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Chatbots für personalisierte Dialoge

(Chat)Bots - Typen, Funktionen und Nutzen. Was ist wirklich neu?
Peter Gentsch | 22.05.2018
Bots als neues Betriebssystem © Peter Gentsch
 

Weder das Thema Personalisierung noch das Thema Bots ist neu. Bereits 1966 hat Joseph Weizenbaum mit ELIZA ein Computerprogramm entwickelt, das die Möglichkeiten der Kommunikation zwischen einem Menschen und einem Computer über natürliche Sprache aufzeigte. Beim Antworten nahm die Maschine die Rolle eines Psychotherapeuten ein, arbeitete auf der Basis eines strukturierten Wörterbuchs und suchte nach Schlusselbegriffen im eingegebenen Text. Auch wenn dieses Bot-Modell als Psychotherapeut nur fragwürdigen Erfolg feierte, werden solche Bots der ersten Generation mit fest vorgegebener Dialogführung und schlüsselwortgesteuert agierend weiterhin vielfaltig eingesetzt.

Was ist wirklich neu?

Die Personalisierung von Webseiten, Mails und Newsletter ist seit vielen Jahren Bestandteil eines erfolgreichen Digital-Marketings. Und dennoch erfahrt das Thema „Personalisierte Dialoge“ mit Bots aufgrund der rasanten Entwicklungen von Plattformen, Kommunikations-Devices, Spracherkennung und AI eine neue Qualität und Bedeutung, sodass der unerfüllte Wunsch von 1996 von Andrew Leonard endlich Realität wird. Kommunikation und Interaktion werden zunehmend über Algorithmen gesteuert und bestimmt. Bots und Messaging-Systeme werden heiß diskutiert und müssen häufig als Mega-Trends der nächsten Jahre herhalten. Vordergründig geht es um neue Kommunikationsschnittstellen, die als logische nächste Evolutionsstufe Effizienz- und Convenience-Vorteile mit sich bringen. Es geht aber bei Weitem um mehr als um „Alexa, bestelle mir bitte eine Pizza“ oder „Lieber Service-Bot, wie kann ich meinen Flug umbuchen?“ Die Popularität von Messaging- und Bot-Systemen steigt stetig. Seit 2015 benutzen mehr Menschen Applikationen (Apps) zur Kommunikation als soziale Netzwerke. Das sind weltweit fast drei Milliarden Menschen taglich. In Europa und den USA werden hauptsachlich die Plattformen WhatsApp (circa eine Milliarde Menschen) und Facebook Messenger (900 Millionen) genutzt, während in Asien WeChat (700 Millionen) und Line dominieren (215 Millionen).

(Chat)Bots – Typen, Funktionen und Nutzen

Relevanz und Entwicklung: Zwei der heutzutage bedeutendsten Unternehmen, Microsoft und Facebook, haben im Frühjahr 2016 verkündet, dass sie in Zukunft auf Bots setzen werden. Microsoft, deren CEO Satya Nadella Bots als „the next big thing“ bezeichnete, soll sich nach einer Analyse des IT-Forschungsinstituts Gartner im Jahre 2020 ganz auf den firmeneigenen, persönlichen Assistenten Cortana konzentriert haben. Statt dem aktuellen Schwergewicht Windows sollen Roboter und Chat-Plattformen in den Fokus von Microsofts Strategie rücken. Insgesamt erwartet das Gartner-Institut, dass im Jahr 2020 40 Prozent aller mobilen Interaktionen von Bots gesteuert werden [2]. Conversational Commerce als neues Interaktionsparameter: Bisher müssen Kunden, die mit einem Unternehmen in Kontakt treten wollen, entweder Formulare ausfüllen oder Hotlines mit oft langen Warteschleifen anrufen. Diese Art von Kommunikation kann für den Kunden jedoch oft einseitig, lastig und langsam sein. Andererseits findet die Kommunikation mit Freunden, Bekannten und Kollegen vermehrt über Messaging-Plattformen, wie WhatsApp oder den Facebook Messenger, statt. Wir können nun den Aufbruch in ein neues Kommunikationsparadigma beobachten, in dem Unternehmen Messaging-Plattformen, Chatbots und Algorithmen sowohl für die Interaktion mit Kunden als auch für die interne Kommunikation nutzen. Conversational Commerce dagegen bietet eine individuelle, bidirektionale Echtzeitkommunikation mit dem Kunden, ohne dass unrealistische Mengen an Personal erforderlich sind. Die Konversation kann mithilfe von Chatbots stattfinden, die entweder in Plattformen wie WhatsApp oder den Facebook Messenger integriert oder alleinstehend auf der Webseite des Unternehmens zu finden sind. In den Chat-Konversationen können Produktberatung, Verkaufsprozess, Kauf und Kundenbetreuung erfolgen und so das Konsumieren für den Kunden erleichtern. Da der Kunde mit dem Unternehmen oder der Marke in gleicher Weise interagiert wie mit einem Freund, spricht man auch vom „brand as a friend“-Konzept, also der Marke als Freund. Daher profitieren Unternehmen, deren Chatbots Konversationen fuhren können, die sich für den Nutzer natürlich und menschenähnlich anfühlen. Es kommen dabei zunehmend Messaging- und Bot-Systeme zum Einsatz, die über sprach- und textbasierte Interfaces die Interaktion zwischen Konsumenten und Unternehmen vereinfachen. Damit lasst sich die gesamte Customer Journey von der Produktevaluierung über den Kauf bis zum Service durch höhere Effizienz und Convenience optimieren. Neben Algorithmen, die über Keywords und Kommunikationsmuster die Kommunikation steuern, wird hier auch zunehmend künstliche Intelligenz eingesetzt, um aus den Präferenzen und Interaktionen zu lernen. Damit können die Systeme die Kommunikation besser situativ anpassen und auch proaktiv steuern. Imitation menschlicher Unterhaltung: Anfangs konnten Bots auf einfache, sich wiederholende Anfragen antworten, die simplen Regeln folgen, wie zum Beispiel „Wie ist das Wetter heute?“ Mit den Fortschritten in der künstlichen Intelligenz und dem maschinellen Lernen können nun auch anspruchsvollere Aufgaben von Bots übernommen werden. Die Idee des Bots geht bis in die 1950er-Jahre zurück, als Alan Turing, ein früher Forscher in der Computerintelligenz, einen Versuch zum Testen der Intelligenz von Maschinen vorstellte. Dieser ist heute als Turing-Test bekannt und funktioniert folgendermaßen: Wenn mehr als 30 Prozent einer Versuchsgruppe davon überzeugt sind, dass sie eine Konversation mit einem Menschen und nicht mit einem Computer fuhren, wird der Maschine ein dem Menschen ebenbürtiges Denkvermögen unterstellt. 2014 ist dahingehend ein kleiner Durchbruch gelungen, als ein Drittel der Teilnehmer davon überzeugt war, dass sie eine Unterhaltung mit einem Menschen geführt hatten, obwohl ein Bot eingesetzt wurde. Heutzutage ist es nicht immer einfach, den Unterschied zwischen Mensch und Maschine in einer Unterhaltung auszumachen. Schon vergleichsweise wenig künstliche Intelligenz genügt, um die Illusion einer natürlichen menschlichen Interaktion zu imitieren. Die Entwickler von Bots stehen in dieser Hinsicht jedoch noch vor vielen Herausforderungen. Ihr Ziel ist, eine gemeinsame Sprache zwischen Maschine und Mensch zu entwickeln, um die Kommunikation zu erleichtern. Schnittstellen für Unternehmen: Damit Unternehmen ihre Dienste auf Messaging-Plattformen anbieten können, muss es Programmierschnittstellen (API) geben. Die APIs erlauben, dass ein externer Programmcode, wie ein Bot, in eine bereits bestehende Software, zum Beispiel eine Messaging-Plattform, integriert wird. Nicht alle Unternehmen haben die Expertise für den Bau eines eigenen Bots und dessen Integration in eine Messaging-Plattform. Daher ist es wahrscheinlich, dass es in Zukunft vermehrt ein Bots-as-a-Service-Konzept geben wird, das das Entwickeln und die Integration von Bots vereinfacht. Die entwickelten Bots sollten sowohl universell als auch einfach zu bauen sein. Universell heißt, dass die Bots unkompliziert auf allen verschiedenen Plattformen zu unterhalten sein sollten. Wenn es zudem einfach ist, einen Bot zu bauen, konnte man damit nicht nur die Tech-Experten der Firma, sondern auch die Mitarbeiter mit einem Talent für Sprache und Kommunikation beauftragen. Zwei solcher Bot Builders sind über Facebook und Microsoft schon verfügbar und werden in den folgenden Abschnitten vorgestellt. Im April 2016, auf der jährlichen Facebook Entwickler-Konferenz F8, hat das Unternehmen berichtet, dass es neue Schnittstellen zum Messenger für externe Entwickler geschaffen hat. Wit.ai, eine Software, die hilft, eine API für sprachaktivierte Benutzeroberflachen zu entwickeln, wurde zuvor an Facebook angeschlossen, um Entwicklern die Integration ihrer Dienste zu erleichtern. In den ersten zweieinhalb Monaten nach Freigabe des Messengers haben sich über 23.000 Entwickler auf wit.ai angemeldet, und es sind über 11.000 Chatbots entstanden. Der Messenger liefert inzwischen auch eine visuelle Benutzeroberfläche, um das Nutzungserlebnis zu verbessern, und enthalt Plug-ins, die den Bot in Angebote von Drittanbietern integrieren können. Seit Herbst 2016 ist es auch möglich, Bezahlungen direkt über den Messenger abzuwickeln. Wenn die Kreditkarteninformationen in Facebook oder dem Messenger gespeichert sind, kann die Transaktion ohne weitere Eingaben erfolgen. Viele Unternehmen haben sich dem Facebook Messenger schon angeschlossen. Das Microsoft Bot Framework schafft die Voraussetzungen dafür, Bots für verschiedene Plattformen oder die eigene Webseite zu entwickeln. Das Bot Builder Software Development AIt (SDK) ermöglicht es, die Bots zu implementieren. Der Language Understand Intelligence Service (LUIS) assistiert dem Bot mit Deep Learning und linguistischer Analyse. Mit dem eine gemeinsame Sprache zwischen Maschine und Mensch zu entwickeln, um die Kommunikation zu erleichtern. Bot Connector können die Bots in verschiedene Messaging-Plattformen integriert werden. Das Bot Directory ermoglicht die Verteilung und Entdeckung von anderen Bots in der Plattform. Auch WhatsApp, das ebenfalls zu Facebook gehort, hat im Januar 2016 bekannt gegeben, dass es Werkzeuge testen will, die die Kommunikation mit Unternehmen realisieren können. Weitere Beispiele für Plattformen, die das Bauen und Integrieren von Bots erlauben, sind Slack, Telegram und AIk. Bots als neues Betriebssystem: Die Bot-Entwicklung wird zu fundamental anderen Prinzipien in der Kommunikation und in den entsprechenden Interfaces fuhren. Bots werden einen Großteil der Webseiten und Apps ersetzen. Sie heben die Trennung von anwendungsbezogenen Funktionen auf. So kann eine Transaktion die Evaluierung eines Produktes, die Auswahl sowie den Kauf und den Service beinhalten. Typischerweise musste ein Konsument hierfür verschiedene Apps und/oder Webseiten nutzen. Der Bot als eine Art Betriebssystem verbindet die verschiedenen Informations- und Interaktionsformen zu einer durchgängigen Transaktion. Der Bot hat gemäß den gelernten Präferenzen eine Auswahl vorgenommen, die Bestellung ausgelost und über die ihm bekannten Bank- und Adressdaten die Transaktion abgeschlossen. Natürlich lassen sich hier entsprechende Permission States einziehen, die vom jeweiligen Konsumenten gesteuert werden. Bots und künstliche Intelligenz – wie intelligent sind Bots wirklich? Bisher sind Bots meist recht trivial, man konnte auch sagen „dumm“ programmiert worden. Zu Zeiten der künstlichen Intelligenz wird sich dies nachhaltig andern. Frühere Implementierungen griffen auf interne Datenbanken, durch Keywords getaggte Textbausteine und Regeln der Entwickler zurück. So scannt der Bot den Kundeninput nach Keywords, setzt dann nach den fest implementierten Regeln die Wissens- und Textbausteine zusammen und gibt den so generierten Output an den Kunden zurück. Erweiterungen des Systems in Form von neuem Wissen, Regelverknüpfungen, Keyword-Tagging und Textbausteinen müssen programmiert werden. Heutige Bots nutzen zusätzlich die größte verfügbare dynamische Datenbank der Welt: Das Internet. Das Semantic Web, also das kollektive Bestreben der Content Uploader im Hypertext die Informationen semantisch und standarisiert zu taggen und somit maschinenlesbar zu machen, erleichtert den automatisierten Zugang zu Wissen. Über die Interaktionsmuster des Kunden kann der Bot mit den Deep-Learning-Algorithmen des Maschinellen Lernens kundenspezifische Keywords finden und seine eigene Datenbank kundenspezifisch und automatisch pflegen. Ein Eingreifen des Entwicklers ist nur noch zu Wartungszwecken notwendig. Aktuelle Durchbrüche im Natural Language Processing (NLP), dem Teilbereich der KI, der sich mit Mensch-Maschine-Kommunikation beschäftigt, dynamisieren die Bot-Entwicklung noch weiter. Bereits 2014 ist es gelungen, Chatbots zu entwickeln, die gegenüber einem Drittel der menschlichen Anwender einen menschlichen Sprachpartner vortauscht. Mittlerweile ist es möglich, selbst bei oraler Kommunikation über 90 Prozent des Gesprochenen in einen Sinnzusammenhang zu bringen. Allerdings ist die schriftliche Kommunikation in diesem Feld noch viel entwickelter und somit auch verbreiteter. Damit hängen der Grad der Informationsversorgung mit der Intelligenz und dem Automatisierungsgrad der Bots unmittelbar zusammen. Die derzeitigen (in der Regel nicht intelligenten) Chatbots werden durch die Keywords, Wissensbausteine, Texte und Regeln ihrer Entwickler/Programmierer gefüttert. Die intelligentere Form der Bots besorgt sich Informationen auch eigenständig aus Onlinequellen und verbindet diese zu neuem Content. Die AI-basierten Bots werden zudem durch die Antworten und Reaktionen der User gespeist. Damit sinkt auch die Kontrollmöglichkeit der für das Lernen genutzten Informationen. ----------

Checkliste für Unternehmen:

Folgende Fragen sollten Unternehmen vor der Einführung von (Chat)Bot-Systemen beantworten: • Auf welcher Messaging-Plattform befinden sich meine Kunden? • Sind ausreichende Ressourcen hinsichtlich Expertise und Personal vorhanden für einen langfristigen Unterhalt des Bots? • Hat mein Unternehmen eine Markenpersönlichkeit, und existiert eine Strategie, diese in Online-Konversationen zu vermitteln? • Ist der Bereich, in dem Bots eingesetzt werden sollen, klar abgegrenzt, und können die Bots das geplante Ziel erreichen, ohne Kunden zu enttäuschen? ----------

(Chat)Bots für Konsumenten – „Ihr persönlicher Butler“

(Chat)Bot-Systeme werden nicht nur von Unternehmen, sondern auch zunehmend von Konsumenten eingesetzt. Auf Konsumentenseite helfen zum Beispiel Amazon Alexa oder Google Home als digitale Assistenten, die Informationssuche oder die Bestellung von Produkten zu vereinfachen. Ein Personal Butler, auch als persönlicher Assistent oder digitaler Diener bezeichnet, ist ein Programm, das in ein technisches Gerat, ein Betriebssystem oder eine App integriert ist, und alltägliche Aufgaben, wie zum Beispiel Einkaufe, Buchungen, Bankgeschäfte, Planung oder das Regulieren von Licht und Temperatur übernehmen kann. Mit der Zeit lernt ein Personal Butler seinen Eigentümer immer besser kennen und kann dessen Wunsche und Bedürfnisse voraussehen. Gleich bei allen virtuellen Assistenten ist, dass sie alltägliche Aufgaben übernehmen sollen, wie zum Beispiel das Buchen von Hotels oder Taxis, das Bestellen von Kleidung, Essen oder Blumen, oder auch Bankgeschäfte oder das Erstellen von Erledigungslisten. Statt stundenlang Angebote zu vergleichen, Kontoinformationen einzugeben oder die richtige App für Notizen zu finden, können diese oft lästigen Notwendigkeiten dann in der Zeit erledigt werden, die es dauert, einen Satz zu sprechen. Und wenn für diese Tätigkeiten keine Menschen mehr gebraucht werden, konnten die menschlichen Ressourcen auf andere Weise genutzt werden, zum Beispiel für kreative Aufgaben. Zurzeit agieren persönliche Assistenten noch passiv, das heißt, sie werden erst aktiv, wenn Apps aufgerufen, bestimmte Knopfe gedruckt oder eine Begrüßung gesprochen werden. Aktive persönliche Assistenten mit künstlicher Intelligenz konnten sich auch selbstständig in Gespräche einbringen und Ratschlage geben oder Missverständnisse aufklaren. Dies birgt jedoch auch Gefahren: Der Assistent konnte unbedachte Aussagen treffen, beispielsweise wenn der Nutzer einer anderen Person ausweichende Antworten gibt oder Notlügen anwendet und der persönliche Assistent in das Gespräch eingreift und den Nutzer bloßstellt. Fachartikel wurde bereits veröffentlicht in: Peter Gentsch: Chatbots für personalisierte Dialoge. - IN: Leitfaden personalisierte Dialoge (Hrsg.: Torsten Schwarz), S. 167-182, Teil 1, Verlag: marketing-BÖRSE, 2017.

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Prof. Dr. Peter Gentsch arbeitet als Dozent und als Partner der diva-e Gruppe. Er ist Experte im Bereich Digitale Transformation, Big Data sowie KI.