufiger von zuhause gearbeitet wird. Bei der Entscheidung über den Umfang der Homeoffice-Tätigkeit kommt es auf zwei Perspektiven an: Die Sicht des Unternehmens und die der Mitarbeitenden. Viele Unternehmen haben Anstrengungen unternommen, das hohe Niveau der Homeoffice-Tätigkeit während der Corona-Krisenjahre wieder abzubauen. Einer internationalen Studie aus dem vergangenen Jahr zufolge planten Arbeitgeber in Deutschland durchschnittlich 0,7 Arbeitstage pro Woche (14 %) nach der Pandemie, während sich Arbeitnehmer 1,6 Tage wünschten (32 %) und tatsächlich 1,4 Tage (28 %) von zuhause arbeiteten.

4 von 10 Beschäftigten wünschen sich mehr Homeoffice als bisher

Die aktuelle Studie bestätigt frühere Ergebnisse (Vormessung aus Aug./Sep. 2021), wonach erstens Freitag und Montag die am stärksten präferierten Wochentage für die Arbeit im Homeoffice darstellen und die Wunsch-Homeoffice-Quote bei etwa 35 % liegt und zweitens diese Wunsch-Homeoffice-Quote vom aktuellen Niveau der Arbeit von zuhause abhängt (Befragte, die heute nicht im Homeoffice arbeiten, wünschen sich nur wenige Arbeitstage von zuhause und umgekehrt). Die Wunsch-Homeoffice-Quote liegt etwa 12 Prozentpunkte höher als die aktuelle Homeoffice-Quote. Während für 48 % der Erwerbstätigen das Ausmaß der Arbeit von zuhause den Wunschvorstellungen entspricht, votieren 41 % der Beschäftigten für mehr Arbeitstage im Homeoffice. Dieser Anteil ist in der Altersklasse unter 30 Jahre besonders groß (52 %).

Nachhaltige Beeinflussung der Mobilität durch Homeoffice-Tätigkeit

Die Corona-Krise hatte für die Mobilität vor Ort aufgrund der Kontaktbeschränkungen und
-ängste im Frühjahr 2020 drastische Auswirkungen. Nach und nach zeigte sich, dass ein im Vergleich zum Vor-Krisen-Niveau verstärktes Arbeiten im Homeoffice fester Bestandteil der Arbeitsorganisation bleiben wird. Die Beschäftigten schätzen den damit verbundenen Komfortgewinn, wenn Einsparungen von täglich etwa einer Stunde Pendelzeit zustande kommen. Insgesamt führt dies zu einem Verlust an Mobilität. Für die öffentlichen Verkehrsunternehmen stellt dies in mehrfacher Hinsicht eine Herausforderungen dar. Vielfach kündigten Stammkunden – für die Einnahmen der Unternehmen von zentraler Bedeutung – in den letzten Jahren ihre Abo-Zeitkarten für Busse und Bahnen. Die Homeoffice-Tätigkeit führt dazu, dass sich bei Abo-Kunden im ÖPNV die Nutzungsintensität verringert. Verfügen die Abonnenten über eine Homeoffice-Quote von mehr als 50 %, liegt der Nutzungsschwerpunkt des ÖPNV nicht mehr bei 5 oder 6 Tagen pro Woche, sondern eher bei 2 bis 3 Tagen. Damit stellt sich aber gleichzeitig auch die Frage der Sinnhaftigkeit des Besitzes einer Abo-Zeitkarte, wenn der Break-even-Punkt unterschritten wird. Diesem drohenden Verlust an Stammkundschaft wirkt ab Anfang Mai das Deutschlandticket entgegen, dass außer der Mobilität in der Region auch bundesweite Fahrten mit dem Bahnregionalverkehr ermöglicht.

„In der modernen Geschichte der Arbeitsorganisation hat es kaum so einschneidende Veränderung gegeben wie durch die Homeoffice-Tätigkeit. Dies hat nicht nur Einfluss auf die Produktivität des Arbeitens, die Zufriedenheit der Beschäftigten und die soziale Interaktion in Unternehmen, sondern auch gravierende externe Effekte“, resümiert Prof. Dr. Andreas Krämer, CEO der exeo Strategic Consulting AG und Co-Autor der Studie OpinionTRAIN©.