Behavior Patterns zielgerichtet einsetzen
Rationales Nachdenken kostet uns viel Energie. Da unser Gehirn auf Effizienz optimiert ist, treffen wir den Großteil unserer Entscheidungen intuitiv. Doch unsere unterbewussten Entscheidungen entstehen nicht zufällig. Sie resultieren aus klar definierten und immer wiederkehrenden Verhaltensmustern – den Behavior Patterns. Diese Patterns sind in den letzten Jahren zu einem beliebten Impulsgeber für die Conversion-Optimierung geworden. Sie beeinflussen Nutzer in ihrem Verhalten – in der Regel unbewusst. Der Vorwurf, es handle sich um eine manipulative Methode liegt somit nahe. Denn wenn wir nicht merken, dass wir in unseren Entscheidungen beeinflusst werden, können wir uns auch nicht dagegen „wehren“. Während die einen von Manipulation sprechen, bezeichnen es die anderen als eine Methode zur Verbesserung des Kundenerlebnisses, weil im gleichen Zuge Komplexität reduziert werde. Wo genau liegt also die Grenze zwischen bedürfnisorientierter Führung der Nutzer im Sinne des Behavioral Designs und Manipulation? In der Diskussion dieser Frage geht es nicht nur um moralische oder ethische Aspekte. Die Notwendigkeit, gemäß eines belastbaren „Code of Conduct“ zu handeln hat auch wirtschaftliche Gründe. Setzen Unternehmen beim Einsatz von Behavior Patterns ausschließlich auf ihre eigenen Vorteile, ohne die ethische Grenze zu berücksichtigen, werden sie langfristig scheitern, weil Retourenraten steigen und Zufriedenheit bzw. Weiterempfehlungsbereitschaft der Kunden steigen. Die Diskussion über einen Verhaltenskodex ist daher keine rein moralische oder ethische – was dem guten Anliegen Rückenwind gibt.
Wirtschaftliche Vorteile in Einklang mit den Zielen der Kunden bringen
Absolute Grundvoraussetzung für den langfristig erfolgreichen Einsatz von Behavior Patterns ist es, ein „Alignment of Interests“ zwischen Unternehmen und Kunden herzustellen. Denn stehen die Unternehmensziele im Konflikt mit den Verhaltenszielen der Nutzer, können Behavior Patterns maximal eine kurzfristige Wirkung erzielen. Ein Beispiel: Ist ein Bestellformular so gestaltet, dass der Nutzer durch eine versteckte doppelte Verneinung ungewollt dazu gebracht wird, einen Newsletter zu abonnieren, wird er im Anschluss verärgert sein. Das Ziel (neuer Kontakt für den Newsletterversand) scheint kurzfristig erreicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Newsletter schnell wieder abbestellt wird, ist allerdings hoch. Da die Ziele des Nutzers in diesem Fall nicht geachtet wurden, schädigt dies zudem die Kundenbeziehung und birgt ein massives Reputationsrisiko.
Ein weiteres Beispiel mit deutlich größeren wirtschaftlichen Auswirkungen für Online-Händler: Viele Unternehmen motivieren Kunden mittels Behavior Patterns zu einer Kaufentscheidung, können die Erwartungen an das Produkt nach dem Verkauf jedoch nicht halten. In Folge schicken Kunden das Produkt zurück. Die Kosten für die Retouren sind deutlich höher als die Kosten, die eine Akquisition ohne erfolgreichen Abschluss verursacht hätte.
Für den ethisch vertretbaren und wirtschaftlich erfolgreichen Einsatz von Behavior Patterns gilt demnach: „Never be evil!“ - Nutzer sollten niemals manipuliert werden, sodass sie für sich schädliche Entscheidungen treffen. Und: „Support your user“ – steht der Kundennutzen im Mittelpunkt, kann der Einsatz von Behavior Patterns ein besseres Erlebnis erzeugen und die langfristige Basis für eine fruchtbare Beziehung sorgen.
Kurzfristiger Fokus auf Conversion-Optimierung reicht nicht aus
Sind die Interessen von Kunden und Unternehmen in Einklang gebracht, gibt es ein weiteres wichtiges Erfolgskriterium für den Einsatz von Behavior Patterns: Unternehmen sollten sich auf keinen Fall nur auf die Conversion-Optimierung konzentrieren. Denn der alleinige Fokus auf die Überwindung der jeweils nächsten Conversion-Klippe lässt viele Chancen ungenutzt. Entscheidend für den Unternehmenserfolg sind zufriedene Kunden, die das Produkt oder den Service aktiv weiterempfehlen. Anstelle des nächsten Kaufs muss der Kundennutzen entlang der gesamten Customer Journey konsequent in den Mittelpunkt gestellt werden. So können langfristig angelegte Kennzahlen wie der Customer Lifetime Value über persönliche Weiterempfehlungen, geringere Retourenquoten oder positive Bewertungen effektiv verbessert werden.
Fazit: Mit der Macht kommt die Verantwortung
Behavior Patterns sind ein mächtiges Steuerungsinstrument, dessen Erfolg wir bereits in >100 Projekten in >10 Branchen nachweisen konnten. Es ist verständlich, dass Unternehmen ihre Conversion-Rates und Umsätze steigern wollen. Doch was sie unter keinen Umständen übersehen sollten, ist die Verantwortung, die mit der Arbeit mit Behavior Patterns einhergeht. Verantwortung für die Kunden, aber genauso für das eigene Unternehmen. Gegen die Verlockung der Manipulation lassen sich nicht nur ethische oder moralische Argumente anbringen. Ökonomische Fakten geben eine klare Grenze vor, an die sich alle Unternehmen halten sollten, die eine langfristige Kundenbeziehung als Ziel haben. Vielleicht ist das die gute Nachricht zum Abschluss: Das moralische Plädoyer ist gleichzeitig ein betriebswirtschaftliches.