Mobile – Nutzungsszenarien
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Online-Marketing Band 2:
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Das mobile Internet hat seinen Durchbruch geschafft und wird immer mehr zum Teil unseres alltäglichen Lebens. In 2010 ist die Nutzung des mobilen Internets laut dem Statistischen Bundesamt um 78 Prozent von neun Prozent in 2009 auf 16 Prozent in 2010 gestiegen [1]. Der BITKOM geht von einer Steigerung des Verkaufs von Smartphones, die im Endgerätemarkt der Treiber der Entwicklung des mobilen Internets sind, um 36 Prozent auf 10,1 Millionen Stück in 2011 aus [2]. Passend zu der steigenden Nachfrage nach schnellen Endgeräten bieten die Mobile Network Operator (MNO) ab 2011 mit LTE (Long Term Evolution) ein neues, schnelleres Hochgeschwindigkeitsnetz an, dass es den Nutzer erlaubt, mit einer Geschwindigkeit von bis zu einhundert Megabit in der Sekunde zu surfen.
Nachdem LTE zuerst in den Flächen in Deutschland ausgebaut wurde, wo es kein kabelgebundenes Breitbandnetz gab, wurde am 1. Juli von der Deutschen Telekom in Köln das erste LTE-Netz in einem Ballungsraum in Betrieb genommen. Weiter beschleunigt wird die Entwicklung durch die Tablet-PCs, einer Gattung, die es mit dem iPad erst seit dem letzten Jahr im Markt gibt und von denen bereits geschätzte 15,7 Millionen Geräte verkauft wurden – 85 Prozent entfielen dabei auf das iPad [3]. Die Verkaufszahlen für 2011 werden deutlich steigen, da zum einen Apple mit dem iPad 2 bereits einen erfolgreichen Nachfolger auf den Markt gebracht hat und die Wettbewerber mit einer großen Anzahl an neuen Geräten – viele davon auf der Android 3.0 „Honeycomb”-Basis – ebenfalls in den Markt drängen.
Für die werbungtreibende Industrie steigt die Relevanz des Mediums Mobile aufgrund der Nutzungszahlen ebenfalls, so dass im ersten Halbjahr 2010 vom Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. eine Steigerung der gebuchten Kampagnen in Deutschland um fünfzig Prozent vermelden konnte [4] und im September desselben Jahres mit Einführung der Mobile Facts erstmalig den Entscheidern eine offizielle „Währung” für das Medium zur Werbebuchung bot [5].
Alles „Mobile” – oder was?
Der Begriff „Mobile” wird in unterschiedlicher Weise genutzt, daher soll an dieser Stelle eine kurze Eingrenzung erfolgen. Eine mögliche Unterscheidung bezieht sich auf den Übertragungsweg. Ist man mobil im Internet, wenn man sich über WiFi einwählt, oder nur wenn man das Mobilfunknetz nutzt? Wer in seinem Heimnetzwerk WiFi nutzt und darüber mit dem Laptop im Internet surft, dürfte kaum davon ausgehen, dass er im Mobile Web ist. Wenn diese Person allerdings mit demselben Laptop sich von unterwegs über einen Hotspot einwählt, könnte die Antwort schon anders ausfallen, erst recht wenn er dafür einen Surfstick nutzt und somit über ein Mobilfunknetz surft. Die Frage lässt sich aber auch andersherum betrachten. Ist man nur dann mit seinem iPhone im Mobile Web, wenn man von unterwegs über die Flatrate auf Mobilfunknetze zugreift? Was ist, wenn man zum Beispiel abends vorm Fernseher parallel zum TV-Programm über WiFi twittert? Man sieht also, dass es nicht ohne Weiteres zu definieren ist, was mobiles und was stationäres Internet ist. Klar ist zu sagen, dass das Surfen mit dem Handy über das Mobilfunknetz der reinen Form des Mobile Internets entspricht, da hier drei Komponenten zusammenkommen:
• die Nutzung eines mobilen Endgeräts und
• die Nutzung des Mobilfunknetzes,
• in der Regel eine mobile Nutzungssituation.
Nimmt man diese drei Komponenten, dann kann man sich mit diversen mobilen Nutzungsszenarien befassen. Es sei aber noch einmal darauf hingewiesen, dass die Zuteilung der Nutzung zur Kategorie „mobile” oder „stationär” häufig sehr fließend ist. Um sich mögliche Nutzungsszenarien vorstellen zu können, soll ein kurzer Überblick der Möglichkeiten gegeben werden, die sich durch die einzelnen Devices ergeben.
Vom Laptop zum Netbook
Das Laptop hat in 2008 erstmals die Verkaufszahlen der Desktop-PCs überholt [6] und ist das verbreiteste Endgerät, mit dem sich im mobilen Internet surfen lässt. Auch wenn die Marktforscher von Gartner mit den Tablets eine neue Bedrohung für die Laptops sehen [7], ist es zur Zeit noch von hoher Relevanz. Das Wichtige bei der Nutzung des mobilen Internets mit dem Laptop ist, das sich eigentlich nichts an der Nutzung ändert. Die Nutzungssituation ist fast identisch, egal ob es stationär oder mobile genutzt wird. Man kann allenfalls Abstriche in der Privatsphäre der Nutzung und dem Komfort der Bedienung machen – was sich am deutlichsten zeigt, wenn man verzweifelte Reisende auf Flughäfen sieht. Wer hat noch nicht einen Reisenden gesehen, der sich in einer Ecke gedrückt hat und über die Steckdose „freute”, die Architekten für die Staubsauger der Putzkolonnen vorgesehen haben.
Das Netbook war der erste Rechner, der eigens für die Nutzung des Internets entwickelt wurde. Auch wenn die ursprüngliche Idee vom Erfinder Asus 2007 war, einen günstigen PC für Kinder und Familie zu entwickeln, wurde schnell die mobile Nutzungsmöglichkeit erkannt. Das Netbook bietet sich in seiner stark verkleinerten Form, mit geringem Gewicht und einer hohen Akkulaufzeit für die mobilen Bedürfnisse der Nutzer an. Auch bei den Netbooks ist die Nutzungssituation weitestgehend identisch zu der stationären Nutzung, mit der Einschränkung, dass in der Regel eine Bildschirmauflösung von 1024 x 600 Pixel geboten wird, was allenfalls eine Aufgabe ans Webdesign sein könnte. In den letzten Monaten werden die Netbooks aber stark von den neuen Tablets angegriffen. Laut einiger Quellen ist der Markt im ersten Quartal 2011 um vierzig Prozent eingebrochen [8], es bleibt also abzuwarten, wie sich der Trend in diesem Segment entwickelt.
Vom Handy zum Smartphone Die ersten internetfähigen Handys gab es bereits um die Jahrtausendwende und das gesamte Thema wurde unter den Begriff WAP geführt. WAP war ein Flop, da das Surfen mit WAP-Handys in der technischen Leistungsfähigkeit und in der Usability deutlich hinter den damaligen Möglichkeiten des stationären Internets lagen. Das Thema Mobile Internet war erst wieder von Interesse, als die MNOs ihre UMTS-Netze Ende 2004 aufschalteten.
Mit dieser technischen Entwicklung war die grundsätzliche Möglichkeit geschaffen, eine akzeptable User-Experience beim Surfen im Mobile Web zu schaffen. Allerdings brauchte es noch die technische Innovation von Apple im Jahr 2007, die mit dem iPhone das Benchmark für alle Endgeräte gesetzt haben, die im Bereich der Smartphones die positive Entwicklung des Mobile Internets beeinflussen. Die Touchscreen Smartphones nach dem Vorbild des iPhones sind inzwischen marktprägend. Es wird bei den Handys zwischen „Feature Phones” und „Smartphones” unterschieden. Feature Phones sind klassische Handys mit einem geringen Leistungsumfang und nur sehr bedingt zum Surfen geeignet, im Gegensatz zu den Smartphones. Die Nutzungssituation der Smartphones ist von besonderem Interesse und soll daher noch einmal separat betrachtet werden, nachdem vorab noch auf die neueste Generation der mobilen Endgeräte eingegangen werden soll, den Tablets.
Eine neue Gattung – Tablet-PCs
Im Frühjahr 2010 führte Apple mit dem iPad ein neues Endgerät ein, das zum einen eine Lücke zwischen den Laptops und den Smartphones füllte und zum anderen für die rasante Entwicklung einer neuen Gattung Rechner führte, den Tablet-PCs. Der BITKOM erwartet für Deutschland den Verkauf von 1,5 Millionen Tablet-PCs in 2011 [9], auf der CeBIT wurden im März allein circa vierzig neue Modelle von den Anbietern vorgestellt. Mögliche Nutzungssituationen sollen auch für diese Endgeräte im Folgenden aufgezeigt werden.
Smartphone oder Tablet – Hauptsache Mobile
Die neuen mobilen Endgeräte haben den Computer final aus seinem Arbeitskorsett entbunden. Der PC wurde grundsätzlich als Arbeitsgerät konzipiert, der mit QWERT-Tastatur und Maus ausgestattet zur Verrichtung beruflicher und privater Tätigkeiten diente. Mit dem Erfolg des Internets entwickelte sich der PC mehr und mehr in Richtung eines Medien- und Spiele-Centers. Doch erst die Smartphones und Tablets haben dazu geführt, dass ganz neue Nutzungssituationen entstanden sind.
Es gibt Situationen in denen von unterwegs per Smartphone kurz über die sozialen Netzwerke mitgeteilt wird, wo man sich gerade befindet und was einem im Moment wichtig ist. In anderen Situationen wird von zu Hause auf der Couch liegend mit Freunden per Tablet sich über das laufende Fernsehprogramm ausgetauscht. Die Kommunikation ist in Summe mobiler geworden. Während die „klassische” Rechnernutzung im „lean forward” stattfindet, ist die mobile Rechnernutzung bei den Tablets eher im „lean back” und bei den Smartphones „on the go”.
Beim „lean forward” arbeitet der Nutzer aufrecht sitzend, leicht nach vorne gelehnt an seinem Endgerät, genau in der Form, in der wir es gewohnt sind, einen Rechner zu bedienen – wir arbeiten, wir informieren uns. Beim „lean back” nehmen wir eine entspannte, nach hinten gelehnte Arbeitshaltung ein, wie wir es in der Regel beim Tablet-PC tun – wir lassen uns hier eher auch inspirieren. Die tatsächliche „on the go”-Situation haben wir dann beim Smartphone, das wir unterwegs an unterschiedlichen Orten, zumeist mit einer Hand bedienen. Ein zusätzlicher Aspekt, der für die Nutzung von Smartphone und Tablet prägend ist, ist der Umstand, dass beide Geräte in der Regel „always on” sind, das heißt, sie werden sehr selten ausgeschaltet und sind im Standby-Modus immer griffbereit und können sofort genutzt werden – das lästige „ich fahre einmal den Rechner hoch” entfällt also.
Für die beiden Endgeräte lassen sich also in der Tendenz zwei unterschiedliche Nutzungsszenarien definieren, die bei der Umsetzung einer mobilen Website oder einer App zu berücksichtigen sind.
Tablet – mal eben schnell, gerne auch was länger
Das iPad als „Urform” der Tablet-Rechner wurde als Erweiterung der E-Book-Reader entwickelt. Durch seine sehr lange Akkulaufzeit und den Standby-Modus sind die Tablets fast immer direkt verfügbar und lassen sich aufgrund ihres Formfaktors vom Nutzer überall hin mitnehmen und bedienen. Es bleibt also dem Nutzer überlassen, wo und für was er das Tablet nutzt – als Buch, als Zeitschrift, als Foto- oder Musikbibliothek oder zum Surfen im Internet. Neben dem Internet bieten die Tablets vor allem die Nutzung von Apps als Besonderheit und hier zeigt sich, dass Anbieter ganz bewusst zwischen Apps für das Tablet und für das Smartphone unterscheiden.
Es gibt auch bereits Ergebnisse von E-Commerce-Portalen, die belegen, dass die Nutzer sich beim Tablet länger auf der Seite aufhalten und sich intensiver informieren. Diese Nutzer lassen sich auch im höheren Maße inspirieren und ihre über das Tablet getätigten Einkäufe weisen im Vergleich zum Smartphone einen höheren Warenkorbwert auf. Es ist also die Aufgabe bei der Entwicklung für die Tablets zu gucken, ob man eine Information für die rasche Übersicht zur Verfügung stellen möchte, oder aber ob man den Nutzer emotional in sein Angebot reinziehen will. Tablets stellen die Such- und Vergleichsfunktion des Internets zur Verfügung, die auch von Nutzern erwartet werden. Im Vergleich zum PC, der als Produktkatalog zu sehen ist, lassen sich Tablets eher als Produktbroschüre betrachten, von der der Nutzer vielleicht auch ein wenig verführt werden will.
Smartphone – jetzt, hier, sofort
Das Smartphone wird in der Regel unterwegs eingesetzt, wenn der Nutzer entweder ein konkretes Problem lösen (zum Beispiel wo ist die nächste Filiale? Ist der Preis günstig? Ist das Produkt gut bewertet?) oder einfach nur Zeit überbrücken will (zum Beispiel was machen gerade meine Freunde? Kann ich den Highscore knacken? Was ist in der Welt los?). Bei der Entwicklung eines mobilen Angebots sollte also genau geschaut werden, was dem Nutzer angeboten wird, um eine seiner beiden Nutzungssituationen zu entsprechen.
Man sollte sich entweder mit klaren mobilen Mehrwerten (wie zum Beispiel Location-based Services – Filialfinder, Produktinformationen über den Scan der EAN-Nummer, et cetera) oder mit unterhaltsamen (zum Beispiel Branded Games) an ihn wenden. Es sollte immer dabei beachtet werden, dass der Nutzer in der Regel unterwegs ist und seine Aufmerksamkeit nicht ungeteilt dem digitalen Angebot widmen kann und sein Zeitkontingent sehr begrenzt ist. Das Smartphone wird außerdem zumeist nur mit einer Hand bedient, das heißt die Usability des Angebots ist auf die mobile Nutzungssituation auszurichten.
Die Nutzung digitaler Medien wird mobiler
Das Internet greift mit der mobilen Nutzung in immer mehr Lebenssituationen ein, die damit für Anbieter und digitale Architekten zu Nutzungsszenarien werden. Es gilt diese Herausforderung anzunehmen und optimal für das eigene Angebot zu nutzen. Die Entwicklung ist erst am Anfang und in Anbetracht des enormen Fortschritts allein der letzten fünf Jahre, lässt sich davon ausgehen, dass eine intensive Beschäftigung mit dem Mobile Internet Pflicht für alle Anbieter wird. Die Nutzer unterscheiden nicht mehr zwischen stationären und mobilen Internet, sie bewerten zwischen guten und schlechten Angeboten. Die Entscheidung über die Qualität des Angebots machen Nutzer daran fest, ob das Angebot ihren Erwartungen entspricht, die sie im konkreten Nutzungsmoment definieren und die je nach Nutzungskontext variieren. Die Anforderung an die Anbieter ist also, sich viel stärker als bisher auf die Nutzungssituation ihrer User auszurichten, um ihnen ein optimales Angebot zu bieten.
Literatur
[1] http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/2011/02/PD11__060__63931,templateId=renderPrint.psml
[2] http://www.bitkom.org/de/presse/8477_66799.aspx
[3] http://www.emarketer.com/Article.aspx?R=1008113
[4] Vergleiche Mobile Kompass 2010/2011, S. 96-97.
[5] http://www.agof.de/mobile-facts.988.de.html
[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Notebook
[7] http://www.gartner.com/it/page.jsp?id=1570714
[8] http://www.unitednetworker.com/2011/06/09/marktentwicklung-der-netbooks-im-jahr-2011/ oder auch http://www.hartware.net/news_51626.html
[9] http://www.bitkom.org/de/presse/8477_67058.aspx
http://TopOnlineExperten.de
Das mobile Internet hat seinen Durchbruch geschafft und wird immer mehr zum Teil unseres alltäglichen Lebens. In 2010 ist die Nutzung des mobilen Internets laut dem Statistischen Bundesamt um 78 Prozent von neun Prozent in 2009 auf 16 Prozent in 2010 gestiegen [1]. Der BITKOM geht von einer Steigerung des Verkaufs von Smartphones, die im Endgerätemarkt der Treiber der Entwicklung des mobilen Internets sind, um 36 Prozent auf 10,1 Millionen Stück in 2011 aus [2]. Passend zu der steigenden Nachfrage nach schnellen Endgeräten bieten die Mobile Network Operator (MNO) ab 2011 mit LTE (Long Term Evolution) ein neues, schnelleres Hochgeschwindigkeitsnetz an, dass es den Nutzer erlaubt, mit einer Geschwindigkeit von bis zu einhundert Megabit in der Sekunde zu surfen.
Nachdem LTE zuerst in den Flächen in Deutschland ausgebaut wurde, wo es kein kabelgebundenes Breitbandnetz gab, wurde am 1. Juli von der Deutschen Telekom in Köln das erste LTE-Netz in einem Ballungsraum in Betrieb genommen. Weiter beschleunigt wird die Entwicklung durch die Tablet-PCs, einer Gattung, die es mit dem iPad erst seit dem letzten Jahr im Markt gibt und von denen bereits geschätzte 15,7 Millionen Geräte verkauft wurden – 85 Prozent entfielen dabei auf das iPad [3]. Die Verkaufszahlen für 2011 werden deutlich steigen, da zum einen Apple mit dem iPad 2 bereits einen erfolgreichen Nachfolger auf den Markt gebracht hat und die Wettbewerber mit einer großen Anzahl an neuen Geräten – viele davon auf der Android 3.0 „Honeycomb”-Basis – ebenfalls in den Markt drängen.
Für die werbungtreibende Industrie steigt die Relevanz des Mediums Mobile aufgrund der Nutzungszahlen ebenfalls, so dass im ersten Halbjahr 2010 vom Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) e.V. eine Steigerung der gebuchten Kampagnen in Deutschland um fünfzig Prozent vermelden konnte [4] und im September desselben Jahres mit Einführung der Mobile Facts erstmalig den Entscheidern eine offizielle „Währung” für das Medium zur Werbebuchung bot [5].
Alles „Mobile” – oder was?
Der Begriff „Mobile” wird in unterschiedlicher Weise genutzt, daher soll an dieser Stelle eine kurze Eingrenzung erfolgen. Eine mögliche Unterscheidung bezieht sich auf den Übertragungsweg. Ist man mobil im Internet, wenn man sich über WiFi einwählt, oder nur wenn man das Mobilfunknetz nutzt? Wer in seinem Heimnetzwerk WiFi nutzt und darüber mit dem Laptop im Internet surft, dürfte kaum davon ausgehen, dass er im Mobile Web ist. Wenn diese Person allerdings mit demselben Laptop sich von unterwegs über einen Hotspot einwählt, könnte die Antwort schon anders ausfallen, erst recht wenn er dafür einen Surfstick nutzt und somit über ein Mobilfunknetz surft. Die Frage lässt sich aber auch andersherum betrachten. Ist man nur dann mit seinem iPhone im Mobile Web, wenn man von unterwegs über die Flatrate auf Mobilfunknetze zugreift? Was ist, wenn man zum Beispiel abends vorm Fernseher parallel zum TV-Programm über WiFi twittert? Man sieht also, dass es nicht ohne Weiteres zu definieren ist, was mobiles und was stationäres Internet ist. Klar ist zu sagen, dass das Surfen mit dem Handy über das Mobilfunknetz der reinen Form des Mobile Internets entspricht, da hier drei Komponenten zusammenkommen:
• die Nutzung eines mobilen Endgeräts und
• die Nutzung des Mobilfunknetzes,
• in der Regel eine mobile Nutzungssituation.
Nimmt man diese drei Komponenten, dann kann man sich mit diversen mobilen Nutzungsszenarien befassen. Es sei aber noch einmal darauf hingewiesen, dass die Zuteilung der Nutzung zur Kategorie „mobile” oder „stationär” häufig sehr fließend ist. Um sich mögliche Nutzungsszenarien vorstellen zu können, soll ein kurzer Überblick der Möglichkeiten gegeben werden, die sich durch die einzelnen Devices ergeben.
Vom Laptop zum Netbook
Das Laptop hat in 2008 erstmals die Verkaufszahlen der Desktop-PCs überholt [6] und ist das verbreiteste Endgerät, mit dem sich im mobilen Internet surfen lässt. Auch wenn die Marktforscher von Gartner mit den Tablets eine neue Bedrohung für die Laptops sehen [7], ist es zur Zeit noch von hoher Relevanz. Das Wichtige bei der Nutzung des mobilen Internets mit dem Laptop ist, das sich eigentlich nichts an der Nutzung ändert. Die Nutzungssituation ist fast identisch, egal ob es stationär oder mobile genutzt wird. Man kann allenfalls Abstriche in der Privatsphäre der Nutzung und dem Komfort der Bedienung machen – was sich am deutlichsten zeigt, wenn man verzweifelte Reisende auf Flughäfen sieht. Wer hat noch nicht einen Reisenden gesehen, der sich in einer Ecke gedrückt hat und über die Steckdose „freute”, die Architekten für die Staubsauger der Putzkolonnen vorgesehen haben.
Das Netbook war der erste Rechner, der eigens für die Nutzung des Internets entwickelt wurde. Auch wenn die ursprüngliche Idee vom Erfinder Asus 2007 war, einen günstigen PC für Kinder und Familie zu entwickeln, wurde schnell die mobile Nutzungsmöglichkeit erkannt. Das Netbook bietet sich in seiner stark verkleinerten Form, mit geringem Gewicht und einer hohen Akkulaufzeit für die mobilen Bedürfnisse der Nutzer an. Auch bei den Netbooks ist die Nutzungssituation weitestgehend identisch zu der stationären Nutzung, mit der Einschränkung, dass in der Regel eine Bildschirmauflösung von 1024 x 600 Pixel geboten wird, was allenfalls eine Aufgabe ans Webdesign sein könnte. In den letzten Monaten werden die Netbooks aber stark von den neuen Tablets angegriffen. Laut einiger Quellen ist der Markt im ersten Quartal 2011 um vierzig Prozent eingebrochen [8], es bleibt also abzuwarten, wie sich der Trend in diesem Segment entwickelt.
Vom Handy zum Smartphone Die ersten internetfähigen Handys gab es bereits um die Jahrtausendwende und das gesamte Thema wurde unter den Begriff WAP geführt. WAP war ein Flop, da das Surfen mit WAP-Handys in der technischen Leistungsfähigkeit und in der Usability deutlich hinter den damaligen Möglichkeiten des stationären Internets lagen. Das Thema Mobile Internet war erst wieder von Interesse, als die MNOs ihre UMTS-Netze Ende 2004 aufschalteten.
Mit dieser technischen Entwicklung war die grundsätzliche Möglichkeit geschaffen, eine akzeptable User-Experience beim Surfen im Mobile Web zu schaffen. Allerdings brauchte es noch die technische Innovation von Apple im Jahr 2007, die mit dem iPhone das Benchmark für alle Endgeräte gesetzt haben, die im Bereich der Smartphones die positive Entwicklung des Mobile Internets beeinflussen. Die Touchscreen Smartphones nach dem Vorbild des iPhones sind inzwischen marktprägend. Es wird bei den Handys zwischen „Feature Phones” und „Smartphones” unterschieden. Feature Phones sind klassische Handys mit einem geringen Leistungsumfang und nur sehr bedingt zum Surfen geeignet, im Gegensatz zu den Smartphones. Die Nutzungssituation der Smartphones ist von besonderem Interesse und soll daher noch einmal separat betrachtet werden, nachdem vorab noch auf die neueste Generation der mobilen Endgeräte eingegangen werden soll, den Tablets.
Eine neue Gattung – Tablet-PCs
Im Frühjahr 2010 führte Apple mit dem iPad ein neues Endgerät ein, das zum einen eine Lücke zwischen den Laptops und den Smartphones füllte und zum anderen für die rasante Entwicklung einer neuen Gattung Rechner führte, den Tablet-PCs. Der BITKOM erwartet für Deutschland den Verkauf von 1,5 Millionen Tablet-PCs in 2011 [9], auf der CeBIT wurden im März allein circa vierzig neue Modelle von den Anbietern vorgestellt. Mögliche Nutzungssituationen sollen auch für diese Endgeräte im Folgenden aufgezeigt werden.
Smartphone oder Tablet – Hauptsache Mobile
Die neuen mobilen Endgeräte haben den Computer final aus seinem Arbeitskorsett entbunden. Der PC wurde grundsätzlich als Arbeitsgerät konzipiert, der mit QWERT-Tastatur und Maus ausgestattet zur Verrichtung beruflicher und privater Tätigkeiten diente. Mit dem Erfolg des Internets entwickelte sich der PC mehr und mehr in Richtung eines Medien- und Spiele-Centers. Doch erst die Smartphones und Tablets haben dazu geführt, dass ganz neue Nutzungssituationen entstanden sind.
Es gibt Situationen in denen von unterwegs per Smartphone kurz über die sozialen Netzwerke mitgeteilt wird, wo man sich gerade befindet und was einem im Moment wichtig ist. In anderen Situationen wird von zu Hause auf der Couch liegend mit Freunden per Tablet sich über das laufende Fernsehprogramm ausgetauscht. Die Kommunikation ist in Summe mobiler geworden. Während die „klassische” Rechnernutzung im „lean forward” stattfindet, ist die mobile Rechnernutzung bei den Tablets eher im „lean back” und bei den Smartphones „on the go”.
Beim „lean forward” arbeitet der Nutzer aufrecht sitzend, leicht nach vorne gelehnt an seinem Endgerät, genau in der Form, in der wir es gewohnt sind, einen Rechner zu bedienen – wir arbeiten, wir informieren uns. Beim „lean back” nehmen wir eine entspannte, nach hinten gelehnte Arbeitshaltung ein, wie wir es in der Regel beim Tablet-PC tun – wir lassen uns hier eher auch inspirieren. Die tatsächliche „on the go”-Situation haben wir dann beim Smartphone, das wir unterwegs an unterschiedlichen Orten, zumeist mit einer Hand bedienen. Ein zusätzlicher Aspekt, der für die Nutzung von Smartphone und Tablet prägend ist, ist der Umstand, dass beide Geräte in der Regel „always on” sind, das heißt, sie werden sehr selten ausgeschaltet und sind im Standby-Modus immer griffbereit und können sofort genutzt werden – das lästige „ich fahre einmal den Rechner hoch” entfällt also.
Für die beiden Endgeräte lassen sich also in der Tendenz zwei unterschiedliche Nutzungsszenarien definieren, die bei der Umsetzung einer mobilen Website oder einer App zu berücksichtigen sind.
Tablet – mal eben schnell, gerne auch was länger
Das iPad als „Urform” der Tablet-Rechner wurde als Erweiterung der E-Book-Reader entwickelt. Durch seine sehr lange Akkulaufzeit und den Standby-Modus sind die Tablets fast immer direkt verfügbar und lassen sich aufgrund ihres Formfaktors vom Nutzer überall hin mitnehmen und bedienen. Es bleibt also dem Nutzer überlassen, wo und für was er das Tablet nutzt – als Buch, als Zeitschrift, als Foto- oder Musikbibliothek oder zum Surfen im Internet. Neben dem Internet bieten die Tablets vor allem die Nutzung von Apps als Besonderheit und hier zeigt sich, dass Anbieter ganz bewusst zwischen Apps für das Tablet und für das Smartphone unterscheiden.
Es gibt auch bereits Ergebnisse von E-Commerce-Portalen, die belegen, dass die Nutzer sich beim Tablet länger auf der Seite aufhalten und sich intensiver informieren. Diese Nutzer lassen sich auch im höheren Maße inspirieren und ihre über das Tablet getätigten Einkäufe weisen im Vergleich zum Smartphone einen höheren Warenkorbwert auf. Es ist also die Aufgabe bei der Entwicklung für die Tablets zu gucken, ob man eine Information für die rasche Übersicht zur Verfügung stellen möchte, oder aber ob man den Nutzer emotional in sein Angebot reinziehen will. Tablets stellen die Such- und Vergleichsfunktion des Internets zur Verfügung, die auch von Nutzern erwartet werden. Im Vergleich zum PC, der als Produktkatalog zu sehen ist, lassen sich Tablets eher als Produktbroschüre betrachten, von der der Nutzer vielleicht auch ein wenig verführt werden will.
Smartphone – jetzt, hier, sofort
Das Smartphone wird in der Regel unterwegs eingesetzt, wenn der Nutzer entweder ein konkretes Problem lösen (zum Beispiel wo ist die nächste Filiale? Ist der Preis günstig? Ist das Produkt gut bewertet?) oder einfach nur Zeit überbrücken will (zum Beispiel was machen gerade meine Freunde? Kann ich den Highscore knacken? Was ist in der Welt los?). Bei der Entwicklung eines mobilen Angebots sollte also genau geschaut werden, was dem Nutzer angeboten wird, um eine seiner beiden Nutzungssituationen zu entsprechen.
Man sollte sich entweder mit klaren mobilen Mehrwerten (wie zum Beispiel Location-based Services – Filialfinder, Produktinformationen über den Scan der EAN-Nummer, et cetera) oder mit unterhaltsamen (zum Beispiel Branded Games) an ihn wenden. Es sollte immer dabei beachtet werden, dass der Nutzer in der Regel unterwegs ist und seine Aufmerksamkeit nicht ungeteilt dem digitalen Angebot widmen kann und sein Zeitkontingent sehr begrenzt ist. Das Smartphone wird außerdem zumeist nur mit einer Hand bedient, das heißt die Usability des Angebots ist auf die mobile Nutzungssituation auszurichten.
Die Nutzung digitaler Medien wird mobiler
Das Internet greift mit der mobilen Nutzung in immer mehr Lebenssituationen ein, die damit für Anbieter und digitale Architekten zu Nutzungsszenarien werden. Es gilt diese Herausforderung anzunehmen und optimal für das eigene Angebot zu nutzen. Die Entwicklung ist erst am Anfang und in Anbetracht des enormen Fortschritts allein der letzten fünf Jahre, lässt sich davon ausgehen, dass eine intensive Beschäftigung mit dem Mobile Internet Pflicht für alle Anbieter wird. Die Nutzer unterscheiden nicht mehr zwischen stationären und mobilen Internet, sie bewerten zwischen guten und schlechten Angeboten. Die Entscheidung über die Qualität des Angebots machen Nutzer daran fest, ob das Angebot ihren Erwartungen entspricht, die sie im konkreten Nutzungsmoment definieren und die je nach Nutzungskontext variieren. Die Anforderung an die Anbieter ist also, sich viel stärker als bisher auf die Nutzungssituation ihrer User auszurichten, um ihnen ein optimales Angebot zu bieten.
Literatur
[1] http://www.destatis.de/jetspeed/portal/cms/Sites/destatis/Internet/DE/Presse/pm/2011/02/PD11__060__63931,templateId=renderPrint.psml
[2] http://www.bitkom.org/de/presse/8477_66799.aspx
[3] http://www.emarketer.com/Article.aspx?R=1008113
[4] Vergleiche Mobile Kompass 2010/2011, S. 96-97.
[5] http://www.agof.de/mobile-facts.988.de.html
[6] http://de.wikipedia.org/wiki/Notebook
[7] http://www.gartner.com/it/page.jsp?id=1570714
[8] http://www.unitednetworker.com/2011/06/09/marktentwicklung-der-netbooks-im-jahr-2011/ oder auch http://www.hartware.net/news_51626.html
[9] http://www.bitkom.org/de/presse/8477_67058.aspx