Interview: Dienst nach Vorschrift oder Feuer im Herzen?
Wer mehr will, als die Karriereleiter für andere zu halten, muss auch mehr leisten. Und weil das umso leichter wird, je mehr man die Dinge liebt, die man tut, gibt es das neue Buch von Anja Förster und Peter Kreuz Hört auf zu arbeiten! Eine Anstiftung, das zu tun, was wirklich zählt. Das Buch erzählt von den Möglichkeiten einer Arbeitswelt, die nicht nur dem Geldverdienen, sondern auch der Sinnfindung und -stiftung dient. In unserem Interview gehen wir der Frage nach, was Menschen und Unternehmen tun können, damit Arbeit zu einem lebenswerten Teil der Identität wird.
Wann haben wir es verlernt bzw. wo haben wir es verloren, das Funkeln in den Augen, die Begeisterung, den Enthusiasmus?
Das beginnt schon sehr früh in der Schule. Unser Erziehungssystem, das standardisiertes Lernen, Frontalunterricht und das Auswendiglernen von Fakten in den Mittelpunkt des Unterrichts stellt, kann bei jungen Menschen keine Begeisterung und kein Funkeln in den Augen entfachen. Unser Schulsystem ist eine fabrikmäßige Institution, die veraltete Informationen mit veralteten Methoden verabreicht. Was dabei besonders wehtut, ist, dass Kinder sind von Natur aus kreativ sind, selbstständig Probleme lösen wollen und sind mit jeder Menge Entdeckergeist ausgestattet sind. Sie bringen also die Voraussetzungen mit, die für das Leben und Arbeiten im 21. Jahrhundert von herausragender Bedeutung sind. Aber mit dem Durchlaufen des Bildungssystems wird ihnen genau das fast komplett abtrainiert.
Sie schreiben, wenn wir lieben, was wir tun, dann... Da werden viele Mitarbeiter, die in ein enges zeitliches Korsett gedrückt sind, viel Druck haben, immer mehr mit immer weniger Kollegen erledigen müssen, wenig Vorstellungskraft haben, wie Ihr Ansatz funktionieren soll.
Die Sach- und Zeitzwänge, Vorgaben und Hierarchien werden häufig als Argument dafür angeführt, dass es unmöglich sei, jenseits der Routinearbeit noch etwas anderes zu tun. Aber ist das tatsächlich so? Die Pflicht, also das, was von mir erwartet, vielleicht sogar per Stellenbeschreibung eingefordert wird, ist nicht das Ganze oder das einzig Mögliche. Ansonsten wäre unser Leben ausschließlich Pflichterfüllung. Es geht also darum, den Freiraum jenseits der Pflichterfüllung zu nutzen und ihn sukzessive zu erweitern. Jeder von uns hat diesen Freiraum. Der eine einen größeren, der andere einen kleineren, aber jeder hat einen. Und es ist an uns, diesen Freiraum zu nutzen. Vielleicht gibt es Menschen, die damit ein Problem haben. Die das zu anstrengend oder eine Nummer zu groß finden. Diese Einwände mögen aus der Sicht derjenigen, die sie äußern, berechtigt sein. Aber sie sagen auch sehr viel über die Menschen aus, die sie äußern. Sie sagen im Prinzip Nein zu Freiheit und Verantwortung. Aber so ist das. Ein Teil unserer Freiheit besteht eben auch darin, die Existenz dieser Freiheit zu verneinen.
Was kann der Einzelne tun?
Ich sollte mir immer mal wieder die Fragen stellen: Was sind die Dinge, die mich inspirieren, herausfordern und wachsen lassen? Antworten darauf können Sie an zwei Orten suchen, innen und außen. Mit der Suche im Innen meinen wir, dass Sie Zeit mit sich selbst verbringen und reflektieren. Wann gab es in Ihrem Leben Momente oder auch längere Zeiträume, in denen Sie dieses Funkeln in Ihren Augen hatten und das Gefühl hatten, voll und ganz in Ihrem Element zu sein? Sie könnten damit beginnen, eine Liste dieser Momente zu erstellen. Oder Sie könnten ein Arbeitstagebuch schreiben oder eine Auszeit nehmen oder irgendetwas anderes tun, das Ihnen dabei hilft, wieder in Kontakt zu kommen mit Ihren wahren Interessen, mit den echten Gefühlen, mit den grundsätzlichen Wahrnehmungen, die Ihr Herz höher schlagen lassen. Aber auch der Blick nach außen ist wichtig. Und das bedeutet: Machen Sie etwas anders als sonst. Probieren Sie Neues aus. Lernen Sie neue Menschen, neue Orte und neue Tätigkeiten kennen. Erforschen Sie die Welt mit Neugier und Wagemut. Lassen Sie sich auf neue Denkweisen ein und weiten Sie systematisch Ihre Grenzen aus, die Sie sich irgendwann einmal selbst gesetzt haben. Diese Explorationsaufgabe dürfte Sie in neue Situationen bringen, die Ihnen spürbar mehr bedeuten als andere Momente. Dort, wo Innen und Außen zusammenpassen, werden Ihre Augen funkeln.
Sie schreiben, dass wir auch lernen müssen, andere Fragen zu stellen. Was ist damit gemeint?
Nehmen wir zum Beispiel die Frage „Was wird von mir erwartet?“. Das ist eine ganz typische Frage, wie wir sie im Arbeitsalltag immer wieder stellen: Was erwarten mein Chef, meine Kollegen, meine Kunden von mir? Diese Frage ist grundsätzlich richtig und impliziert die Bereitschaft, das zu tun, was von mir erwartet wird. Das Problem dabei ist nur, wenn ich den ganzen Tag damit beschäftigt bin, die Dinge zu tun, die die anderen wollen, dann lebe ich fremdbestimmt, im Außen, gesteuert – und dann habe ich keine Chance herauszufinden, was für mich selbst wirklich Bedeutung hat. Die Lösung liegt nicht darin, ab sofort die Erwartungen der anderen vollkommen auszublenden. Vielmehr geht es darum, eine Balance herzustellen, zwischen dem, was andere von mir erwarten und dem, was für mich wirklich zählt. Und das, was für mich wirklich zählt, drückt sich in dem Wort ‚Nein‘ aus. Das ist die Antwort – wenn nicht sogar die Antithese – zur Frage „Was wird von mir erwartet?“ Es ist der entscheidende Perspektivenwechsel von außen nach innen. Erwartungen werden von außen an uns herangetragen. Die Fähigkeit, das Wort ‚Nein‘ auszusprechen, ist der erste Schritt zur Freiheit. Anders ausgedrückt: Wir brauchen eine zusätzliche, öffnende Frage: „Zu welchen Dingen bin ich bereit NEIN zu sagen?“ – Das ist der Türöffner, um unser eigenes Leben zu leben und nicht das, das die Anderen uns zu leben wünschen.
Das Buch:
Anja Förster, Peter Kreuz
Hört auf zu arbeiten!
Eine Anstiftung, das zu tun, was wirklich zählt
Pantheon, 240 Seiten, Klappenbroschur
ca. € 14,99 [D] / € 15,50 [A] / CHF 21,90
ISBN 978-3-570-55189-9
Die Autoren Anja Förster und Peter Kreuz:
Anja Förster und Peter Kreuz gehören zu einer neuen Generation von Vordenkern für Wirtschaft und Management. Sie arbeiten als Berater, Referenten und erfolgreiche Buchautoren. Förster und Kreuz leben das, was sie schreiben - und sind deswegen zum Vor- und Querdenken berufen. Ihr Buch Alles, außer gewöhnlich wurde 2007 Wirtschaftsbuch des Jahres. Hört auf zu arbeiten! ist aktuell in die Top15 der Spiegel-Bestseller-Liste (Paperback) eingestiegen.
www.foerster-kreuz.com
Wann haben wir es verlernt bzw. wo haben wir es verloren, das Funkeln in den Augen, die Begeisterung, den Enthusiasmus?
Das beginnt schon sehr früh in der Schule. Unser Erziehungssystem, das standardisiertes Lernen, Frontalunterricht und das Auswendiglernen von Fakten in den Mittelpunkt des Unterrichts stellt, kann bei jungen Menschen keine Begeisterung und kein Funkeln in den Augen entfachen. Unser Schulsystem ist eine fabrikmäßige Institution, die veraltete Informationen mit veralteten Methoden verabreicht. Was dabei besonders wehtut, ist, dass Kinder sind von Natur aus kreativ sind, selbstständig Probleme lösen wollen und sind mit jeder Menge Entdeckergeist ausgestattet sind. Sie bringen also die Voraussetzungen mit, die für das Leben und Arbeiten im 21. Jahrhundert von herausragender Bedeutung sind. Aber mit dem Durchlaufen des Bildungssystems wird ihnen genau das fast komplett abtrainiert.
Sie schreiben, wenn wir lieben, was wir tun, dann... Da werden viele Mitarbeiter, die in ein enges zeitliches Korsett gedrückt sind, viel Druck haben, immer mehr mit immer weniger Kollegen erledigen müssen, wenig Vorstellungskraft haben, wie Ihr Ansatz funktionieren soll.
Die Sach- und Zeitzwänge, Vorgaben und Hierarchien werden häufig als Argument dafür angeführt, dass es unmöglich sei, jenseits der Routinearbeit noch etwas anderes zu tun. Aber ist das tatsächlich so? Die Pflicht, also das, was von mir erwartet, vielleicht sogar per Stellenbeschreibung eingefordert wird, ist nicht das Ganze oder das einzig Mögliche. Ansonsten wäre unser Leben ausschließlich Pflichterfüllung. Es geht also darum, den Freiraum jenseits der Pflichterfüllung zu nutzen und ihn sukzessive zu erweitern. Jeder von uns hat diesen Freiraum. Der eine einen größeren, der andere einen kleineren, aber jeder hat einen. Und es ist an uns, diesen Freiraum zu nutzen. Vielleicht gibt es Menschen, die damit ein Problem haben. Die das zu anstrengend oder eine Nummer zu groß finden. Diese Einwände mögen aus der Sicht derjenigen, die sie äußern, berechtigt sein. Aber sie sagen auch sehr viel über die Menschen aus, die sie äußern. Sie sagen im Prinzip Nein zu Freiheit und Verantwortung. Aber so ist das. Ein Teil unserer Freiheit besteht eben auch darin, die Existenz dieser Freiheit zu verneinen.
Was kann der Einzelne tun?
Ich sollte mir immer mal wieder die Fragen stellen: Was sind die Dinge, die mich inspirieren, herausfordern und wachsen lassen? Antworten darauf können Sie an zwei Orten suchen, innen und außen. Mit der Suche im Innen meinen wir, dass Sie Zeit mit sich selbst verbringen und reflektieren. Wann gab es in Ihrem Leben Momente oder auch längere Zeiträume, in denen Sie dieses Funkeln in Ihren Augen hatten und das Gefühl hatten, voll und ganz in Ihrem Element zu sein? Sie könnten damit beginnen, eine Liste dieser Momente zu erstellen. Oder Sie könnten ein Arbeitstagebuch schreiben oder eine Auszeit nehmen oder irgendetwas anderes tun, das Ihnen dabei hilft, wieder in Kontakt zu kommen mit Ihren wahren Interessen, mit den echten Gefühlen, mit den grundsätzlichen Wahrnehmungen, die Ihr Herz höher schlagen lassen. Aber auch der Blick nach außen ist wichtig. Und das bedeutet: Machen Sie etwas anders als sonst. Probieren Sie Neues aus. Lernen Sie neue Menschen, neue Orte und neue Tätigkeiten kennen. Erforschen Sie die Welt mit Neugier und Wagemut. Lassen Sie sich auf neue Denkweisen ein und weiten Sie systematisch Ihre Grenzen aus, die Sie sich irgendwann einmal selbst gesetzt haben. Diese Explorationsaufgabe dürfte Sie in neue Situationen bringen, die Ihnen spürbar mehr bedeuten als andere Momente. Dort, wo Innen und Außen zusammenpassen, werden Ihre Augen funkeln.
Sie schreiben, dass wir auch lernen müssen, andere Fragen zu stellen. Was ist damit gemeint?
Nehmen wir zum Beispiel die Frage „Was wird von mir erwartet?“. Das ist eine ganz typische Frage, wie wir sie im Arbeitsalltag immer wieder stellen: Was erwarten mein Chef, meine Kollegen, meine Kunden von mir? Diese Frage ist grundsätzlich richtig und impliziert die Bereitschaft, das zu tun, was von mir erwartet wird. Das Problem dabei ist nur, wenn ich den ganzen Tag damit beschäftigt bin, die Dinge zu tun, die die anderen wollen, dann lebe ich fremdbestimmt, im Außen, gesteuert – und dann habe ich keine Chance herauszufinden, was für mich selbst wirklich Bedeutung hat. Die Lösung liegt nicht darin, ab sofort die Erwartungen der anderen vollkommen auszublenden. Vielmehr geht es darum, eine Balance herzustellen, zwischen dem, was andere von mir erwarten und dem, was für mich wirklich zählt. Und das, was für mich wirklich zählt, drückt sich in dem Wort ‚Nein‘ aus. Das ist die Antwort – wenn nicht sogar die Antithese – zur Frage „Was wird von mir erwartet?“ Es ist der entscheidende Perspektivenwechsel von außen nach innen. Erwartungen werden von außen an uns herangetragen. Die Fähigkeit, das Wort ‚Nein‘ auszusprechen, ist der erste Schritt zur Freiheit. Anders ausgedrückt: Wir brauchen eine zusätzliche, öffnende Frage: „Zu welchen Dingen bin ich bereit NEIN zu sagen?“ – Das ist der Türöffner, um unser eigenes Leben zu leben und nicht das, das die Anderen uns zu leben wünschen.
Das Buch:
Anja Förster, Peter Kreuz
Hört auf zu arbeiten!
Eine Anstiftung, das zu tun, was wirklich zählt
Pantheon, 240 Seiten, Klappenbroschur
ca. € 14,99 [D] / € 15,50 [A] / CHF 21,90
ISBN 978-3-570-55189-9
Die Autoren Anja Förster und Peter Kreuz:
Anja Förster und Peter Kreuz gehören zu einer neuen Generation von Vordenkern für Wirtschaft und Management. Sie arbeiten als Berater, Referenten und erfolgreiche Buchautoren. Förster und Kreuz leben das, was sie schreiben - und sind deswegen zum Vor- und Querdenken berufen. Ihr Buch Alles, außer gewöhnlich wurde 2007 Wirtschaftsbuch des Jahres. Hört auf zu arbeiten! ist aktuell in die Top15 der Spiegel-Bestseller-Liste (Paperback) eingestiegen.
www.foerster-kreuz.com