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12 provokante Thesen für den Markterfolg

Geiz ist für viele immer noch geil. Marken sind geiler!
Volker Halstenberg | 20.10.2008
1. Viele Unternehmen produzieren am laufenden Band überflüssigen Blödsinn, anstatt innovative Markenprodukte mit ICH-IDEALEN Unterscheidungs- und Nutzenvorteilen auf den Markt zu bringen, die den Konsumenten faszinieren und zum Kauf animieren.

Wahrlich wir leben in einer Zeit omnipräsenten Überflusses, und Menschen, die in Überflussgesellschaften leben, betrachten vieles zwangsläufig als überflüssig. Wem nützt es schon, wenn zur 33. Tütensuppe, zum 44. Schokoriegel, zum 55. Knabbergebäck, zum 66. Shampoo, zum 77. Deodorant, zur 88. TV-, Handy- oder Autovariante oder zur abermilliardsten Website noch >was< dazukommt? Gut, wenn das Neue qualitativ besser oder technologisch fortschrittlicher ist, mag es seine Existenzberechtigung haben. Aber meistens ist das Neue aus Kundensicht weder das eine noch das andere. Deswegen hängen Überfluss und Überflüssiges so eng zusammen.

Konsumenten betrachten im Grunde all das als überflüssig, was sich nicht unterscheidet, nicht sinnvoll abgrenzt von der Welt und anderen Tütensuppen-, Schokoriegel-, Knabbergebäck-, Shampoo-, Deodorant-, TV-, Handy-, Auto-, Web- oder was auch immer für Varianten.


2. Alles, was sich nicht unterscheidet, ist psycho-logisch gar nicht existent.
Existenz wird durch die Operation der Unterscheidung erst erzeugt, schreibt der renommierte Neurobiologe Humberto Maturana.

Die meisten Off- und Online-Brands machen keine oder zu wenig Unterschiede. Qualitative Nivellierung, In-Differenz, Austauschbarkeit, wohin das Auge schaut. Funktionale oder andere sinnreiche Alleinstellungsmerkmale, die einen Unterschied machen könnten, sind zur Rarität geworden. Folge ist eine schwindende Loyalität bei den Verbrauchern, die im qualitativen Schlaraffenland das grenzenlose Produkt-Hopping kultivieren.

3. Passend zum produktiven gesellt sich der werbliche Einheitsbrei
Längst grassiert das Nivellierungssyndrom auch im Kommunikations- und Informationsbereich. Wer sich zum Beispiel die kaum noch zählbaren, nicht unbedingt reiz-, aber oft kaufanreizlosen Unterscheidungslosigkeiten in der TV-Werbung antut, wird des Einheitsbreis rasch überdrüssig und hält das Meiste für mehr oder weniger überflüssig. Zapper heißt der Bruder von Hopper.

4. Alles Müll oder was?
Gemäß Untersuchungen des Instituts für Konsum- und Verhaltensforschung der Universität Saarbrücken werden in der Bundesrepublik Deutschland weniger als 2% der durch Massenmedien übermittelten Informationen aufgenommen; 98% landen unbeachtet auf dem Müll. Für die Werbung konstatierte Prof. Werner Kroeber-Riel bereits vor etlichen Jahren eine Ausschuss-Quote von 95%. Kein Wunder bei all den Unterscheidungslosigkeiten.

Werbung gehört längst zum allgegenwärtigen Hintergrundrauschen unserer Lebenswelt.
Marken- und Markenwerbung, die sich nicht ostentativ von anderen Marken und Markenwerbungen abheben, sind überflüssig, non-existent, rauschen ins psychologische Nirgendwo, aber nicht ins relevant set des Konsumenten.

5. Kanal-Inflation.
Anno 2007 erschienen allein in deutschen Landen 355 Tageszeitungen, 25 Wochenzeitungen, 7 Sonntagszeitungen, 2000 Publikumszeitschriften, 3400 Fachzeitschriften, 2000 Kundenzeitschriften und 1336 Anzeigenblätter.
Kaum weniger üppig sah und sieht es im auditiven und audiovisuellen Sektor aus: Waren es 1984 noch 31, tönten 1994 bereits 206 Hörfunkveranstalter Interessantes und Redundantes via 36 Millionen Radios in den Äther. Ähnlich viele TV-Geräte bombardierten uns über 18 bundesweite Kanäle mit 1.001.911 Werbespots (= 448.589 Werbeminuten = 311 Werbetage)
Das Fernseh-Werbejahr 2007 brachte es auf weit über 2 Millionen TV-Spots oder 700 Werbetage, in den zig tausend Marken miteinander konkurrierten.
Ganz zu schweigen von den Abermillionen Werbefilmchen, Flash-Animationen, In-Game-Advertisings und anderen digitalen Behelligungen im Netz, auf Handys, Blackberrys u. a. Mobiles. Battlefield conditions!

Kaum ein on- oder offliniger Ort, an dem einen nicht irgendeine Werbeofferte anspringt. Selbst öffentliche Bedürfnisanstalten, einst loci, wo in kontemplativer Initimität ausschließlich "Eigengeschäfte" verrichtet wurden, haben Ambient-Spezialisten längst für die kommerzielle Vermarktung entdeckt. Nächstens seuselt mir an besagten Orten eine freundliche Stimme ins Ohr: "Einen schönen guten Tag! Sie urinieren gerade in ein Keramikbecken der Firma Rinnstein. Viel Spaß dabei und bepissen ('schuldigung) beehren Sie uns bald wieder."

Eine omnipotente Werbemaschinerie rotzt ihren Output ohne Rücksicht auf Verluste in unser Sensorium, so dass einem oft Hören, Sehen und Anderes vergeht. Ist doch des Menschen Bereitschaft und Fähigkeit zur kognitiv-affektiven Informationsaufnahme und -verarbeitung höchst begrenzt.
Wo i geh und steh, tut mir die Werbung weh. Weil sie zumeist an meinen Echtzeitbedürfnissen vorbeischießt.


6. Digitaler Overkill und der >Tod< des 30-Sekünders
Durch die bis 2010 vollständige Umstellung der deutschen Fernsehlandschaft von Analog- auf Digitaltechnik - sie ermöglicht eine stark komprimierte Übertragung von Bildern - kommt es zur weiteren Fragmentierung des ohnehin schon fragmentierten TV-Marktes. Hunderte von Spartensendern mit relativ geringer Reichweite, aber dafür spitzer Zielgruppe (Operations-, Golf-, Gourmet-, Wellness-, Bücher-, Pornokanal etc. etc.) werden mit den etablierten Vollsortimentern um Zuschauer und Werbegelder buhlen. Marktanteile werden neu verteilt. Der Planungsaufwand, um die Kernzielgruppe einer Marke flächendeckend und durchschlagend zu erreichen, nimmt zu. Klassische 30-Sekünder verlieren an Bedeutung.

Multidimensional vernetzte 1:1-Aktionen via Sparten-TV, IP-TV, Mobiles, Social Communities, Podcasts, Dark Marketing, SEO, SEM und Behavioral Targeting im Verbund mit handfestem Erlebnis-Marketing in der Realwelt, die allesamt passgenau auf das ICH-IDEAL und die Bedürfnisstruktur der Zielpersonen zugeschnitten sind, versprechen den größten Erfolg.

7. Der tödliche Preis
Der einfaltslose Markenmanager neigt zum preistaktischen Kotau - begründet mit einer immer irgendwo grassierenden Geiz-ist-geil-Mentalität - und manövriert seine Marke damit guten Gewissens in einen tödlichen Circulus vitiosus: Preisreduktion → weniger Erlöse → weniger Geld für Forschung & Entwicklung → keine Qualitäts-verbesserungen oder Innovationen → kaum Geld für Werbung → geringere Bekanntheit → weniger Nachfrage → weitere Preiszugeständnisse → weniger Erlöse ...
Marken, die sich nur über den Preis verkaufen, verlieren kontinuierlich an Wert und schaufeln sich ihr eigenes Grab. Wer nicht differenziert, stirbt!

8. Geiz ist für viele immer noch geil. Marken sind geiler!
Vorausgesetzt, sie sind passgenau auf das ICH-IDEAL der Zielgruppe oder Zielperson zugeschnitten und erfinden sich ohne Identitätsbruch immer wieder neu. ICH-IDEAL-Satisfactioning und dynamische Stabilität sind zwei wesentliche Erfolgsbausteine für dauerhaft begehrenswerte und profitträchtige Marken.

9. Der ultimative (ICH-IDEALE) Unterschied führt zur Power Brand
Was heute und morgen zählt, ist der ultimative (ICH-IDEALE) Unterschied, der die Marke von allem anderen differenziert und die Zielgruppe fasziniert! Was heute und morgen zählt, ist die kommunikative Kompetenz, die den ultimativen Marken-Unterschied kraftvoll und multidimensional in Szene setzt! Was heute und morgen zählt, ist die Kunst der zeitgemäßen Fortschreibung des ultimativen Marken-Unterschieds, wie es Maggi, Miele, Milka und Mercedes seit 100 Jahren vormachen! Was heute und morgen zählt, ist der permanente Dialog mit Zielpersonen und Zielgruppen, deren Singulär- und Kollektiv-Hirn letztlich darüber befindet, wer MARKE ist und wer nicht!
Hätten Dot-coms und ihre Emissionsbanken seinerzeit mehr auf dieses und kommendes >Was zählt< gezählt, vielen wäre das Millionen-Desaster erspart geblieben.

10. Mir ist, als wohnten ach! vier Seelen in meiner Brust.
Für den New Yorker Neuro-Wissenschaftler und Medizin-Nobelpreisträger Eric Kandel und den deutschen Neurobiologen Gerhard Roth ist die moderne Psychoanalyse das schlüssigste Modell des menschlichen Geistes.

Abbildung psychoanalytisches Persönlichkeitsmodell

ES ist die Sphäre des Unbewussten, der Leidenschaften und Lebenstriebe, aber auch der aggressiven und destruktiven Impulse, die wir normalerweise hinter >Schloss und Riegel< zu halten, zu verdrängen und zu unterdrücken versuchen.

ICH ist der rationale Steuermann, der uns tagein tagaus durch die Welt dirigiert, stets abwägend zwischen inneren Notwendigkeiten und externen Möglichkeiten.

ÜBER-ICH ist das Gewissen, der innere Richter und Zuchtmeister, der über die Zulässigkeit von Gedanken, Aussagen, Handlungen, Erlebnissen bestimmt. Über-ICH traktiert uns bevorzugt mit Schuldgefühlen und Ähnlichem, wenn wir seine ethisch-moralischen Ansprüche nicht erfüllen.

ICH-IDEAL ist der Ästhetiker, der Narzisst, der Perfektionist in uns allen. In unserem ICH-IDEAL erleben wir allerlei Vollkommenheits- und Zukunftsvisionen, die unsere innigsten Wünsche (auch Produktwünsche) erfüllen.

Wer möchte, kann sich die vier interagierenden Systeme als leibhaftige Diskussionsrunde vorstellen, in der ein bodenständiger Manager (ICH), ein strenger Moralapostel (ÜBER-ICH/Gewissen), ein vollkommenheitsverliebter Narzisst (ICH-IDEAL) und ein hedonistischer Naturbursche (ES) mal mehr, mal weniger hitzig um die Führungsrolle ringen.

11. ICH-IDEAL-Satisfactioning treibt den Markenwert
ICH-IDEAL ist zentraler Ansprechpartner, wenn es darum geht, den Markenwert zu maximieren. Je besser eine Marke das narzisstische >inside out< des Konsumenten verkörpert, desto höher kann das Preispremium ausfallen, das er zu zahlen bereit ist. Den höchsten Wert erzielen Marken durch konsequentes ICH-IDEAL-Satisfactioning.

12. Die eierlegende Wollmilchsau als Markenvorstand
Der ideale Brand Value Officer (BVO) ist ein interdisziplinär geschulter und wissenschaftlich versierter Macher, ein analytischer Stratege mit Blick und Händchen fürs operative Detail, ein visionärer Tatmensch, ein stringenter Querdenker, mit einem Wort: er ist ein Generalspezialist vom Schlage Hans Domizlaffs, der mit harten betriebswirtschaftlichen Kennziffern ebenso virtuos umzugehen wusste wie mit der Psychosomatik von Menschen und Marken.
Der BVO ist der >Lord Siegelbewahrer< und >Generalstaatsanwalt< der Marke. Er sorgt kraft Kompetenz und umfassender Entscheidungsbefugnis für die Einhaltung und die ICH-IDEALE Evolution der Marken-Identität.
Er behütet die Marke vor Erosionen und anderen Schäden, die aus kurzfristigen Umsatzfixierungen einzelner Manager oder aus Eigeninteressen externer Dienstleister (etwa Werbe- und Vkf-Agenturen) entstehen können.
All das und noch viel mehr Markenförderliches tut er nicht zuletzt deshalb, weil sein Gehalt an EVA (Economic Value Added) gekoppelt ist, der ihm aus reinem Eigennutz nahe legt, den Markenwert kontinuierlich zu steigern und Zukunftschancen konsequent zu nutzen.
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Literaturempfehlungen
Domizlaff, H: Die Gewinnung des öffentlichen Vertrauens. Ein Lehrbuch der Markentechnik, 7. Auflage. Unter dem Patronat der G•E•M Gesellschaft zur Erforschung des Markenwesens e.V.2005.
Halstenberg, V: Power Brands & Brand Power. Logos Verlag, Berlin 2005. http://www.logos-verlag.de/cgi-bin/engbuchmid?isbn=0725&lng=deu&id=
Halstenberg, V.: Psychopatho-Logik. Kybernetik - Psychoanalyse - Kunst – Kreativität, Daedalus-Verlag 2003. http://www.daedalus-verlag.de/front_content.php?idcat=12&idart=104
Rezensionen unter http://www.brainguide.de/psychopatho-logik
http://psychopathologik.blogg.de/
http://volkerhalstenberg.blogg.de/
Kandel, E. R.: Psychiatry, Psychoanalysis, and the New Biology of Mind, 2005.
Kandel, E.: Auf der Suche nach dem Gedächtnis: Die Entstehung einer neuen Wissenschaft des Geistes, Pantheon 2007.

siehe auch
http://www.4managers.de/management/themen/neuropsychoanalyse-und-marketing/
http://powerbrands.blogg.de/