10 Fakten zur Marketing-Budgetierung
Auf Henry Ford geht der Satz zurück: „Ich weiß, die Hälfte meiner Werbung ist hinausgeworfenes Geld. Ich weiß nur nicht, welche Hälfte.“ Dies zeigt in sehr pointierter Weise das Dilemma bei der Marketing-Budgetierung. Wenn ich nicht genügend in Werbung investiere, dann kann ich nicht damit rechnen, den erhofften Umsatz zu erzielen. Investiere ich dagegen zu viel Geld, dann erziele ich damit keine Wirkung, was gleichbedeutend damit ist, das Geld aus dem Fenster zu werfen. Worauf sollte man deshalb bei der Festlegung seines Budgets für Werbung oder andere Marketing-Instrumente achten, um keine Fehler zu begehen? Dafür sollte man auf die folgenden 10 Punkte achten.
1. Man muss etwas über die Wirksamkeit wissen.
Die Festlegung von Marketing-Budgets ist vielfach ein hoch-emotionaler Prozess, der vom Verhandlungsgeschick der zuständigen Produktmanager abhängt. In (3) wird dies für Bayer Pharmaceuticals gezeigt. Aber man sollte wissen, dass man als Produktmanager für das verhandelte Budget auch die versprochenen Ergebnisse erbringen muss. Es empfiehlt sich deshalb für alle Beteiligten herauszufinden, welche Wirksamkeit man mit bestimmten Marketing-Instrumenten, ob Werbung, Verkaufsaußendienst oder Distribution, erreichen kann. Dafür reicht es nicht, z.B. im Falle von Werbung zu bestimmen, wie viele Personen einer Zielgruppe man erreichen will und wieviel dies kostet, vielmehr stellt sich immer die Frage, ob man mit mehr oder weniger Werbeausgaben bessere Ergebnisse erzielt haben könnte. Dies kann man nur beantworten, wenn man empirisches Wissen entweder aus eigenen Daten-Analysen oder aus Meta-Analysen über bisher publizierte Studien zur Wirksamkeit von Marketing-Instrumenten heranzieht.
2. Kann man einfach vorher nachher vergleichen?
Man hört von Managern gelegentlich, dass man die Wirksamkeit des Marketings doch einfach dadurch bestimmen kann, dass man zwei Marktergebnisse, also für Absatz, Umsatz oder Marktanteil, die man mit zwei verschiedenen Budgets erreicht hat, miteinander vergleicht. Also so etwas wie eine Vorher-Nachher-Analyse. Aber das wäre fahrlässig, denn das Ergebnis kann durch den Einfluss dritter Faktoren verfälscht worden sein. Zwei Beispiele: Vergleicht man eine Werbekampagne für Schokolade in den Monaten Juli – September mit der von Oktober – Dezember, dann könnte die schlechtere Distribution in den Sommermonaten ebenso das Ergebnis beeinflusst haben. Ein anderes Beispiel wäre gegeben, wenn man den Einsatz des Verkaufsaußendienstes im letzten Quartal des vergangenen Jahres mit dem ersten Quartal des neuen Jahres vergleicht. Dann kann nämlich der Umsatz des ersten Quartals davon negativ beeinflusst sein, dass die Kunden über die Einkauf-Budgets eher gegen Ende des Jahres entscheiden.
3. Data Analytics hilft für etablierte Produkte.
Ein Weg besteht in der Analyse der Daten, die man typischerweise von Marktforschungsinstituten bekommt. Diese liefern meist Absätze und Umsätze pro Monat oder Vierteljahr und die jeweils eingesetzten Budgets für Werbung, den Einsatz von Verkaufsaußendiensten etc. für alle Wettbewerber eines Marktes. Nun kann man mit Hilfe von Daten-Analysten eine funktionale Beziehung statistisch bestimmen, die bestmöglich die Variation des Umsatzes in Abhängigkeit von den Budgets erklärt. Dieser Weg funktioniert aber nur für etablierte Produkte, für die man bereits eine genügend lange Zeitreihe hat, aus der man diese Funktion empirisch ableiten kann. Dabei gilt die Annahme, dass die Wirksamkeit sich weiterhin in etwa so verhält wie in der Vergangenheit. Ein Beispiel zeigt (6).
4. Ergebnisse nur verwendbar, wenn man eine kausale Beziehung annehmen kann.
Bei der empirischen Daten-Analyse spezifiziert man in der Regel, dass der Absatz eines Produktes von dem Einsatz von Marketing-Instrumenten abhängt. Bei der Werbung kann man mit den Budgets arbeiten, sofern diese erfasst worden sind. Man kann aber auch mit Variablen arbeiten, die den Einsatz inhaltlich konkreter beschreiben, z.B. für die Zeitungswerbung Gross Rating Points (GRP), also den Prozentsatz der Zielgruppe, den man mit der Zeitungswerbung erreicht multipliziert mit der Anzahl der Schaltungen. Es ist aber nicht in jedem Fall klar, ob der Absatz kausal von der Werbung anhängt. Vielmehr bestimmen manche Unternehmen ihr Werbebudget als Prozentsatz des zuletzt erzielten Umsatzes. Dann besteht eine umgekehrte Kausalität und man kann keine Folgerung über die Wirksamkeit der Werbung ableiten. In einem anderen Beispiel hatte der Autor es mit einem Erkältungsmittel zu tun, bei dem das Unternehmen im Winter viermal so viel warb als im Sommer. Dann kann man auch nicht die Wirksamkeit aus der Variation der Vergangenheitsdaten von Umsatz und Werbung ableiten. Hier half, die Variation der Marktanteile und der Werbeanteile am relevanten Gesamtmarkt zu betrachten.
5. Die unterstellte Form der Beziehung muss optimierbar sein.
Der Daten-Analyst kann nicht einfach wie meist üblich mit linearen Funktionen arbeiten, denn dann würde das daraus abgeleitete optimale Budget entweder Null sein, wenn die Erhöhung des aus dem Umsatz resultierenden Deckungsbeitrages kleiner als das dafür nötige Budget ist, oder das Budget müsste unendlich groß sein, wenn die entsprechende Wirksamkeit größer als das eingesetzte Budget ist. Bei einer linearen Beziehung gibt es nämlich keine sich abschwächenden Effekte, die zu einem Optimum führen würden. Insofern ist es im Marketing wichtig, mit nichtlinearen Funktionen, also Kurven, zu arbeiten, aus denen man ein Optimum ableiten kann (2). Häufig bietet sich dafür an, die Variablen des Werbeeinsatzes zu logarithmieren, dann erreicht man für zunehmende Werbeaufwendungen abnehmende Grenzzuwächse.
6. Bei der Beziehung sollte man Carry-over Effekte nicht vergessen.
Bei der Aufstellung der grundsätzlichen Wirksamkeitsfunktion sollte man nicht vergessen, dass Umsätze beim Kürzen von Werbebudgets nicht gleich proportional zurückgehen. Vielmehr haben alle früheren Marketing-Aufwendungen zu einem Markenwert geführt, der für eine Weile zu nur langsam sinkenden Umsätzen führt. Dabei sollte man aber bedenken, dass man zwar Umsatz langsam verliert, aber es genau so lange dauert, die Umsätze wiederaufzubauen. Es gibt also einen sogenannten Carry-over Effekt. Empirisch hat man gefunden, dass dieser bei etwa 60% liegt, dass man also z.B. 60% der vergangenen Werbung erinnert (5). Diese Erinnerung kann man explizit berücksichtigen, indem man die vergangenen Umsätze auch als erklärende Variable mitführt. Ebenso sollte man vergangene Marketing-Aufwendungen zur Erklärung heranziehen. Mitunter gibt es auch verzögerte Wirkungen. Die Investitionen in Forschung & Entwicklung führen z.B. erst langfristig zu Umsatz, wenn das entwickelte Produkt in den Markt eingeführt worden ist. Entsprechend sollte man dann bei der Bestimmung des Budgets auch die langfristigen Wirkungen heranziehen. Diese betragen in unserem Beispiel das 2,5 –fache der kurzfristigen Wirkung.
7. Fit der Erklärungsgüte reicht nicht! Man muss den Prognosefehler bewerten.
Man findet häufig, dass Daten-Analysten diejenige funktionale Beziehung wählen, die den besten Fit gewährleistet. Das bedeutet, dass für die Variablen Gewichte oder Parameterwerte bestimmt werden, die die erklärte Varianz maximieren. Dies sagt aber nur etwas über die Erklärungsgüte aus und nicht, ob man das Modell mit der funktionalen Beziehung für Prognosen einsetzen kann. Dafür empfiehlt sich eine sogenannte cross validation, bei der man die funktionale Beziehung auf der Basis eines Teils der Daten (z.B. 75%) schätzt und dann auf die restlichen 25% der Daten anwendet, um den Prognosefehler zu bestimmen. Erst dann weiß man, wie gut das Modell eingesetzt werden kann.
8. Marketing-Budgets sind proportional zu Elastizitäten
Eine gute Kennzahl für die Beschreibung der Wirksamkeit von Marketing-Instrumenten sind Elastizitäten (2). Sie beschreiben, um wie viel Prozent sich der Absatz eines Produktes verändert, wenn man z.B. das Werbebudget um einen bestimmten Prozentsatz ändert. Dann braucht man nur die relative Veränderung des Absatzes durch die relative Veränderung des Werbebudgets zu teilen.
Das Gute an dieser Kennzahl ist, dass sie dimensionslos ist und über alle Produkte und Marketing-Instrumente verglichen werden kann. Und damit kann auch das optimale Budget in Abhängigkeit von der Elastizität bestimmt werden (3). Im Optimum gilt:
Budget = Deckungsbeitrag * Marge * Elastizität.
Wenn man dies auf alle seine Marketing-Instrumente anwendet (außer dem Preis), dann gilt, dass die Budgets der verschiedenen Instrumente proportional zur jeweiligen Elastizität sein sollten. Dabei sollte man beachten, dass man die langfristige Elastizität heranzieht, die typischerweise errechnet wird, indem man sie durch 1 – Carry-over dividiert (siehe Punkt 6).
Umgekehrt kann man diese Formel auch dafür verwenden zu errechnen, welche Elastizität in einer Planung unterstellt worden ist. Und man kann auch errechnen, was der optimale Prozentsatz des Budgets vom Umsatz sein sollte, nämlich derjenige der der Elastizität multipliziert mit der Margin entspricht. Gilt z.B. eine Werbeelastizität von 4% und ein Unternehmen hat direkte Kosten von 75%, was eine Marge von 25% ergibt, dann ist ein Werbebudget von 4% · 25% = 1% vom Umsatz optimal. Das ist z.B. das, was die meisten Automobilhersteller ausgeben. Klingt wenig, aber auf den VW-Gesamtumsatz von 253 Milliarden Euro hochgerechnet ergeben sich 2,5 Milliarden Werbebudget.
9. Für neue Produkte muss man analog schließen.
Daten-Analysten kann man nur einsetzen, wenn man aus Vergangenheitsdaten auf die Wirksamkeit schließen kann, was nur für existierende Produkte möglich ist. Für neue Produkte muss man mit Analogschlüssen arbeiten. Ein Weg besteht darin, die Wirksamkeit eines Marketing-Instruments für das dem neuen Produkt am ähnlichsten Produkt heranzuziehen. Falls solche Analysen nicht vorhanden sind, sollte man auf das Evidenzwissen zurückgreifen, was in Fachjournalen publiziert ist. Dort finden sich inzwischen auch Meta-Analysen über alle Einzelanalysen, die je in Fachjournalen publiziert worden sind. Eine solche Zusammenfassung der bisher publizierten Ergebnisse ist immer dann leicht möglich, wenn auf Elastizitäten zurückgegriffen werden kann bzw. die Ergebnisse in Elastizitäten umgerechnet werden können. In diesen Meta-Analysen von Elastizitäten zu verschiedenen Marketing-Instrumenten werden die Mittelwerte und Häufigkeitsverteilungen der Elastizitäten angegeben. Aus diesen Analysen weiß man z.B. dass die Werbeelastizität bei 10% (Tendenz sinkend) liegt (4). Für den Verkaufsaußendienst ist sie mit etwa 30% dreimal so hoch wie für Werbung (1). Außerdem wird angegeben, von welchen Faktoren die Unterschiede in den Einzelergebnissen abhängen. Damit kann man dann den Mittelwert um den Einfluss der Produktart oder der geographischen Region oder auch methodischen Details, ob sich z.B. die Elastizitäten auf Absätze, Umsätze oder Marktanteile beziehen, korrigieren. Auf diese Weise gewinnt man zumindest einen plausiblen Wert für die Elastizität, der mit den eigenen Erfahrungen verglichen werden kann, der aber auch Anlass zum Nachdenken bietet, wenn man mit ganz anderen Annahmen arbeiten will. Auf jeden Fall kann man mit der angenommenen Elastizität, wie unter Punkt 8 gezeigt, das optimale Budget leicht bestimmen.
10. Experimente sind am besten.
Natürlich unterliegen die bisher aufgezeigten Methoden einigen Beschränkungen. Aus Vergangenheitsdaten abgeleitete Elastizitäten gelten im Prinzip nur für den untersuchten Zeitraum. Ob sie auch in Zukunft gelten, ist schwer vorhersehbar. Allgemein gilt sicherlich, dass je stabiler der Markt, desto eher machen Elastizitäten aus Vergangenheitsdaten Sinn, und je dynamischer, desto weniger. Ergebnisse aus Meta-Analysen können natürlich auch nur plausible Werte bieten, aber nicht mehr. Am genauesten liegt man immer bei der Durchführung von Feld-Experimenten, denn hier zeigt sich die reale Wirkung.
Im Bereich des Internet hat sich dafür das sogenannte A/B-Testing durchgesetzt. Die Vorteile liegen in der unmittelbaren Anwendung im Web Design. Aber auch in der Offline-Welt kann man immer mal kleinere Experimente durchführen, z.B. die Werbung in regionalen Tageszeitungen in einigen Regionen aussetzen, um dann die Wirkung im Vergleich zu den anderen Regionen, die als Kontrollgruppe fungiert haben, bestimmen zu können. Auch beim Verkaufsaußendienst kann man über einen kürzeren Zeitraum unterschiedliche Besuchshäufigkeiten testen.
Man sieht also, dass man nicht darauf angewiesen ist, bei der Festlegung der Marketing-Budgets nur nach Bauchgefühl zu handeln. Vielmehr bieten Daten-Analysen, Meta-Analysen und Experimente genügend Möglichkeiten, Evidenz-basiert vorzugehen.
Literatur:
(1) Albers, Sönke, Murali K. Mantrala and Shrihari Sridhar (2010): A Meta-Analysis of Personal Selling Elasticities, Journal of Marketing Research, Vol. 47, S. 840–853
(2) Albers, Sönke (2012): Optimizable and Implementable Aggregate Response Modeling for Marketing Decision Support, International Journal of Research in Marketing, Vol. 29, No. 2, 111-122.
(3) Fischer, Marc, Sönke Albers, Nils Wagner and Monika Frie (2012): Dynamically Allocating the Marketing Budget: How to Leverage Profits across Markets, Products and Marketing Activities, GfK Marketing Intelligence Review, Vol. 4, No. 1, S. 50-59
(4) Henningsen, Sina, Rebecca Heuke, and Michel Clement (2011): Determinants of advertising effectiveness: The development of an international advertising elasticity database and a meta-analysis, Business Research, Vol. 4, S. 193-239.
(5) Köhler, Christine, Murali K. Mantrala, Sönke Albers, and Vamsi K. Kanuri (2017): A Meta-Analysis of Marketing Communication Carryover Effects, Journal of Marketing Research, Vol. 54, S. 990–1008
(6) Skiera, Bernd und Sönke Albers (2008): Prioritizing Salesforce Decision Areas for Productivity Improvements Using a Core Sales Response Function, Journal of Personal Selling and Sales Management, Vol. 28, No. 2, 145-154.