Beratungsintensive Branchen binden Kunden durch Storys
"Wir können vom ersten Kontakt mit den KundInnen bis zur Vertragsunterzeichnung alles digital abbilden", erläutert mir stolz Mario Petuch (34), Generalagent der Universa Versicherung aG. Die Kundenakten seien in der Cloud, natürlich DSGVO-konform. Auch durch die Online-Datenbank habe er von überall aus Zugriff auf Angebote, Verträge und Abrechnungen. Für die Beratung selbst nutzt er abgesicherte, digitale Meetingräume, in denen er während der Gespräche Whiteboards, Präsentationen und Downloads mit seinen KundInnen teilen kann. Und selbst für die Unterschrift beim Vertragsabschluss gibt es rechtlich anerkannte Online-Tools, die er einsetzt. Und trotzdem verbringt er über 90 Prozent seiner Beratungszeit bei den KundInnen persönlich vor Ort und sitzt dafür im Schnitt zehn Stunden in der Woche im Auto, allein um in Baden-Württemberg von Termin zu Termin zu kommen. Hinzu kommt, dass in Zeiten der Corona-Krise vielen Versicherungsagenten dieses Kundengeschäft wegzubrechen droht.
"Die meisten wollen ihre AgentInnen immer noch persönlich kennenlernen und treffen, egal ob es um eine Rentenversicherung für 500 Euro im Monat oder eine Hausratsversicherung für 70 Euro im Jahr geht. Man kann auch nicht sagen, dass es abhängig vom Alter ist. Es ist eher eine Frage der Einstellung", fasst Petuch zusammen. "Meine KundInnen kann ich absolut gleichwertig per Telefon oder Videochat beraten." Er würde - auch nach der Corona-Krise - die persönlichen Besuche gerne auf ein Viertel dieses Pensums herunterfahren. Mehr Flexibilität, weniger Zeit im Auto, weniger Umweltbelastung, schnellere Prozesse - Gründe gibt es viele.
So wie ihm geht es mittlerweile vielen Unternehmen in beratungsintensiven Branchen oder bei B2B-Transaktionen. Versicherungen, Anwaltskanzleien, Steuerbüros, Maschineneinkauf oder auch wir selbst als PR-Agentur - Obwohl die Konditionen und Produkte für die KundInnen stimmen und alles auf Digitalisierung umgestellt ist, heißt die Bedingung doch noch häufig: "Wir sollten uns erst einmal persönlich kennenlernen". Auch wenn das zu Corona-Zeiten heißt, bis zu einem ungewissen Zeitpunkt zu warten und fehlende Einnahmen in Kauf zu nehmen. Natürlich ist das auch verständlich. Häufig hängen sehr kostspielige, langfristige Entscheidungen an der Beratung eines bestimmten Menschen. Dazu gehört eine große Portion Vertrauen. Dazu muss die Chemie stimmen. Dazu sollten beide Seiten für die gleichen Werte stehen.
Hier kommt Storytelling ins Spiel. Als BeraterIn ist generell erfolgreicher, wer im Gespräch auch etwas von sich persönlich preisgibt, um bei dem oder der Gegenüber eine Beziehung und Vertrauen aufzubauen. Um KundInnen aber schon einen Schritt vorher auf dieser Ebene zu binden, heißt es, dies in Form von Geschichten auf digitalem oder auch analogem Wege zu transportieren. Das können aufwendige Video-Porträts der BeraterInnen sein, genauso wie unterwegs schnell aufgezeichnete Instagram Stories, ein Interview-Artikel für die Website oder ein Podcast. So erhält die potenzielle Kundschaft einen Eindruck vom Menschen hinter den Kulissen, schon bevor es zur ersten Kontaktaufnahme kommt.
Unabhängig vom Format gelten beim Storytelling folgende Grundsätze:
Das Warum
Erzählt, was euch antreibt. Wie fühlen sich Erfolgsmomente für euch an? Erkennt genauso aber auch an, was eure KundInnen jeden Tag motiviert, was deren Warum ist. Findet im besten Fall den gemeinsamen Nenner. So berichtet unsere Senior-Beraterin Stefanie Möser zum Beispiel in einem kleinen Film, wie sie vom Krimi-Fan zum Storytelling-Consultant avancierte, wie sie diese Lust an Detektivgeschichten heute einsetzt, um Emotionen und Storys aus den Menschen herauszukitzeln. Dass es ihr viel bedeutet, Menschen etwas mit auf dem Weg zu geben, macht sich nicht nur in ihrer internen Rolle als Mentorin bemerkbar, sondern ist auch für potenzielle KundInnen ein wichtiges Warum ihrer Motivation, jeden Tag zur Arbeit zu kommen. Gedreht wurde das Video übrigens von unserem Trainee. Manchmal kann der Blick eines oder einer KollegIn demnach auch viel persönlichere Einblicke geben als eine aufwendige Produktion.
Die Werte
Wofür steht ihr als Person? Was ist euch im Miteinander mit anderen Menschen besonders wichtig? Gab es Situationen, in denen eure Werte auf die Probe gestellt wurden und wie habt ihr diese gemeistert? Wie seid ihr überhaupt zu diesen Werten gekommen? Es geht darum, eine ehrliche Beziehung zu euren KundInnen aufzubauen, also seid authentisch und traut euch, auch etwas von euch als Person preiszugeben und Episoden oder Anekdoten aus eurem echten Leben zu erzählen. Je konkreter, desto glaubwürdiger sind eure Geschichten.
Ganz charmant hat dies das Familienunternehmen Meyer Logistik gelöst. In ihrem allgemeinen Unternehmensvideo stellen sie MitarbeiterInnen aus verschiedenen Abteilungen vor. Dabei erfahren die ZuschauerInnen nicht nur etwas über die spannenden Hobbys, wie Geocaching, Tango oder ihren Einsatz bei der freiwilligen Feuerwehr. Vielmehr vermittelt der Film, was diese persönlichen Interessen mit der Einstellung ihrer Arbeit für das Logistikunternehmen gemeinsam haben.
Keine Werbung
Auch wenn es verlockend ist, Storytelling heißt nicht, der Star der eigenen Show zu sein. Vielmehr geht es darum, dass eure KundInnen erfahren, mit wem sie es wirklich zu tun haben werden. Dazu gehören Ecken und Kanten genauso wie Rückschläge. Solange ihr gestärkt aus diesen emporkommen konntet, wird euch das Publikum umso mehr dafür vertrauen, als wenn ihr einfach nur die Werbetrommel rührt.
Meine Geschäftspartnerin Nora Feist schrieb zum Beispiel einmal einen emotionalen Artikel auf unserem Blog, in dem sie offenbarte, warum sie es manchmal hasse, Chefin zu sein. Mit der Betonung auf "manchmal". Der Artikel hatte in zwei Richtungen einen Effekt. Zum einen erhielt sie viel positives Feedback von unserem Team, das sich dankbar zeigte, einen Einblick in ihre Rolle zu bekommen und dafür mehr Verständnis haben zu können. Auf der anderen Seite sind unsere KundInnen auch häufig GeschäftsführerInnen von Unternehmen und sehen sich manchmal in einer ähnlichen Situation. So meinte ein Kunde, den wir danach gewannen, dass er sich speziell aufgrund dieses Artikels bereits vor dem persönlichen Kennenlernen insgeheim für uns als Agentur entschieden hatte.
"Ich nehme mir in Beratungsgesprächen immer Zeit für persönliche Belange, in beide Richtungen. Meine KundInnen sollen mir nicht nur bei der sachlichen Beratung vertrauen, sondern auch auf der emotionalen, menschlichen Ebene. Wenn wir dies in unserer Kommunikation und unserem Marketing bereits einen Schritt früher aufgreifen, wird es die Akzeptanz für digital unterstützte Beratung wesentlich verbessern. Das wird auch bei der Kundenakquise und -bindung in der Versicherungsbranche ein großer Vorteil sein und uns zukünftig auch in Krisensituationen handlungsfähiger machen", ist sich Mario Petuch sicher.