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Das rechtssichere Webinar

Viele Anbieter wechseln vom physischen Event zum Online-Event und bauen Know-how und Ressourcen auf. Rechtsanwalt Stefan Schicker im Interview.
Frank Puscher | 27.03.2020
Stefan Schicker © privat
 

Die Krise als Chance: Viele Anbieter wechseln vom physischen Event zum Online-Event und bauen Know-how und Ressourcen auf. Aber in Schnellschüssen wohnt immer ein Risiko. Das Webinar und vor allem dessen Aufzeichnung verlässt nämlich die sichere Umgebung des (virtuellen) Konferenzraums.

 

Hallo Herr Schicker, wird Ihnen angezeigt, dass unsere Videokonferenz gerade aufgezeichnet wird?

 

Stefan Schicker: Das wäre ja schon die erste juristische Frage: Ja, es wird angezeigt.

 

Das Thema heute ist das Webinar. Birgt die Übertragung von Audio und Video vom Teilnehmer ein Datenschutzproblem?

 

Schicker: Man kann eine Einwilligung zur Bild- und Ton-Übertragung konkludent erteilen. Wenn man in eine Kamera spricht, wenn man eine Webinar-Software nutzt, bringt man zum Ausdruck, dass man an so etwas teilhaben möchte. Beim Sprecher ist das auch weitgehend selbstverständlich. Hier muss man im Vorgespräch nur klar machen, wie das verarbeitet wird und vor allem, was mit einer Aufzeichnung geschieht. Das kann man zum Beispiel mit E-Mail-Verkehr dokumentieren.

 

Bei den Teilnehmern ist das anders. Da ist es nicht unbedingt üblich, dass die Teilnehmer im Bild zu sehen sind. Hat man das im Vorfeld klar gemacht, indem man ihn zu einer Videokonferenz einlädt, dann ist das transparent. Sicherer ist man, wenn man in der Einladung klar formuliert, dass man Video und Audio anzeigt, aufzeichnet und für diesen und jenen Zweck verwendet. Da kann auch die Gestaltung der AGB helfen, Rechtssicherheit zu schaffen.

 

Sind AGB genug? Muss es nicht explizit erwähnt werden?

Schicker: Die explizite Einwilligung ist verpflichtend vorgesehen für bestimmte Bereiche wie Cookies oder im E-Mail-Marketing. Die Tatsache, dass der Teilnehmer aber aktiv zum Webinar kommt, legt den Schluss nahe, dass eine normale Einwilligung genügt und die ist durch die AGB abgedeckt.

 

Wäre es hilfreich, zu Beginn eines Webinars den Teilnehmern noch einmal den Hinweis zu geben und ihnen die Möglichkeit zu zeigen, dass sie Kamera und Ton ausschalten können?

 

Schicker: Das wäre sicher gut in Verbindung mit den angepassten AGB. Das aufgezeichnete Video vom Webinar kann hier sogar als Beweismittel dienen, wenn es zu einem Streitfall käme. Das wäre sehr transparent.

 

Aber es besteht schon die Gefahr, dass eine solche Einwilligung widerrufen werden kann und dann muss man entsprechende Sequenzen vielleicht rausschneiden. Wer wirklich sicher gehen will, sammelt individuelle Einwilligungen.

 

Und das tut er auf der Landingpage, wo der User sich registriert.

 

Schicker: Genau.

 

Zweite Frage: Wie steht es mit der Datenübertragung in die USA durch den Anbieter der Software? In den AGB eines Anbieters steht beispielsweise, dass die übertragenen Daten ausgewertet werden, ohne Hinweis darauf, was genau da passiert.

 

Schicker: Veranstalter und Anbieter brauchen eine Auftragsdatenverarbeitung. Wenn der Softwareanbieter das unterschreibt, muss ich davon ausgehen, dass die internen Prozesse des Anbieters funktionieren. Das entsprechende Formular sollte dem Unternehmen vorliegen. Hilfreich ist es sicher, wenn man einen deutschen Ansprechpartner hat.

 

Tatsächlich ist das aber vergleichbar mit Facebook. Wenn der Teilnehmer beim Log-in den AGB des Providers zustimmt, dann stimmt er eben auch einer solchen Datenübertragung oder Nutzung zu. Der Veranstalter ist in der Verpflichtung, die Tools, die er einsetzt, auch zu prüfen.

 

Ich würde mich wohl fühlen, wenn man einen Anbieter sucht, der sicher ist. Unternehmen, die zum Privacy Shield gehören. Da gibt es Listen. 

 

Aber es schadet natürlich nicht, sich von den Anbietern explizit bestätigen zu lassen, dass sie die DSGVO einhalten.

 

Letzte Woche hat ein in Marketingkreisen recht populärer Redner eine Online-Keynote ins Netz gestellt und am Ende läuft zum Abspann der Top-Hit „Happy“ von Pharell Williams. Das geht nicht, oder?

 

Schicker: Da stimme ich zu. Wenn ich ein Lied verwenden möchte, muss ich davon ausgehen, dass es geschützt ist. Ausnahmen sind nur Lieder, die explizit für lizenzfreie Verwendung produziert wurden. Bei Pharrell Williams geht eine Schadensersatzklage auf jeden Fall in Richtung sechsstellig.

 

Die Urheberrechtverletzung findet im geschlossenen Webinar auch statt, aber da gilt ein Stückweit die Maßgabe: Wo kein Kläger, da kein Richter.

 

Sobald es offen sichtbar ist, muss man gerade bei populären Werken davon ausgehen, dass das entdeckt wird. Es geht nicht nur um Menschen, die nach solchen Fehlern suchen, sondern es sind natürlich die Musikverlage dahinter her und die setzen Crawler ein, um solche Tracks zu finden. Auf YouTube ist das noch krasser, da YouTube einen Upload-Filter einsetzt und den Rechteinhaber explizit darauf aufmerksam macht, wenn dessen Content irgendwo hochgeladen wird.

 

Wenn ich ein YouTube-Video zeige, um etwas zu illustrieren, was ich im Webinar beschreibe, greift da das Zitatrecht?

 

Schicker: Das Zitatrecht ist recht eng gefasst. Wenn es ganz kurze Schnipsel sind, mag das noch möglich sein, aber an sich ist das Zitatrecht schon den Medien vorbehalten, wenn sie sich explizit dem im Video gezeigten Content widmen.

 

Bilder fallen fast nie unter das Zitatrecht. Und man muss auch bei eigenen Assets vorsichtig sein: Hat man vom Fotografen eines Bildes die Rechte erworben, um es in einem solchen Webinarformat zeigen zu dürfen?

 

Auf jeden Fall muss einen klaren Hinweis darauf geben, dass es nicht der eigene Content ist.

 

Schicker: Das muss man grundsätzlich immer, wenn der Urheber das verlangt. Aber bei einer Verletzung des Urheberrechts heilt das nichts.  

 

Aktuell geschieht es häufig, dass ein Eventveranstalter statt der Präsenzveranstaltung ein Webinar anbietet. Wie muss man es formulieren, wenn man dem Teilnehmer anbietet,  sein erworbenes Ticket in ein Online-Ticket umzutauschen?

 

Schicker: Das Webinar stellt eine andere Leistung dar. Insofern kommt es einer Aufhebung des alten Vertrags mit der gleichzeitigen Unterbreitung eines neuen Vertragsangebots gleich. Dafür ist der Begriff „Umtausch“ angemessen, sofern man den Teilnehmer klar darüber informiert, was das für ihn bedeutet. Da Leistungen wie Catering, medizinischer Notfalldienst oder ein Begleitprogramm ja definitiv entfallen, kann man aus meiner Sicht nicht von einem 1:1-Umtausch ausgehen. Da gibt es keine konkludente Zustimmung. Wenn die Bedingungen allerdings transparent dargestellt werden, haben wir Vertragsfreiheit. Das gilt zum Beispiel auch, wenn der Anbieter den gleichen Preis für das Online-Angebot verlangt, auch wenn das aus unserer heutigen Sicht tendenziell teuer sein könnte.

 

Allerdings haben wir hier natürlich kaum Präzedenzfälle. Da sortiert sich aktuell vieles neu.

 

Kann sich der Veranstalter auf höhere Gewalt beziehen?

Schicker: Das wird zu diskutieren sein. Der Veranstalter ist verpflichtet, für Sicherheit zu sorgen und theoretisch könnte er das auch, wenn er dafür sorgt, dass Abstände eingehalten werden, Hygiene-Vorschriften erfüllt werden. Faktisch aber wird durch strenge Auflagen, die zum Zeitpunkt der Planung nicht absehbar waren, ein Event eventuell unrentabel und dann stellt sich die Frage der Zumutbarkeit. Die Frage ist noch nicht geklärt.

 

Darf der Veranstalter nach der Bezahlung vom Teilnehmer verlangen, dass er zustimmt, dass seine Daten von Sponsoren für Werbung benutzt werden?

 

Schicker: Das halte ich für sehr problematisch. Eine Einwilligung zur Datenverarbeitung hat freiwillig zu erfolgen. Das muss vor Vertragsschluss kommuniziert werden.

 

Herr Schicker, vielen Dank für dieses Gespräch.