Digitales Manifest statt Merkel-Blabla
Schon vor vier Jahren wollte Bundeskanzlerin Angela Merkel uns mit einem schnellen Internet von mindestens 50 Megabit pro Sekunde erfreuen und sprach auf IT-Gipfeln bereits von Visionen einer Gigabit-Gesellschaft. Über durchschnittlich 7 Megabit sind wir bislang nicht hinaus gekommen. Mit der „neuen“ Digitalen Agenda, die nur aus Absichtserklärungen besteht, wird sich das nicht ändern.
Es solle „darauf hingewirkt werden, die europäischen wie nationalen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sich Investitionen auch im ländlichen Raum lohnen“. Der Bund wolle sich beim EU-Kommissar für eine Rahmenregelung einsetzen, die den Breitbandausbau „in unbürokratischer, technologieneutraler und wettbewerbsfreundlicher Weise ermöglicht“. Alles wieder leere Absichtserklärungen, die im ministerialbürokratischen Moloch zu Tode verwaltet werden, auch wenn sich Innenminister Thomas de Maizière, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Verkehrsminister Alexander Dobrindt auf einen Minimalkonsens geeinigt haben.
Keinen einzigen Cent macht der Bund locker, um Deutschland eine zukunftsfähige Daten-Infrastruktur zu spendieren. Entsprechend groß ist das Erstaunen und Erschrecken bei den Experten von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik.
Rahmenbedingungen vergraben keine Kabel
Wenn Politiker von Rahmenbedingungen plaudern, sei das ein politischer Code für „kein Geld, nur Gesetze“, so Sascha Lobo. Rahmenbedingungen vergraben eben keine Kabel. Verwundern könne das nicht. „Ein Megabit reiche doch“, das habe Lobo noch beim IT-Gipfel 2011 von Mitarbeitern des federführenden Wirtschaftsministeriums gehört. In Südkorea bastelten sie da schon am Sprung zu 100-Megabit-Leitungen, um den Wandel zur Netzökonomie voranzutreiben. Den Hauptgrund, warum wir uns die digitale Rückständigkeit nicht leisten können, hat Lobo simpel zusammengefasst: „Es gibt zwei Arten von Unternehmen: diejenigen, deren Geschäft sich durch die Datenökonomie verändert. Und diejenigen, die noch nicht wissen, dass ihr Geschäft sich durch die Datenökonomie verändert.“ Und das liegt nicht an den Marketing-Ausgaben für irgendwelche Facebook-Präsenzen oder Investitionen für die Suchmaschinen-Optimierung. Vielmehr greife die digitale Vernetzung tiefer, als man zunächst vermuten würde, in die Geschäftsmodelle fast aller Branchen ein.
Betriebssysteme auf klingonisch
Habe man vor rund zehn Jahren Jugendliche gefragt, welches Handy sie haben, war ihre Antwort vermutlich: „Ein Nokia.“ Heute sagen sie: „Ein Android.“ „Der Unterschied? Beim ersten war das entscheidende Kriterium die Hardware, beim zweiten ist es die Software. Und zwar die vernetzte Software. Genau dafür braucht man überall schnelles Netz. Vernetzte Software dringe via Schlagworte wie „Cloud“, „Big Data“ und „Business Intelligence“ in alle möglichen Bereiche der Wirtschaft ein, von Medien bis Medizin, von Mobilität bis Maschinenbau, von Marketing bis Finanzwirtschaft, schreibt Lobo. Die Verschiebung von der Hardware zur Software zur vernetzten Software sei die entscheidende Entwicklung der nächsten Jahre. Und wie viele Internetkonzerne sind im DAX noch mal gelistet, um auf diesem Feld Akzente zu setzen? Null, nischta, nix. Was ist die Folge?
„VW, BMW, Mercedes schließen Verträge mit — Überraschung! — Apple und Google. Es lässt sich der Zeitpunkt absehen, wo diese Allianzen umschlagen können wie einst die Allianz zwischen IBM und Microsoft“, bemerkt Lobo.
15 Jahre später verabschiedete sich IBM aus dem Geschäft mit Personal-Computern und Microsoft war der größte Tech-Konzern der Welt. Jetzt zählen Apple und Google zu den wichtigsten Digitalkonzernen und werden sich sicherlich nicht von den vollmundigen Industrie-4.0-Gesängen der Wirtschaftslobbyisten in Deutschland beeindrucken lassen. Die Software unserer Autohersteller, die im PKW immer relevanter wird, sei niemanden zuzumuten, meint Sascha Lobo.
Warum habe VW vermutlich die besten Sowieso-Einspritzer der Welt, aber die Spracherkennung wirkt wie auf klingonisch programmiert? Und die Bedienkonzepte der Touchscreens deutscher Autos fühlten sich an wie Geldautomaten der 90er-Jahre. Was wir vom Smartphone gewöhnt sind, verlangen wir auch bei allen anderen Produkten.
De Maizière macht den Morozov
Wer das anprangert, wird vom prosafreudigen Innenminister in die Kategorie naiver Techno-Optimist eingetütet. Eine Typologisierung, die sich der liebwerteste Sicherheits-Gichtling für einen „FAZ“-Gastbeitrag bei der Dauersirene Evgeny Morozov ausgeliehen hat. Morozov verortet drei Personengruppen bei der Bewertung des digitalen Wandels: die Techno-Pessimisten, die Techno-Optimisten sowie die Techno-Agnostiker. Intellektuelle Sandkastenspielchen ohne empirische Unterfütterung. Einfach mal so hingeschrieben, um irgendwie die Naivlinge des Silicon Valley anzupinkeln.
Maizière schwingt die Morozov-Keule gleich in Richtung der gesamten „Netzgemeinde“, um die niederschmetternde Kritik an der Netzpolitik seiner Regierung mit Teflonpfannen-Rhetorik abzuwehren. Dennoch wolle er das schnellste und sicherste Netz in Deutschland schaffen. Wie im Koalitionsvertrag der GroKo schreibt der Innenminister viel über Sicherheit und wenig über die Modernisierung der digitalen Infrastruktur. Irgendwann habe ich aufgehört, im „FAZ“-Beitrag die Häufigkeit des Wortes „Schutz“ zu zählen.
Je gravierender die Risiken, desto höher müssten die Anforderungen an Schutzvorkehrungen sein. Auf freiwilliger Basis bestehende Angebote und Initiativen in Anspruch zu nehmen reicht hier nicht mehr aus! Der Staat müsse deshalb „Sicherheitsgurte für die IT der kritischen Infrastrukturen“ einführen. Wird dann ein Melderegister eingeführt? Schafft man eine Cyber-Polizei, um Verstöße gegen die Meldepflicht aufzuspüren? Und bestimmt ist schon ein umfassender Bußgeld-Katalog in Arbeit, um den Ungehorsam bei der Meldepflicht zu ahnden. Das klingt nicht nach digitalen Visionen, sondern nach der Notwendigkeit eines Sondereinsatz-Kommandos, um das Überleben im Cyber-Krieg zu sichern. So wird das nichts mit der digitalen Kompetenz, Herr Minister. Bitte sagen Sie das Ihren Redeschreibern.
Größtmöglicher Unfug
Was soll man mit solchen Formulierungen anfangen?
„Wir wissen, dass wir beim Thema ‚IT-Sicherheit‘ verstärkt global denken müssen. Die Basis hierfür ist ein entschlossenes nationales Handeln Deutschlands. Die IT-Systeme und digitalen Infrastrukturen Deutschlands sollen die sichersten weltweit werden. Mit dem IT-Sicherheitsgesetz wollen wir international Vorreiter und Vorbild für die Entwicklung in anderen Ländern sein und so nicht zuletzt auch die deutschen IT-Sicherheitsunternehmen stärken und ihnen verbesserte Exportchancen eröffnen“, heißt es seitens der Bundesregierung.
Das sei der größtmögliche Unfug, moniert Innovationsberater Jürgen Stäudtner: „Das Beispiel der De.Mail oder der elektronischen Patientenkarte zeigt, dass nur bürokratische, industriefreundliche Ungeheuer entstehen, die sich eben nicht durchsetzen“, so der Cridon-Geschäftsführer. Ist das nun ein Ausfluss von naivem Techno-Optimismus, den da ein Praktiker der Wirtschaft artikuliert? Oder das kritische Urteil von Personalmanager Thomas Sattelberger über die IT-Expertise in Deutschland: „Die USA sind das Digital House der Welt geworden und China das Maschinenhaus der Welt. Damit ist Deutschland im Sandwich zwischen digitaler Innovation und effizienter Produktion aus Asien. Zugleich entwickeln sich neue Felder wie IT, Biotech und Big-Data-Management in dramatischer Geschwindigkeit. Hier spielt Deutschland kaum eine Rolle.“ Auch nur naive Techno-Optimisten oder Techno-Agnostiker?Die digitalen Naivlinge sitzen wohl eher am Kabinettstisch von Neuland-Kanzlerin Merkel. Diese Bemerkung sei mir gestattet, wo doch der Innenminister so gerne klassifiziert.
Wir wollen das ändern und verschrotten deshalb die Agenda der Bundesregierung. Wir schreiben ein digitales Manifest und hoffen auf Eure Mithilfe. Mitmachen und weitersagen. https://www.facebook.com/DigitalesManifest
Es solle „darauf hingewirkt werden, die europäischen wie nationalen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass sich Investitionen auch im ländlichen Raum lohnen“. Der Bund wolle sich beim EU-Kommissar für eine Rahmenregelung einsetzen, die den Breitbandausbau „in unbürokratischer, technologieneutraler und wettbewerbsfreundlicher Weise ermöglicht“. Alles wieder leere Absichtserklärungen, die im ministerialbürokratischen Moloch zu Tode verwaltet werden, auch wenn sich Innenminister Thomas de Maizière, Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Verkehrsminister Alexander Dobrindt auf einen Minimalkonsens geeinigt haben.
Keinen einzigen Cent macht der Bund locker, um Deutschland eine zukunftsfähige Daten-Infrastruktur zu spendieren. Entsprechend groß ist das Erstaunen und Erschrecken bei den Experten von Wirtschaft, Gesellschaft und Politik.
Rahmenbedingungen vergraben keine Kabel
Wenn Politiker von Rahmenbedingungen plaudern, sei das ein politischer Code für „kein Geld, nur Gesetze“, so Sascha Lobo. Rahmenbedingungen vergraben eben keine Kabel. Verwundern könne das nicht. „Ein Megabit reiche doch“, das habe Lobo noch beim IT-Gipfel 2011 von Mitarbeitern des federführenden Wirtschaftsministeriums gehört. In Südkorea bastelten sie da schon am Sprung zu 100-Megabit-Leitungen, um den Wandel zur Netzökonomie voranzutreiben. Den Hauptgrund, warum wir uns die digitale Rückständigkeit nicht leisten können, hat Lobo simpel zusammengefasst: „Es gibt zwei Arten von Unternehmen: diejenigen, deren Geschäft sich durch die Datenökonomie verändert. Und diejenigen, die noch nicht wissen, dass ihr Geschäft sich durch die Datenökonomie verändert.“ Und das liegt nicht an den Marketing-Ausgaben für irgendwelche Facebook-Präsenzen oder Investitionen für die Suchmaschinen-Optimierung. Vielmehr greife die digitale Vernetzung tiefer, als man zunächst vermuten würde, in die Geschäftsmodelle fast aller Branchen ein.
Betriebssysteme auf klingonisch
Habe man vor rund zehn Jahren Jugendliche gefragt, welches Handy sie haben, war ihre Antwort vermutlich: „Ein Nokia.“ Heute sagen sie: „Ein Android.“ „Der Unterschied? Beim ersten war das entscheidende Kriterium die Hardware, beim zweiten ist es die Software. Und zwar die vernetzte Software. Genau dafür braucht man überall schnelles Netz. Vernetzte Software dringe via Schlagworte wie „Cloud“, „Big Data“ und „Business Intelligence“ in alle möglichen Bereiche der Wirtschaft ein, von Medien bis Medizin, von Mobilität bis Maschinenbau, von Marketing bis Finanzwirtschaft, schreibt Lobo. Die Verschiebung von der Hardware zur Software zur vernetzten Software sei die entscheidende Entwicklung der nächsten Jahre. Und wie viele Internetkonzerne sind im DAX noch mal gelistet, um auf diesem Feld Akzente zu setzen? Null, nischta, nix. Was ist die Folge?
„VW, BMW, Mercedes schließen Verträge mit — Überraschung! — Apple und Google. Es lässt sich der Zeitpunkt absehen, wo diese Allianzen umschlagen können wie einst die Allianz zwischen IBM und Microsoft“, bemerkt Lobo.
15 Jahre später verabschiedete sich IBM aus dem Geschäft mit Personal-Computern und Microsoft war der größte Tech-Konzern der Welt. Jetzt zählen Apple und Google zu den wichtigsten Digitalkonzernen und werden sich sicherlich nicht von den vollmundigen Industrie-4.0-Gesängen der Wirtschaftslobbyisten in Deutschland beeindrucken lassen. Die Software unserer Autohersteller, die im PKW immer relevanter wird, sei niemanden zuzumuten, meint Sascha Lobo.
Warum habe VW vermutlich die besten Sowieso-Einspritzer der Welt, aber die Spracherkennung wirkt wie auf klingonisch programmiert? Und die Bedienkonzepte der Touchscreens deutscher Autos fühlten sich an wie Geldautomaten der 90er-Jahre. Was wir vom Smartphone gewöhnt sind, verlangen wir auch bei allen anderen Produkten.
De Maizière macht den Morozov
Wer das anprangert, wird vom prosafreudigen Innenminister in die Kategorie naiver Techno-Optimist eingetütet. Eine Typologisierung, die sich der liebwerteste Sicherheits-Gichtling für einen „FAZ“-Gastbeitrag bei der Dauersirene Evgeny Morozov ausgeliehen hat. Morozov verortet drei Personengruppen bei der Bewertung des digitalen Wandels: die Techno-Pessimisten, die Techno-Optimisten sowie die Techno-Agnostiker. Intellektuelle Sandkastenspielchen ohne empirische Unterfütterung. Einfach mal so hingeschrieben, um irgendwie die Naivlinge des Silicon Valley anzupinkeln.
Maizière schwingt die Morozov-Keule gleich in Richtung der gesamten „Netzgemeinde“, um die niederschmetternde Kritik an der Netzpolitik seiner Regierung mit Teflonpfannen-Rhetorik abzuwehren. Dennoch wolle er das schnellste und sicherste Netz in Deutschland schaffen. Wie im Koalitionsvertrag der GroKo schreibt der Innenminister viel über Sicherheit und wenig über die Modernisierung der digitalen Infrastruktur. Irgendwann habe ich aufgehört, im „FAZ“-Beitrag die Häufigkeit des Wortes „Schutz“ zu zählen.
Je gravierender die Risiken, desto höher müssten die Anforderungen an Schutzvorkehrungen sein. Auf freiwilliger Basis bestehende Angebote und Initiativen in Anspruch zu nehmen reicht hier nicht mehr aus! Der Staat müsse deshalb „Sicherheitsgurte für die IT der kritischen Infrastrukturen“ einführen. Wird dann ein Melderegister eingeführt? Schafft man eine Cyber-Polizei, um Verstöße gegen die Meldepflicht aufzuspüren? Und bestimmt ist schon ein umfassender Bußgeld-Katalog in Arbeit, um den Ungehorsam bei der Meldepflicht zu ahnden. Das klingt nicht nach digitalen Visionen, sondern nach der Notwendigkeit eines Sondereinsatz-Kommandos, um das Überleben im Cyber-Krieg zu sichern. So wird das nichts mit der digitalen Kompetenz, Herr Minister. Bitte sagen Sie das Ihren Redeschreibern.
Größtmöglicher Unfug
Was soll man mit solchen Formulierungen anfangen?
„Wir wissen, dass wir beim Thema ‚IT-Sicherheit‘ verstärkt global denken müssen. Die Basis hierfür ist ein entschlossenes nationales Handeln Deutschlands. Die IT-Systeme und digitalen Infrastrukturen Deutschlands sollen die sichersten weltweit werden. Mit dem IT-Sicherheitsgesetz wollen wir international Vorreiter und Vorbild für die Entwicklung in anderen Ländern sein und so nicht zuletzt auch die deutschen IT-Sicherheitsunternehmen stärken und ihnen verbesserte Exportchancen eröffnen“, heißt es seitens der Bundesregierung.
Das sei der größtmögliche Unfug, moniert Innovationsberater Jürgen Stäudtner: „Das Beispiel der De.Mail oder der elektronischen Patientenkarte zeigt, dass nur bürokratische, industriefreundliche Ungeheuer entstehen, die sich eben nicht durchsetzen“, so der Cridon-Geschäftsführer. Ist das nun ein Ausfluss von naivem Techno-Optimismus, den da ein Praktiker der Wirtschaft artikuliert? Oder das kritische Urteil von Personalmanager Thomas Sattelberger über die IT-Expertise in Deutschland: „Die USA sind das Digital House der Welt geworden und China das Maschinenhaus der Welt. Damit ist Deutschland im Sandwich zwischen digitaler Innovation und effizienter Produktion aus Asien. Zugleich entwickeln sich neue Felder wie IT, Biotech und Big-Data-Management in dramatischer Geschwindigkeit. Hier spielt Deutschland kaum eine Rolle.“ Auch nur naive Techno-Optimisten oder Techno-Agnostiker?Die digitalen Naivlinge sitzen wohl eher am Kabinettstisch von Neuland-Kanzlerin Merkel. Diese Bemerkung sei mir gestattet, wo doch der Innenminister so gerne klassifiziert.
Wir wollen das ändern und verschrotten deshalb die Agenda der Bundesregierung. Wir schreiben ein digitales Manifest und hoffen auf Eure Mithilfe. Mitmachen und weitersagen. https://www.facebook.com/DigitalesManifest