Fly the Plane
Das Internet war wohl noch nie so sehr unter Druck, wie in diesen Tagen. Netflix wurde von der EU gebeten nicht mehr in HD zu streamen, die Nutzung von Microsoft Teams ist um 33 % gestiegen und der US-amerikanische Mobilfunkbetreiber Verizon hat von der Regierung die Erlaubnis bekommen, mehr Funkfrequenzen zu nutzen, um den Bedarf zu decken.
Doch wenn sich der Bedarf so schnell ändert, wer kümmert sich eigentlich um die notwendigen Anpassungen in der Infrastruktur?
Niemand hatte kommen sehen, was in den letzten Tagen und Wochen passiert ist. Und natürlich hatte auch kaum ein Unternehmen vorsorglich jemanden abgestellt, der nichts anderes zu tun hatte, als die Welt im Auge zu behalten. Was gerade passiert, nennt Nassim Taleb einen schwarzen Schwan – ein höchst unwahrscheinliches Ereignis.
Selbstverständlich gibt es Unternehmen, die auf solche Lastspitzen vorbereitet sind. Ihr Unternehmen auch? Und sollten Sie sich darum überhaupt sorgen müssen?
Erst kürzlich hatte ein staatlicher Gesundheitsdienst mit einer beispiellosen digitalen Nachfrage zu kämpfen. Die Infrastruktur konnte das Traffic-Volumen nicht mehr bewältigen, und die Website wurde instabil. Die Seite am Laufen zu halten, band wesentliche Ressourcen und man konnte sich nicht mehr um das kümmern, was jetzt wirklich wichtig war – den eigentlichen Gesundheitsdienst.
Innerhalb von 30 Stunden hat Episerver den Gesundheitsdienst von seiner on-premise Lösung in die Cloud umgezogen. Seitdem gab es keine Downtime mehr und alle konnten sich wieder um die wirklich wichtigen Probleme kümmern.
In der Luftfahrt gibt es ein Phänomen, das sich „Controlled Flight Into Terrain (CFIT)“ nennt. Es bezeichnet den Zusammenprall oder Beinahe-Zusammenprall eines im Flug befindlichen Luftfahrzeugs mit einer Land- oder Wasserfläche oder einem Hindernis, ohne dass es zuvor irgendwelche Anzeichen für Probleme gab. CFIT passieren aus Unachtsamkeit oder aber, weil ein Problem zu spät erkannt wird. Daher lautet in der Luftfahrt die erste Anweisung bei auftretenden Problemen: „Fly the plane!“. Denn zu häufig wird in Stresssituationen vergessen, was das Wesentliche ist. Wenn aber das Wesentliche vergessen wird (also das Flugzeug zu fliegen), dann ist im Grunde sowieso alles zu spät.
Was ist Ihr „Fly The Plane“?
Ich nehme mal an, dass es NICHT ist, sich um die Infrastruktur Ihrer Seite zu kümmern, damit sie problemfrei weiterläuft. Das heißt nicht, dass sich niemand darum kümmern sollte, wahrscheinlich sind es aber nicht Sie, die das tun müssen.
Wenn Sie im Marketing oder der Unternehmenskommunikation arbeiten, dürfte Ihr „Fly The Plane“ die Aufrechterhaltung der Kommunikation sein, also Ihre Kunden auf dem Laufenden zu halten. Sie brauchen eine funktionsfähige Webseite, es interessiert Sie im Zweifel aber nicht, wie die Seite am Laufen gehalten wird. Und das gilt auch, wenn Sie in der IT arbeiten. Sicherlich, IT kümmert sich um die Infrastruktur, aber es besteht ein Unterschied zwischen dem Betrieb Ihres Kerngeschäfts und dem Ihrer externen Marketing- und Kommunikationsinfrastruktur. Wenn Sie für eine Bank arbeiten, selbst wenn Sie in der IT-Abteilung der Bank arbeiten, bedeutet „Fly The Plane“ für Sie, das Online-Banking-System am Leben zu halten, sicherzustellen, dass Transaktionen einwandfrei durchgeführt werden und dass sich die Bankangestellten ins Netzwerk einloggen können. Darauf sollten Sie sich konzentrieren!
Krisen helfen dabei, zu erkennen, was das Wesentliche ist. Wenn alles auf dem Spiel steht und Sie dafür verantwortlich sind, Ihre Arbeit so schnell und präzise wie möglich zu erledigen, können Sie sich nicht ablenken lassen. Jeder muss seine Arbeit mit Fokus und Übersicht erledigen.
Genauso verhält es sich übrigens mit dem Management Ihrer IT-Infrastruktur. Viele Unternehmen glauben, sie könnten ihre Infrastruktur besser intern managen, als diese Aufgabe einem Spezialisten zu überlassen. Aber welchen Wert stiften Sie für Ihr Kerngeschäft, wenn Sie diese Aufgabe selbst übernehmen?
Als ich im Professional Service arbeitete, rief ich einmal einen Freund in einer Werbeagentur der alten Schule an und fragte ihn, ob sie eigentlich mit dem Aufbau von Webseiten Geld verdienten. Im Laufe des Gesprächs gab er zu, dass sie Geld verloren hatten, beim Versuch Webseiten zu entwickeln. Geld verdienten sie mit kreativen Media-Strategien und Media-Einkauf. Das war ihr „Fly The Plane“, dafür wurden sie bezahlt. Nicht für das Bauen von Webseiten. Damit verloren sie Geld. Es war nicht ihr Kerngeschäft und lenkte sie von dem ab, was sie gut konnten.
Schon verstanden, wir lieben es, Probleme zu lösen. Und Infrastrukturprobleme sind reizvoll und dankbar, weil sie lösbar sind und wir uns so produktiv fühlen. Aber wo ist der Mehrwert für Ihr Kerngeschäft? Und bindet die Eigenbeschäftigung mit der Infrastruktur nicht vielmehr wichtige Ressourcen, die in der Krise eigentlich an anderer Stelle benötigt werden?
Kein Unternehmen sollte sich Gedanken um seine Infrastruktur machen müssen. Insbesondere dann nicht, wenn Kommunikation und eine gute Performance der Webseite erfolgskritisch sind. Denn dann hat man für solche Themen eigentlich keine Zeit – auch keine 30 Stunden.
„Fly The Plan“ heißt also, sich auf sein Kerngeschäft zu konzentrieren, um für seine Kunden da zu sein – insbesondere in schwierigen Zeiten.