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Trau schau wem - vom Wesen einer Vertrauenskultur

Vertrauen ist das sensible Kapital eines Unternehmens. Einmal verspielt, ist es schwer wieder aufzubauen.
Ulf D. Posé | 30.03.2015
Trau schau wem – vom Wesen der Vertrauenskultur
Fragen Sie sich einmal: Kann mein Mitarbeiter jederzeit zu mir kommen, und ohne Angst, ohne Sorge über seine Fehler, oder fehlende Ergebnisse sprechen; und tut er das auch? Wenn ja, vertraut er Ihnen, wenn nein….
Vertrauen ist für mich eine Frage der Unternehmenskultur. Denn aus dem Unternehmertum selbst folgt die ethische Vorgabe für eine Vertrauenskultur, die Welt nicht kritiklos so anzuerkennen, wie sie zufällig gerade ist, sondern an ihrer Veränderung derart zu arbeiten, dass wir uns darin erleben als Menschen, die einander hin und wieder die Fähigkeit verbildlichen, dass sie die bewussten Gestalter der Welt sind, in der sie auch leben wollen. Mit dieser Vorgabe ist ein Auftrag, Werte zu setzen und in eine plausible, Vertrauen erzeugende Form zu gießen verbunden.

Was ist eigentlich Vertrauen?
Unter Vertrauen verstehen wir im Allgemeinen die Annahme, dass unsere Erwartungen an Menschen, an Entwicklungen, an Zusagen einen genau den Verlauf nehmen, den wir erwarten. Vertrauen ist damit eine Überzeugung. Sie meint, ich glaube fest daran, dass ich mich verlassen kann auf die Richtigkeit eine Zusage oder die Wahrheit einer Aussage. Vertrauen meint auch, ich verlasse mich auf die Kompetenz, das Wissen oder die Fähigkeiten eines Menschen oder einer Institution. Vertrauen meint ebenfalls, ich verlasse mich auf einen fairen Umgang durch Ehrlichkeit und Gleichberechtigung, und ich verlasse mich darauf, dass soziale Verantwortung im Umgang miteinander eine gewichtige Rolle spielt.
Der Soziologe Luhmann hat Vertrauen als eine Art Vorleistung an die Zukunft beschrieben, allerdings nannte er Vertrauen eine "riskante Vorleistung". Er ist der Überzeugung, wir erbringen diese riskante Vorleistung immer dann, wenn auf unüberschaubare Zustände stoßen. Wir haben halt nicht immer genügend Informationen, und wenn wir sie haben, dann können wir sie oft genug nicht kompetent genug bewerten. Auch sehr komplexe Zustände können von uns nicht immer durchschaut werden. Genau hier findet dann diese riskante Vorleistung des Vertrauens statt. Nach Luhmann nehmen Menschen, die Vertrauen schenken, die Zukunft positiv vorweg und handeln dann so, als ob die Zukunft sicher wäre.

Das Vertrauensproblem
Damit sind wir beim Problem des Vertrauens angekommen. Denn weil gerade Vertrauen ein so wichtiges, so hohes und auch sensibles, anfälliges ethisches Gut ist, muss über Maßstäbe nachgedacht werden, die erfüllt sein müssen, damit Vertrauen entstehen kann. Leider leben wir in einer Welt, in der alles, was möglich ist auch getan wird. Damit kann in unserer Welt alles gebraucht und alles missbraucht werden. Vertrauen ist deswegen ein so sensibles Gut, weil es missbraucht oder sogar gebrochen oder das Verhältnis einseitig auslegt werden kann, indem man sich blindlings dem anderen anvertraut oder ein blindes Vertrauen des anderen für sich in Anspruch nimmt.

Vertrauen setzt sich aus drei Dingen zusammen:
1. Kompetenz. Damit sind die Sprachkompetenz, die Handlungskompetenz mit der Fähigkeit, in Alternativen denken zu können und die Urteilkompetenz mit der Fähigkeit zu Abwägungskompetenz gemeint. Kompetenz erhalte ich durch Wissen und Fähigkeiten. Es bedeutet, ich weiß etwas Konkretes über eine Sache, ich habe mich um Wissen bemüht. Leider sind immer weniger Menschen an Wissen interessiert, geschweige denn an Fähigkeiten. Sie verlassen sich auf ihre Gefühle nach dem Motto: „Was stört mich Wissen, wenn ich doch schon eine Meinung habe.“
2. Angemessenheit. Damit sind die Güterabwägung, Gerechtigkeit im Handeln und Gerechtigkeit in der Sanktion gemeint. Angemessenheit prüft den möglichen Grad des Vertrauens. Wer Vertrauen erzeugen möchte, handelt angemessen. Angemessen ist eine Handlung jedoch nur dann, wenn die Nachteile, die mit der Tat verbunden sind, auf keinen Fall größer sind als die Vorteile, die dadurch entstehen. Damit erfordert Angemessenheit, immer eine Abwägung sämtlicher Vor- und Nachteile der Handlung gegeneinander abzuwägen. So ist Angemessenheit letztlich eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Gerade wenn aus einer Position der Stärke heraus gegenüber einem Schwächeren entscheiden werden muss, greift das Verhältnismäßigkeitsprinzip. Unser Rechtssystem hat sich sehr ausführlich mit der Angemessenheit befasst. Angemessen ist in der Jurisprudenz ein Handeln nur dann, wenn es geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist. Der Gedanke der Verhältnismäßigkeit ist aus dem im Grundgesetz verankertem Rechtsstaatsprinzip und "aus dem Wesen der Grundrechte selbst" hergeleitet worden. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit hat daher sogar Verfassungsrang. Die Angemessenheit spielt bei der Vertrauenskultur eine erhebliche Rolle.
3. Zuverlässigkeit. Damit ist die Fähigkeit gemeint, sich auf jemanden berechtigt verlassen zu können, aufrichtig und ehrlich im Sprechen und Handeln zu sein, nur zu versprechen, was man auch halten kann, und zu einzuhalten, was man versprochen hat.

Bedingungslos vertrauen?
Wir alle wissen, eine private, wie auch geschäftliche Beziehung kann noch so langjährig, so gut und bisher verlässlich gewesen sein, es wäre recht blauäugig, vielleicht sogar fahrlässig oder dumm, absolutes, bedingungsloses oder grenzenloses Vertrauen jeder unserer Beziehungen zu Grunde zu legen. Selbst wenn wir durch bisherige Erfahrungen zu Recht annehmen, dass unser Vertrauen momentan wirklich bedingungslos und grenzenlos sein darf, es können immer Dinge passieren, die das Vertrauen enttäuschen und damit zerbrechen lassen.
Damit dies auch klar ist, ich habe nicht grundsätzlich etwas gegen bedingungsloses Vertrauen, ich halte es sogar für menschliches Miteinander in dem einen oder anderen Fall für möglich und für eine glückende Lebensgestaltung sogar für notwendig. Das bedingungslose Vertrauen in jeden und alles allerdings ist in aller Regel nur von Enttäuschungen begleitet, weil ich durch das bedingungslose Vertrauen meine Täuschungssicherheit ein Stück weit ausblende.

Ein persönlicher Prüfstein
Prüfen Sie einmal, wie groß Ihre Bereitschaft zu unbegrenztem, bedingungslosem Vertrauen ist: Stellen Sie sich vor, Sie befinden sich in einer Kletterwand im Mount Everest. Nun stellen Sie sich vor, jemand begleitet Sie, bei dem Sie sich auch in Momenten der Gefahr an dessen Seil hängen müssten. Na, bei welchem Ihrer Freunde, Familienmitglieder oder Bekannten würden Sie sich bedingungslos ans Seil hängen? Sehen Sie, bedingungsloses Vertrauen ist nur bei ganz bestimmten Menschen in unserem Bekanntenkreis möglich. Wir stufen also unbewusst Vertrauen in verschiedenen Stufen ab. Wir stellen Bedingungen an das Vertrauen. Oder könnten Sie sich vorstellen, eine notarielle Erklärung abzugeben, in der Sie irgendeiner, von Ihnen ausgewählten Person zugestehen, ab jetzt und für immer über Ihr Leben, und alles was dazu gehört unwiderruflich bestimmen zu dürfen? Das wäre wirklich absolutes Vertrauen.

Dass man immer wieder mit Menschen rechnen muss, auf die man sich nicht verlassen kann, gehört sicher zur praktischen Lebenserfahrung. Die häufiger verwendete Definition von Verlässlichkeit findet sich so auch eher im technischen Raum: „Verlässlichkeit ist die Eigenschaft eines technischen Systems, die es erlaubt, volles Vertrauen in seine Funktion zu setzen.“
Zuverlässigkeit im Sinne des Vertrauens meint, dass das, was ein Mensch sagt oder mir zusagt, auch zutrifft. Verlassen hat zwei Bedeutungen, einerseits ich verlasse etwas, lasse los, mag etwas nicht mehr, und andererseits sich verlassen können auf ein Wort, eine Handlung, ein Versprechen im Sinne von: ich bin zuverlässig.
Ein altes Sprichwort sagt: „Wer ein Versprechen gibt, erzeugt Hoffnung, jedoch nur wer ein Versprechen hält, erzeugt Vertrauen.“ Ein Mensch ist also zuverlässig, wenn er etwas verspricht und dieses Versprechen auch einhält. Verlässlichkeit meint auch, dass eine Aussage sich auch in der Nähe dessen bewegt, was jemand meint. Zuverlässigkeit ist ebenfalls eine besondere Form der Wertschätzung. Wenn sich jemand auf mich verlassen will, dann versuche ich durch meine Zuverlässigkeit das Vertrauen in mich zu rechtfertigen. Gerade in einer Zeit, in der die Zahlungsmoral, das Einhalten von Zusagen etc. immer schlechter wird, ist Zuverlässigkeit geradezu unerlässlich.

Ulf D. Posé
Bestsellerautor, Coach, Management- und Vertriebstrainer, Key Note Speaker,
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