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Dialogmarketing im Zeitalter der Informationsgesellschaft

Marktwirtschaftlich verfasste Gesellschaftssysteme und somit auch die Marketing-Kommunikation stehen vor einer umwälzenden Entwicklung. (Buchbeitrag)
Klaus Wilsberg | 18.11.2008
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Dialog-Marketing

http://www.marketing-boerse.de/Info/details/LeitfadenDM

http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3000239251/absolit/028-2842597-1070167/absolit


Marktwirtschaftlich verfasste Gesellschaftssysteme und somit auch die Marketing-Kommunikation stehen vor einer umwälzenden Entwicklung. Globalisierung, Individualisierung, Informations-Technologie und der Wandel von Verkäufer- zu Käufermärkten haben das Informations- und Wirtschaftsverhalten von Unternehmen und Konsumenten nachhaltig verändert.


Wandel in der Kundenansprache

Die Vielfalt der Produkte und die Komplexität der Märkte sind unüberschaubar geworden. Den subjektiven Eindruck vieler Menschen, dass die Anzahl der verfügbaren Informationen von Jahr zu Jahr steigt, haben zahlreiche Studien bewiesen. Zudem spiegelt sich zumindest in den westlichen Industrienationen die zunehmende Individualisierung in den Ansprüchen der Konsumenten nach steigender Individualität in der Kommunikation. Der Kunde, ob nun als Unternehmer oder Privatkunde, möchte in seiner Rolle als Konsument als Individuum und nicht als Teil einer konturlosen „Masse“ behandelt werden. Auf der Produzentenseite wird diesem Trend längst Rechnung getragen. So geht beispielsweise die Entwicklung der Sortimente in der Automobilindustrie aktuell sehr stark in Richtung „Nische und Diversifikation“. Auch in der Bekleidungsindustrie gibt es längst nicht mehr einen bestimmenden Trend, sondern vielmehr eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich bewusst und trendgerecht zu kleiden und gleichzeitig Individualität zum Ausdruck zu bringen.

Darüber hinaus beansprucht eine zunehmende Vielfalt von Werbemedien und eine steigende Anzahl von Werbebotschaften die Aufmerksamkeit des Konsumenten in immer höherem Maß. Der Empfänger einer konkreten Werbebotschaft registriert durchschnittlich nur zwei bis drei Prozent der dargebotenen Information. Ein primäres Ziel der Werbetreibenden sollte es daher sein, dass die Werbung tatsächlich wahrgenommen wird, zumal steigende Informationsansprüche der Kunden eine zunehmend zielgerichtete Kommunikation erfordern.


Klassik stößt an Grenzen

Marketing-Entscheider erwarten einen ergebnisorientierten und wirtschaftlichen Einsatz der Werbebudgets. Im Sinne einer effektiven und effizienten Markenführung muss Kommunikation nicht nur emotional ansprechen und hohe Aufmerksamkeit schaffen, sondern auch zu Handlungen aktivieren, die zum Kauf führen. Die meisten Angebote sprechen jedoch lediglich kleine oder kleinste Marktsegmente an. Die Kommunikation mit klassischen Medien – beispielsweise Radio- und Fernsehwerbung, Anzeigen – ist daher an Grenzen gestoßen. Wer erfolgreich mit seinen Kunden kommunizieren will, muss demnach umdenken. Die Folge ist eine klare Verschiebung bei der Bewertung von Kommunikations-Instrumenten in deutschen Unternehmen: Die Bedeutung des individuellen Dialogs mit dem Kunden in Kombination mit messbaren Leistungsbeweisen wächst. Die Anforderungen, die sich daraus für die Kommunikation ergeben, sind immens. Die Kernaufgabe besteht darin, einen sinnvollen Spagat zwischen der Individualisierung von Werbung (Differenzierung und Detaillierung der Ansprache) einerseits und wirtschaftlichen Aspekten andererseits zu finden.


Dialogmarketing-Formel

Die Herausforderung lässt sich zunächst auf eine einfache Formel bringen. Es muss gelingen,

 den richtigen Ansprechpartner
 zum richtigen Zeitpunkt
 mit dem richtigen Thema
 seiner Persönlichkeit entsprechend und
 über das richtige Medium

zu erreichen.

Um dieses Kernziel effizient zu erreichen, setzen fast alle Marketing-Verantwortlichen zunehmend auf direkte, dialogorientierte Kommunikations-Formen ohne Streuverluste. Auch Unternehmen, die bislang in erster Linie auf klassische Werbung fokussiert waren, setzen zunehmend auf Dialogmarketing. Die historische Entwicklung des Marketings entspricht diesem Trend: Das Marketing vieler Unternehmen hat sich vom Massen-Marketing über das Marktnischen-Marketing mit immer kleiner werdenden Zielgruppen zum individuellen, also zum Dialogmarketing entwickelt. Für kleine, identifizierbare Zielgruppen eignen sich die Medien der direkten, dialogorientierten Kommunikation, da diese wesentlich treffsicherer eingesetzt werden können. Statt des „Gießkannen-Prinzips“ (oder auch „Schrotflinten-Prinzips“) der Vergangenheit wird nun das Dialogmarketing eingesetzt, um jede einzelne Zielperson individuell zu erreichen.


Begrifflichkeit des Dialogmarketing

Das Dialogmarketing lässt sich durch das „Tante-Emma-Prinzip“ erläutern: Tante Emma, die Inhaberin eines so genannten „Tante Emma-Ladens“, kannte ihre Kunden, die in der unmittelbaren Umgebung wohnten. Sie konnte sie mit Namen ansprechen und individuell mit ihnen kommunizieren. Sie wusste, welche Bedürfnisse ihre Kunden haben, welche Käsesorte und welches Brot sie bevorzugen. Sie konnte mit den Kunden „ein Schwätzchen“ halten und „schrieb sie auch einmal an“, wenn es notwendig war. Durch den direkten, individuellen Kontakt baute „Tante Emma“ eine intensive Kundenbeziehung auf. Im klassischen Marketing ging diese Kundenbeziehung bei größer werdender Kundenzahl verloren. Die Kontakte wurden anonym.

Im Dialogmarketing wird durch interaktives Marketing mit messbaren Kontakten die direkte Beziehung zum Kunden wieder hergestellt. Allerdings muss bei zunehmendem Geschäftsvolumen das Gedächtnis von „Tante Emma“ durch technische Hilfsmittel unterstützt werden. Man benötigt Datenbanken.

Durch Dialogmarketing-Aktionen wird der Kunde direkt und gezielt angesprochen. Reaktionen werden erfassbar und können so in Kunden-Datenbanken ausgewertet werden. Hierdurch wird zu jedem einzelnen Kunden oder potenziellen Kunden eine Beziehung aufgebaut (Beziehungs-Marketing). Heute spricht man auch vom so genannten „Integrierten Marketing“, weil Medien des Dialogmarketings (zum Beispiel ein Werbebrief) erfolgreich mit klassischen Medien (zum Beispiel eine Anzeige) kombiniert werden.

Gefragt sind in diesem Zusammenhang innovative Kommunikations-Konzepte, bei denen klassische Werbung und Dialogmedien sich gegenseitig sinnvoll unterstützen. Damit zeichnet sich im Marketing ein neuer Trend auf, der alte Frontstellungen zwischen „Klassik“ und so genanntem „Below-the-line-Marketing“ aufbricht und darüber hinaus die Rolle der einzelnen Medien im Kommunikations-Mix neu bewertet. Neue Produkte wie „MediaMail“ der Deutschen Post verbinden klassische und Dialog-orientierte Ansätze sehr konkret. Eine Trend-Studie des Siegfried Vögele Instituts zeigt diesen Zusammenhang deutlich auf. Danach sehen Experten immer noch einen großen Nachholbedarf in der integrierten Kommunikation. Obwohl der zeitlich und inhaltlich synchronisierte Einsatz von klassischer Kommunikation und Dialog-Maßnahmen in den entscheidenden Marken-Dimensionen erfolgreich wirkt (sowohl bei Image als auch im Abverkauf), stößt dieses integrierte Vorgehen im Tagesgeschäft häufig an operative Grenzen.


Trends im Dialogmarketing

Im Rahmen der Studie wurden sechs Thesen entwickelt:

These 1: Persönliche und individualisierte Kunden-Kommunikation ist erfolgsentscheidend

Der persönliche Kontakt zum Kunden, dialogorientierte Kommunikations-Formen und individualisierte Instrumente zur Kundenansprache sind nach Ansicht aller Experten Garanten für den zukünftigen Erfolg von Kommunikations-Strategien. Wichtig wird aber auch das neue Grundverständnis: Dialogmarketing ist mehr als eine Technik, die sich beispielsweise mit den neuesten Möglichkeiten der Adressoptimierung befasst. Dialogmarketing ist eine Management-Aufgabe.

These 2: Erfolgs-Controlling bei der Kunden-Kommunikation wird unverzichtbar

Viele Unternehmen führen bisher kaum oder nur vereinzelt Erfolgs-Messungen durch. Das Erfolgs-Controlling bei Kommunikations-Maßnahmen wird aufgrund härterer Wettbewerbs-Bedingungen sowie sinkender Werbe-Budgets aber unverzichtbar für jedes Unternehmen, das effizient wirtschaften möchte. Dies impliziert die Einführung von Controlling-Systemen mit verschiedenen Kommunikations-Controllingtools. Im Trend liegen auch apparative Verfahren zur Messung der Wahrnehmung und Wirkung von Werbung. Bekannt ist insbesondere die Augenkamera-Technik. Eine Innovation stellt die neurophysiologische Wahrnehmungs-Forschung, kurz „Gehirnforschung“, dar.

These 3: Verbesserungs-Potenzial beim Customer Relationship Management (CRM)

In vielen Unternehmen herrscht Aufholbedarf im Bereich der Kundendaten-Verwaltung und -Verwendung. Mangelnde Datentransparenz und eingeschränkter Unternehmens-interner Datenfluss erschweren noch zu häufig die optimale Ausschöpfung der Kundendaten im Rahmen der Unternehmens-Kommunikation.

These 4: Großer Aufholbedarf im Bereich der integrierten Kommunikation

Sinnvoll vernetzte Kampagnen sind durchaus und nachweisbar in der Lage, eine höhere Werbewirkung zu erzielen. Dieses integrierte Vorgehen stößt im Tagesgeschäft jedoch häufig an operative Grenzen. Diese bestehen in dem hohen zeitlichen Aufwand, der Kostenintensität sowie der notwendigen fachlichen und inhaltlichen Kompetenz bei Unternehmen und Agenturen.

These 5: Klassisches Marketing und Dialogmarketing sind keine Gegensätze

Diese Tatsache scheint noch nicht im Bewusstsein aller Unternehmen und Agenturen angelangt zu sein. Dabei sprechen wissenschaftliche Untersuchungen eine eindeutige Sprache. Der zeitlich und inhaltlich synchronisierte Einsatz von klassischer Kommunikation und Dialogmaßnahmen zeigt in den entscheidenden Marken-Dimensionen eine teils deutlich höhere Erfolgsquote. Jedoch bedeutet integrierte Kommunikation mehr als nur den parallelen Einsatz verschiedener Medien. Synergieeffekte entstehen nur durch „Orchestrierung der Kommunikations-Instrumente“ für ein definiertes Ziel.

These 6: Forschung und Wissenschaft nehmen den direkten Kundendialog stärker ins Visier

stärker bei ihren Forschungs-Aktivitäten berücksichtigen als dies bisher der Fall war. Insgesamt rückt Dialogmarketing in den Blickpunkt der Forschung. Wurde Dialogmarketing an den Marketing-Lehrstühlen insbesondere der Universitäten bislang kaum berücksichtigt, zeigt sich heute ein Umdenken. Dabei werden zunehmend interdisziplinäre Ansätze verfolgt, beispielsweise als Kooperation der Marketing-Lehrstühle mit Psychologen, Soziologen und Naturwissenschaftlern.

Nicht nur für die Etablierung des Dialogmarketings in der Wissenschaft, sondern auch für die Sicherung des qualifizierten Nachwuchses bei den Dialogmarketing-Experten ist diese Entwicklung von größter Bedeutung.


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