Mengen und Begehrlichkeiten
„Limited Edition“, „Nur diese Woche im Angebot“ oder „Solange der Vorrat reicht“ – diese Verkaufsbotschaften kennt jeder. „Wenn Hersteller und Handel gekonnt auf Verknappungsstrategien setzen, haben auch Kunden einen Vorteil davon. Doch können die Strategien auch nach hinten losgehen“, weiß Oliver Kerner, professioneller Vertriebstrainer, Speaker und Coach aus Bremen sowie Gründer von OK-Training. Er erklärt, was wann Sinn ergibt und welchen Vorteil Kunden haben.
Entscheidungshelfer oder Drückerkolonne
„Oft stehen diese Strategien in der Kritik, Druck beim Käufer zu erzeugen und ihn zu Handlungen zu zwingen, die er nicht möchte. Doch das ist nicht ganz richtig. Wer nicht schon von sich aus ein Bedürfnis nach dem Produkt hat, auch wenn es unbewusst ist, wird durch ein solches Angebot nicht getriggert“, sagt Oliver Kerner. Grundsätzlich geht es bei einer Verknappungsstrategie darum, den Entscheidungsprozess eines bereits interessierten Kunden zu verkürzen. Kerner verdeutlicht: „Trotzdem unterliegen diese Methoden erheblichen Herausforderungen, denn es kommt auf die richtige Dosis, zielgruppenpassende Produkte und vor allem auf die geeignete Kommunikation an.“
Natürlich oder gesteuert – Hauptsache echt
Eine Verknappung kann sowohl natürlich gegeben sein, zum Beispiel weil es nur noch eine geringe Stückzahl gibt, oder unnatürlich hervorgerufen werden – dann handelt es sich um ein strategisches Marketingvorgehen. „Egal, welcher Ursprung kommuniziert wird, er muss stimmen. Andernfalls zählt die Verknappung als unlauterer Wettbewerb und ist ein Verstoß“, verdeutlicht Kerner. In der Tat übt die Botschaft einer Verknappung Druck auf Kunden aus. Doch genau er hilft, vor allem wenn es um den unentschlossenen Typ geht, dabei, Entscheidungsprozesse zu verkürzen und sich so schneller wieder auf andere Dinge im Leben konzentrieren zu können.
Je weniger – desto begehrlicher
Die Wahl der Strategie sollte zu Produkt, Zielgruppe und Botschaft passen. Grundsätzlich entsteht eine Knappheit durch reduzierte Stückzahl, Verkaufszeit oder einen niedrigen Verkaufspreis. Hierbei können die einzelnen Maßnahmen miteinander verknüpft werden, um unterschiedliche Botschaften zu vermitteln. Wird zum Beispiel ein Produkt eines bekannten Herstellers nur in sehr geringer Stückzahl als Sonderkollektion, Limited oder Saisonal Edition angeboten, fördert dies Image- und Markenbildung, denn solche Produkte sind sehr begehrt. „Hier geht es in erster Linie nicht um Gewinne für das Unternehmen, denn die Kommunikationsstrategie zu einer solchen Aktion kann mitunter sehr aufwändig und ebenso kostspielig sein. Langfristig jedoch kann eine solche Aktion viel dazu beitragen, den Markenwert zu steigern und sich sogar am Markt unentbehrlich zu machen. Beispiele sind hier altbekannte Größen wie Rolex, Porsche oder Louis Vuitton. Doch insbesondere Supreme hat in den letzten Jahren gezeigt, was für einen Katapulteffekt Verknappung haben kann.“
Über den Preis gewinnen
Ein absolutes Verkaufsargument ist immer der Preis. Hier gilt: Je attraktiver Kunden ihn finden, desto leichter fällt die Kaufentscheidung. Vor allem dann, wenn der Kunde beurteilen kann, ob das Angebot gut oder schlecht ist. Neue, noch unbekannte Produkte bringen Hersteller viel schneller in Umlauf, wenn für eine gewisse Zeit ein günstigerer Einführungspreis gilt. Liegen Vorgänger- oder Wettbewerbsprodukte preislich ähnlich, ist die Bereitwilligkeit höher, das neue Produkt trotzdem zu kaufen, auch wenn es sich noch nicht auf dem Markt bewährt hat. Über den Produktpreis gewinnen auch Aktionen, wie sie zum Beispiel H&M öfter mit Designern durchführt – und zwar auf zweierlei Weise: Zum einen steigern sie das Image des günstigen Händlers auf der Basis von begehrten Labels und locken so Kunden in den Laden, die sonst nicht hier kaufen. Zum anderen hilft dieser POS, Designerstücke bei Menschen begehrlich zu machen, die eine Luxusboutique nie betreten würden. Dies gilt auch für Ausläuferprodukte. Große Mengen an Produkten zu Schnäppchenpreisen anzubieten schafft Platz im Lager. Hier sollte die Gewinnspanne nicht am Einzelverkauf gemessen, sondern eher darauf kalkuliert werden, über die große Masse Gewinne einzufahren. Denn jedes Produkt, das den Laden nicht verlässt, ist ein Verlustgeschäft.
Zeitspannen mit Bedacht setzen
Mit der Zeit ist das so eine Sache. Entweder kurbelt sie den Vertrieb an oder Händler schneiden sich damit ins eigene Fleisch. Denn was passiert, wenn eine zeitliche Begrenzung für einen Produktverkauf abgelaufen ist, das Produkt aber noch in den Regalen liegt? Weiterverkaufen zum gleichen Preis? Schürt beim Kunden das Gefühl, dass er sich ohne Grund schnell entscheiden musste – er verliert das Vertrauen und das sind dann Kritikpunkte von Kunden, wenn es um Drückermethoden geht. Weiter verkaufen zum Schnäppchenpreis – jetzt ist der Kunde erst recht sauer. Am sinnvollsten ist die Kombination von Preis und Zeit beziehungsweise von Stückzahl und Zeit. Hier ist die Lebensmittelindustrie ein gutes Beispiel. Saisonal Editions sind wirklich nur für kurze Zeitspannen in den Regalen von Supermärkten zu finden und sonst nicht zu haben. Auch die Gastronomie profitiert von diesem Ansatz. Immer mehr Cafés, Restaurants und Bars bieten saisonale und wechselnde Gerichte oder Cocktails an. „Solche Verknappungsmaßnahmen helfen dabei, das Interesse von Kunden langfristig aufrechtzuerhalten, denn es gibt immer etwas Neues zu kaufen. Hinzu kommt ein Aspekt, der im Konsumverhalten immer wichtiger wird: Das Nutzen frischer Waren aus dem eigenen Land oder sogar der engsten Region.“