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Online-Reputation beeinflusst Kaufentscheidungen

Immer mehr Kunden informieren sich im Internet. Der „gute Ruf“ im Internet wird für Firmen immer entscheidender.
Karsten Füllhaas | 07.09.2008
Heute werden Geschäftsführer und Marketing-Verantwortliche immer wieder von Berichten aufgeschreckt, dass ein unbekannter Blogger im Internet etwas über eine Firma aufgedeckt hat und damit ein PR-Desaster losgetreten hat. Solche schlagzeilenträchtigen Einzelfälle zeigen, dass sich das Nutzungsverhalten der Menschen im Internet verändert hat. Unter dem Schlagwort „Web 2.0“ ist das Internet zu einem „Mitmachweb“ geworden, wo eine wachsende Anzahl Menschen nicht nur Privates, sondern auch Erfahrungen und Erlebnisse mit Produkten und Unternehmen veröffentlicht und sich mit anderen vernetzt und austauscht. Blogs, Social Networks, Foren, Bewertungs- und Shoppingportale erleben einen Zuwachs an aktiven Nutzern und Lesern. Seitdem das Mitmach-Internet im grossen Stil Kaufentscheidungen beeinflusst, sprechen Kommunikationsfachleute von der „digitalen Reputation“ oder der „Online-Reputation“.

Der so genannte „gute Ruf“ ist seit jeher eines der wichtigsten immateriellen Güter für ein Unternehmen. Der Begriff „Reputation“ bedeutet gemäss der Online-Enzyklopädie Wikipedia „das Ansehen eines Menschen oder einer Gruppe“. Auf die Welt der Unternehmen übertragen, ist die Reputation die Summe aller Erlebnisse, Gefühle und Erfahrungen in Zusammenhang mit einem Unternehmen über einen längeren Zeitraum hinweg. Faktoren wie Vertrauenswürdigkeit, Glaubwürdigkeit und Verantwortungsbewusstsein (Corporate Social Responsibility) spielen dabei eine zentrale Rolle. Die Pflege der Reputation ist eine Managementaufgabe und gehört zum unverzichtbaren Teil des Risikomanagement. Aufbau und Pflege einer guten Reputation sind eine langfristig zu planende Aufgabe.

Wie Online-Reputation entsteht
Stellen Sie sich vor, Sie sind auf der Suche nach einer neuen Digitalkamera. Im Elektronikdiscounter sehen Sie sich mit einem schier unüberblickbaren vielfältigen Angebot konfrontiert, und ein guter Kundenberater ist nirgends zu finden. Im Internet recherchieren Sie mit einer Suchmaschine verschiedene Hersteller und Kameratypen. Zu der Kamera, die es Ihnen besonders angetan hat, entdecken Sie auf einem Shopping-Portal Berichte unzufriedener Kunden, und ein Blogger schreibt, dass er mit dem Kundenservice überhaupt nicht zufrieden war. Unbedeutende Einzelfälle, mögen Sie denken, aber etwas misstrauisch sind Sie schon geworden und schauen sich Modelle anderer Hersteller an...

Reputation trägt zum Erfolg bei
So wie im oben geschilderten Beispiel nutzen immer mehr Konsumenten die Erfahrungen und Meinungen anderer Leute im Internet und beziehen diese in ihre Kaufentscheidung mit ein. Das Internet hat in den letzten beiden Jahren das Fernsehen als wichtigstes Informationsmedium für Produktinformationen abgelöst. Um Kaufentscheidungen zu treffen, bevorzugen selbst in der Altersgruppe der 50- bis 59-Jährigen die Mehrheit das Internet gegenüber Zeitungen, Zeitschriften und Fernsehen. Der Durchschnitt über alle Altersgruppen hinweg liegt bei 63 Prozent. Dies sind Resultate einer Studie der Universität Bonn und der IBM Global Business Services. Ähnliche Resultate hat im vergangenen Jahr eine Studie des Schweizer Gottlieb Duttweiler Instituts ergeben: Die Suche nach dem „Vertrauen 2.0“ hat ergeben, wem die Konsumenten von heute ihr Vertrauen schenken: Die repräsentative Umfrage zeigt, dass neben Experten, unabhängigen Organisationen, Familie und Freunden das Internet eine wichtige Rolle spielt: Soziale Netzwerke, Foren mit Kundenfeedback und Preisvergleichsdienste spielen beim Kaufentscheid eine zunehmende Rolle.

David Burkardt, Geschäftsführer des Webhosters cyon GmbH, bringt es auf den Punkt: „Potenzielle Neukunden verlassen sich vermehrt nicht mehr nur auf die Versprechen auf der Firmenwebseite, sondern suchen nach Meinungen und Erfahrungen Dritter. Hier nehmen beispielsweise Blogs eine zunehmend wichtigere Stellung ein, da sie oft in den vorderen Rängen der Suchergebnisse auftreten.“

Von einer guten Reputation profitiert ein Unternehmen in vielerlei Hinsicht. Eine gute Reputation erzeugt ein geschäftsfreundliches Klima für das Unternehmen im Arbeits-, Kapital- und Absatzmarkt. Sie macht aus Gelegenheits-Kunden loyale Kunden und wirkt sich positiv auf die Mundpropaganda zu Gunsten des Unternehmens aus. Gute Reputation erleichtert zudem die Preisgestaltung und die Einführung neuer Produkte. Unternehmen mit einer guten Reputation haben es ausserdem leichter in der Öffentlichkeitsarbeit, aktiv Akzente zu setzen. Und schlussendlich ist eine gute Reputation nützlich in schwierigen Zeiten und hilft, Krisen leichter zu überstehen.

Für welche Unternehmen ist Online-Reputation wichtig
Grundsätzlich ist eine gute Reputation für jedes Unternehmen wichtig. Besonders auf die Online-Reputation achten müssen diejenigen Unternehmen, welche ihre Produkte übers Internet anbieten oder ihre Dienstleistungen direkt im Internet erbringen. Aber auch Vertreter traditioneller Branchen sind heute gut beraten, sich mit den Aktivitäten ihrer Konsumenten und Kunden im Web 2.0 auseinanderzusetzen. Nach Ansicht von Experten gehören dazu unter anderem die Lebensmittelhersteller, Reiseveranstalter, Autokonzerne, Telekom-Dienste und internetnahe Branchen wie beispielsweise die Computerspielindustrie.

Diese Einschätzung wird auch von Schweizer Unternehmen geteilt. „Gerade in unserer Branche ist eine gute Online-Reputation enorm wichtig“, sagt Vladimir Barrosa, Head of Marketing & Communication beim Internet Service Provider green.ch. Auch beim Kabelnetzbetreiber cablecom schreibt man der Online-Reputation eine wachsende Bedeutung zu. Für den Handyhersteller Nokia ist die Bedeutung der Online-Reputation eng mit der Geschäftsstrategie verknüpft. „Die Weiterentwicklung onlinebasierter Dienste, Software- und Unternehmenslösungen stellt für Nokia einen Kernbereich dar«, sagt Alexander Oswald, Marketing Manager Nokia Schweiz, „dementsprechend ist eine gute Online-Reputation sehr wichtig für uns.“ Aber auch ausserhalb der IT- und Telekommunikationsbranche teilt man diese Auffassung. Für den WWF Schweiz als Nicht-Regierungsorganisation ist das Internet ein wichtiger und kosteneffizienter Kommunikationskanal, und dementsprechend pflege der WWF seine Online-Reputation, sagt Pierrette Rey, Sprecherin des WWF Schweiz. Auch die Migros ist darauf bedacht, ihrem als gut wahrgenommenen Image auch im Internet gerecht zu werden, sagt Monica Glisenti, Leiterin Corporate Communications beim Migros-Genossenschafts-Bund.

Mit Monitoring immer im Bilde sein
Wissen, was über das eigene Unternehmen alles veröffentlicht wird, ist die Basis für ein aktives Management der Online-Reputation. Wenn es darum geht, sich zu entscheiden, was mit einem Internet-Monitoring alles erfasst werden soll, muss man Prioritäten setzen. Dazu gehören an allererster Stelle die Namen der wichtigsten Personen aus dem Unternehmen und natürlich der Firmenname selber. Markennamen oder Bezeichnungen einzelner Produkte und Dienstleistungen sollten nicht fehlen. Ebenfalls in ein Monitoring miteinbeziehen kann man – sofern vorhanden – den Catch-Phrase oder Claim, sowie die Namen der wichtigsten Kunden, Lieferanten und Partner.

Im Web 2.0 sind nicht nur viele Plattformen für das Veröffentlichen nutzergenierter Inhalte entstanden, sondern auch viele Tools, die sich fürs Monitoring eignen. Viele davon sind kostenlos verfügbar und eignen sich hervorragend für ein so genanntes Social Media Monitoring. „Wir lassen uns von der Blogsuchmaschine Technorati über neue Blogbeiträge informieren, die beispielsweise unseren Firmennamen enthalten. Dazu googeln wir auch regelmässig über uns selbst“, erklärt David Burkardt von der cyon GmbH. Der WWF analysiert den Traffic auf der eigenen Webseite und überwacht Kommentare auf den grösseren Web 2.0-Plattformen.

Praktisch alle diese Tools bieten RSS-Feeds an, so dass man sich die Resultate bequem als Feeds abonnieren kann und nicht jeden Tag die verschiedensten Seiten ansurfen muss. Natürlich hat dieses kostenlose Monitoring auch seine Grenzen, Blogs und Online-Medien werden von diesen Tools am besten abgedeckt. Schwieriger wird es mit Diskussionen auf Shopping- und Bewertungsportalen, Social Networks und allgemeinen Foren. Hier kann es sich lohnen, einen spezialisierten Dienstleister zu beauftragen. Ähnlich wie bei der traditionellen Medienbeobachtung bekommt man alle Erwähnungen des eigenen Firmennamens und anderer ausgewählter Begriffe in einer täglichen Zusammenfassung geliefert. Je nach Anbieter gibt es tiefergreifende Analysen, Bewertungen und eine grafische Aufbereitung der Ergebnisse.

Reputation als Ganzes erfassen
Ein reines Online-Monitoring reicht als Grundlage für ein umfassendes Reputationsmanagement natürlich nicht aus. Die Reputation eines Unternehmens wird durch die so genannten Stakeholder beeinflusst, zu den wichtigsten gehören Kunden, Mitarbeiter und Anteilseigner. Die Relevanz der anderen Stakeholder kann sich je nach Unternehmenstyp unterscheiden: Für einen Konsumgüterhersteller kann die Meinung in der Öffentlichkeit von entscheidender Bedeutung sein, wogegen für einen spezialisierten Technologieanbieter die Kenntnis über seinen Ruf in der Fachpresse besonders relevant ist. Kommunikationsberater verfügen über verschiedene Methoden, die Reputation eines Unternehmens bei den verschiedenen Stakeholder-Gruppen zu messen und zu bewerten. Die Basis dafür sind meistens umfangreiche Befragungen. So kann man erkennen, wo der grösste Handlungsbedarf besteht. Dies ist wiederum Grundlage für die Planung und Umsetzung von PR-Massnahmen, um die Reputation gezielt zu beeinflussen.

Einschätzungen und Reaktionen
Auch wenn Äusserungen in Blogs und anderen Web 2.0-Plattformen keinen repräsentativen Querschnitt der Konsumenten und Kunden darstellen, wäre es falsch, sie deswegen als unwichtig abzuwerten. Wer online seine Meinung kundtut, wird damit – im Guten wie im Schlechten – zum Botschafter einer Marke oder eines Unternehmens. Handelt es sich dabei um Personen, die innerhalb einer Community als Meinungsführer gelten, haben diese Äusserungen einen um so grösseren Wert. Durch die Tatsache, dass sich immer mehr Menschen über Produkte und Firmen im Internet informieren, wird dieser Zusammenhang immer wichtiger.

Hugo Wyler, Mediensprecher von cablecom bezeichnet treffend Äusserungen auf Blogs und Foren als „Temperaturmesser“. Auch wenn cablecom sich bis auf wenige Ausnahmen nicht in Blogs äussert, fliessen doch Themen und Anliegen in die Kommunikation mit Kunden ein. Auch bei green.ch reagiert man nur, wenn etwas Falsches oder Rufschädigendes über das Unternehmen geschrieben wird. Vladimir Barrosa betont jedoch: „Wir nehmen die Inputs und Kritik aber sehr ernst und versuchen diese Kritik in unsere Tätigkeiten einfliessen zu lassen, um unsere Dienstleistungen und Produkte zu verbessern.“ Auch Nokia nimmt negative Beiträge im Sinne einer konstruktiven Kritik jederzeit als Anlass für Verbesserungen. Monica Glisenti betont, dass Migros den Kunden via Telefon und Internet bereits verschiedene Feedbackkanäle biete und im vergangenen Jahr über 150.000 Anfragen erhalten und beantwortet habe. Auch bei der Migros reagiere man auf Äusserungen in Blogs und Foren nur dann, wenn falsche Informationen über die Migros verbreitet würden. Einen anderen Umgang mit Kritik aus dem Web pflegt man bei der cyon GmbH: „In der Regel nehmen wir in Blogs und Foren Stellung. Dank Kommentarfunktion geht das ja meist sehr einfach“, sagt Geschäftsführer David Burkardt.

Aktive Kommunikation ist entscheidend
Sich aktiv mit der eigenen Reputation zu beschäftigen, ist für ein vorausschauendes Unternehmen von grosser Bedeutung, nicht zuletzt um in einem immer härter werdenden Wettbewerb erfolgreich bestehen zu können. Aktives Management der Online-Reputation heisst im Internet selber aufzutreten und den Meinungsbildungsprozess zu beeinflussen oder mit zu gestalten. Das setzt voraus, dass Unternehmer selber aktiv kommunizieren, zum Beispiel in Blogs oder Communities, und ihren Kunden die Möglichkeiten geben, sich mit ihren Produkten und Dienstleistungen online auseinanderzusetzen.

Gerade Kommunikation in den sozialen Medien heisst nicht einfach, die Pressemitteilung auch noch an Blogger zu senden, sondern konstruktiv an Online-Diskussionen und am Informationsaustausch teilzunehmen. Das geschieht, wenn Personen aus dem Unternehmen heraus anfangen zu bloggen und sich in Communities und Social Networks zu engagieren. Denn Online-Reputation heisst eben nicht nur, sich punktuell gegen kritische oder falsche Behauptungen in Blogs zur Wehr zu setzen, sondern ist ein langfristiger und kontinuierlicher Prozess. Denn alles, was über ein Unternehmen oder Produkt im Internet einmal geschrieben wurde, bleibt noch jahrelang via Suchmaschinen auffindbar. Nicht ohne Grund sagt man im Zusammenhang mit Online-Reputation immer: „Das Web vergisst nie.“