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Mental fit in schwierigen Zeiten

In unsicheren Zeiten ist es entscheidend, zwischen den Ohren fit zu bleiben. Das Problem daran ist meist, dass wir das gar nicht bemerken.
Stefan Dudas | 23.07.2021
© freepik_yanalya
 

In schwierigen, unsicheren Zeiten ist es entscheidend, zwischen den Ohren fit zu bleiben. Das Problem daran ist meist, dass wir gar nicht bemerken, wann wir mental nicht mehr fit sind. 

Der Wohnzimmertisch ist voll. An einem Ende der Zehnjährige, der gerade mit einer sehr trägen Internetleitung seiner Lehrerin das erste Newtonsche Gesetz erklären soll. Am anderen Ende des Tisches die beinahe komatöse Mutter, die schon mehr als zwei Stunden verfolgt, wie ihr Chef die 93. Powerpoint-Folie im Zoommeeting präsentiert. Im Schlafzimmer sitzt der Mann und versucht, einem Kunden via Skype die Vorzüge einer außerordentlichen Zusatz-Versicherung zu erklären.

Home-Office ist gut machbar, schreiben in Artikeln immer wieder viele Experten, die (wahrscheinlich) alle in einer Achtzimmervilla mit Park wohnen. Aber nicht nur Home-Office und Homeschooling belastet viele Menschen. Auch das dauernde Abwarten und sich wieder an neue Regeln zu gewöhnen, verunsichert Menschen. Zudem wächst die Angst um den eigenen Arbeitsplatz. Laut einer Studie von Pronova BKK sind 20 Prozent der Deutschen aktuell besorgt um ihren Arbeitsplatz. Abgesehen von Corona belastet auch die immer schneller voranschreitende Digitalisierung viele Arbeitnehmer ebenso wie viele Unternehmer. 

Jede Krise ist eine Chance. 

Auch wenn man Beratern, die solche Sätze von sich geben, gerne Gewalt androhen möchte, hat dieser Satz natürlich einen wahren Kern. Menschen haben es gerne bequem und deshalb fühlen wir uns in unserer Komfortzone sehr wohl. Über die Restaurant-Tests im TV oder besser die Restaurant-Besitzer beispielsweise lachen wir, weil sie anscheinend so viele Fehler machen, die für uns ja offensichtlich sind. Doch wie offensichtlich sind die Fehler für Außenstehende, die wir innerhalb unserer eigenen Arbeitswelt machen? Weil wir schon zu tief in unserem Hamsterrad gefangen sind, nehmen wir unsere Situation gar nicht mehr richtig wahr. Die «Chance», aus dem Hamsterrad auszusteigen, uns davor hinzustellen und nachzudenken, können wir aber nur dann schaffen, wenn wir mental fit sind.

Wer ist denn hier schuld?

Es gibt Menschen, die sehr gerne in die Opferrolle einnehmen. Erstmal schauen, wer Schuld an der Sache hat. In Amerika gerne noch mit einem zweiten Schritt: Schauen, wer schuld ist, und wenn man einen Schuldigen gefunden hat, analysieren, ob man diesen auch verklagen kann. In der aktuellen Lage zählen ebenjene Menschen gerne auf, was im Moment alles nicht mehr möglich ist und kennen die lückenlose Liste der gegenwärtigen Missstände im Land. Hilft das weiter? Natürlich nicht. Es gibt eigentlich nur eine einzige Möglichkeit, um mit schwierigen Situationen umzugehen: Das Hamsterrad zu verlassen und sich dieses (und damit das Unternehmen, die Arbeitsstelle, den Beruf, die Beziehung oder das eigene Leben) einmal gründlich von außen anzuschauen und zu analysieren. 
Die «Ortung», die man hier vornimmt, ist schwierig, aber entscheidend. Denn sie ist die Basis des Wortes «Selbstverantwortung». Da steckt das Wort Ortung nämlich drin. In diesem Prozess stellt man sich Fragen und gibt die entsprechenden Antworten («Verantwortung»). Hat man dies gewissenhaft erledigt, geht es an die Umsetzung (das Tun, ebenfalls enthalten in «Verantwortung»). 
Ich weiß, was Sie denken: Das ist ja fürchterlich vereinfacht und banal. Das wirkt vielleicht tatsächlich so. Aber es ist und bleibt der Anfang der Transformation vom Opfer zum kreativen Macher. Die Reflektion oder die Analyse sind immer der Anfang. Genau genommen ist der Anfang die Erkenntnis, dass etwas nicht mehr stimmt. Dass man unzufrieden und unmotiviert ist. Die Selbstverantwortung wieder zu übernehmen, ist nicht immer angenehm. Denn es bedingt, dass wir Entscheidungen fällen. Für etwas und damit auch gegen andere Dinge. Solche Entscheide treffen wir meist nur ungern. Die Schuld jemand anderem zu geben, ist einfacher, hilft aber auf Dauer definitiv nicht weiter.

Mental fit bleiben

Nehmen Sie sich wöchentlich mindestens eine halbe Stunde und reflektieren Sie, was in Ihrem Leben gerade so abläuft. Wie Sie sich fühlen. Welche Erfolge Sie gerade erleben und mit welchen Schwierigkeiten Sie gerade konfrontiert werden. Schreiben Sie dazu jede Woche ein paar Gedanken nieder, werden Sie garantiert bewusster. Sie reflektieren, was da passiert, und werden dabei Muster erkennen und damit Begebenheiten, die sich wiederholen. Dinge, Menschen und Situationen, die Sie immer wieder unnötig Energie kosten. Die Sie nachts wachhalten. Passiert dies über eine längere Zeit, lohnt es sich darüber nachzudenken, wie lange Sie diesen hohen Preis noch bezahlen möchten. Analysieren Sie auch, womit Sie sich befassen. Wie sprechen Sie zu sich selbst? Positiv oder ist bei Ihnen eher der innere Kritiker aktiv? Mit welchen Informationen, Nachrichten und TV-Serien belasten Sie sich täglich? 
In der Zukunft wird es noch entscheidender sein, wie wir alle mit schnellen Veränderungen und schwierigen Situationen umgehen können. Lassen wir uns von der Angst der Veränderung lähmen oder bewältigen wir beides kreativ und mit einer hohen Flexibilität. Ich weiß, das klingt einfach. Ist es aber nicht. Nehmen Sie die Herausforderung an? Eigentlich gibt es keine Alternative.

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Stefan Dudas ist Business-Experte für Sinngebung. Der Keynote-Speaker, Coach und Autor legt humorvoll das Fundament für neue Denk-Ansätze.