Deutschland deutlich weniger von Unternehmensgewinnen aus China abhängig als angenommen
Aus den Investitionen deutscher Unternehmen in China flossen zwischen 2017 und 2021 jährlich Gewinne in Höhe von sieben bis elf Milliarden Euro nach Deutschland zurück. Damit hat China im internationalen Vergleich eine relevante Größenordnung erreicht und liegt mit zwölf bis 16 Prozent der Gewinnrückflüsse aus dem gesamten Ausland in etwa gleichauf mit den USA. Der Anteil der EU ist mit durchschnittlich 56 Prozent im Betrachtungszeitraum allerdings deutlich höher.
Das zeigt eine Studie von Bertelsmann Stiftung, IW, MERICS und BDI, die die Gewinnsituation deutscher Unternehmen in China mit Sonderauswertungen von Bundesbank-Daten zum ersten Mal untersucht hat. Die Autor:innen schlussfolgern, dass China im Vergleich zur EU damit für die deutsche Wirtschaft bei Direktinvestitionen im Ausland (foreign direct investment, FDI) und den Gewinnrückflüssen weiterhin eine untergeordnete Rolle spielt. Wie beim Handel ist auch in dieser Hinsicht die deutsche Verflechtung mit dem europäischen Binnenmarkt am wichtigsten.
Die Investitionen in China werden zum weit überwiegenden Teil von Unternehmen aus der produzierenden deutschen Industrie getätigt: Im Jahr 2020 entfielen 69 Prozent der deutschen China-Investitionen auf die Industrie. Im Vergleich zu anderen Märkten sind Investitionen in China besonders lukrativ: Knapp sieben Prozent der deutschen FDI-Bestände entfallen auf China, aber etwa zwölf bis 16 Prozent der Gewinnrückflüsse aus FDI stammen aus China. Für den BDI ist die Studie ein Signal der Entwarnung in der Diskussion um eine zu große China-Abhängigkeit: „Die Investitionen der Industrie in den vergangenen vier Jahren in China finanzieren sich in der Summe aus den dort erzielten Gewinnen. Kapital fließt also nicht im großen Stil von Deutschland nach China“, so Friedolin Strack, Leiter der Abteilung Internationale Märkte im BDI.
Die Gewinnrückflüsse aus China erzeugen nach Ansicht der Autor:innen in gesamtwirtschaftlicher Sicht keine kritische Abhängigkeit. Bei einzelnen Großunternehmen ist das anders, wobei die Autor:innen kritisieren, dass die Informationslage über solche firmenspezifischen geopolitischen Klumpenrisiken zu dünn ist. „Hier braucht es mehr Transparenz, auch auf der Ebene besonders in China exponierter deutscher Firmen. Investoren und Anleger sollten ein Interesse haben, mehr über solche Klumpenrisiken zu erfahren, Das gleiche gilt für die Politik, um die tatsächliche Bedeutung deutscher Investitionen in China für den Standort Deutschland einschätzen zu können“, sagt Jürgen Matthes, Leiter der Abteilung Globale und regionale Märkte am IW.
Auch die Ergebnisse einer nicht repräsentativen Umfrage unter rund drei Dutzend großen deutschen Firmen mit einem relevanten China-Engagement lassen mehr Transparenz im China-Geschäft sinnvoll erscheinen. Eine deutliche Mehrheit der befragten Firmen will bis 2030 Exporte aus Deutschland durch Produktion vor Ort ersetzen. Auch soll China zunehmend als Forschungsstandort und für den Export in Nachbarländer genutzt werden.
Daher warnt Max Zenglein, Chefökonom beim europäischen China-Thinktank MERICS: „Diese Vorhaben drohen die zukünftigen deutschen Exportperspektiven zu schwächen. Mittelfristig könnte das zulasten des Standorts Deutschland und der am Export nach China und Asien hängenden Arbeitsplätze gehen. Noch vor einigen Jahren war die gängige These, dass Investitionen in China automatisch auch dem Standort Deutschland nutzen. Heute müssen wir feststellen, dass der Trend zur Lokalisierung von Produktion nicht nur in China, sondern auch in anderen Weltregionen, mittel- und langfristig zulasten des Exports aus Deutschland heraus gehen wird.“
Für die Wirtschaftspolitik in Deutschland und für die China-Strategie der Bundesregierung ergeben sich daher wichtige Ableitungen. „Die neue deutsche China-Politik sollte unabhängig von einzelnen Unternehmens- und Brancheninteressen ausgerichtet werden. Die Wohlstandssicherung für den gesamten Wirtschaftsstandort Deutschland sollte im Vordergrund stehen“, sagt Cora Jungbluth, China-Expertin der Bertelsmann Stiftung.