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So finden Sie die passende Online-Agentur

Bei der Auswahl der richtigen Online-Agentur tun sich Unternehmen öfter schwer. Ein professionelles Auswahlverfahren in vier Schritten.
Fred Geiger | 04.05.2020
So finden Sie die passende Online-Agentur © freepik / rawpixel.com
 

In Unternehmen ist ganz häufig kein Thema so intransparent, wie die Auswahl von Online und Social Media Dienstleistern. Die Gründe hierfür sind vielfältig. Da ist zum einen natürlich die Frage, wie man kreative Leistungen objektiv vergleichen kann? Während die IT-Abteilung bei einer Software aufgrund der angebotenen Funktionalitäten, der Sicherheit in der Versorgung mit Updates und des Preis-/Leistungsverhältnisses ein sicheres Placet geben kann oder ein Einkäufer für ein Spritzgussteil, für das ihm die Technik ein Pflichtenheft geschickt hat, den günstigsten Anbieter auswählen kann, ist dies bei kreativen Dienstleistungen ungleich schwerer. Ein weiterer Grund liegt in der Komplexität von Entscheidungen bei Onlinekommunikationsmaßnahmen: wer will sich schon ein sicheres Urteil darüber anmaßen, ob für die neue Kampagne eine SEA-Aktion, Programmatic Advertising oder ein mehrstufiges E-Mail die „richtige“ Lösung ist? Hier müssen wir nicht nur unserem Gefühl und unserer Erfahrung vertrauen, sondern auch der Beratungsleistung unserer Agentur. Ein dritter Grund, warum wir uns mit der Agenturauswahl so schwer tun, ist die Tatsache, dass uns hier in der Regel die Erfahrung fehlt: während ein Einkäufer täglich zwischen verschiedenen Anbietern abwägen und entscheiden muss, kenne ich viele erfahrene Marketeers, die nach 10 Berufsjahren erstmals in die Verlegenheit kommen einen Agenturpitch durchzuführen. Und last but not least: wir sprechen von einem Geschäft das, gerade weil die Transparenz fehlt, stark auf zwischenmenschlichem Vertrauen zwischen Kunde und Dienstleister aufbaut: während es nicht von Bedeutung ist, ob unser Einkauf einen Schraubenhersteller persönlich mag oder nicht, ist „einander mögen“ im Marketingbereich essentiell wichtig. Schlecht ist es aber, wenn dann vorrangig dieses Kriterium entscheidend ist.

Aus diesen Gründen werden die Prozesse der Agenturauswahl vom Top-Management oder den Complianceverantwortlichen der Unternehmen oft kritisch beäugt und immer häufiger wird dann auch die Frage gestellt, nach welchen Kriterien man sich für die Agentur X entschieden hat. Ein von vielen Agenturen, gerade im Online-Bereich, vorgeschlagenes Chemistry Meeting als Basis einer Zusammenarbeit, ist da ganz sicher keine kluge Wahl. Gerade dann, wenn die Leistung der Agentur von Dritten in Frage gestellt wird, sollten schon aus Eigeninteresse die Auswahlprozesse professionell, transparent und nachvollziehbar gestaltet werden. Elementar ist auch, dass wir absolut alle Schritte verschriftlichen, damit man auch noch Jahre später alle Gründe für die Auswahl dieser Agentur nachvollziehen kann. Das wiederum erfordert ein Vorgehen in 4 Schritten:

Schritt 1: „Wer suchet, der findet“ – so findet man generell passende Agenturen

Die Agenturszene ist so überraschend vielfältig, wie unübersichtlich. Sie haben die Möglichkeit in Deutschland zwischen vielen 100 Agenturen zu wählen und kaum eine wird sich nicht das Thema „Onlinemarketing“ auf ihre Fahne geschrieben haben. Hier gilt es deshalb Kriterien festzulegen, die eine Webagentur erfüllen muss, um zunächst einmal in Ihre engere Auswahl zu kommen. Stellen Sie hierzu zunächst einen Kriterienkatalog auf. Dieser könnte folgende Punkte beinhalten:

  • Gehört „Digitales Marketing“ wirklich zur Kernkompetenz der Agentur oder ist es nur ein Nebengeschäft oder gar nur schmückendes Beiwerk?
  • Beherrscht die Agentur die gesamte Onlineklaviatur oder kann Sie nur „Kreation“ oder nur „Social“? Wichtig hier auch: beherrscht die Agentur Ihr Content Management System?
  • Hat die Agentur Branchenerfahrung?
  • Ist die Agentur in der Nähe oder räumlich weit entfernt?
  • Hat die Agentur viele Kunden vergleichbarer Größe oder ist sie eher auf größere oder kleinere Kunden spezialisiert?
  • Wenn Referenzen auf der Website genannt werden, ist immer zu prüfen, was dort tatsächlich dahinterstand. Typisches Beispiel sind die mindestens 50 Agenturen in Deutschland, die irgendwann einmal Projekte oder „Projektchen“ für die Telekom durchgeführt haben.
  • Wie steht es um die langfristige wirtschaftliche Stabilität Ihres potenziellen Partners? In wohl kaum einem Bereich der Wirtschaft gibt es so viele Pleiten, wie in der Agenturszene.
  • Wären Sie bei dieser Agentur A-Kunde oder „fünftes Rad am Wagen“

Wichtig ist, diese Kriterien schriftlich und im Konsens mit Ihrem Marketingteam und Ihren Vorgesetzten zu formulieren. Hierzu sollten Sie ein Gremium bilden, dem eine Auswahl von Mitarbeitern, der Einkauf und einige Vorgesetzte dauernd oder auch nur temporär angehören sollten. Jetzt gilt es noch die Frage zu beantworten, welche Kriterien welche Bedeutung haben und welche Punkte sogar ein K.O.-Kriterium darstellen? Hier sollten Sie mit Scoringmodellen arbeiten.

Wie Sie gewichten, bleibt Ihrem persönlichen Urteil überlassen. Wichtig ist aber, dass Sie die Shortlist (also den engeren Kreis der Agenturen, die für Sie infrage kommen) auf einer solchen Basis erstellen und dass Sie hiervon keine Ausnahme machen (vor allem, wenn es um K.O.-Kriterien geht). Am Ende dieses ersten Schrittes sollten drei bis maximal vier Agenturen in das nun folgende Auswahlverfahren aufgenommen werden.

Schritt 2: „So objektiv und so transparent wie möglich“ - das Auswahlverfahren festlegen

Ein gängiges, wenn auch nicht das einzig sinnvolle Auswahlverfahren, ist ein sogenannter Pitch. Hier erhalten die Agenturen, auf Basis eines Briefings, eine Reihe von möglichst praxisnahen Aufgaben und präsentieren diese vor dem bereits von mir beschriebenen internen Entscheidungsgremium. Inhalte eines Briefings könnten sein:

  • Grundlegende Informationen zum Pitch, wie Zeitplan und Vergütung
  • Basisinformation zu Ihrem Unternehmen, den Märkten, Zielgruppen und Vertriebswegen
  • Status und Ziele Ihrer digitalen Marketingkommunikation
  • Designvorgaben
  • Aufgaben, die für den Pitch zu lösen und vorzustellen sind. Hier ist wichtig, dass exemplarisch 3 oder 4 Teilprojekte entwickelt werden. Sinnvoll erscheint mir auch, dass von der jeweiligen Agentur immer nur eine einzige Lösung (nämlich die beste) vorgestellt wird und mindestens eine Aufgabe eine Art Kür darstellt, wo Sie zum Beispiel nur Budget und Zielgruppe vorgeben, aber der Agentur freie Hand lassen, was die Maßnahmen anbelangt.

Lassen Sie den Agenturen für die Präsentation der Ergebnisse maximal je 3 Stunden Zeit, losen Sie die Reihenfolge der Präsentationen, achten Sie darauf, dass sich die Agenturen nicht persönlich begegnen und lassen Sie das Entscheidungsgremium nur gemeinsam und schriftlich entscheiden. Auch hier ist wieder ein Scoringverfahren sinnvoll. Das Ergebnis, sprich welche Agentur „gewonnen“ hat, wird erst bekanntgegeben, wenn der Vertrag mit der „Siegeragentur“ unterschrieben ist. Seien Sie fair: zwischen diesen beiden Terminen sollten maximal 2 Wochen liegen.

Schritt 3: „Was wäre zu tun, was wird es kosten“ – die Angebotsbewertung

Bereits vor dem Pitch haben Sie der Agentur den Arbeitsumfang mitgeteilt, d.h. was hat die Agentur dann im Tagesgeschäft, was hat sie in der operativen und in der strategischen Beratung an Aufgaben zu leisten und in welcher Weise soll die Betreuung erfolgen? Ein Beispiel: bis wann ist die Beratung im Vertrag inkludiert ist (z.B. im Rahmen eines von uns vergüteten Jour-Fixe) und ab wann ist die Consulting-Leistung zusätzlich zu vergüten. Hierfür liegt bereits vor dem Auswahlverfahren ein Angebot der Agentur vor. Agenturen deren Angebot unvollständig ist oder deren Preis-/Leistungsverhältnis nicht stimmt, wurden bereits beim Pitch nicht berücksichtigt. Typische Kriterien für die Bewertung von Angeboten bei Webagenturen sind zum Beispiel:

  • Schreib- und Rechenfehler? Wenn schon das Angebot „schlampig“ ist, wie wird dann das Tagesgeschäft erst laufen?
  • Werden Fehler im Briefing erkannt? Bauen Sie durchaus „Zweideutigkeiten“ ins Briefing ein, damit die Agentur diese erkennt und auch ggf. hinterfragt. Sie wollen ja schließlich eine beratende Agentur haben und keine Lakaien.
  • Ist das Angebot verständlich oder kryptisch?
  • Ist das Angebot präzise auf Ihren Bedarf zugeschnitten oder zu genau oder zu ungenau. Beides erlaubt Ihrer Agentur dann im Tagesgeschäft Nachträge zu stellen.

Überlassen Sie die inhaltlichen Diskussionen bereits ab hier Ihrem Einkauf, dem Sie natürlich mit Ihrem fachlichen Rat zur Seite stehen.

Schritt 4: Der Vertrag

Nutzen Sie für den Vertrag immer Ihren eigenen Vertragsentwurf und nicht den der Agentur. Sie sollten inhaltlich folgende Punkte berücksichtigen:

  • Nach meiner Erfahrung sind zwei Jahre eine gute Basis.
  • Was passiert nach den zwei Jahren? Zum Beispiel würde dann optional (sprich auf Kundenwunsch) wieder ein Pitch stattfinden, an dem die Agentur teilnehmen kann. Wenn Sie mit der Agentur rundum zufrieden sind, nutzen Sie diese Option nicht und der Vertrag verlängert sich dann automatisch um weitere zwei Jahre.
  • Feste Teamzusammensetzung. Es ist auf der Agenturseite ein festes Team zu stellen. Jede Veränderung bedarf dabei Ihrer Zustimmung, damit Sie auf der Agenturseite immer ein Mindestmaß an Erfahrung und Qualität garantiert bekommen.
  • Arbeitsumfang (aus Schritt 3) und Prozesse. Hier sind Dinge wie die Abläufe von Briefings, Freigaben und Korrekturschleifen festzulegen.

Je weniger Klarheit hier herrscht, desto größer der Ärger im Tagesgeschäft und desto ausufernder Timings und Kosten. Deshalb sind klare Regelungen für beide Seiten von Vorteil: für Sie und für Ihre Agentur.

Bei aller Struktur und professioneller Vorgehensweise, bleibt bei der Agenturauswahl am Ende trotzdem ein wichtiges Kriterium, das alle anderen in den Schatten stellt: ohne dieselbe Leidenschaft für ein Thema, eine Marke oder ein Projekt und ohne ein Mindestmaß an zwischenmenschlicher Sympathie werden wir gemeinsam keine optimalen Ergebnisse erzielen. Geht es doch in der Zusammenarbeit mit einer Agentur nicht um den schon erwähnten Einkauf von genau definierten Spritzgussteilen nach einer bestimmten Norm, sondern um das Vermitteln von Begeisterung, Leidenschaft und Vertrauen für und zu einer Marke.

 

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Fred Geiger leitet PREMEON seit 2001 und berät Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen in Sachen Marketing, Führung und Innovation.