Das Ethikgerede nervt – nicht reden, sondern handeln ist gefragt
Die Skandale in der Wirtschaft nerven nur noch. Alle haben Ethikgrundsätze, Complianceregeln. Und keiner hält sich so richtig daran. Wieso ist das so? Weil manchen Unternehmen ihre Ethik-Broschüren reichen.
Ethik ist die Wissenschaft, die hohe zu schützende Güter entwickelt und Handlungen danach bewertet, ob sie erlaubt, geboten, verboten oder verwerflich sind. Zur Bewertung benötigt Ethik also die Handlung, das Tun, nicht das Reden. Handeln ist allerdings etwas anderes, als sich zu verhalten. Auch Tiere verhalten sich, Menschen auch. Aber nicht jeder, der sich auf eine besondere Art und Weise verhält, handelt auch. Wer handelt, sollte fünf Bedingungen beachten. Zunächst sollte ich prüfen, ob es nicht doch noch eine Alternative zum meiner Vorgehensweise gibt, dann sollte ich ein Ziel, ein ethisch verwertbares Ergebnis anstreben, zum Dritten sollte ich durch mein Handeln etwas zum Positiven verändern. Ich sollte viertens in der Lage sein mein Handeln begründen zu können und ich sollte bereit sein, für die überschaubaren Konsequenzen meines Tuns gerade zu stehen.
Fragen wir unsere Kinder. Was glauben sie? Kinder glauben Ihren Eltern nur das, was sie tun, nicht, was sie sagen. Wenn der ältere Bruder den Jüngeren schlägt, und Papa geht dazwischen, schnappt sich den Älteren und sagt, während er ihm ein zwei Backpfeifen gibt: „Wie oft habe ich Dir gesagt, Du sollst Jüngere nicht sachlagen, wie oft?“ Was lernt das Kind wohl dadurch?
In Unternehmen ist es nicht anders. Eine der wichtigen Fragen für die Zukunft eines Unternehmens ist es, ob die ethischen Führungsleitlinien mit dem tatsächlichen Verhalten zusammen passen. Was nutzen Hochglanzbroschüren, in denen behauptet wird ‚unsere Mitarbeiter sind unser wichtigsten Kapital’, wenn außergewöhnliche Gewinne mit Freisetzungen von Mitarbeitern ‚belohnt’ werden? Weder Gewinne, noch Gewinnstreben in der Wirtschaft sind zu verurteilen. Zu kritisieren ist allerdings, unter welchen Umständen manche Unternehmen ihre Gewinne erwirtschaften.
Unternehmen haben Erfolg durch die Menschen, die sie beschäftigen. Diese Mitarbeiter für ihren Erfolg mit zum Beispiel mit Freisetzungen zu „belohnen“ hat schon komische Züge. Sicher ist es zu verstehen, wenn ökonomischer Misserfolg zum Stellenabbau führt. Bei hervorragenden Gewinnen, die weit über den Erwartungen liegen, sowie Eigenkapitalrenditen, die den Branchendurchschnitt weit übersteigen, gleichzeitig Stellenabbau zu betreiben, ist in höchstem Maße unredlich und zeugt von einer Haltung, die ökonomischen Erfolg absolut setzt. Zu behaupten, dies geschähe zur Sicherung des Unternehmensbestandes, ist ebenfalls unredlich, wenn dieser Bestand des facto gar nicht gefährdet ist.
Nahezu jedes Unternehmen hat heutzutage Ethikleitlinien, einen Ethik Kodex. Und was ist anders – besser? Nichts!!! Hier ein paar Beispiele.
In den Verhaltensgrundsätzen des VW Konzerns steht: „Wir tragen mit unseren Produkten dazu bei, dass Mobilität umweltfreundlich, effizient und sicher ist. In diesem Sinne verpflichtet uns die Zukunft, die Mobilität im Interesse des Gemeinwohls mit Produkten voranzutreiben, die den individuellen Bedürfnissen, den ökologischen Belangen und den ökonomischen Ansprüchen an einen Weltkonzern gerecht werden“ Da steht auch: „Um unser Ziel zu erreichen, handeln wir verantwortungsvoll zum Nutzen unserer Kunden, Aktionäre und Mitarbeiter, sehen wir die Einhaltung der internationalen Konventionen, der Gesetze und der internen Regeln als Grundlage für nachhaltiges, erfolgreiches wirtschaftliches Handeln an, handeln wir im Einklang mit unseren Erklärungen, übernehmen wir Verantwortung für unser Handeln. Die Konzernwerte Kundennähe, Höchstleistung, Werte schaffen, Erneuerungsfähigkeit, Respekt, Verantwortung und Nachhaltigkeit sind die Grundlage für unsere konzernweite Zusammenarbeit und in unsere Verhaltensgrundsätze eingeflossen.“
Vor dem Hintergrund ist sicher gut zu verstehen, dass die Integritätsmanagerin nach nur einem Jahr VW in beiderseitigem Einvernehmen VW verlässt, und… 12 Millionen Euro Abfindung erhält. Integer heißt laut Duden unbescholten, moralisch einwandfrei; unbestechlich handeln Ich kann nur sagen, ein Hohn!
Die Allianz AG hat zum Beispiel in ihren Leitlinien schon seit Jahren stehen: „Der Kulturwandel, den die Leadership Values zum Ziel haben, soll eine offene Kommunikation und vertrauensvolle Atmosphäre im Umgang mit Mitarbeitern und Kunden schaffen.“ Die wirklich große Frage ist, ob die Allianz schon 2008 mit ihren enormen, weit über den Prognosen und Erwartungen liegenden Gewinnen von rund 6 MRD Euro dieser Leitlinie noch folgte, als sie damals gleichzeitig die Freisetzung von 7.500 Mitarbeitern bekannt gab.
In den Leitlinien der Allianz hieß es schon 2008 auch: „Wir geben unseren Mitarbeitern Feedback und Unterstützung und wir sorgen dafür, dass gute Leistungen auch die entsprechende Anerkennung finden.“ Diese Formulierung wirkt fast wie ein Hohn, denn die Anerkennung der überdurchschnittlichen Erfolge der Allianz ist „Belohnung“ durch Freisetzung. Und weiter hieß es bei der Allianz: „Wir investieren in unsere Mitarbeiter. Bei der Auswahl und Entwicklung von talentierten Mitarbeitern setzen wir hohe Maßstäbe. Wir fördern Vielfalt und damit eine Kultur, die unterschiedliche Persönlichkeiten respektiert und schätzt….. Wir wollen in allen Belangen ein attraktiver Arbeitgeber sein.“ Zum guten Schluss behauptet die Allianz in ihren Grundsätzen noch: „Unser Erfolg basiert auf gegenseitigem Vertrauen, Fairness, Integrität und einer klaren und offenen Kommunikation. Wir ermutigen unsere Mitarbeiter, innovativ zu sein, Geschäfts- und Verbesserungspotenziale aufzuzeigen, Wissen und Ideen weiterzugeben und sorgen für motivierendes und konstruktives Feedback.“ All das scheint sich mit der konkreten Vorgehensweise nicht zu decken.
Glaubwürdigkeit eines Unternehmens hängt nicht davon ab, was ein Unternehmen behauptet, in Leitlinien sagt, sondern Glaubwürdigkeit basiert auf der Übereinstimmung zwischen Behauptung und Handlungsweise. Nicht wenige Mitarbeiter und auch große Teile der Öffentlichkeit sehen hier nur, dass Leitlinien und Handeln mit einander kollidieren. Wirtschaft verkommt zum Heuschreckenkapitalismus, wenn die Ethik von Leitlinien und Führungsgrundsätzen im konkreten, täglichen Handeln nicht stattfindet.
Dann ist da noch BP, die mehrfach in die Schlagzeilen geraten ist, nicht erst 2010 mit der Ölplattform im Golf von Mexiko. Schon 1999 machten Mitarbeiter von BP den Konzern darauf aufmerksam, dass eine Ölpipeline in Alaska leck geschlagen war. Das wurde im Konzern nicht weiter verfolgt. 2006 platzte in Alaska diese Ölpipeline und mehr als eine Million Liter Öl liefen aus. Die Folge war, dass die Pipeline stillgelegt und auf rund 16 Meilen erneuert werden musste. Die Börse reagierte mit Kurssteigerungen des Ölpreises. Die Überprüfung der Pipeline erfolgte leider erst auf Druck der amerikanischen Behörden. Geprüft wurde die Pipeline seit 1992 nicht mehr. Die Ölindustrie hatte jedoch eine monatliche Prüfung zum Standard erklärt. Interessant ist, warum BP die Leitung nicht mehr überprüft hatte. Der Grund für den Verzicht auf die international üblichen Prüfungen lag darin, dass die Pipeline bereits 14 Jahre zuvor durch Ablagerung so verschlammt gewesen sein soll, dass der Roboter nicht mehr vorwärts gekommen wäre. Was sagen die BP Leitlinien dazu? „Als einer der großen Energieversorger sehen wir unsere Verantwortung, auch bei der Suche nach Lösungen für das Klimaproblem und deren Umsetzungen führend zu sein.“ Und: „Ein gut geführtes Unternehmen sollte wettbewerbsfähig sein, fortschrittlich handeln und Gutes tun. In allem, was wir machen, wollen wir einen konstruktiven Beitrag zum wachsenden Bedarf der Welt nach Energie und Materialien leisten.“ In der Werten heißt es auch: „Als eines der führenden Unternehmen der Welt tragen wir eine Verantwortung, hohe Maßstäbe zu setzen, um ein Unternehmen zu sein und als solches angesehen zu werden, das sich der Integrität verpflichtet hat“. Die wichtigste Aussage von BP stellt die Nachlässigkeit deutlich unter Beweis, mit der BP die Ölpipeline platzen ließ: „Gesundheit, Sicherheit, Schutz und die Umwelt − Grundregeln und Beratung, um uns dabei zu helfen, die natürliche Umwelt und die Sicherheit der Gemeinden, in denen wir tätig sind, zu schützen und die Gesundheit, die Sicherheit und den Schutz unserer Menschen zu garantieren.“ Im tatsächlichen Handeln waren dem Konzern die Sicherheit und der Schutz der Menschen wohl nicht besonders wichtig.
Manche Unternehmen handeln unlogisch
Wirtschaftlicher Erfolg muss einhergehen mit sozial verträglichem Miteinander. Das ist die Basis der sozialen Marktwirtschaft. Die Logik kann nur sein: je größer der wirtschaftliche Erfolg, desto mehr kann und muss ein Unternehmen tun, um soziales Miteinander zu optimieren. Alles andere ist unredlich und verwerflich und ruiniert das Soziale unserer Marktwirtschaft.
Bei der Deutschen Bank steht in den Leitlinien: „Wir wollen der weltweit führende Anbieter von Finanzlösungen für anspruchsvolle Kunden und damit nachhaltig Mehrwert für unsere Aktionäre und Mitarbeiter schaffen.“ Der nachhaltige Wert für Mitarbeiter wurde vor wenigen Jahren durch die Bekanntgabe der Freisetzung von 6.000 Mitarbeitern nicht gerade geschaffen. Und das bei einer damaligen Eigenkapitalrendite von achtundzwanzig Prozent. Die Werte der Deutschen Bank sagen unter Anderem: „Vertrauen: Unser Handeln ist von Verlässlichkeit, Fairness und Ehrlichkeit geprägt. Teamwork: Die Vielfalt unserer Mitarbeiter und Geschäftsfelder macht uns in der Zusammenarbeit erfolgreich.“ Diese Grundsätze können nicht besonders handlungsleitend gewesen sein, als die Deutsche Bank die DB 24 letztlich ausgliederte, um nach einiger Zeit festzustellen, dass die DB 24 so erfolgreich ist, dass sie wieder eingegliedert wurde. Auch die schon angesprochenen Freisetzungsbestrebungen decken sich nicht unbedingt mit den Grundsätzen.
Wer Verantwortung übernimmt, sollte dies nicht nur sagen, sondern auch durch sein Handeln beweisen – sonst verkommt Verantwortung zur Verbalakrobatik.
Ethik möchte das soziale Miteinander universell mitgestalten helfen. Dazu werden Grundsätze ermittelt, denen das Handeln folgen soll. Das Bewertungsinstrument der Ethik ist die Güterabwägung. Es wird geprüft, schadet oder nutzt die Handlung den Beteiligten im Sinne des Grundsatzes. Formuliere ich den Grundsatz: „Handle und entscheide stets so, dass durch Dein Handeln und Dein Entscheiden das personale Leben in Dir und in einer jeden anderen Person eher gemehrt, denn gemindert wird“, dann kann ich jetzt anhand der Güterabwägung prüfen, ob mein Handeln diesem Grundsatz folgt. Nutzt des beiden, also ein Mitarbeiter macht zum Beispiel ausreichend Urlaub, dann ist die Handlung geboten, man sollte es tun. Trinkt der Mitarbeiter schon morgens Alkohol und das den ganzen Tag über, dann schadet dies dem Mitarbeiter und dem Arbeitgeber. Solch eine Handlung ist ethisch verboten. Das ist recht einfach. Etwas schwieriger wird es, wenn Schaden und Nutzen gleichzeitig auftreten. Der Abgasskandal hat vor seinem Bekanntwerden zunächst VW wirtschaftlich genutzt, jedoch in Summe einen Riesenschaden angerichtet, der weitaus größer ist, als das bisschen Geld, das damit verdient wurde. Im ethischen Sinne gelten solche Handlungen als verwerflich. Dann bleibt noch der vierte Fall. Ein Mittelständler hat einen Sonderauftrag, der Überstunden erfordert. Für den Mitarbeiter bedeutet dies auf der sozialen Seite, dass er einige Wochen lang später nach Hause kommt, die Kinder nicht mehr ins Bett bringen kann, seine Freunde weniger trifft. Überstunden bedeuten also keine Lebensmehrung. Aber die Überstunden helfen dem Unternehmen, machen es wettbewerbsfähiger. Hier ist der Nutzen größer als der Schaden. Und das ist ethisch erlaubt.
Branchenführer haben eine Vorbildfunktion
Gerade die Branchenführer haben hier eine Vorbildfunktion, die es gilt, wieder positiv wahrzunehmen durch konkretes Handeln, nicht durch Broschüren. Die einfachste Methode wäre, wer sich im Unternehmen ethisch daneben benimmt, macht keine Karriere mehr. Gelingt dies nicht, wird sich (wieder einmal) die Politik einmischen und durch ordnungspolitische Rahmenbedingungen die Wirtschaft zwingen wollen, ihr ökonomisches Handeln sozial verträglich zu gestalten. Das ist sicher die zweitbeste Lösung.
Ethik ist die Wissenschaft, die hohe zu schützende Güter entwickelt und Handlungen danach bewertet, ob sie erlaubt, geboten, verboten oder verwerflich sind. Zur Bewertung benötigt Ethik also die Handlung, das Tun, nicht das Reden. Handeln ist allerdings etwas anderes, als sich zu verhalten. Auch Tiere verhalten sich, Menschen auch. Aber nicht jeder, der sich auf eine besondere Art und Weise verhält, handelt auch. Wer handelt, sollte fünf Bedingungen beachten. Zunächst sollte ich prüfen, ob es nicht doch noch eine Alternative zum meiner Vorgehensweise gibt, dann sollte ich ein Ziel, ein ethisch verwertbares Ergebnis anstreben, zum Dritten sollte ich durch mein Handeln etwas zum Positiven verändern. Ich sollte viertens in der Lage sein mein Handeln begründen zu können und ich sollte bereit sein, für die überschaubaren Konsequenzen meines Tuns gerade zu stehen.
Fragen wir unsere Kinder. Was glauben sie? Kinder glauben Ihren Eltern nur das, was sie tun, nicht, was sie sagen. Wenn der ältere Bruder den Jüngeren schlägt, und Papa geht dazwischen, schnappt sich den Älteren und sagt, während er ihm ein zwei Backpfeifen gibt: „Wie oft habe ich Dir gesagt, Du sollst Jüngere nicht sachlagen, wie oft?“ Was lernt das Kind wohl dadurch?
In Unternehmen ist es nicht anders. Eine der wichtigen Fragen für die Zukunft eines Unternehmens ist es, ob die ethischen Führungsleitlinien mit dem tatsächlichen Verhalten zusammen passen. Was nutzen Hochglanzbroschüren, in denen behauptet wird ‚unsere Mitarbeiter sind unser wichtigsten Kapital’, wenn außergewöhnliche Gewinne mit Freisetzungen von Mitarbeitern ‚belohnt’ werden? Weder Gewinne, noch Gewinnstreben in der Wirtschaft sind zu verurteilen. Zu kritisieren ist allerdings, unter welchen Umständen manche Unternehmen ihre Gewinne erwirtschaften.
Unternehmen haben Erfolg durch die Menschen, die sie beschäftigen. Diese Mitarbeiter für ihren Erfolg mit zum Beispiel mit Freisetzungen zu „belohnen“ hat schon komische Züge. Sicher ist es zu verstehen, wenn ökonomischer Misserfolg zum Stellenabbau führt. Bei hervorragenden Gewinnen, die weit über den Erwartungen liegen, sowie Eigenkapitalrenditen, die den Branchendurchschnitt weit übersteigen, gleichzeitig Stellenabbau zu betreiben, ist in höchstem Maße unredlich und zeugt von einer Haltung, die ökonomischen Erfolg absolut setzt. Zu behaupten, dies geschähe zur Sicherung des Unternehmensbestandes, ist ebenfalls unredlich, wenn dieser Bestand des facto gar nicht gefährdet ist.
Nahezu jedes Unternehmen hat heutzutage Ethikleitlinien, einen Ethik Kodex. Und was ist anders – besser? Nichts!!! Hier ein paar Beispiele.
In den Verhaltensgrundsätzen des VW Konzerns steht: „Wir tragen mit unseren Produkten dazu bei, dass Mobilität umweltfreundlich, effizient und sicher ist. In diesem Sinne verpflichtet uns die Zukunft, die Mobilität im Interesse des Gemeinwohls mit Produkten voranzutreiben, die den individuellen Bedürfnissen, den ökologischen Belangen und den ökonomischen Ansprüchen an einen Weltkonzern gerecht werden“ Da steht auch: „Um unser Ziel zu erreichen, handeln wir verantwortungsvoll zum Nutzen unserer Kunden, Aktionäre und Mitarbeiter, sehen wir die Einhaltung der internationalen Konventionen, der Gesetze und der internen Regeln als Grundlage für nachhaltiges, erfolgreiches wirtschaftliches Handeln an, handeln wir im Einklang mit unseren Erklärungen, übernehmen wir Verantwortung für unser Handeln. Die Konzernwerte Kundennähe, Höchstleistung, Werte schaffen, Erneuerungsfähigkeit, Respekt, Verantwortung und Nachhaltigkeit sind die Grundlage für unsere konzernweite Zusammenarbeit und in unsere Verhaltensgrundsätze eingeflossen.“
Vor dem Hintergrund ist sicher gut zu verstehen, dass die Integritätsmanagerin nach nur einem Jahr VW in beiderseitigem Einvernehmen VW verlässt, und… 12 Millionen Euro Abfindung erhält. Integer heißt laut Duden unbescholten, moralisch einwandfrei; unbestechlich handeln Ich kann nur sagen, ein Hohn!
Die Allianz AG hat zum Beispiel in ihren Leitlinien schon seit Jahren stehen: „Der Kulturwandel, den die Leadership Values zum Ziel haben, soll eine offene Kommunikation und vertrauensvolle Atmosphäre im Umgang mit Mitarbeitern und Kunden schaffen.“ Die wirklich große Frage ist, ob die Allianz schon 2008 mit ihren enormen, weit über den Prognosen und Erwartungen liegenden Gewinnen von rund 6 MRD Euro dieser Leitlinie noch folgte, als sie damals gleichzeitig die Freisetzung von 7.500 Mitarbeitern bekannt gab.
In den Leitlinien der Allianz hieß es schon 2008 auch: „Wir geben unseren Mitarbeitern Feedback und Unterstützung und wir sorgen dafür, dass gute Leistungen auch die entsprechende Anerkennung finden.“ Diese Formulierung wirkt fast wie ein Hohn, denn die Anerkennung der überdurchschnittlichen Erfolge der Allianz ist „Belohnung“ durch Freisetzung. Und weiter hieß es bei der Allianz: „Wir investieren in unsere Mitarbeiter. Bei der Auswahl und Entwicklung von talentierten Mitarbeitern setzen wir hohe Maßstäbe. Wir fördern Vielfalt und damit eine Kultur, die unterschiedliche Persönlichkeiten respektiert und schätzt….. Wir wollen in allen Belangen ein attraktiver Arbeitgeber sein.“ Zum guten Schluss behauptet die Allianz in ihren Grundsätzen noch: „Unser Erfolg basiert auf gegenseitigem Vertrauen, Fairness, Integrität und einer klaren und offenen Kommunikation. Wir ermutigen unsere Mitarbeiter, innovativ zu sein, Geschäfts- und Verbesserungspotenziale aufzuzeigen, Wissen und Ideen weiterzugeben und sorgen für motivierendes und konstruktives Feedback.“ All das scheint sich mit der konkreten Vorgehensweise nicht zu decken.
Glaubwürdigkeit eines Unternehmens hängt nicht davon ab, was ein Unternehmen behauptet, in Leitlinien sagt, sondern Glaubwürdigkeit basiert auf der Übereinstimmung zwischen Behauptung und Handlungsweise. Nicht wenige Mitarbeiter und auch große Teile der Öffentlichkeit sehen hier nur, dass Leitlinien und Handeln mit einander kollidieren. Wirtschaft verkommt zum Heuschreckenkapitalismus, wenn die Ethik von Leitlinien und Führungsgrundsätzen im konkreten, täglichen Handeln nicht stattfindet.
Dann ist da noch BP, die mehrfach in die Schlagzeilen geraten ist, nicht erst 2010 mit der Ölplattform im Golf von Mexiko. Schon 1999 machten Mitarbeiter von BP den Konzern darauf aufmerksam, dass eine Ölpipeline in Alaska leck geschlagen war. Das wurde im Konzern nicht weiter verfolgt. 2006 platzte in Alaska diese Ölpipeline und mehr als eine Million Liter Öl liefen aus. Die Folge war, dass die Pipeline stillgelegt und auf rund 16 Meilen erneuert werden musste. Die Börse reagierte mit Kurssteigerungen des Ölpreises. Die Überprüfung der Pipeline erfolgte leider erst auf Druck der amerikanischen Behörden. Geprüft wurde die Pipeline seit 1992 nicht mehr. Die Ölindustrie hatte jedoch eine monatliche Prüfung zum Standard erklärt. Interessant ist, warum BP die Leitung nicht mehr überprüft hatte. Der Grund für den Verzicht auf die international üblichen Prüfungen lag darin, dass die Pipeline bereits 14 Jahre zuvor durch Ablagerung so verschlammt gewesen sein soll, dass der Roboter nicht mehr vorwärts gekommen wäre. Was sagen die BP Leitlinien dazu? „Als einer der großen Energieversorger sehen wir unsere Verantwortung, auch bei der Suche nach Lösungen für das Klimaproblem und deren Umsetzungen führend zu sein.“ Und: „Ein gut geführtes Unternehmen sollte wettbewerbsfähig sein, fortschrittlich handeln und Gutes tun. In allem, was wir machen, wollen wir einen konstruktiven Beitrag zum wachsenden Bedarf der Welt nach Energie und Materialien leisten.“ In der Werten heißt es auch: „Als eines der führenden Unternehmen der Welt tragen wir eine Verantwortung, hohe Maßstäbe zu setzen, um ein Unternehmen zu sein und als solches angesehen zu werden, das sich der Integrität verpflichtet hat“. Die wichtigste Aussage von BP stellt die Nachlässigkeit deutlich unter Beweis, mit der BP die Ölpipeline platzen ließ: „Gesundheit, Sicherheit, Schutz und die Umwelt − Grundregeln und Beratung, um uns dabei zu helfen, die natürliche Umwelt und die Sicherheit der Gemeinden, in denen wir tätig sind, zu schützen und die Gesundheit, die Sicherheit und den Schutz unserer Menschen zu garantieren.“ Im tatsächlichen Handeln waren dem Konzern die Sicherheit und der Schutz der Menschen wohl nicht besonders wichtig.
Manche Unternehmen handeln unlogisch
Wirtschaftlicher Erfolg muss einhergehen mit sozial verträglichem Miteinander. Das ist die Basis der sozialen Marktwirtschaft. Die Logik kann nur sein: je größer der wirtschaftliche Erfolg, desto mehr kann und muss ein Unternehmen tun, um soziales Miteinander zu optimieren. Alles andere ist unredlich und verwerflich und ruiniert das Soziale unserer Marktwirtschaft.
Bei der Deutschen Bank steht in den Leitlinien: „Wir wollen der weltweit führende Anbieter von Finanzlösungen für anspruchsvolle Kunden und damit nachhaltig Mehrwert für unsere Aktionäre und Mitarbeiter schaffen.“ Der nachhaltige Wert für Mitarbeiter wurde vor wenigen Jahren durch die Bekanntgabe der Freisetzung von 6.000 Mitarbeitern nicht gerade geschaffen. Und das bei einer damaligen Eigenkapitalrendite von achtundzwanzig Prozent. Die Werte der Deutschen Bank sagen unter Anderem: „Vertrauen: Unser Handeln ist von Verlässlichkeit, Fairness und Ehrlichkeit geprägt. Teamwork: Die Vielfalt unserer Mitarbeiter und Geschäftsfelder macht uns in der Zusammenarbeit erfolgreich.“ Diese Grundsätze können nicht besonders handlungsleitend gewesen sein, als die Deutsche Bank die DB 24 letztlich ausgliederte, um nach einiger Zeit festzustellen, dass die DB 24 so erfolgreich ist, dass sie wieder eingegliedert wurde. Auch die schon angesprochenen Freisetzungsbestrebungen decken sich nicht unbedingt mit den Grundsätzen.
Wer Verantwortung übernimmt, sollte dies nicht nur sagen, sondern auch durch sein Handeln beweisen – sonst verkommt Verantwortung zur Verbalakrobatik.
Ethik möchte das soziale Miteinander universell mitgestalten helfen. Dazu werden Grundsätze ermittelt, denen das Handeln folgen soll. Das Bewertungsinstrument der Ethik ist die Güterabwägung. Es wird geprüft, schadet oder nutzt die Handlung den Beteiligten im Sinne des Grundsatzes. Formuliere ich den Grundsatz: „Handle und entscheide stets so, dass durch Dein Handeln und Dein Entscheiden das personale Leben in Dir und in einer jeden anderen Person eher gemehrt, denn gemindert wird“, dann kann ich jetzt anhand der Güterabwägung prüfen, ob mein Handeln diesem Grundsatz folgt. Nutzt des beiden, also ein Mitarbeiter macht zum Beispiel ausreichend Urlaub, dann ist die Handlung geboten, man sollte es tun. Trinkt der Mitarbeiter schon morgens Alkohol und das den ganzen Tag über, dann schadet dies dem Mitarbeiter und dem Arbeitgeber. Solch eine Handlung ist ethisch verboten. Das ist recht einfach. Etwas schwieriger wird es, wenn Schaden und Nutzen gleichzeitig auftreten. Der Abgasskandal hat vor seinem Bekanntwerden zunächst VW wirtschaftlich genutzt, jedoch in Summe einen Riesenschaden angerichtet, der weitaus größer ist, als das bisschen Geld, das damit verdient wurde. Im ethischen Sinne gelten solche Handlungen als verwerflich. Dann bleibt noch der vierte Fall. Ein Mittelständler hat einen Sonderauftrag, der Überstunden erfordert. Für den Mitarbeiter bedeutet dies auf der sozialen Seite, dass er einige Wochen lang später nach Hause kommt, die Kinder nicht mehr ins Bett bringen kann, seine Freunde weniger trifft. Überstunden bedeuten also keine Lebensmehrung. Aber die Überstunden helfen dem Unternehmen, machen es wettbewerbsfähiger. Hier ist der Nutzen größer als der Schaden. Und das ist ethisch erlaubt.
Branchenführer haben eine Vorbildfunktion
Gerade die Branchenführer haben hier eine Vorbildfunktion, die es gilt, wieder positiv wahrzunehmen durch konkretes Handeln, nicht durch Broschüren. Die einfachste Methode wäre, wer sich im Unternehmen ethisch daneben benimmt, macht keine Karriere mehr. Gelingt dies nicht, wird sich (wieder einmal) die Politik einmischen und durch ordnungspolitische Rahmenbedingungen die Wirtschaft zwingen wollen, ihr ökonomisches Handeln sozial verträglich zu gestalten. Das ist sicher die zweitbeste Lösung.