Quatsch mich nicht voll – die Bedeutung der Relevanz in der Marketingkommunikation
Wer lange Strecken mit der Bahn fährt, kennt diese Duos. Der eine redet ununterbrochen, die andere (ja, sehr häufig sind es Frauen) brummt hin und wieder zustimmend. Im Redeschwall geht es meistens um den Redenden selbst, seine Vorzüge, Großtaten und seine Ansichten über Gott und die Welt. Sein Publikum hat keine Wahl, es muss das Geschwurbel aus Gründen der Höflichkeit ertragen.
In der Unternehmenskommunikation ist das ähnlich. Viele Unternehmen bombardieren ihr Publikum mit Inhalten über Produkte und Leistungen in Dauerschleife. Dabei erwarten sie nicht mal ein zustimmendes Brummen. Der Unterschied: In der Unternehmenskommunikation muss der Adressat nicht höflich sein. Er kann weghören, ausschalten, löschen, wegklicken oder in den Papierkorb werfen, was ihn nicht interessiert. Und das tut er dann auch meistens.
Was relevant ist entscheidet nicht der Sender, sondern der Empfänger
Relevanz, also die Bedeutung einer Botschaft für ihren Empfänger, ist heute eine der wichtigsten Währung im Marketing. Lange vorbei sind die Zeiten, als Unternehmen alles, was sie über sich und ihre Produkte zu sagen hatten, auf eine Website, in einen Newsletter und in ein paar Broschüren packten in der Gewissheit, dass der Kunde schon irgendwie darauf anspringen würde.
Zahlreiche Studien kommen zu dem einhelligen Ergebnis, dass nur eine Minderheit der Empfänger digitaler Informationen von Unternehmen als relevant erachtet. Beklagt werden meistens die überbordende Menge an Informationen und der Mangel an Nutzwert.
Die Amazonisierung der Gesellschaft hat dazu geführt, dass wir nicht nur überall kostenlose und schnelle Lieferungen von Waren erwarten, sondern auch eine Kommunikation, die eins zu eins auf unser Kauf- und Nutzungsverhalten zugeschnitten ist. Wenn schon ständig Daten gesammelt werden, dann sollen sie doch auch bitte zum Wohle des Kunden eingesetzt werden. Daran hapert es häufig noch.
Personas sind erst der Anfang
Es hat sich inzwischen durchgesetzt, Kunden nicht mehr als amorphe, namenlose Masse zu betrachten Marketingabteilungen können noch so viele Personas zur Individualisierung von Zielgruppen und deren Zielen formen: Meist sind sie doch zu unscharf und starr, um den einzelnen Kunden auch in seinem Verhalten und seiner Entwicklung zu berücksichtigen und adäquat anzusprechen.
Aktuelle Studien belegen, dass weit über die Hälfte der Unternehmen dynamischen Content entlang der Customer Journey für bedeutend halten, haben aber noch nicht mit entsprechenden Maßnahmen begonnen. Die Marketingwelt zögert also noch beim nächsten Schritt in eine zeitgemäße Kundenkommunikation.
Behavioral Marketing und Marketing Automation sind Trends, die auch die Kommunikation stark beeinflussen. In CRM- und ERP-Systemen liegt ja häufig schon ein Schatz an Kundendaten, den die Kommunikationsabteilung gerne anreichern und nutzen würde. Doch das zieht nicht nur einen hohen technischen Aufwand nach sich. Auch der Content muss passen und da sind wir wieder bei der Relevanz.
Relevanz = Nutzwert
Je spitzer die Zielgruppe angesprochen werden kann, umso treffender muss der Content sein. Wer gerade einen PKW des Modells A gekauft hat, möchte in den nächsten Monaten auf keinen Fall weitere Fahrzeuge angeboten bekommen, auch nicht Modell B oder C. Stattdessen freut er sich aber vielleicht über Informationen zu Zubehör, aber bitte nur über solches, das er noch nicht gekauft hat. Und Tipps zu Kindern im Auto möchte er auch nur, wenn er auch Kinder hat. So filigrane Kommunikation ist möglich. Und irgendwann wird dieser Anspruch an sehr individuelle Kommunikation als selbstverständlich erachtet. Der Content muss dann diese Anforderungen erfüllen.
Jeder Kanal hat eigene Regeln
Jeder Nutzer hat seine eigenen Präferenzen hinsichtlich des Kanals und jeder Kanal hat seine eigenen Regeln. Aufbereitung, Inhalt, Timing von Content müssen sich dem anpassen. Das legt man einmal in einer Contentstrategie fest und überprüft es dann ständig. Die Möglichkeiten der Messung von Relevanz sind vielfältig, sie sollten genutzt werden.
Ebenso wichtig ist die Richtung, auf der der Inhalt zum Nutzer kommt: als Pull oder als Push?
Pull: Der Nutzer sucht nach dem Inhalt auf der Website, im Unternehmensblog oder gar über Google. Deshalb muss der Inhalt gut zu finden sein und so gestaltet, dass er die Suchanfrage optimal trifft. Entsprechend müssen Headlines und Text konsistent sein.
Push: Der Nutzer bekommt den Inhalt mehr oder weniger ungefragt und unerwartet – in einer App, einem Newsletter oder als Push-Notification auf dem Smartphone. Dann muss der Content sofort ins Schwarze treffen. Der Nutzer muss – im Idealfall – alles stehen und liegen lassen, um die Information aufzunehmen. Klappt das nicht, ist er im besten Fall gelangweilt, im schlechtesten genervt und sauer. Dieses Risiko besteht vor allem bei auf Basis von Personas individualisierten Newslettern und Apps. Die groben Cluster kommen mit wenig filigranen und deshalb recht beliebigen Inhalten daher. Ein Effekt, der über eine möglichst kleinteilige Auswahl der Personas, gepaart mit einer cleveren Contentstrategie (Inhaltlich) und Marketing Automation (technisch), in den Griff zu kriegen ist.
Kommunikation ist ein ganzheitliches Thema
Als Agentur sprechen wir besonders mit Kunden aus dem Mittelstand immer noch zu viel über einzelne Medien und Maßnahmen: Wir brauchen mal wieder einen Website-Relaunch, macht uns einen schönen Newsletter, jetzt ist es auch bei uns Zeit für Social Media usw.
Wir tun uns zunehmend schwer mit diesen Anfragen. Es fühlt sich an, als wolle man Koffer packen, ohne zu wissen, wohin die Reise geht. Wir empfehlen lieber eine ganzheitliche Betrachtung der Kommunikation und stoßen damit inzwischen fast immer auf offene Ohren. Erst wenn man alle Sender und Empfänger von Unternehmensbotschaften ausreichend analysiert hat, kann man Informationen liefern, die für jeden das Wichtigste transportieren: Relevanz.