Keine Extrawürste?
Keine Extrawürste?
Wenn jemand befördert wird, eine Gehaltserhöhung bekommt oder vom Chef zum Nachfolger ernannt wird, finden sich schnell andere, die sich ungerecht behandelt fühlen. Es gelte schließlich gleiches Recht für alle, heißt es dann. Gleiches Recht heißt aber nicht, dass alle auch gleich behandelt werden, auch wenn die Begriffe zunehmend synonym gebraucht werden. Wir erleben gerade, dass das Soziale immer bedeutsamer wird, und das Individuelle etwas nahezu Anstößiges zu werden scheint. Ich habe nichts gegen die Sozialität, sie ist Teil eines jeden Menschen. Ich habe nur etwas dagegen, wenn sie auf eine Kollektivierung hinausläuft, in der ein Mensch sich wie ein Schwarmtier verhalten muss.
Es scheint, als ob Konformität in immer mehr Unternehmen die Blaupause für den Umgang mit Mitarbeitern darstellt. Doch sie entspricht nicht der Realität: Wir haben alle unterschiedliche Fähigkeiten, unterschiedliche Interessen, unterschiedliches Aussehen und unterschiedliche Ausgangslagen. Wenn in einem Betrieb eine Mutter alleinerziehend ist, und ihr Kind krank, dann kann ihr Chef sie nicht gleich behandeln wie Mitarbeiter, die keine Kinder haben. Dann sollte ihr Chef nichts dagegen haben, wenn die junge Mutter später im Büro erscheint. Wenn sich dann ein kinderloser Mitarbeiter beschwert, dass er nicht auch später kommen darf, dann hat das nichts mit Ungerechtigkeit zu tun, sondern mit der individuellen Situation.
Manche Gleichbehandlungsforderungen können einem richtig auf den Geist gehen. Ich erinnere mich an ein Unternehmen, das für das Management ein Schulungsprogramm durchführen wollte, an dem auch die Chefsekretärin teilnehmen sollte. Gründe dafür gab es genug. Die Chefsekretärin hatte nahezu täglich mit dem gesamten Management zu tun. Ihr Vorgesetzter wollte, dass die Sekretärin den Entwicklungsprozess mitmachte, um die Kommunikation im Management zu optimieren. Allerdings waren Seminare in diesem Unternehmen mitbestimmungspflichtig und der Betriebsrat forderte, dass auch alle übrigen Sekretärinnen an diesem Programm teilnehmen müssten, schließlich seien alle gleich zu behandeln. Das Programm wurde letztlich zwar durchgeführt, allerdings ohne die Chefsekretärin, die es als einzige hätte nutzen können. Der Betriebsrat fand das gerecht. Keine Extrawürste!
Gleichbehandlung und Gerechtigkeit haben schlicht und einfach nichts miteinander zu tun. Das heißt nicht, dass das Grundprinzip der Gleichbehandlung schlecht oder falsch ist. Es ist sicher richtig und ethisch vertretbar, dass die gleichen Voraussetzungen im Prinzip für alle gelten. Dann jedoch gilt es, die individuellen Eigenheiten mit zu berücksichtigen. Nur dann kann Gleichbehandlung auch der Gerechtigkeit entsprechen. Gerechtigkeit ist nach dem römischen Juristen Ulpian der feste Wille, einem jeden Menschen sein Recht zukommen zu lassen. Das ist der wahre Gleichbehandlungsgrundsatz. Ich kann jeden Menschen aber nur dann sein Recht zukommen lassen, wenn ich nicht rücksichtslos den Kamm der Sozialität über ihn schere. Der Gelehrte Pierre Teilhard de Chardin hat in den 1960er Jahren die Befürchtung geäußert, dass wir Menschen auf dem Weg zu einem Termitenstaat sind. Wenn wir aufhören, das Individuelle der Menschen in unseren Entscheidungen zu berücksichtigen, dann ist es bald soweit.
Ulf Posé
Wenn jemand befördert wird, eine Gehaltserhöhung bekommt oder vom Chef zum Nachfolger ernannt wird, finden sich schnell andere, die sich ungerecht behandelt fühlen. Es gelte schließlich gleiches Recht für alle, heißt es dann. Gleiches Recht heißt aber nicht, dass alle auch gleich behandelt werden, auch wenn die Begriffe zunehmend synonym gebraucht werden. Wir erleben gerade, dass das Soziale immer bedeutsamer wird, und das Individuelle etwas nahezu Anstößiges zu werden scheint. Ich habe nichts gegen die Sozialität, sie ist Teil eines jeden Menschen. Ich habe nur etwas dagegen, wenn sie auf eine Kollektivierung hinausläuft, in der ein Mensch sich wie ein Schwarmtier verhalten muss.
Es scheint, als ob Konformität in immer mehr Unternehmen die Blaupause für den Umgang mit Mitarbeitern darstellt. Doch sie entspricht nicht der Realität: Wir haben alle unterschiedliche Fähigkeiten, unterschiedliche Interessen, unterschiedliches Aussehen und unterschiedliche Ausgangslagen. Wenn in einem Betrieb eine Mutter alleinerziehend ist, und ihr Kind krank, dann kann ihr Chef sie nicht gleich behandeln wie Mitarbeiter, die keine Kinder haben. Dann sollte ihr Chef nichts dagegen haben, wenn die junge Mutter später im Büro erscheint. Wenn sich dann ein kinderloser Mitarbeiter beschwert, dass er nicht auch später kommen darf, dann hat das nichts mit Ungerechtigkeit zu tun, sondern mit der individuellen Situation.
Manche Gleichbehandlungsforderungen können einem richtig auf den Geist gehen. Ich erinnere mich an ein Unternehmen, das für das Management ein Schulungsprogramm durchführen wollte, an dem auch die Chefsekretärin teilnehmen sollte. Gründe dafür gab es genug. Die Chefsekretärin hatte nahezu täglich mit dem gesamten Management zu tun. Ihr Vorgesetzter wollte, dass die Sekretärin den Entwicklungsprozess mitmachte, um die Kommunikation im Management zu optimieren. Allerdings waren Seminare in diesem Unternehmen mitbestimmungspflichtig und der Betriebsrat forderte, dass auch alle übrigen Sekretärinnen an diesem Programm teilnehmen müssten, schließlich seien alle gleich zu behandeln. Das Programm wurde letztlich zwar durchgeführt, allerdings ohne die Chefsekretärin, die es als einzige hätte nutzen können. Der Betriebsrat fand das gerecht. Keine Extrawürste!
Gleichbehandlung und Gerechtigkeit haben schlicht und einfach nichts miteinander zu tun. Das heißt nicht, dass das Grundprinzip der Gleichbehandlung schlecht oder falsch ist. Es ist sicher richtig und ethisch vertretbar, dass die gleichen Voraussetzungen im Prinzip für alle gelten. Dann jedoch gilt es, die individuellen Eigenheiten mit zu berücksichtigen. Nur dann kann Gleichbehandlung auch der Gerechtigkeit entsprechen. Gerechtigkeit ist nach dem römischen Juristen Ulpian der feste Wille, einem jeden Menschen sein Recht zukommen zu lassen. Das ist der wahre Gleichbehandlungsgrundsatz. Ich kann jeden Menschen aber nur dann sein Recht zukommen lassen, wenn ich nicht rücksichtslos den Kamm der Sozialität über ihn schere. Der Gelehrte Pierre Teilhard de Chardin hat in den 1960er Jahren die Befürchtung geäußert, dass wir Menschen auf dem Weg zu einem Termitenstaat sind. Wenn wir aufhören, das Individuelle der Menschen in unseren Entscheidungen zu berücksichtigen, dann ist es bald soweit.
Ulf Posé