Unternehmen investieren verstärkt in Krisenprävention
Multiple Krisen prägen die aktuelle wirtschaftliche Lage, doch deutsche Unternehmen sehen sich weiterhin zukunftsfähig aufgestellt. Während der allgemeine Optimismus der Unternehmen sinkt, zeigen sie sich sensibler gegenüber externen Faktoren und setzen auf Resilienz. Dies ist das Ergebnis des diesjährigen „Future Readiness Index“ der KPMG AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, bei dem deutsche Unternehmen ihre Zukunftsfähigkeit anhand unterschiedlicher Kriterien bewertet haben.
Dabei ist das allgemeine Stimmungsbild der deutschen Unternehmen im Sommer 2022 schlechter als bei der letzten Erhebung 2020. Zu den andauernden Versorgungsengpässen und Lieferkettenproblemen kam seit der letzten Umfrage 2020 eine wachsende Unsicherheit aufgrund geopolitischer Entwicklungen hinzu. Die steigende Inflation, anziehende Energie- und Rohstoffpreise sowie allgemeine Rezessionsängste trüben den Optimismus weiterhin ein.
Ein gegenläufiger Trend zeigt sich hingegen bei den Index-Dimensionen „Reifegrad“ und „Investitionen“. Die Unternehmen versprechen sich von ihrer aktuellen Aufstellung, auch in fünf Jahren noch erfolgreich zu sein. Im Bereich der Investitionen verschiebt sich der Fokus auf Wachstumsthemen und die Risikovorsorge. Den stärksten Anstieg verzeichnen dabei die Investitionsbereiche „Anpassung an Veränderungen durch internationale Krisen und Konflikte“, „Anpassungen an weltwirtschaftliche Veränderungen“, „Anpassung an ökologische Veränderungen“ sowie „Anpassung an politisch-regulatorische Veränderungen“.
Top-Entscheider attestieren der deutschen Wirtschaft weiterhin eine hohe Zukunftsfähigkeit
Die Entwicklung des Krieges in der Ukraine im Februar 2022 war in vielerlei Hinsicht ein Wendepunkt für die deutsche Wirtschaft. Um dieser Situation Rechnung zu tragen, wurde die reguläre Hauptbefragung des „Future Readiness Index“ im Februar und März 2022 durch eine Nachbefragung im Juli und August 2022 ergänzt. Im Rahmen der diesjährigen Hauptbefragung wurden wie schon zwei Jahre zuvor 601 Top-Entscheider wie CEOs, Vorstände oder Strategie-Leiter aus zwölf Schlüsselbranchen befragt, für die Nachbefragung noch einmal 120. Der Index bewegt sich zwischen 0 (sehr niedrig) und 10 (sehr hoch) und bildet vier Dimensionen ab: die Einschätzung in Bezug auf die allgemeine Stimmung im Hinblick auf die Zukunft („Optimismus“), die derzeitige Selbsteinschätzung in geschäftsentscheidenden Faktoren („Reifegrad“), die aktuellen Aktivitäts- und Investitionsschwerpunkte („Investitionen“) und die Einschätzung zur Relevanz zwölf wirtschaftlicher Megatrends („Trend-Sensitivität“). Grundlage für die Trend-Sensitivität sind die Ergebnisse eines umfassenden Panels aus 28 Sektor- und Themenexperten von KPMG. Die Ergebnisse bilden den „Future Readiness Index 2022“, der damit die Einschätzung der deutschen Wirtschaft zu ihrer Zukunftsfähigkeit widerspiegelt.
Kernergebnisse im Überblick
- Im Krisenumfeld des Jahres 2022 bleibt der „Future Readiness Index“ auf einem hohen Niveau. Während der Wert im Frühjahr noch bei 6,4 lag, steigt er im Sommer auf 6,6 (+0,3 Punkte gegenüber 2018 und 2020). Die Zukunftsfähigkeit deutscher Unternehmen ist also auch nach dem Anstieg im Pandemiejahr 2020 noch einmal leicht gestiegen.
- Der Optimismus deutscher Unternehmen sinkt im Sommer 2022 deutlich. Bereits im Pandemiejahr 2020 war das allgemeine Stimmungsbild der Unternehmen von 7,1 auf 6,6 Punkte gesunken und zum Frühjahr 2022 auf diesem Niveau geblieben. Im Sommer sinkt der Wert um weitere 0,4 Punkte auf 6,2.
- Aufgrund der geopolitischen Entwicklungen verschieben sich die Prioritäten der Unternehmen. Fokus liegt nun auf Investitionen in die Anpassungsfähigkeit an Krisen und Wandel. Insgesamt steigt die Dimension „Investitionen“ dadurch nach einem leichten Zuwachs im Frühjahr (+0,1 Punkte gegenüber 2018 und 2020) im Sommer deutlicher an (+0,6 Punkte gegenüber 2018 und 2020).
- Den stärksten Anstieg ihrer Zukunftsfähigkeit sehen Unternehmen bei der Anpassungsfähigkeit an internationale Krisen und Konflikte. 63 Prozent der Unternehmen attestieren sich einen hohen oder sehr hohen Reifegrad. Besonders gut aufgestellt sehen sie sich weiterhin bei der „Bedienung von Kundenbedürfnissen“, der „Positionierung im Wettbewerbsumfeld“ und ihrem „Produkt- bzw. Dienstleistungsportfolio“. Nach einem minimalen Abfall im Frühjahr 2022 (-0,1 Punkte gegenüber 2020) steigt der Reifegrad im Sommer wieder leicht an (+0,2 Punkte gegenüber 2020).
- Herausforderungen durch die Zunahme geopolitischer Spannungen und exogener Schocks rücken immer stärker ins Bewusstsein der Unternehmen. Das verdeutlicht die „Trend-Sensitivität“, die im Sommer 2022 auf einen Wert von 6,3 steigt und ein Plus von 0,6 Punkten im Vergleich zu 2018 bedeutet. Top-Trend ist seit Sommer des Krisenjahrs 2022 Cyber Security und die zunehmende Bedrohung der Unternehmenssicherheit, gefolgt vom demografischen Wandel und Nachhaltigkeit.
Unternehmenssicherheit und Cyber Security sind die größten Herausforderungen der nächsten Jahre
Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine rückt das Thema Sicherheit noch stärker in den Fokus deutscher Unternehmen. Zwei Drittel (67 Prozent) schätzen Cyber Security und die zunehmende Bedrohung der Unternehmenssicherheit als große oder existenzielle Herausforderung ein. Mit einem Indexwert von 7,2 steht das Thema 2022 an der Spitze der Trends und hat seit der ersten Erhebung eine enorme Entwicklung hinter sich, denn 2018 belegte es noch Platz 8 von 12.
„Schon vor dem Krieg in der Ukraine war den Unternehmen klar, dass die Unternehmenssicherheit und insbesondere die Cyber Security in den nächsten Jahren zur Herausforderung wird. Die Covid-19-Pandemie hat die Digitalisierung in Deutschland stark beschleunigt und damit neue Angriffsmöglichkeiten für Cyberkriminalität geschaffen. Die Entwicklung der globalen Sicherheitslage hat diesen Trend beschleunigt und die Furcht vor politisch motivierten Cyberattacken verstärkt. Mit einer Verlagerung ihrer Investitionen wollen die Unternehmen dieser Entwicklung gerecht werden. Wichtig ist, dass die Unternehmen sich im Kontext steigender Energie- und Rohstoffpreise nicht dazu verleiten lassen, an der Cyber Security zu sparen“, so Mattias Schmelzer.