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Eyetracking-Messung für Newsletter

Mehrere Anbieter im Vergleich: Die Ergebnisse sind sehr unterschiedlich und zudem wenig plausibel. So wird die Analyse eines Designs zum Glücksspiel.
Michael Kornfeld | 26.06.2024
Eyetracking-Messung für Newsletter: Funktioniert das? © Michael Kornfeld
 

Es gibt mehrere Anbieter, die Eyetracking-Messungen auch für Newsletter anbieten. Doch funktioniert das überhaupt? Die Experten von Dialog-Mail haben sich das angesehen und einen spannenden Test der FH St. Pölten betreut.

 

Kurzer Hintergrund: Wie funktioniert das Eyetracking überhaupt?

Bei einer Eyetracking-Messung wird der Blickverlauf der Leser analysiert: Welche Elemente erhalten viel Aufmerksamkeit (in Form von Blickkontakten), welche weniger? So können wichtige Bestandteile einer Website bzw. eines Newsletters gezielt optimiert werden.

 

Für so eine Messung kann man eine kontrollierte Studie mit realen Menschen durchführen, das nennt man „regular Eyetracking“. Doch solche Untersuchungen sind aufwändig, teuer und benötigen viel Zeit.

 

Deshalb gibt es als Alternative seit einigen Jahren „predictive Eyetracking-Verfahren“. Dabei wird auf Basis eines Algorithmus durch eine Software simuliert, wie die Blickverläufe aussehen würden. Das ist natürlich dramatisch günstiger und schneller durchführbar.

 

Laut den Herstellern sollen durch das große Trainingsmaterial und der Berücksichtigung von neurowissenschaftlicher Forschung die Ergebnisse ähnlich zuverlässig wie bei realen Messungen sein.

 

So eine Eyetracking-Messung hätte viele Vorteile:

  • Die Analyse ist innerhalb von Minuten durchführbar und die Ergebnisse liegen sofort vor.
  • Man bekommt wertvolle Erkenntnisse darüber, wie Empfänger mit den Elementen interagieren.
  • Die Analyse zeigt, worauf die Nutzer ihre Aufmerksamkeit richten.
  • Die Kosten sind sehr gering, daher kann das Design auch stufenweise optimiert werden.

 

Das gleiche Sujet für alle Anbieter.

Für die Studie wurden nach einem Auswahl-Prozess drei konkrete Anbieter detailliert unter die Lupe genommen: Eyequant, Attention Insight und Feng-GUI.

 

Für alle drei Anbieter wurde das gleiche Sujet für die Analyse verwendet. Daher sollten auch die Ergebnisse logischerweise relativ vergleichbar sein.

 

Wie zuverlässig (und damit brauchbar) sind die Verfahren?

Es wurde also der gleiche Newsletter bei allen drei Anbietern hochgeladen und durch deren Algorithmus analysiert. Die Ergebnisse sind in der Grafik oben im direkten Vergleich sichtbar.

Auf den ersten Blick sieht man bereits: Die Ergebnisse sind völlig unterschiedlich. So liegen beispielsweise bei dem linken Ergebnis die meisten Augenkontakte auf den oberen Artikeln, bei den anderen beiden in der Mitte bzw. im unteren Bereich.

 

Auch im Detail zeigen sich viele Ungereimtheiten:

  • Gerade bei der mittleren und der rechten Analyse entfällt viel Aufmerksamkeit auf den mittleren und unteren Bereich des Newsletters - der obere Teil des Newsletters wird vergleichsweise wenig beachtet. Angesichts der Tatsache, dass die Leser hier mehrmals scrollen müssen (und nur der obere Bereich z.B. im Vorschaufenster erscheint), scheint das sehr unglaubwürdig .
  • In den meisten Ergebnis-Heatmaps wird den Bildern kaum Beachtung geschenkt - die Aufmerksamkeit scheint sich vor allem auf die Überschriften zu konzentrieren. Das klingt nicht sehr realistisch.
  • Den auffälligen Buttons wird in allen drei Ergebnissen kaum Beachtung geschenkt, den Fließtexten in der unmittelbaren Nähe jedoch sehr wohl. Das ist wenig plausibel.
  • Im mittleren Ergebnis sind die meisten Augenkontakte ganz unten bei den rechtlichen Informationen zu finden. Das scheint wohl mehr als unlogisch zu sein.

 

Offenbar werden hier Algorithmen verwendet, die für die Analyse von Websites entwickelt wurden und die Besonderheiten des Kanals „E-Mail“ (Vorschau-Fenster, geringere Breite, usw.) einfach nicht berücksichtigen.

 

Das erklärt auch, weshalb durch den Algorithmus zum Beispiel kaum Augenkontakte auf der Grußzeile mit dem Namen des Empfängers festgestellt werden, während hier in der Realität mit Sicherheit Kontakte gemessen worden wären.

 

Fazit: Leider noch immer unbrauchbar.

Wir hatten erwartet, dass die vollmundigen Versprechungen der Anbieter – alle geben ja an, dass Ihr Tool auch für die Newsletter-Analyse geeignet ist – zumindest halbwegs eingelöst werden.

 

Doch leider sind die Ergebnisse sehr unterschiedlich und zudem wenig plausibel. So wird die Auswahl eines Anbieters und die Analyse eines Designs zum Glücksspiel.

 

Wir halten den Einsatz dieser Tools deshalb sogar für gefährlich: Es wird eine Schein-Wissenschaftlichkeit vermittelt, auf deren Basis Unternehmen Inhalte ihres Mailings anpassen oder Optimierungen vornehmen könnten, die durch die Heatmaps suggeriert werden. Doch die Gefahr ist dabei groß, dass dabei der Hausverstand auf der Strecke bleibt, wenn man im blinden Vertrauen auf das Ergebnis vorschnell irgendwelche Optimierungen vornimmt, die überhaupt nicht der realen Situation entsprechen.

 

So könnte die Wirkung des Mailings vielleicht sogar verschlechtert werden. Denn die Änderungen, die sich durch unsere drei Ergebnis-Heatmaps ergeben würden, waren ja auch völlig unterschiedlich.

 

Quelle: Seminararbeit „Eyetracking im E-Mail-Marketing“, Anna Haslinger, Lisa Vikoler, 04.06.2024, betreut von Univ.-Lektor Mag. Michael Kornfeld.