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Generative KI kann zum Produktivitätsbooster werden

Generative KI hat das Potenzial, einen jährlichen Produktivitätszuwachs von 2,6 bis 4,4 Billionen US-Dollar zu ermöglichen.
McKinsey & Company | 14.06.2023
Generative KI kann zum Produktivitätsbooster werden © Freepik / biancoblue
 

Mit fortschreitender Entwicklung von generativer Künstlicher Intelligenz (GenAI) ergeben sich enorme Potenziale für die Weltwirtschaft. Eine neue Studie des McKinsey Global Institute (MGI), dem volkswirtschaftlichen ThinkTank der Unternehmensberatung McKinsey & Company, zeigt: GenAI-Technologien wie ChatGPT oder DALL-E können theoretisch einen jährlichen Produktivitätszuwachs von 2,6 bis 4,4 Billionen US-Dollar ermöglichen. Dies liegt in der Größenordnung des Bruttoinlandsprodukts des Vereinigten Königreichs im Jahr 2021 von rund 3,1 Billionen US-Dollar. Im Vergleich zu bisherigen Ausprägungen von Künstlicher Intelligenz und Analytik, etwa Machine Learning und Deep Learning, würde dies eine zusätzliche Steigerung um 10 bis 40 Prozent bedeuten. Die tatsächlichen Auswirkungen könnten sogar höher ausfallen, würde GenAI in Software wie etwa Textverabreitungsprogramme oder Chatbots integriert, wodurch frei werdende Arbeitszeit für andere Aufgaben genutzt werden kann.

Etwa 75 Prozent des geschätzten Werts wird GenAI in den Bereichen Kundenservice, Marketing und Vertrieb, Softwareentwicklung sowie Forschung und Entwicklung schaffen – und damit in stark wissens- und personalbasierten Bereichen. In einer Analyse von 63 Anwendungsfällen in 16 Geschäftsfunktionen wurden konkrete Herausforderungen identifiziert, die durch diese Technologie gelöst werden können. Beispiele sind die Unterstützung von Interaktionen mit Kunden, die Erstellung von Inhalten sowie das eigenständige Generieren von Softwarecode auf der Grundlage natürlicher Sprachanweisungen. Branchen wie Finanzdienstleistungen, High-Tech, Medien und Biowissenschaften könnten im Vergleich den größten Nutzen durch GenAI realisieren. Die Nutzung von GenAI im Bankensektor könnte zum Beispiel einen zusätzlichen Wert von jährlich 200 bis 340 Milliarden US-Dollar schaffen. Auch im Einzelhandel und in der Konsumgüterindustrie ist das Potenzial mit jährlich zusätzlichen 400 bis 660 Milliarden US-Dollar erheblich. „Die zunehmende Entwicklung von GenAI eröffnet eine neue Ära der technologischen Innovation. GenAI ist ein Hilfsmittel, um die Produktivität zu steigern und das globale Wirtschaftswachstum anzukurbeln“, sagt Gérard Richter, Senior Partner im Frankfurter McKinsey-Büro und Leiter von McKinsey Digital in Deutschland und Europa.

Für die Bewertung des ökonomischen Potenzials von GenAI haben die Studienautor:innen neben der Analyse möglicher Anwendungsszenarien auch über 100 Branchenexperten befragt. Anhand der globalen Wirtschaftsstruktur im Jahr 2022 wurde dann der potenzielle jährliche Wert dieser GenAI-Anwendungsfälle errechnet. Dabei handelt es sich um eine konservative Abschätzung: Unberücksichtigt bleibt das Wertschöpfungspotenzial, sollte GenAI völlig neue Produkt- oder Dienstleistungskategorien hervorbringen.

Um zu ermitteln welche Berufe, Tätigkeiten und Qualifikationslevel am meisten Potenzial haben, hat die Studie sowohl 850 Berufe (Verkäufer, Lehrer, Krankenpfleger etc.) sowie 2.100 konkrete Tätigkeiten innerhalb dieser Berufe (Begrüßung von Kunden, Reinigungstätigkeiten, Zahlungen etc.) analysiert.

GenAI fördert Arbeitsproduktivität in Hochlohnländern wie Deutschland

Ein weiteres Studienergebnis: Die aktuelle Entwicklung von GenAI wird die Veränderungen in der Arbeitswelt beschleunigen. Die Technologie hat das Potenzial, Arbeitsschritte zu automatisieren, Menschen von Routinearbeiten zu entlasten und so neue Freiräume für kreative Arbeit und Innovation zu schaffen. Damit könnte auch das insgesamt verlangsamte Produktivitätswachstum der letzten Jahrzehnte ausgeglichen werden.

So könnte die Automatisierung von Arbeitstätigkeiten durch KI und weiteren Technologien der globalen Wirtschaft von 2023 bis 2040 einen jährlichen Produktivitätsschub von 0,2 bis 3,3 Prozent verhelfen. GenAI allein könnte zu einem Wachstum von 0,1 bis 0,6 Prozent beitragen. Dies setzt voraus, dass Mitarbeiter in Arbeitsbereiche wechseln, die zumindest ihrem aktuellen Produktivitätsniveau entsprechen. Für Deutschland liegen die möglichen Produktivitätsgewinne allein durch GenAI mit 0,2 bis 0,6 Prozent nahe am globalen Durchschnitt.

Komplexe, hochqualifizierte und hochbezahlte Bereiche mit signifikantem Automatisierungspotenzial

Anders als bei bisherigen Technologiesprüngen stehen bei der GenAI im Kern nicht physische Prozesse im Mittelpunkt, sondern die komplexen, hochqualifizierten und hochbezahlten Arbeitsbereiche. Das größte Automatisierungspotenzial erfahren Arbeitsbereiche, die einen Bachelor- oder Masterabschluss und eine Promotion erfordern. Für diese Gruppe hat GenAI das Automatisierungspotenzial gegenüber bisherigen Abschätzungen von 28 auf 57 Prozent aller Tätigkeiten/Jobs, die theoretisch automatisierbar sind, bis 2030 verdoppelt. In Tätigkeiten/Jobs, die keinen Highschool-Abschluss erfordern, ist das Automatisierungspotential nur um das 1,2-fache auf 63% gestiegen.

„Das Bild, dass nur manuelle Tätigkeiten automatisiert werden, dreht sich gerade. GenAI könnte potenziell den Unterschied bei der Einführung und Nutzung von Automatisierungstechnologien zwischen Gruppen mit hohen und niedrigen Löhnen einebnen“, sagt Christoph Sporleder, Partner im Frankfurter McKinsey-Büro und einer der Leiter von QuantumBlack in Deutschland, der KI-Beratung von McKinsey & Company.

Ein Blick auf konkrete Berufsfelder zeigt vor allem für Lehrberufe (38 Prozentpunkte) ein signifikantes Automatisierungspotenzial durch GenAI (über bestehende KI-Anwendungen hinaus). Mit den verbesserten Fähigkeiten der GenAI im Bereich der natürlichen Sprache könnte z.B. die Entwicklung von Arbeitsaufgaben von Maschinen übernommen werden. Vielleicht zunächst nur zur Erstellung eines ersten Entwurfs, der von den Lehrkräften bearbeitet wird, aber perspektivisch auch mit weitaus weniger menschlichem Bearbeitungsaufwand. Dadurch könnten die Lehrkräfte mehr Zeit für andere Tätigkeiten aufwenden, z. B. für die Leitung von Klassendiskussionen oder die Betreuung von Schülern, die zusätzliche Unterstützung benötigen. Besonders hohes Automatisierungspotenzial besteht zudem bei IT-Berufen (31 Prozentpunkte), gefolgt Kreativberufen (24 Prozentpunkte). Demgegenüber wird für den physisch ausgerichteten Beruf des Bauarbeiters ein Potenzial von lediglich 5 Prozentpunkten ermittelt.

Auf Ebene der einzelnen Aufgaben zeigt sich ein ein zusätzliches technisches Automatierungspotenzial von jeweils 34 Prozentpunkten für Management-Tätigkeiten und Wissensarbeit bzw. die Anwendung von Fachkenntnissen auf Entscheidungsfindung, Planung und kreative Aufgaben. Das Automatisierungspotenzial bei physischer Arbeit steigt hingegen nur um einen Prozentpunkt.

Potenziale und Risiken von GenAI jetzt managen

„Die GenAI-Ära hat gerade erst begonnen. Die Begeisterung für diese Technologie ist spürbar und erste Pilotprojekte sind vielversprechend. Doch um die vollen Vorteile der Technologie zu realisieren, wird Zeit benötigt. Führungskräfte in Wirtschaft und Gesellschaft stehen noch vor erheblichen Fragestellungen“, sagt Gérard Richter. Dazu gehören das Management der mit GenAI verbundenen Risiken, die Definition neuer Fähigkeiten und Kompetenzen für die Arbeitskräfte sowie die Neugestaltung von Kerngeschäftsprozessen wie Umschulung und Entwicklung neuer Fähigkeiten.