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Erfolg im Handel nur durch Innovationen und Differenzierung

Innovationen sind die einzigen Treiber des Wachtums
Ulrich Eggert | 27.05.2009
Seit der Wiedervereinigung liegt der Umsatz des Einzelhandels in Deutschland in einer Größenordnung von 390 – 400 Mrd. Euro p. a., er stagniert mehr oder weniger. In der gleichen Zeit sind jedoch die Verkaufsflächen um fast 40 Prozent gewachsen, so dass die Flächenrentabilität entsprechend abgestürzt ist. Wir haben demnach ein gutes Drittel „heiße Luft“ im deutschen Handel – und die muss raus! Die jetzige Finanz- und Wirtschaftskrise wird die Spreu vom Weizen trennen, auch und insbesondere im Handel. Die Insolvenzen von Hertie, Wehmeyer, Pohland und Sinn-Leffers sind nicht die letzten Anzeichen hierfür.

Eine enorme Verdrängung wird in den nächsten Jahren im Handel stattfinden, es kämpft nicht mehr Händler A gegen Händler B, sondern Systemgruppe A gegen Systemgruppe B, Filialsystem X gegen Franchisesystem Y. Außerdem kommt es zu einem scharfen Wettbewerb zwischen den Branchen, denn wer ein Auto kauft, lässt Möbel links liegen; wer in den Urlaub fährt, verschiebt die Renovierung des Wohnzimmers. Und wer ins Ausland in den Urlaub fährt, kauft auch dort ein, weil zum Beispiel Kleidung interessanter oder sogar billiger zu haben ist. Der Innerbranchenwettbewerb wird durch Interbranchenwettbewerb, der nationale durch den internationalen Wettbewerb erweitert. Außerdem verschärft die Industrie den Druck auf den Handel, indem sie durch vorwärtsgerichtete Vertikalisierung selbst verkauft: Hersteller wie Gerry Weber haben früher zu 100 Prozent über den Handel ihre Produkte vertrieben, heute gerade noch zu etwa 50 Prozent und in zehn Jahren vielleicht noch zu 10 Prozent.

Wer in dieser Situation als Händler überleben will, muss sich „vom Rest der Welt“ unterscheiden – er muss differenziert auftreten und dazu bedarf es innovativer Überlegungen.

Was sind nun die Methoden, die Erfolgsstrategien, die einzelne Unternehmen nach vorne bringen können? Denn aufgrund der mangelnden Nachfrage seitens der Bevölkerung, die vor allen Dingen ihre Ursache in mangelnder Nettorealeinkommenssteigerung, sinkender Bevölkerung und einem enormen Drift in Richtung Dienstleistungen hat, ist mit einer generellen Branchenkonjunktur des Handels in Deutschland für die nächsten zehn Jahre nicht mehr zu rechnen, nur Firmenkonjunkturen werden einzelne Unternehmen nach vorne bringen können.

In der Studie „Handels- und Vertriebs-Innovationen“ hat die Ulrich Eggert Consulting in Köln folgende Methoden und Erfolgsfaktoren herausgearbeitet, mit denen Händler auch heute eine reale Chance haben, sich dem fortdauernden Downsizing in Umsatz und Rendite zu entziehen:

1. Differenzierung durch Innovationen
Unternehmen, die erfolgreich sein wollen, müssen sich in wesentlichen Aspekten vom Wettbewerb unterscheiden. Dazu reicht es nicht aus, auf Maßnahmen der Konkurrenz zu reagieren, sondern das Unternehmen muss selbst innovativ sein, es muss Innovationen entwickeln, die es nach vorne bringen. Dabei geht es vor allen Dingen um Leistungsinnovationen, also um Innovationen, die der Kunde erkennt, aber auch um Prozessinnovationen, die dazu führen, dass das Unternehmen effizienter und effektiver arbeiten kann. Ergänzende Sozialinnovationen, die die Mitarbeiter enger an das Unternehmen binden und zufriedener arbeiten lassen, ergänzen das Feld.

2. Kundenorientierung
Es ist noch immer vorteilhafter, vorhandene Kunden zu halten und mit ihnen mehr Umsatz zu machen, als neue Kunden zu gewinnen. Deshalb ist eine durchgehende Kundenorientierung in Programm und Auftritt wichtig, um die Kundenbindung steigern und Neukunden für das Unternehmen gewinnen zu können. Moderne Methoden hierfür sind Kundenkarten und die Akzeptanz von Kreditkarten, Newsletter, Blogs etc und eine entsprechende persönliche Betreuung.

3. Bedarfsorientierung
Der entscheidende Ansatz zur Kundenorientierung ist die Bedarfsorientierung: Die Unternehmen sollten nur das anbieten, was der Kunde auch haben möchte – und nicht das, was sie aus welchen Gründen auch immer eingekauft haben! Nach alter Kaufmannsweisheit liegt zwar im Einkauf der Segen, aber doch nur dann, wenn die eingekaufte Ware auch verkauft werden kann. Das gelingt am besten, wenn von vornherein nur das eingekauft wird, was der Kunde kaufen möchte. IKEA nennt sich Möbelhaus, verkauft aber wenig Möbel, sondern zu mehr als 50% Regale und „irgendetwas“ wie Heimtex, Leuchten, Deko; der deutsche Möbelhandel allerdings zu 85 Prozent Möbel. Seit 1991 hat IKEA ein Plus in Deutschland von 230 Prozent, der deutsche Möbelhandel allerdings ein Minus von 30 Prozent. Irgendjemand muss doch da etwas falsch gemacht haben im Sinne einer Bedarfsorientierung!

4. Dienstleistungen und Problemlösungen
Bereits 52 Prozent aller Konsumausgaben der Deutschen sind heute Dienstleistungen. Wenn der Handel nur Ware verkauft, sitzt er auf dem sinkenden Ast des Sozialproduktes, denn er deckt zu nicht einmal mehr 30 Prozent die Nachfrage der Verbraucher – im Jahre 2015 werden das noch allenfalls 25 Prozent sein. Der Kunde möchte Problemlösungen und das heißt Ware + Dienstleistung + Service + Beratung + Information + After Sales Services!

5. „Mehrwert“ und „Neue Mitte“
Ware + Dienstleistungen + Services sind mehr wert als reiner Warenverkauf: Die Menschen kaufen Functional Food, Convenience-Produkte, Wellness-Produkte und was auch immer – alles Dinge, die man auch wesentlich einfacher und wesentlich billiger haben könnte, aber der Mensch ist ein emotionales Wesen und möchte nun einmal etwas mehr haben als das Notwendige. So entwickelt sich eine „Neue Mitte“, die ihren Platz verteidigt und durchaus aggressiv angreift, indem sie billige Produkte, aber auch teure Produkte im Markt verdrängt. Beispiele dafür sind Lagerfeld bei Hennes & Mauritz, die Gourmetlinien der Discounter oder auch der VW Touareg – ein Luxusprodukt eines Massenherstellers.

6. Sortimentsoptimierung sowohl durch Verzicht wie auch Category Migration
Die Sortimente müssen optimal auf den Kunden ausgerichtet sein. Das bedeutet zweierlei: Auf der einen Seite Category Migration, also das Hineindringen in andere Sortimente, indem man die eigenen Angebote durch Randbereiche erweitert, wie es klassischerweise IKEA vorgemacht hat, oder die Bau- und Heimwerkermärkte, aber auch Tchibo und die Discounter. Auf der anderen Seite heißt das aber auch Sortimentsverzicht, nämlich den Verzicht auf die Dinge, die man nicht beherrscht, die die Kunden nicht wollen, die das Image zerstören oder die Läden unübersichtlich machen.

7. Kooperation und strategische Allianzen
Kaum jemand wird es noch in Zukunft schaffen, alleine im Handel erfolgreich zu sein: Man kooperiert im Einkauf, in der Werbung und – was noch viel wichtiger in der Zukunft sein wird: man kooperiert im Verkauf. Gemeinsamer Einkauf ist Basic, wer der das nicht macht, sollte noch heute versuchen, seinen Laden zu verkaufen. Morgen ist es zu spät, bei schlechten Zahlen gibt niemand mehr etwas dafür!

8. Systemvertrieb
Der gemeinsame Verkauf geht über in den Systemvertrieb, d. h. Unternehmen schließen sich zusammen unter einer Leitstrategie, die sie gemeinsam befolgen und die wie in einem Filialsystem bundesweit möglichst einheitlich ist und sich entsprechend in nationaler Werbung wie auch im Internet darstellen lässt. Allein arbeitende Firmen verlieren Marktanteile, Kooperierende wachsen leicht, aber alle Systemanbieter gehören zu den schnellstwachsenden Unternehmen im Markt, das sind Filialsysteme, Franchisesysteme, Vertikalisten und ähnliche Formate.

9. Vertikalisierung
Der Handel muss es schaffen, per Vertrag die Hersteller an sich zu binden – er muss sich rückwärts vertikalisieren. Das heißt, er kommt an Produkte, an Marken, die nur er führt, wo er Exklusivität hat und entsprechend in Kalkulation und Werbung auftreten kann.

Das Gleiche gilt natürlich auch für die Industrie, die längst den gleichen Weg gefunden hat: Sie bindet Handelsunternehmen an sich durch Shop-in-Shop, durch Concessions, durch Flächenverträge, durch eigene Filialen und/oder durch Franchise.

10. Retail Brand – der Handel als Marke
Erfolgreiche Händler machen sich selbst zur Marke und die wichtigsten Produkte, die sie verkaufen, führen eben diese Marke – hierzu zählen Unternehmen wie Hennes & Mauritz, Esprit, IKEA usw. Sie machen nicht die Marken eines Dritten, eines Herstellers groß, sondern sie stecken alle Kraft in die eigene Marke – in sich selbst – hinein.

11. Multi-Channel-Retailing
Vor 15 Jahren gab es das Internet nicht, vor zehn Jahren war es unbedeutend, heute ist es ein wesentlicher Faktor im Markt, in Zukunft wird es ein ganz entscheidender Marktfaktor werden. Händler, die nur in stationären Läden ihre Ware anbieten, werden künftig auf Nischen angewiesen und beschränkt bleiben, offensive Unternehmen hingegen werden versuchen, auf allen Kanälen an das Geld der Verbraucher zu kommen: Stationär, per Versandkatalog, Internet, Newsletter, Affiliate Marketing und so weiter und so fort.

12. Outsourcing
Niemand ist mehr in der Lage, in der vielfältigen Wettbewerbslandschaft alles alleine zu erledigen. Deshalb sollte er auf der einen Seite kooperieren, wie im Einkauf, auf der anderen Seite aber Dinge auch an Dritte auslagern per Vertrag, nämlich dann, wenn diese Dritten die Dinge, die er tun müsste, besser können als er selber. Insbesondere im Zeichen des Multi-Channel-Retailing ist es durchaus sinnvoll, das gesamte Handling des dahinter stehenden Versands an Dritte auszulagern. Es gibt Unternehmen am Markt, die einem Handelsunternehmen hier sämtliche Arbeiten abnehmen – und zwar vom Einkauf bis zum Verkauf, vom Controlling bis zur Werbung. Je mehr abgegeben wird, desto geringer ist natürlich die eigene Wertschöpfung und ein jeder muss überlegen, was er noch selber machen möchte bzw. wo seine Kernkompetenz liegt.

Natürlich gibt es auch ganz andere Dinge des Outsourcings, die auch von hoher Sinnhaftigkeit sind: Objektverwaltung, Fuhrpark, Reparatur- und Änderungsdienste, aber auch das gesamte Controlling etwa an eine „One-Stop-Agency“.

13. Internationalisierung
Wem es auf dem Heimatmarkt zu eng wird, der geht sich neue Märkte im Ausland erschließen. Im Rahmen der Europäischen Union und des Euros ist das Feld fast unendlich und doch leichter geworden. Die erfolgreichen Discounter, aber auch Unternehmen wie Fressnapf, Douglas u. a. haben gezeigt, wie es geht.

14. Neue Formate
Der Handel muss ständig neue Angebotsformen entwickeln, neue Betriebstypen und damit neue Formate. Formate sind nichts anderes als eine neue Mixtur der Marketingelemente Preispolitik, Kommunikationspolitik, Sortimentspolitik und Distributionspolitik.

15. Mehrschienen-Politik
Je ausgedehnter ein Filialnetz oder der regionale Marktanteil wird, umso sinnvoller ist es, nicht mit einer Idee über Land zu ziehen, sondern die Idee zu splitten und zwei oder sogar drei Schienen aufzubauen. Das können verschiedene Hausgrößen für Großstädte, Mittelstädte und Kleinstädte sein oder Vororte oder Nebenlagen, das können aber auch in preislicher Hinsicht Differenzierungen sein, also eine Fachmarkt- oder Discountfiliale als Ergänzung zum Stammgeschäft oder die filial-bezogene Übernahme eines Franchise-Konzeptes, um auch andere Kundengruppen anzusprechen. Irgendeiner macht das Geschäft auf jeden Fall.

16. Technisierung durch RFID
RFID – Radio Frequency Identification – wird immer wichtiger für den Handel, vor allen Dingen, wenn es sich um Massenabsatz handelt. Der gesamte logistische Hintergrund kann enorm rationalisiert werden durch den Einsatz der RFID-Transponder, in Zukunft wird es jedoch sogar möglich sein, ganze Geschäftskonzepte auf der Basis dieser Chips aufzubauen, indem RFID „front end“ eingesetzt wird – also gegenüber dem Verbraucher. Wenn alle Produkte mit Chips versehen sind, kann darüber ein automatischer Check-out incl. Bezahlung erfolgen wie aber auch eine automatische Diebstahlsicherung durchgeführt werden.

17. Virtuelle Unternehmensführung
Es gibt heute Unternehmen, die produzieren nicht und handeln nicht – und sie verdienen trotzdem viel Geld! Bei der virtuellen Unternehmensführung beschränkt sich das Unternehmen auf die Marke, auf die Marke und nochmals auf die Marke. Das Unternehmen lässt Produkte entwickeln, lässt diese produzieren und lässt diese von Dritten, zum Beispiel Franchisepartnern, verkaufen. Es bewirbt den Verbraucher, bei diesen Franchisepartnern die Produkte einzukaufen. Die Partner bestellen bei den Produzenten, was sie verkaufen wollen, das Zentral-Unternehmen, die „Marke“, braucht nicht einmal ein Lager – das gesamte Risiko wird auf Dritte verteilt. Eine verrückte Idee? Nein, es ist bereits heute Realität – vergleichen Sie Red Bull, Polo Ralph Lauren, in Ansätzen Adidas oder Puma usw.

18. Verträge, insbesondere Funktionsauslagerungsverträge
Insbesondere bei der virtuellen Unternehmensführung, aber auch schon bei der Vertikalisierung und Systembildung ist die „richtige“ Vertragsgestaltung von äußerster Wichtigkeit. Interessant wird es insbesondere, wenn man in das Franchisegeschäft einsteigt oder das Thema Lizenzen aufgreift – beides in Zukunft für Händler, die nach vorne wollen, von großer Bedeutung.

19. Mitarbeiterorientierung
Wenn man den Status des Kiosks überwunden hat, sind es die Mitarbeiter, die die Kunden betreuen und das Geschäft machen. Umso wichtiger ist es deshalb, die Mitarbeiter an das Unternehmen zu binden, sie zufrieden zu stellen, sie zu Höchstleistungen zu motivieren. All das geht nur mit einer entsprechenden Orientierung in den Köpfen der Unternehmensleitung. Wer seine Mitarbeiter „liebt“, hat Chancen, von den Kunden „geliebt“ zu werden!

20. Controlling und Unternehmensplanung
Eine Unternehmensführung ohne Unternehmensplanung ist in heutigen Zeiten zum Scheitern verurteilt. Ein Plan hilft aber nichts, wenn er nicht kontrolliert wird, um bei Abweichungen Maßnahmen zu ergreifen, die doch Ziele zu erreichen. Je größer das Unternehmen, je aufwendiger wird die Planung und das Controlling. Es müssen nicht immer ERP (Enterprise Ressource Planning) Programme sein, aber Warenwirtschaftssysteme und kurzfristige Erfolgsrechnungen, die erkennen lassen, wo das Unternehmen sein Geld verdient, sind unverzichtbar.

Letztlich sind zwei Dinge von besonderer Bedeutung für die Zukunft der Handelsunternehmen: Sie müssen effizient arbeiten, d. h., mit den Ressourcen richtig umgehen, und sie müssen ein eigenes Gesicht aufbauen, mit dem sie sich vom Wettbewerb unterscheiden. Nur dann sind sie in der Lage, mit emotionalen Konzepten den Kunden anzusprechen und ihm ein Angebot zu attraktiven Preisen anzubieten.


Diese und weitere Ausführungen finden Sie in der Studie „Handels- & Vertriebs-Innovationen“ von der Ulrich Eggert Consulting, Köln, unter www.ulricheggert.de , Tel. 02234-943937, mail@ulricheggert.de .

Handelsberichte der Ulrich Eggert Consulting, Köln, sind nach bestem Wissen und Gewissen, mit aller gebotenen Sorgfalt, jedoch ohne Gewähr erstellt.
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