CCV kritisiert Beschlüsse von Bundestag und Bundesrat
In der Nacht zum 25. Juni 2021 verabschiedete der Bundestag das sogenannte "Gesetz für faire Verbraucherverträge" sowie eine Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes. Die Gesetze enthalten u. a. umfassende Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten für den telefonischen Kundenservice sowie ein sektorales Textformerfordernis für Energielieferverträge. Der Call Center Verband Deutschland e. V. (CCV) kritisiert die Beschlüsse. Der Branchenverband der deutschen Call- und Contactcenter-Wirtschaft sieht darin eine bürokratische Überfrachtung von Verbrauchern und Unternehmen gleichermaßen, um sich im Wahljahr 2021 politisch zu profilieren.
Der im Januar 2020 veröffentlichte, vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz initiierte, ursprüngliche Referentenentwurf eines "Gesetzes für faire Verbraucherverträge" enthielt u. a. die sogenannte sektorale Bestätigungslösung. Diese sah bei telefonisch geschlossenen Energielieferverträgen eine nachträgliche Bestätigung durch den Verbraucher vor. Im Februar 2020 bezog der CCV ausführlich zu diesem Entwurf Stellung und lehnte die geplanten Regelungen ab. Zudem führte der Verband in den vergangenen Monaten zahlreiche Gespräche mit Vertretern der Regierungs- aber auch Oppositionsparteien und war 2019 als Sachverständiger in den Bundestag geladen. Die Bundesregierung verzichtete schließlich auf eine im Bürgerlichen Gesetzbuch verankerte Bestätigungslösung bei einem telefonischen Vertragsschluss. Nunmehr beschloss der Bundestag auf Vorschlage der Bundesregierung bei Energielieferverträgen mit Haushaltskunden außerhalb der Grundversorgung stattdessen jedoch ein Textformerfordernis unabhängig vom Vertriebskanal, welches im Energiewirtschaftsgesetz vorgesehen ist. Damit ein Vertrag wirksam ist, muss er somit künftig zum Beispiel per E-Mail, SMS, Brief oder Fax vorliegen.
"Bestätigungslösung und Textformerfordernis schützen nicht vor untergeschobenen Verträgen, sondern verkomplizieren lediglich die Rechtslage und erhöhen den Aufwand sowohl für Verbraucher als auch für Unternehmen. Zudem sind Verbraucher bereits durch ihr umfassendes und allgemein bekanntes Widerrufsrecht effektiv geschützt", kommentiert CCV-Präsident Dirk Egelseer und ergänzt: "Darüber hinaus existiert kein Zahlenmaterial, inwieweit untergeschobene Verträge sowie ungewollte Anbieterwechsel ein Problem darstellen, um solch eine Reglementierung überhaupt begründen zu können. Die Vorgabe verbessert nicht die Position des Verbrauchers, verkompliziert den Vertragsschluss für beide Seiten und ist in der Rechtswissenschaft umstritten. Kunden werden mit teils redundanten Vertragstexten, AGBs, Belehrungen, Transparenzerklärungen und weiteren Hinweisen förmlich überflutet, ohne dass dies im Alltag tatsächlich zu deren Schutz beiträgt."
Ebenfalls nicht interessengerecht wäre die zunächst im Referentenentwurf des „Gesetzes für faire Verbraucherverträge“ angedachte und vom CCV kritisierte ausnahmslose Verkürzung der Maximallaufzeit von Dauerschuldverhältnissen von zwei Jahren auf ein Jahr gewesen. In einem späteren Regierungsentwurf sollten schließlich weiterhin Verträge mit einer Laufzeit von bis zu zwei Jahren möglich sein, wenn ferner ein Vertrag über die gleiche Leistung mit einer Laufzeit von einem Jahr angeboten wird. Dieser Vertrag hätte im Monatsdurchschnitt maximal 25 Prozent teurer sein dürfen als der Vertrag mit der längeren Laufzeit. Darauf verzichtet der Gesetzgeber nunmehr.
"Verträge mit 24-monatiger Laufzeit bieten Verbrauchern und Unternehmen gleichermaßen Vorteile und sind darum trotz Angebotsvielfalt die beliebteste Variante. Ihre Beliebtheit spiegelt wider, dass sie für beide Vertragsparteien einen angemessenen Interessenausgleich darstellt. Dass Verträge mit längerer Laufzeit weiterhin möglich sind, ist darum zu begrüßen", legt CCV-Leiter Recht & Regulierung und Verbandsjustitiar Constantin Jacob dar, der jedoch zu bedenken gibt, dass "die Formulierung des verabschiedeten § 309 Nr. 9 BGB, welcher u. a. auch Neuregelungen für Kündigungsfristen enthält, für juristisch nicht versierte Personen, wie auch das übrige AGB-Recht, kaum nachvollziehbar ist."
Der CCV lehnt zudem die umfassenden Dokumentations- und Aufbewahrungspflichten zur Einwilligung in die Telefonwerbung ab. Dirk Egelseer merkt hierzu an: "Die beschlossenen Pflichten sollen nicht den Verbraucher schützen, sondern lediglich die Arbeit der Bundesnetzagentur erleichtern, kehren dabei jedoch die Beweislast als elementares Grundprinzip des deutschen Straf- und Ordnungswidrigkeitsrechts um. Auch sind die Regelungen in Hinblick auf das Fernmeldegeheimnis und den Datenschutz höchst problematisch." Obwohl die Verfolgungsverjährung in diesem Zusammenhang drei Jahre beträgt, sollen Callcenter Einwilligungen für fünf Jahre aufbewahren. "Weshalb hier von der Verjährungsfrist abgewichen wurde, konnte uns niemand beantworten. Welches Motiv zugrunde liegt, bleibt völlig unklar und geht auch nicht aus der Gesetzesbegründung hervor. Dieses Sammelsurium aus verschiedenen Fristen verkompliziert die Rechtslage zusätzlich", bemängelt Constantin Jacob.
Die vom Bundestag getroffenen Beschlüsse passierten im Laufe des 25. Juni 2021 auch den Bundesrat.
Der Verbraucher- und Beschäftigtenschutz ist dem CCV ein fundamentales Anliegen. Entsprechend wurde gemeinsam mit dem Deutschen Dialogmarketing Verband e. V. (DDV) und in Zusammenarbeit mit der Bundesnetzagentur ein Branchenkodex erstellt, der verbindliche Regeln für das Telefonieverhalten festlegt. Dem CCV ist als Stimme der Branche stets an einem konstruktiven Dialog mit Politik und Verbraucherschutz gelegen, um gemeinsam sinnvolle Marktregeln zu schaffen, welche allen Marktteilnehmern gerecht werden. Denn Kundenservice darf auch kein rechtlicher Hindernislauf sein und Regulierungen müssen transparent, nachvollziehbar und mit Augenmaß erfolgen. Beim "Gesetz für faire Verbraucherverträge" und bei der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes ist dies leider nicht der Fall.