Bunte Alltagssprache - Kommunikation zwischen Präsenz, Rolle u. Milieu
Wo immer Menschen zwanglos aufeinander treffen, findet Alltagskommunikation statt. Alltägliche Beziehungen werden zu einem großen Teil über die Sprache geknüpft, gestaltet und gepflegt. Dabei lässt sich der gängige Begriff Alltagskommunikation kaum eindeutig definieren. Denn diese Alltags- oder Umgangssprache wird von vielen Faktoren geprägt. Sie ist lebendig, vielfältig und bunt.
Treffen sich Kollegen zufällig auf dem Flur, auf dem Parkplatz oder in der Betriebskantine, ergeben sich fast immer Gespräche. Manchmal ist es der typische Büroklatsch, ein anderes Mal geht es um wichtige Themen. Überall dort, wo zwanglos Informationen ausgetauscht werden, findet Alltagskommunikation statt. Im Vorteil ist, wer diese beherrscht. Doch was verbirgt sich hinter diesem Begriff? Im Gegensatz zur austarierten und mit Regeln beseelten Schriftsprache gibt es für die Alltagssprache keine allgemeingültige Definition. Ist doch der Alltag an sich ebenso vielfältig und vielschichtig wie die Kommunikation, sodass beide in ihrer Verbundenheit sich noch vielfältiger darstellen.
Was kennzeichnet die Alltagssprache?
Unsere Kommunikation im Alltag wird vom Sprechen geprägt. In dieser Umgangssprache wird nicht in wohl abgewogenen Worten, wie sie in vorbereiteten Vorträgen, Gesprächen und geschriebenen Texten zur Anwendung kommen, kommuniziert, sondern spontan aus dem Moment heraus. Der unmittelbar genutzte Wortschatz der Alltagssprache ist knapper und die Satzlänge kürzer als in der vorbereiteten oder schriftlichen Standardsprache üblich. Dagegen ist die Breite der Emotionen durch die Übernahme der unmittelbaren Stimmung größer als beim kalkulierten Dialog. Tendenziell kommt sie etwas nachlässiger, salopper daher. Da die Wortwahl stark von Umfeld und Milieu geprägt wird, lässt die Ausdrucksweise auch Rückschlüsse auf die Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu.
Wie funktioniert Alltagssprache?
Wie bei einem Vortrag oder einer Präsentation, werden in der Alltagskommunikation Inhalte vermittelt – artikuliert durch das gesprochene Wort im Vorbeigehen, am Telefon, bei einer gemeinsamen Fahrt, etc. Und nicht anders als bei einem Vortrag oder einer Präsentation macht diese meist mühelos formulierte Information nur einen Bruchteil dessen aus, was beim Gesprächspartner ankommt. Den großen „Rest“ übernehmen andere Einflussfaktoren:
1. Das Milieu als prägender Faktor
Besonders das Milieu ist ein prägender Faktor in der Alltagssprache. Wo findet die Kommunikation statt? Unter Auszubildenden, im Chemie-Forschungslabor, im Wartezimmer beim Arzt, unter Sportsfreunden? Mit ihren oft versteckten Codes schaffen Milieufaktoren eine Aura der Zugehörigkeit. Im Geschäftsalltag gibt es solche Gruppen mit ihren Milieusprachen zuhauf. Verkäufer haben ihre eigene Sprache, unabhängig von Branche und Betrieb, Manager haben sie, ebenso Hausmeister oder Controller. IT-Spezialisten sind sogar bekannt dafür. Sie alle pflegen “ihre“ Sprache. Aussagen wie „typisch Chefetage“, „typisch IT-ler“ oder „typisch Verkäufer“ unterstreichen, dass es innerberufsspezifisch oder innerbetrieblich milieugeprägte Sprachvarianten gibt und sich diese im Laufe der Zeit deutlich weiterentwickelt haben.
2. Die Rolle als etablierendes Element
Obwohl wir alle Deutsch miteinander kommunizieren, gibt es verschiedenste Ausdrücke und Redewendungen, die nicht jeder versteht und die Aufschluss darüber geben, in welcher Gegend man sich befindet. Das gleiche gilt auch zeitlich in der jeweiligen Situation. Die Sprache variiert je nachdem mit welchen Personen wir im Dialog stehen, also welche Rolle wir gerade einnehmen. Jede Kommunikation etabliert sich mit der Rollenfindung. Bei einem Gespräch mit den Eltern ist die Rollenverteilung ebenso klar wie bei der Unterhaltung mit dem Chef. Auch beim Vereinsausflug gibt es den Organisator, den Spaßmacher usw. Aus geregelten Rollenmustern heraus entstehen Alltagsdialoge sehr schnell. Sind die Rollen unklar oder müssen sich erst entwickeln, kostet das zunächst einmal Energie. Als Neuling auf einer Party, muss ein Gesprächspartner erst gefunden werden. Wer ist wer? Welche Rolle ist mir zugedacht? Bin ich „der Freund des Gastgebers“, „der ruhige Nachbar“ oder „derjenige, der Stimmung mitbringt“?
3. Die Präsenz als Paradedisziplin
Ohne Präsenz kann niemand punkten. Sie ist in jedem Dialog die Paradedisziplin, auch und ganz besonders in der Alltagssprache. Ohne Präsenz entsteht kein Dialog. Präsent sein bedeutet, sich auf den Moment zu konzentrieren, den Small-Talk-Partner ernst zu nehmen, sich für die angesprochenen Probleme des Kollegen wirklich zu interessieren. Wer in seiner individuellen Persönlichkeit offen auf den Gesprächspartner eingeht, wirkt glaubhaft und überzeugend. Bloßes Verstellen dagegen funktioniert nicht und wird schnell als Heuchelei wahrgenommen. Kommuniziert unser Körper etwas anderes als gesagt wird, verkommt das Gesprochene zum belanglosen Gerede ohne Botschaft, ohne Impuls. Alltagskommunikation hat keinen Vorlauf. Da jeder in verschiedenen Situationen anders reagiert, entsteht der Dialog aus fortwährenden Impulsen – von innen und außen. Die Aussage des anderen wird über die Sinne als Impuls aufgenommen und erhält den Dialog am Leben.
Bei Gesprächen lohnt es sich immer, die genannten Einflussfaktore zu beobachten bzw. sich zu hinterfragen:
Faktor 1: die Rolle
- Welche Rolle haben Sie in diesem Dialog?
- Was ist Ihre Position in diesem menschlichen Gefüge?
Faktor 2: das Milieu
- In welchem Milieu sind Sie gerade?
- Wo findet der Dialog statt?
- In welcher gesellschaftlichen Umgebung?
- An welchem Ort?
- In welchem zeitlichen, kulturellen Umfeld?
Faktor 3: die Präsenz/der Impuls
- Wie präsent sind Sie gerade?
- Wie tief sind Sie bereit, sich dem anderen „hinzugeben“?
- Wie konzentriert sind Sie in diesem Dialog?
- Was nehmen Sie über Ihre Sinne wahr? (sehen, hören, fühlen,
riechen, spüren)
- Welche Worte löst der Impuls aus?
Die Alltagssprache lebt
Überhaupt ist unsere Alltagssprache kein statisches Kommunikationsmittel, sondern ein sehr flexibles Verständigungsmedium. Es passt sich permanent an – oft ohne dass wir es merken – und verändert sich daher im Laufe der Zeit immer wieder. Eine entscheidende Rolle bei der Veränderung des Sprachgebrauchs spielt der gesellschaftliche und technische Wandel: Benützte man vor fünfzig Jahren beim Telefonieren noch eine Wählscheibe, ist heute ein Touchscreen selbstverständlich. Noch hat sich für dessen Bedienung kein allgemein gebräuchlicher Ausdruck in die Alltagssprache eingebürgert. Es wird zwar viel mit „wischen“ umschrieben, aber niemand würde sagen, er wische über sein Smart-Phone. Es bleibt also spannend.
Wörter sterben aus und andere werden erfunden bzw. gebildet. Etwa 5.000 neue Begriffe werden in jede Neuauflage des Dudens aufgenommen. So unterliegt unsere Alltagssprache einem ausgeprägten Stilwandel. Nicht zuletzt durch die Globalisierung werden immer mehr – aber keinesfalls immer notwendige – Anglizismen in die deutsche Sprache übernommen. „Denglisch“ und „Managementsprache“ werden gepflegt. Es wird hemmungslos geradebrecht. Mit hochtrabenden Phrasen und Worthülsen werden Halbwahrheiten kaschiert, Unklares wird verschlüsselt, Alltägliches aufgemotzt. Kein Wunder, dass dies nicht immer der besseren Verständigung dient, sondern manchmal eher einem babylonischen Sprachengewirr ähnelt.
Typischer Büroklatsch oder doch mehr?
Betrachtet man den typischen Small-Talk oder Büroklatsch vor diesem Hintergrund, wird schnell klar, dass ein solcher Informationsaustausch zwar alltäglich, aber keineswegs nebensächlich ist. Dabei von der EINEN Alltagskommunikation zu sprechen, kann der ständigen Veränderung unserer Kommunikationsmittel und -wege nicht gerecht werden. Dieser Prozess hat sich in den letzten Jahren drastisch beschleunigt und ist durch die Mediatisierung von Gesprächen noch dynamischer geworden. Genauso wie der Alltag nur vermeintlich grau ist, verhält es sich mit unserer im Alltag verwendeten Sprache. Auch wenn bisweilen der Eindruck entsteht, die Alltagsprache wäre wenig abwechslungsreich, sie ist es keineswegs. Sie begegnet uns bunt wie der Regenbogen.
Treffen sich Kollegen zufällig auf dem Flur, auf dem Parkplatz oder in der Betriebskantine, ergeben sich fast immer Gespräche. Manchmal ist es der typische Büroklatsch, ein anderes Mal geht es um wichtige Themen. Überall dort, wo zwanglos Informationen ausgetauscht werden, findet Alltagskommunikation statt. Im Vorteil ist, wer diese beherrscht. Doch was verbirgt sich hinter diesem Begriff? Im Gegensatz zur austarierten und mit Regeln beseelten Schriftsprache gibt es für die Alltagssprache keine allgemeingültige Definition. Ist doch der Alltag an sich ebenso vielfältig und vielschichtig wie die Kommunikation, sodass beide in ihrer Verbundenheit sich noch vielfältiger darstellen.
Was kennzeichnet die Alltagssprache?
Unsere Kommunikation im Alltag wird vom Sprechen geprägt. In dieser Umgangssprache wird nicht in wohl abgewogenen Worten, wie sie in vorbereiteten Vorträgen, Gesprächen und geschriebenen Texten zur Anwendung kommen, kommuniziert, sondern spontan aus dem Moment heraus. Der unmittelbar genutzte Wortschatz der Alltagssprache ist knapper und die Satzlänge kürzer als in der vorbereiteten oder schriftlichen Standardsprache üblich. Dagegen ist die Breite der Emotionen durch die Übernahme der unmittelbaren Stimmung größer als beim kalkulierten Dialog. Tendenziell kommt sie etwas nachlässiger, salopper daher. Da die Wortwahl stark von Umfeld und Milieu geprägt wird, lässt die Ausdrucksweise auch Rückschlüsse auf die Zugehörigkeit zu einer Gruppe zu.
Wie funktioniert Alltagssprache?
Wie bei einem Vortrag oder einer Präsentation, werden in der Alltagskommunikation Inhalte vermittelt – artikuliert durch das gesprochene Wort im Vorbeigehen, am Telefon, bei einer gemeinsamen Fahrt, etc. Und nicht anders als bei einem Vortrag oder einer Präsentation macht diese meist mühelos formulierte Information nur einen Bruchteil dessen aus, was beim Gesprächspartner ankommt. Den großen „Rest“ übernehmen andere Einflussfaktoren:
1. Das Milieu als prägender Faktor
Besonders das Milieu ist ein prägender Faktor in der Alltagssprache. Wo findet die Kommunikation statt? Unter Auszubildenden, im Chemie-Forschungslabor, im Wartezimmer beim Arzt, unter Sportsfreunden? Mit ihren oft versteckten Codes schaffen Milieufaktoren eine Aura der Zugehörigkeit. Im Geschäftsalltag gibt es solche Gruppen mit ihren Milieusprachen zuhauf. Verkäufer haben ihre eigene Sprache, unabhängig von Branche und Betrieb, Manager haben sie, ebenso Hausmeister oder Controller. IT-Spezialisten sind sogar bekannt dafür. Sie alle pflegen “ihre“ Sprache. Aussagen wie „typisch Chefetage“, „typisch IT-ler“ oder „typisch Verkäufer“ unterstreichen, dass es innerberufsspezifisch oder innerbetrieblich milieugeprägte Sprachvarianten gibt und sich diese im Laufe der Zeit deutlich weiterentwickelt haben.
2. Die Rolle als etablierendes Element
Obwohl wir alle Deutsch miteinander kommunizieren, gibt es verschiedenste Ausdrücke und Redewendungen, die nicht jeder versteht und die Aufschluss darüber geben, in welcher Gegend man sich befindet. Das gleiche gilt auch zeitlich in der jeweiligen Situation. Die Sprache variiert je nachdem mit welchen Personen wir im Dialog stehen, also welche Rolle wir gerade einnehmen. Jede Kommunikation etabliert sich mit der Rollenfindung. Bei einem Gespräch mit den Eltern ist die Rollenverteilung ebenso klar wie bei der Unterhaltung mit dem Chef. Auch beim Vereinsausflug gibt es den Organisator, den Spaßmacher usw. Aus geregelten Rollenmustern heraus entstehen Alltagsdialoge sehr schnell. Sind die Rollen unklar oder müssen sich erst entwickeln, kostet das zunächst einmal Energie. Als Neuling auf einer Party, muss ein Gesprächspartner erst gefunden werden. Wer ist wer? Welche Rolle ist mir zugedacht? Bin ich „der Freund des Gastgebers“, „der ruhige Nachbar“ oder „derjenige, der Stimmung mitbringt“?
3. Die Präsenz als Paradedisziplin
Ohne Präsenz kann niemand punkten. Sie ist in jedem Dialog die Paradedisziplin, auch und ganz besonders in der Alltagssprache. Ohne Präsenz entsteht kein Dialog. Präsent sein bedeutet, sich auf den Moment zu konzentrieren, den Small-Talk-Partner ernst zu nehmen, sich für die angesprochenen Probleme des Kollegen wirklich zu interessieren. Wer in seiner individuellen Persönlichkeit offen auf den Gesprächspartner eingeht, wirkt glaubhaft und überzeugend. Bloßes Verstellen dagegen funktioniert nicht und wird schnell als Heuchelei wahrgenommen. Kommuniziert unser Körper etwas anderes als gesagt wird, verkommt das Gesprochene zum belanglosen Gerede ohne Botschaft, ohne Impuls. Alltagskommunikation hat keinen Vorlauf. Da jeder in verschiedenen Situationen anders reagiert, entsteht der Dialog aus fortwährenden Impulsen – von innen und außen. Die Aussage des anderen wird über die Sinne als Impuls aufgenommen und erhält den Dialog am Leben.
Bei Gesprächen lohnt es sich immer, die genannten Einflussfaktore zu beobachten bzw. sich zu hinterfragen:
Faktor 1: die Rolle
- Welche Rolle haben Sie in diesem Dialog?
- Was ist Ihre Position in diesem menschlichen Gefüge?
Faktor 2: das Milieu
- In welchem Milieu sind Sie gerade?
- Wo findet der Dialog statt?
- In welcher gesellschaftlichen Umgebung?
- An welchem Ort?
- In welchem zeitlichen, kulturellen Umfeld?
Faktor 3: die Präsenz/der Impuls
- Wie präsent sind Sie gerade?
- Wie tief sind Sie bereit, sich dem anderen „hinzugeben“?
- Wie konzentriert sind Sie in diesem Dialog?
- Was nehmen Sie über Ihre Sinne wahr? (sehen, hören, fühlen,
riechen, spüren)
- Welche Worte löst der Impuls aus?
Die Alltagssprache lebt
Überhaupt ist unsere Alltagssprache kein statisches Kommunikationsmittel, sondern ein sehr flexibles Verständigungsmedium. Es passt sich permanent an – oft ohne dass wir es merken – und verändert sich daher im Laufe der Zeit immer wieder. Eine entscheidende Rolle bei der Veränderung des Sprachgebrauchs spielt der gesellschaftliche und technische Wandel: Benützte man vor fünfzig Jahren beim Telefonieren noch eine Wählscheibe, ist heute ein Touchscreen selbstverständlich. Noch hat sich für dessen Bedienung kein allgemein gebräuchlicher Ausdruck in die Alltagssprache eingebürgert. Es wird zwar viel mit „wischen“ umschrieben, aber niemand würde sagen, er wische über sein Smart-Phone. Es bleibt also spannend.
Wörter sterben aus und andere werden erfunden bzw. gebildet. Etwa 5.000 neue Begriffe werden in jede Neuauflage des Dudens aufgenommen. So unterliegt unsere Alltagssprache einem ausgeprägten Stilwandel. Nicht zuletzt durch die Globalisierung werden immer mehr – aber keinesfalls immer notwendige – Anglizismen in die deutsche Sprache übernommen. „Denglisch“ und „Managementsprache“ werden gepflegt. Es wird hemmungslos geradebrecht. Mit hochtrabenden Phrasen und Worthülsen werden Halbwahrheiten kaschiert, Unklares wird verschlüsselt, Alltägliches aufgemotzt. Kein Wunder, dass dies nicht immer der besseren Verständigung dient, sondern manchmal eher einem babylonischen Sprachengewirr ähnelt.
Typischer Büroklatsch oder doch mehr?
Betrachtet man den typischen Small-Talk oder Büroklatsch vor diesem Hintergrund, wird schnell klar, dass ein solcher Informationsaustausch zwar alltäglich, aber keineswegs nebensächlich ist. Dabei von der EINEN Alltagskommunikation zu sprechen, kann der ständigen Veränderung unserer Kommunikationsmittel und -wege nicht gerecht werden. Dieser Prozess hat sich in den letzten Jahren drastisch beschleunigt und ist durch die Mediatisierung von Gesprächen noch dynamischer geworden. Genauso wie der Alltag nur vermeintlich grau ist, verhält es sich mit unserer im Alltag verwendeten Sprache. Auch wenn bisweilen der Eindruck entsteht, die Alltagsprache wäre wenig abwechslungsreich, sie ist es keineswegs. Sie begegnet uns bunt wie der Regenbogen.