Künstliche Intelligenz für eine erfolgreiche Marketingstrategie
Welcher Marketer kennt sie nicht, die «heilige Dreifaltigkeit» des Marketings: Segmentierung, Targeting und Positionierung? Die drei Schritte sind absolut erfolgskritisch für eine effektive Marketingstrategie, darüber herrscht Einigkeit in der Marketing-Community. Doch in der Anwendung des theoretischen Wissens tun sich viele schwer. Oder fängt das Problem bereits bei der Theorie an? Wie war das noch mit den Unterschieden zwischen Marktsegmenten oder Teilmärkten, Kundensegmenten und Zielgruppen? Und gehört der Schritt zum Targeting nicht an die letzte Stelle, weil es hier doch um die Ansprache und Aktivierung von Zielgruppen geht – inklusive der Ausarbeitung der Werbebotschaften?
Die gute Neuigkeit vorab: In allen drei Marketingdisziplinen werden wir Marketers heute von KI unterstützt. Die künstliche Intelligenz hilft uns, Unmengen an Markt- und Konsumdaten auszuwerten, frühzeitig sich verändernde Bedürfnisse und Muster im Konsumverhalten zu erkennen und daraus die richtigen Schlussfolgerungen für jeden einzelnen Schritt zu ziehen. Sie schafft aber nicht nur die Grundlage für die richtigen Entscheidungen, sondern gibt uns ganz konkrete Handlungsempfehlungen.
Was bleibt ist die dreistufige Übung selbst, sie sollte weder unter den Tisch gewischt noch abgekürzt werden. Denn: Segmentierung, Targeting und Positionierung sind eng miteinander verbunden und folgen einer logischen Abfolge:
In der Praxis kommt es leider häufig vor, dass Marketing- oder Vertriebsteams in guter Absicht eine Kampagne lancieren wollen und dazu an Content arbeiten, ohne dass sie vorgängig ihre Hausaufgaben gemacht haben. Wie aber sollen sie unter diesen Umständen die für ihr Produkt oder ihre Dienstleistung richtigen Zielgruppen treffen – und diese mit einer effektiven Botschaft aktivieren können? An dieser Stelle ist es wichtig, einen Schritt zurückzugehen und sich drei simple Fragen zu stellen:
- Welche in sich möglichst homogenen Segmente lassen sich im Markt unterscheiden?
- Welche Segmente wollen wir bearbeiten – und welche nicht?
- Wie positionieren wir uns in diesen Segmenten gegenüber unseren Mitbewerbern?
Die Antworten fallen in der Regel etwas komplexer aus als die Fragen. Und die Entscheidung darüber, welche Segmente nicht bearbeitet werden sollen, mag zuweilen eine schmerzhafte sein. Bei der
Entscheidungsfindung sollte man sich in jedem Fall auf objektive Marktdaten stützen – und vielleicht auf eine Handlungsempfehlung einer künstlichen Intelligenz. Im Detail sieht das für die einzelnen Schritte wie folgt aus:
Segmentierung
Dieser Schritt besteht erst einmal darin, die verschiedenen Bedürfnisse innerhalb des Marktes zu eruieren. Danach wird der Markt in klar identifizierbare und unterschiedliche Gruppen mit möglichst gleichartigen Bedürfnissen aufgeteilt.
Man braucht eine oder mehrere Variablen um die Gruppen zu bilden, die zu möglichst homogenen Segmenten mit gleichgelagerten Bedürfnissen führen, die alle den gleichen Marketingansatz erfordern. Es gibt unterschiedliche Variablen für Verbrauchermärkte (B2C) und organisationale Märkte (B2B).
Verbraucher und Konsumentinnen (B2C) lassen sich zum Beispiel darüber gruppieren, wer sie sind (Demografie), wo sie sich aufhalten (Geografie), welche Einstellungen und Wünsche sie haben (Psychografie) oder wie sie einkaufen (Verhaltensanalyse). Oder auch nach deren Wertvorstellungen, die sich zum Beispiel in den Sinus-Milieus wiederfinden.
Inkompetente Marketer segmentieren auch nach Stereotypen. Sie stützen sich dabei auf selbsternannte Experten ab, die allen Ernstes suggerieren, dass z. B. die Generation Z ein homogenes Grüppchen mit ein- und denselben Bedürfnissen ist. Stupider geht’s nur noch, wenn wir ein Segment für junge und eins für alte Leute bilden.
Organisationen (B2B) können ebenfalls nach demografischen Merkmalen (z. B. Größe und Standort des Unternehmens) segmentiert werden, nur macht das allein wenig Sinn. Sinnvoller ist eine Segmentierung nach der aktuellen Geschäftslage, die Art und Weise, wie das Unternehmen einkauft, wer in seinem Namen einkauft («Buying Center» oder auch «Demand Unit») und wie es arbeitet (operative Variablen).
Was folgt ist ein mehr oder weniger simples Raster, auch «Grid» genannt, welches es uns erleichtert, den Gesamtmarkt in seiner Vielfältigkeit darzustellen und die einzelnen Segmente zu beschreiben, sowie zu erkennen, wie sich Segmente gegenseitig beeinflussen. Ultimativ hilft uns das Raster zu entscheiden, welche Segmente wir bearbeiten wollen (Targeting).
Effektiv und bewährt für ein solches Raster ist das «Meaningful/Actionable Grid» nach Prof. Dr. Mark Ritson, der in MBA-Programmen führender Business Schools, darunter die London Business School und das MIT, unterrichtete und regelmäßig für die MarketingWeek schreibt:
Simpel gesagt, geht es hier vorerst um eine Bewertung der Variablen (auf einer Skala von 1 bis 10) danach, wie stark sie sich auf das Verhalten der Verbraucher auswirken. Alles, was keinen bedeutenden Einfluss («meaningful impact») auf das Verhalten hat, ist eine 1. Eine Variable, die einen direkten Einfluss auf das Verhalten hat, ist eine 10.
Danach wird jede Variable auf einer Skala von 1-10 danach bewertet, wie verfügbar und verwertbar die Daten sind («available and actionable data». Dazu fragen wir uns: Habe ich diese Daten? Kann ich die tatsächlichen Kunden anhand dieser Variable identifizieren? 1 bedeutet, dass die Daten unmöglich zu bekommen sind. 10 bedeutet, dass die Daten leicht zugänglich oder bereits verfügbar sind.
Nun multiplizieren wir die beiden Werte für eine Priorisierung in der Marktbearbeitung. Die Methode ist detailliert in einem Blogartikel von Peter Preston beschrieben (https://pgpreston.com/market-segmentation-marketing-strategy/).
Wie finden wir aber nun die relevanten Variablen? Wie wissen wir, welche einen bedeutenden Einfluss haben? Und wie gelangen wir zu verwertbaren Daten? Hier unterstützen KI-Tools wie sie Hase & Igel anbietet. Zwei Beispiele:
Berky, ein marktführender Anbieter für Spezialboote, will sich eine Übersicht über den Markt verschaffen mit der Absicht, einen neuen Teilmarkt zu erschließen für ein Spezialboot zur Beseitigung von Plastikmüll aus Gewässern. Dabei stellt sich die Frage nach den für die Bildung gut bearbeitbarer Segmente entscheidenden Variablen. Welche Branchen haben mit welcher Motivation und in welchem Kontext den Bedarf? Und ergibt sich daraus mehr als ein Segment?
Berky lässt diese Fragen die KI beantworten.
Dazu durchforstet die KI rückwirkend über mehrere Jahre in allen relevanten Märkten und in den wichtigsten Sprachen sämtliche öffentlichen Beiträge zum Thema “Plastikverschmutzung von Gewässern”, inklusive der Daten zu Reichweiten und Reaktionen. Auf Basis der kompletten Texte sowie sämtlicher digitalen Reaktionen darauf identifizieren die proprietären KI-Algorithmen mittels Language Models die Kontexte, in denen das Thema relevant wird, und die Zusammenhänge zwischen diesen Aspekten. Für jeden Kontext ermittelt die KI die Entitäten, also die Unternehmen, Personen und Orte, die jeweils im Mittelpunkt stehen. Kontexte wie Entitäten werden nach Sentiment und Aktivierung bewertet. So wird deutlich, welche Unternehmen und Branchen in welchem Zusammenhang besonders unter Druck stehen, zu einer Lösung für das Plastikmüllproblem beizutragen - und welche NGOs, Politiker und Aktivisten sich in diesem Kontext besonders engagieren.
Die KI liefert damit nicht nur die relevanten Variablen für unsere Segmentierung und hilft, diese nach deren Relevanz zu gewichten («meaningful impact»). Sie stellt auch die Datenbasis zur Verfügung, um homogene Segmente zu bilden und diese für die Marktbearbeitung zu priorisieren («available and actionable data». Ausserdem bietet sie Informationen darüber, wie sich die Segmente gegenseitig beeinflussen – ein weiterer Prozessschritt in der Segmentierung («spillover or influence»), der auch für das Targeting von Bedeutung ist.
Im zweiten Beispiel geht es um die Konsumgüterbranche: Ein international führender Hersteller von Brotspezialitäten möchte besser verstehen, welche verschiedenen Motivationen Kunden zu seinen Produkten führen. Mit diesen Erkenntnissen will er mehr Menschen für die Category gewinnen, die heute noch nicht solche Arten Brot kaufen, aber dafür empfänglich sein dürften. Mit der KI werden verschiedene Cluster an Motivationen sichtbar. Die einen kaufen die Brotspezialitäten aus Gründen des Geschmacks oder gesunder Ernährung, andere, weil sie eine Diät befolgen, und wieder andere aus Gründen der Sentimentalität – sie verbinden das Brot mit einem Urlaub in dem dafür bekannten Land. Für jedes Cluster wird zudem sichtbar, zu welchen Anlässen (Frühstück, Mittag-, Abendessen oder Snack zwischendurch) und in welchen Kombinationen (Käse, Wurst, Avocado, etc.) in diesem Segment die Brotspezialitäten am ehesten konsumiert werden. Auch in diesem Fall haben wir damit alle Variablen, die zur Bildung homogener Segmente benötigt werden. Da zugleich ersichtlich wird, wie groß diese Segmente sind und wie stark sie jeweils die Konsumenten aktivieren und emotionalisieren, können die attraktivsten davon priorisiert werden – siehe Targeting.
Im Konsumgütermarkt (B2C) werden oft auch Personas erstellt für die nähere Beschreibung von Segmenten. Eine Persona stellt ein Stereotyp dar, das ein bestimmtes Segment oder Teilsegment möglichst repräsentativ und plakativ vertreten soll. Personas bieten Einblicke in Gebrauchsmuster, Motivationsfaktoren, Wertvorstellungen, Interessen, etc., und die Customer Journey der Konsument:innen. Hier ist allerdings Vorsicht geboten: Personas sind nur dann dienlich, wenn sie mittels belastbarer Daten erhoben und regelmäßig validiert werden. Alles andere ist Blindflug!
Aus Mustern zum Informationsverhalten und den Nutzen-Motivationen der Menschen lassen sich Personas bauen, die damit auch in Echtzeit (ohne Befragungen) aktualisierbar und in der Zielgruppenansprache getrackt und ausgewertet werden können. Die KI bietet eine einfache Möglichkeit, einmal erstellte Personas anhand aktueller Daten regelmäßig zu validieren. Er gibt unter anderem Auskunft über generelle Wertverschiebungen in der Gesellschaft und über Ängste, Wünsche und Motivatoren der Konsument:innen. Außerdem bietet er Einblicke in die kaufentscheidenden Motive, die insbesondere für die Positionierung wichtig sind (siehe Laddering-Methode unter Positionierung).
Targeting
Viele denken bei Targeting nur an Media-Placements und Cookies, doch die eigentliche Aufgabe – und jeder entsprechenden Umsetzung vorgelagert – muss es sein, überhaupt zu entscheiden, welche der identifizierten Segmente man erreichen möchte. Daher heißt es ja auch "Targeting" und nicht bloß "Mediaplan" oder "Tracking. Nachdem der Markt in Segmente ähnlicher Kunden aufgeteilt ist, besteht der zweite Schritt des STP-Modells also darin, die Segmente zu identifizieren, welche bearbeitet werden sollen – und welche nicht. Wir erstellen also erst die Landkarte – die Segmentierung bildet den gesamten Markt ab – und entscheiden uns dann erst für die Route.
Viele Führungskräfte tun sich schwer damit, auf die Bearbeitung einzelner Segmente zu verzichten. Wie Harvard-Professor Michael Porter aber schon sagte: «The essence of strategy is choosing what not to do.» Für diese Entscheidung hilft es, wenn wir uns vergegenwärtigen, welches die Bedürfnisse der einzelnen Kunden sind, die wir am besten bedienen können mit unserem Angebot und den vorhandenen Ressourcen, und die für uns die größte Chance in Bezug auf Umsatz, Rentabilität oder Bekanntheitsgrad darstellen. Das heißt nicht, dass wir uns in einem weiteren Prozess (Innovationsprozess) nicht auch Gedanken machen sollten darüber, wie wir andere Segmente mit angepassten oder neuen Angeboten bedienen könnten.
Theoretisch gibt es vier Ansätze für das Targeting:
- Undifferenziert: Wir wählen den gesamten Markt für ein bestimmtes Produkt als Zielmarkt und verwenden denselben Marketing-Mix für alle Kunden (auch «mass marketing» genannt).
- Differenziert: Wir richten unsere Marketinganstrengungen auf zwei oder mehr Marktsegmente und erstellen für jedes einen anderen Marketing-Mix.
- Konzentriert/Nische: Wir richten unsere Marketinganstrengungen auf ein einziges Marktsegment durch einen einzigen Marketing-Mix.
- Maßgeschneidert: Wir sprechen jeden Kunden individuell an, B. bei Investitionsgütern in einem B2B-Umfeld.
Praktisch können sich wenige Unternehmen die Option des «Mass Marketing» leisten. Es ist, als würden wir ständig eine Runde ausgeben müssen, damit uns überhaupt einer zuhört. Wir kennen das aus der Fernsehwerbung, z. B. aus Spots von großen Banken- oder Versicherungsgesellschaften: sie kommen mitunter sehr undifferenziert daher, weil sie uns Konsumenten in allen Lebensphasen ansprechen möchten.
Targeting ist zunächst einmal eine sehr strategische Angelegenheit, die dann aber im Rahmen der Kampagnenplanung schnell auf eine taktische, operative Ebene fällt, wenn es zum Beispiel darum geht, wie ich meine Zielgruppen in einer Welt ohne Cookies noch effektiv erreichen und aktivieren kann. In beiden Fällen (Strategie und Taktik) hilft uns künstliche Intelligenz.
Auf der strategischen Ebene kann uns KI mit prädiktiven Analysen und Modellierungstechniken bei der Priorisierung von Segmenten unterstützen. Durch die Analyse historischer Daten können KI- Algorithmen Indikatoren identifizieren, die die Wahrscheinlichkeit einer Conversion in einem Segment erhöhen und damit attraktiver machen. Berky fand auf diese Weise die Unternehmen und Branchen, die im Zusammenhang mit der Gewässerverschmutzung durch Plastik besonders unter Druck stehen – und die jeweiligen Kontexte und Akteurskonstellationen, in denen das Thema für sie relevant wird. Der Hersteller von Brotspezialitäten entdeckte unter anderem ein völlig neues, attraktives Segment, nämlich das der Sentimentalen, die diese Art Brot als Urlaubserinnerung und aus Fernweh konsumieren.
Die genannte KI vermittelt zudem Informationen über Marktpotenziale, Mitbewerber, potenzielle Partner, effektive Marktbearbeitungsmethoden, etc.
Auf der taktischen Ebene gibt die KI unter anderem Auskunft darüber, was von unseren Zielgruppen nachgefragt wird, in welchem Kontext sie sich bewegen, welche Inhalte sie konsumieren, wer die Beeinflusser sind, welche Werbeträger attraktiv sind und was der Wettbewerb an Werbegeldern investiert. Mit den so gewonnen Erkenntnissen erreichen wir unsere Zielgruppen auch ohne First-Party-Daten – und auch gänzlich ohne Cookies.
Das Gebot der Stunde heisst «Contextual Targeting» oder auch «Contextual Advertising». Hinter dem kryptischen Wort «contextual» verbirgt sich eine einfache, überzeugende Idee: Wir müssen eigentlich nicht wissen, ob unsere potenzielle Kundin eine junge, urbane, modebewusste Frau ist, die Karriere in der Immobilienbranche macht, oder unser potenzieller Kunde ein Babyboomer in Frührente ist, Hardrock hört und ein Custom Bike fährt. Wir müssen nur zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, um sie oder ihn mit etwas anzusprechen, was für diese Person tatsächlich relevant und attraktiv ist. Wenn unser Babyboomer oder unsere junge Frau munter klickt, «liked», «shared» oder kauft, kann es uns völlig egal sein, ob er der anspruchsvolle Minimalist und sie die karrierebewusste Frau ist.
«Cookieless Contextual Targeting» nutzt die anonymen Verhaltensdaten sehr vieler Menschen, um zu sehen, wo und wann sich typischerweise eine Zielgruppe aufhält, die sich für unsere Produkte begeistern lässt, und was ihr wichtig ist. Auf dieser Basis spielen wir dann unseren Content und unsere Werbung aus – mit den Argumenten, in den Medien und zu den Zeiten, die zu dieser Zielgruppe und ihrem Verhalten passen.
Ein weiteres Beispiel aus der Praxis:
AIKA, die Allianz inhabergeführter Kommunikationsagenturen, will in der Öffentlichkeit eine prägnante Stimme ihrer Mitglieder sein und die Diskussion in der Branche mitprägen. Doch was sind die Themen, zu denen sich Verband und Mitglieder sinnvoll positionieren lassen – und wo gibt es aktuell Chancen, durch die Lawine ständiger Kommunikation hindurchzudringen? Rund um sämtliche Themen, die Agenturen und ihre Verbände betreffen, erheben die Algorithmen kontinuierlich alle öffentlichen Beiträge und Reaktionen über eine per API (Programmierschnittstelle) angeschlossene Media Monitoring- Lösung und Web Scraper. Die Algorithmen erkennen Muster zu Beiträgen und analysieren, zu welchen Themen Menschen im relevanten Umfeld besonders stark reagieren, wie sich dies über die Zeit ändert und wie stark derzeit der kommunikative Wettbewerb ist. So wird laufend – und nicht erst in einer nächsten Befragungswelle – transparent, was die Branche bewegt. Das System erkennt auch, zu welchen Aspekten mit guter Aktivierung derzeit die Chancen am besten sind, eigene Inhalte zu platzieren – und wo und wann. Durch «Send Time Optimization» zeigt die KI je Thema auf, in welchem Medium und zu welcher Zeit ein eigener «Aufschlag» am aussichtsreichsten ist, um möglichst viel Reichweite oder möglichst viele Reaktionen zu erzielen.
Mehr zu «Contextual Targeting» findet sich in diesem etwas ausführlicheren Artikel.
Positionierung
Damit kommen wir zur Königsdisziplin: der Positionierung. Mit der Positionierung tun sich viele Unternehmer:innen oder Marketingteams besonders schwer. Denn es geht hier darum, Farbe zu bekennen. Für eine gute Positionierung müssen wir wissen, worin wir gut sind – und in welchen Bereichen unsere Mitbewerber die Nase vorne haben. Über das Gute reden wir dann. Alles andere behalten wir für uns.
Der Fokus liegt auf den drei Cs: Customers, Company & Competition (Quelle: «Competitive Advantage and Competitive Strategy» von Michael Porter) – oder auch: Consumers, Capabilities & Competitors (McKinsey & Company). Es geht also darum, sich mit den (potenziellen) Kunden, dem eigenen Unternehmen und dessen Fähigkeiten sowie den Mitbewerbern zu beschäftigen um Stärken und Qualitäten gezielt hervorzuheben, die das eigene Produkt oder die eigene Dienstleistung von anderen unterscheidet – oder wie der Marketingpionier Professor Philip Kotler es einst nannte: «the act of designing the company’s offering and image to occupy a distinctive place in the mind of the target market» (der Akt der Gestaltung des Unternehmensangebots und -images, um in den Köpfen des Zielmarktes einen unverwechselbaren Platz einzunehmen). Noch einfacher drückt es nur Prof. Dr. Ritson aus: «Learn to stand the fuck out!»
Wie genau finden wir denn nun den «unverwechselbaren Platz in den Köpfen» unserer Zielgruppen? Schauen wir uns dazu einen typischen Positionierungsprozess an – und dazu die Möglichkeiten, die uns die künstliche Intelligenz bringt.
Schritt 1: Den Markt und seine Dynamik verstehen
Zugegeben: Ein nicht unwesentlicher Teil dieses ersten Schrittes gehört zur Segmentierung. Doch während es bei der Segmentierung primär um die Verbraucher und deren unterschiedliche Bedürfnisse geht, geht es in diesem ersten Schritt der Positionierung darum, den Markt und dessen Akteure in seiner Gesamtheit zu begreifen. Jedes Unternehmen, jede Marke, jedes Produkt, jede Dienstleistung braucht seine eigene Position auf dem Markt und/oder in einem spezifischen Segment. Um eine einzigartige Positionierung zu schaffen, ist es deshalb wichtig, den Markt, seine Dynamik und die untereinander konkurrierenden Unternehmen und deren Produkte und Dienstleistungen genau zu verstehen.
Für eine gute Übersicht sorgt die Marktforschung, die allerdings sehr aufwendig sein kann – aber nicht muss. Denn: Künstliche Intelligenz ermöglicht es, sehr große Mengen an Struktur- und Umweltdaten mit Daten zur Konkurrenz und zum eigenen Unternehmen zu aggregieren, zu analysieren, zu bewerten und zu vergleichen – sowohl in quantitativer wie auch in qualitativer Hinsicht.
KI spielt eine entscheidende Rolle, wenn es darum geht, sich den «unverwechselbaren Platz in den Köpfen» der Konsument:innen zu sichern, indem sie die Stimmung der Kunden, ihr Feedback und Daten aus sozialen Medien analysiert. Algorithmen zur Verarbeitung natürlicher Sprache (Natural Language Processing, NLP) können dazu Kundenrezensionen, Social-Media-Beiträge und Online- Diskussionen analysieren. Die KI-gestützte Stimmungsanalyse kann auch Echtzeit-Feedback liefern, so dass Marketingexpert:innen ihre Positionierungsstrategien nachjustieren können.
Die KI gibt auch klare, für die Positionierung wichtige Handlungsempfehlungen. Diese stützen sich unter anderem auf die relative Stärke der Wettbewerber, deren Marktbearbeitungsstrategien und deren Werbeintensität. Zudem bietet sie einen guten Einblick in die Wahrnehmung der Kunden. Was sagen diese über die Produkte oder Dienstleistungen unserer Mitbewerber? In welchem Kontext suchen sie nach unserem Angebot?
Schritt 2: Vorteile der Wettbewerber identifizieren
Ein Wettbewerbsvorteil ist eine Eigenschaft, Qualität oder Fähigkeit, die es uns ermöglicht, die Konkurrenz zu übertreffen. Er verschafft unserem Produkt oder unserer Dienstleistung – oder auch der Marke generell – einen Vorteil bei Kaufentscheidungen gegenüber anderen. Wettbewerbsvorteile können sich aus unterschiedlichen Kriterien ergeben, z. B. aus dem Preis. Sollte unser Unternehmen in der Lage sein, dank eines besonders effizienten Produktionsprozesses oder einer kurzen Lieferkette einen vergleichbaren Wert zu niedrigeren Kosten anzubieten als die Konkurrenz, können wir diese Karte spielen – müssen aber nicht. Gewinnbringender ist es, wenn wir den Kunden einzigartige Vorteile bieten, die unsere Mitbewerber nicht haben, z. B. eine größere Auswahl, bessere Qualität, ein eleganteres Design, einen besseren Service oder ein insgesamt besseres Kundenerlebnis. Dabei spielen auch immaterielle Werte eine Rolle wie z. B. Bequemlichkeit, Vergnügen, ein besseres Selbstwertgefühl oder Status.
Eine gute Methode zur Bewertung der Kundennutzen bietet die in den 80er-Jahren von Thomas J. Reynolds und Jonathan Gutman entwickelte Laddering-Methode:
Sie basiert auf der Means-End-Chain-Theorie (Olson & Reynolds 2001). Und diese stützt sich auf die Annahme, dass Konsumenten die Motivation zum Kauf eines Produktes mit positiven Emotionen verbinden. Eine hierarchische Werthaltung (z. B. Komfort) der Konsumenten gegenüber einem Produkt führt dazu, dass Nachfrager Marken als Bündel von Eigenschaften (Means) nachfragen, um wünschenswerte Zustände (Ends) zu erreichen. Häufig sind diese Werthierarchien unbewusst und daher das resultierende Entscheidungsverhalten schwer messbar.
Schritt 3: Eigene Wettbewerbsvorteile identifizieren
Die Liste der Wettbewerbsvorteile stellt eine Reihe an möglichen Positionierungsstrategien dar, die wir für unser Produkt, unsere Dienstleistung oder unsere Marke weiterverfolgen könnten. Der dritte Schritt besteht nun darin, zu untersuchen, wie diese Faktoren in die Kundenwahrnehmung im breiteren Wettbewerbsumfeld passen. Unser Ziel ist es, einen Positionierungsansatz zu wählen, der uns eine einzigartige und geschätzte Position auf dem Markt verschafft – eine Position, die unsere Konkurrenten nicht einnehmen.
Eine Wahrnehmungskarte («perceptual map») ist ein hervorragendes Instrument für diesen Schritt. Perceptual Maps vermitteln ein Bild davon, wie die verschiedenen Wettbewerber auf dem Markt positioniert sind, und zwar auf der Grundlage der Schlüsselkriterien, die die Entscheidungen der Kunden stark beeinflussen. Die Karte kann zweidimensional (Positionierungskreuz) oder mehrdimensional sein. Eine simple zweidimensionale Karte könnte auf einer Achse die Höhe des Preises und auf der anderen Achse die Höhe der Qualität abbilden. Für ein Schmerzmittel könnten mehrere Dimensionen abgebildet werden wie «Effektivität», «Qualität», «angemessener Preis», «langanhaltende Wirksamkeit», «angenehme Anwendung» oder «Verträglichkeit bei Kindern».
Eine meines Erachtens gute Möglichkeit für einen Vergleich mit den Mitbewerbern bietet sich mit einer Orientierung an der Wertstiftung für die Kunden. Das Beratungsunternehmen Forrester unterscheidet hier vier Dimensionen: die ökonomische, die funktionale, die experienzielle und die symbolische.
In jedem Fall sollten wir uns von außen nach innen orientieren. Das heißt, nicht technische Produkteigenschaften in den Vordergrund stellen, sondern uns an den Bedürfnissen, den Wahrnehmungen und den Verhaltensweisen der Kunden orientieren. Wenn ein Unternehmen seine Kunden nicht versteht, kann es keine angemessene Positionierungsaussage treffen. Hier unterstützt der Themennavigator des KI-Lösungsanbieters, der Auskunft darüber gibt, welche Produkteigenschaften den Konsument:innen besonders wichtig sind, wie und für welche Jobs («to be done») sie Produkte verwenden, welche Emotionen in diesem Kontext entstehen, etc.
Kundenumfragen und Feedback-Formulare zur Ermittlung des NPS (Net Promoter Score) können ebenso helfen, die Kunden besser zu verstehen. Noch besser aber sind Befragungen und/oder die systematische Auswertung von Beschwerden und Hinweisen zur Verbesserung von Produkt oder Prozessen. Auch hier bietet die künstliche Intelligenz neu Möglichkeiten, indem große Datenmengen mit Natural Language Processing (NLP) ausgewertet werden. Statt nach einer Bewertung auf einer Skala zu fragen (NPS), können wir heute problemlos offene Fragen stellen. Die Antworten werden semantisch ausgewertet und sind viel aussagekräftiger als ein simpler Score auf einer Skala von 1 bis 10.
Letztlich geht es bei der Erstellung einer Wahrnehmungskarte oder eines Positionierungskreuzes darum, Marktlücken zu identifizieren; diese wiederum stellen Möglichkeiten dar, eine Nische zu finden, die noch nicht besetzt ist – real oder kommunikativ. Wenn es also darum geht, die eigenen Wettbewerbsvorteile hervorzuheben, darf man der Kreativität gerne freien Lauf lassen. Es ist ja nicht so, dass wir nur mit einem Fahrzeug von BMW «Freude am Fahren» hätten.
Wir haben eine größere Erfolgswahrscheinlichkeit, wenn wir unsere Positionierung als Erste auf dem Markt vertreten. Wir müssen dann niemanden verdrängen und können für Aufsehen sorgen, indem wir ein bisher unbefriedigtes Bedürfnis befriedigen.
Schritt 4: Positionierungsstrategie bestimmen
Nachdem wir die Wettbewerbsvorteile ermittelt und Informationen über die Positionierung der wichtigsten Konkurrenten beschafft haben, können wir unsere Positionierungsstrategie bewerten und auswählen. Dies ist die Entscheidung darüber, wie genau wir unser Angebot im Vergleich zum Rest des Feldes positionieren wollen. Wie werden wir anders und besser sein? Wir suchen ein USP, eine «unique selling proposition».
Eine starke Positionierung konzentriert sich auf ein einziges, gutes Konzept, das für die Kunden:innen wichtig ist. Sie nutzt unseren vielversprechendsten Wettbewerbsvorteil, um die Nische zu bearbeiten, die wir besser als alle anderen ausfüllen werden. Dabei stellt unsere Positionierungsstrategie diesen Vorteil in den Kontext unseres Wettbewerbsumfelds: Sie erklärt, was uns von der Konkurrenz unterscheidet. Vielleicht bieten wir einen emotionalen Vorteil, den unsere Zielgruppe nirgendwo anders findet (Spaß, Ausgeglichenheit). Vielleicht einen funktionalen für eine Zielgruppe, die eher an Technik interessiert ist (zusätzliche Newtonmeter bei einem E-Bike, mehr CPU-Power bei einem Laptop). Vielleicht bieten wir aber auch ganz einfach einen großartigen Kundenservice in einer Kategorie, in der es bisher kaum einen anständigen Kundenservice gibt.
Eine gute Positionierung entscheidet letztlich über Erfolg oder Misserfolg unseres Produktes oder unserer Dienstleistung, wenn nicht gar über die Existenz unseres Unternehmens.
Schritt 5: Positionierungsstrategie kommunizieren und umsetzen
Die Umsetzung der Positionierungsstrategie beginnt mit der internen Kommunikation. Dieser Schritt sollte nicht unterschätzt werden. Es ist imminent wichtig, dass wir die Erwartungen, die unsere Positionierung bei den Kunden weckt, auch erfüllen. Versprechen wir beispielsweise einen top Kundenservice, dann sollten das auch alle im Unternehmen wissen und leben, vor allem aber die, die es direkt betrifft. In diesem Fall sind auch besonders kundenfreundliche Prozesse zu gestalten, zu überwachen und aufgrund erster Kundenfeedbacks kontinuierlich zu verbessern.
Nachdem die (neue) Positionierung intern kommuniziert wurde, beschäftigen wir uns nun mit der werblichen Kommunikation nach außen. Diese kann man als Teil der Positionierung sehen oder auch nicht. Tatsache ist: Sie folgt unmittelbar auf die hier dargelegten, vorangegangenen Schritte.
Zunächst einmal brauchen wir die richtigen Botschaften für unsere Zielgruppen, die sich aus unseren Alleinstellungsmerkmalen ergeben und allenfalls in Zusammenarbeit mit einer Werbeagentur zu guten Headlines und knackigen Statements verdichtet werden. Aus werblicher Sicht kann eine Zielgruppe aus einer Teilmenge eines Segmentes oder aus einer segmentübergreifenden Gruppe an Menschen oder Firmen bestehen. Wir bilden Zielgruppen abhängig von einer Kampagne, während die Segmente mehr oder weniger starr bleiben. Im Tourismusmarkt gibt es vielleicht Segmente für Transport, Hotellerie, Aktivitäten, Entertainment, etc., während die Zielgruppen Alleinreisende, Paare oder Familien mit kleinen Kindern sein könnten.
Danach ist ein geeigneter Marketing-Mix mit zur Positionierung passenden Instrumenten zu definieren. Je nachdem, wie die eigene Positionierung aussieht und wie sich das Marktumfeld gestaltet, müssen wir unsere Positionierungsmelodie leiser oder lauter spielen, mehr oder weniger Werbegelder allozieren. Dabei ist die Gesamtheit der orchestrierten Instrumente entscheidend darüber, ob wir im Markt gehört werden oder nicht. Die Wahl der Instrumente und die für ein Instrument zugeteilten Mittel sollten regelmäßig überprüft werden. Bei einer solchen Überprüfung hilft uns die künstliche Intelligenz. Dazu ein Beispiel:
Die Stadtsparkasse Düsseldorf gewinnt mit der KI-gestützten Cloud-Lösung die nötige Transparenz, um den Wertbeitrag ihres Marketings differenziert je Produkt, Instrument, Kanal und Kampagne zu ermitteln - bis in den Kundenwert hinein. Durch das dynamische Benchmarking ist eine faire und neutrale Bewertung der Ergebnisse sichergestellt. So ist es der Sparkasse nicht nur möglich, sehr viel klarer und differenzierter als bisher ihren Marketing-Mix zu steuern, sondern nahezu in Echtzeit zu erkennen, welchen „Return on Marketing Investment“ (ROMI) einzelne Aktivitäten erzielen. Auf diese Weise werden direkte wie indirekte Umsatzeffekte von Positionierungsmaßnahmen sofort sichtbar.
Genauso wichtig wie die Wahl der richtigen Instrumente ist aber aktivierender Content. Ein Positionierungsstatement allein gewinnt noch keine neuen Kunden. Wichtig ist, welche Inhalte zur eigenen Positionierung passen, und wann sie relevant werden. So hat zum Beispiel eine große Kette an Apotheken mit dem Marktcheck-Tool auf Basis sämtlicher Google-Suchen ermittelt, welche Themen und Produkte in den relevanten Gesundheitsbereichen zu welchen Zeiten des Jahres die Kunden wirklich interessieren und was typische Fragen oder Informationsbedarfe sind. Zu den wichtigsten Themen erhebt sie mit dem Themennavigator, welche feineren inhaltlichen Aspekte hierzu die Kunden am stärksten aktivieren und wie sich das Unternehmen in diesem Kontext positionieren muss. Auf dieser Basis richtet das Marketing-Team die Kommunikation in dessen Webshops sowie in den Social-Media-Kanälen ihrer zugehörigen Apotheken gezielt auf maximale Relevanz und Aktivierung aus - präzise auf die inhaltlichen Informationsbedarfe und die richtigen Kommunikationszeitpunkte zugeschnitten.
Fazit
Die Ausarbeitung der strategisch wichtigen Schritte Segmentierung, Targeting und Positionierung als Teil einer jeden Marketingstrategie ist keine Hexerei, erfordert aber ein solides Handwerk und verlangt den Marketers viel Disziplin und Kenntnis des Marktes ab. Intuition reicht hier nicht. Relevante Insights werden über Erhebungen und fundierte, belastbare Analysen gewonnen. Hier hilft künstliche Intelligenz. Sie liefert wesentliche Teilantworten auf die eingangs gestellten Fragen:
- Welche in sich möglichst homogenen Segmente lassen sich im Markt unterscheiden?
- Welche Segmente wollen wir bearbeiten – und welche nicht?
- Wie positionieren wir uns in diesen Segmenten gegenüber unseren Mitbewerbern?
KI hat die Art und Weise, wie moderne Marketer mit der „heiligen Dreifaltigkeit“ verfahren, auf ein neues Niveau gehoben, indem sie eine wesentlich größere Breite und Tiefe an empirischen Erkenntnissen in sehr kurzer Zeit liefert und so menschlichen Entscheidern mehr Geschwindigkeit und mehr Präzision ermöglicht – und damit einen signifikanten Beitrag zum Erfolg der Unternehmen leistet.