Produktentwicklung leicht gemacht
In der Praxis wird deutlich, dass in den Anfangsphasen des PEP (Produktentstehungsprozesses) Einsparungspotenziale von 30 bis 70 % schlummern. Denn die bislang bewährte Methode des Front Loading beschreibt lediglich das frühe Einbinden von Funktion, Betriebsverhalten, technologischen und sonstigen Eigenschaften eines Produktes mit Hilfe von digitalen Modellen. Front Knowing reicht weiter: Es bezieht zusätzlich das verteilte Expertenwissen innerhalb der frühen konzeptionellen Designphase mit ein. Möglichst viel Produktwissen wird bereits in der ersten Phase akkumuliert. Alle Beteiligten kommunizieren nicht nur intensiv miteinander, sondern sie entwickeln auch ein gemeinsames, einheitliches Produktverständnis.
Trotz der hohen Vernetzung oder gerade wegen der vielfältigen heutigen Möglichkeiten wird die Entwicklung von komplexen, wissensintensiven Produkten immer schwieriger. Betroffen sind vor allem die Branchen Fahrzeugtechnik, Luft- und Raumfahrt und Pharma, wo viele unterschiedliche Organisationen, z.B. OEM, Business Units, Lieferanten, Forschungspartner, zusammenarbeiten. Dazu kommen unzählige beteiligte interne Einheiten. Außerdem ist eine Verschiebung von Kompetenzen vom OEM zu den Zulieferern bzw. zu anderen Business Units des Unternehmens in vollem Gange. Aus diesen Gründen fließt das Wissen für eine Produktneuentwicklung aus unterschiedlichsten örtlichen und organisatorischen Richtungen ein.
Virtuelles Engineering erhöht die Produktqualität
Gerade in der frühen Produktentstehungsphase definiert sich die spätere Produktions- und Produktqualität. Die Kunst liegt darin, neben dem klassischen Front Loading als Faktenbasis, auch möglichst viel Expertenwissen von Anfang an in den Entwicklungsprozess einzubinden, um die Nachbesserungsquote deutlich zu senken. Hierfür sind ein ganzheitliches IT-unterstütztes Management notwendig und idealerweise ein IT-gestütztes, vernetztes Produkt- und Funktionsmodell. Das Modell führt jegliche Informationen zunächst in einer Datenbasis zusammen und verbindet sie dann später nach den Vorgaben der Produktentwicklung hinsichtlich Zusammenspiel und Abhängigkeiten miteinander. Trotz der Erkenntnis, dass IT-Unterstützung das Entwicklerleben leichter macht, werden IT-Methoden und IT-Lösungen in den frühen Engineeringphasen bislang kaum eingesetzt. Das Modell „Front Knowing“ könnte sich hier als gängiger Weg etablieren, um frühzeitig und effizient erste, ganzheitliche Produktmodelle und Simulationen bereitzustellen. Front Knowing unterstützt das virtuelle Engineering, es setzt auf sehr viel Manpower am Anfang, was weniger Personaleinsatz in den späteren Phasen bedeutet. Ein solches Vorgehen war bislang eher bei Entwicklungen von Innovationsthemen der Fall, bei denen man ohne erhebliches Fachwissen, z.B. über ökologische Zusammenhänge, erst gar nicht starten konnte.
Vier Schichten bilden die Aufgabenkategorien ab
Ein Blick hinter die Modell-Kulissen zeigt, wie Front Knowing aufgebaut ist und wie es funktioniert. Zunächst einmal ist Front Knowing ein objektorientierter Ansatz für kollaboratives Arbeiten im Produktentstehungsprozess. Was heißt das? Alles was für die Entstehung eines Produktes relevant ist, wird als Objekt im System erfasst und mit weiteren Informationen ausgestattet. Die Objekte selbst gliedern sich in vier Kategorien (Schichten): Organisation, Funktion, Produkt und Prozess. Hinter jedem einzelnen Objekt dieser Schichten liegen die entsprechenden Beschreibungen, die grundsätzlich für das neue Produkt relevant sind. Sie reichen von allgemeinen Designnotwendigkeiten über präzise Bauteilbeschreibungen bis hin zu detaillierten Funktionsweisen.
Entscheidend ist das abgestimmte Vorgehen nach Plan
Während der Produktinitiierung wird festgelegt, welche Ziele mit dem Produkt und der Produktentstehung erreicht werden sollen. Auch welche externen Faktoren, z.B. Markt, Gesetze, Ökologie, Technologien etc. relevant sind und/oder beeinflussbar sein sollen. Wichtig bei der Initiierung einer Produktentwicklung ist die Abgrenzung des Produktes zu seiner Umwelt [Kr07], das heißt beispielsweise zu Konkurrenzprodukten, gesetzliche Rahmenbedingungen und zum technologischen State-Of-The-Art.
Als nächstes werden die beteiligten Organisationseinheiten und deren Kompetenzen identifiziert. Jede Organisationseinheit erhält eine externe Wissensadresse. Anschließend legt das Entwicklerteam die Kommunikationsstruktur fest, um die Einheiten miteinander zu vernetzen.
Im nächsten Schritt entwickelt das Team die Funktions- sowie Bauteilstrukturen und modelliert die Zusammenhänge zwischen Funktionen und Bauteilen. Alles entscheidend sind die weiteren Verbindungen: Die Elemente der Produkt- und Funktionsstruktur werden mit den Wissensträgern in Form von Ablaufdiagrammen verbunden. Hieraus entstehen sowohl (Teil-)Simulationen des Produktes (virtuelles Produkt) als auch eine Beschreibung des Wissenserzeugungsprozesses des Produkts. Sie enthalten die zeitliche Koordinierung zur Akkumulierung des Produktwissens und die wissensbasierte Zusammenarbeit der Beteiligten. In der letzten Phase wird das in den vorangegangenen Phasen gebildete Front-Knowing-Modell mit seinen detaillierten Anforderungen abgebildet.
Es ist durchaus möglich, dass das ausgefüllte Front-Knowing-Modell mehr Anforderungen als das spätere Produkt aufweist. Dies kann wirtschaftliche Gründe, marktbestimmte oder technische Motive haben. Eine Klassifikation der Anforderungen wird ebenfalls in das Front-Knowing-Modell integriert.
Sie besteht aus selbstverständlichen, unverzichtbaren Muss-Anforderungen an das Produkt. Außerdem aus Soll- bzw. Leistungsfaktoren und Kann- bzw. Begeisterungsfaktoren, die dem Kunden unter Umständen vorher nicht bekannt waren [Ru07]. Die Auswirkungen sowohl der Reduktion als auch der Addition von neuen Anforderungen lässt sich am Modell überprüfen.
Wenn das Front-Knowing-Modell mit den Informationen befüllt ist, liegt eine Art 4-D-Spezifikation (Organisation, Funktion, Produkt, Prozess) vor. Jede Änderung einer Anforderung wirkt sich auf die gesamte Produktentwicklung und damit auf das Gesamtergebnis aus. Diese Auswirkungen sind am Front-Knowing-Modell erkennbar.
Planvolles Experimentieren bringt Qualitätsvorteile
Das Modell bringt in vielerlei Hinsicht Vorteile für die Produktentwicklung bzw. den Produktentstehungsprozess mit sich. Einerseits können Firmen ihre neuen technischen Produkte sehr früh im Detail definieren und das Gesamtprodukt simulieren. Das Modell dient auch als Instrument, um verteiltes Wissen in das Gesamtsystem zu integrieren und effizient zu recherchieren. Front Knowing soll in einem ersten Schritt die Produkt-Modellierung mit Hilfe einer komfortablen Visualisierung und über dynamische Analysemöglichkeiten unterstützen bzw. erleichtern.
Dabei ist von vornherein bekannt, welche Teilsysteme von welchen Funktionen und weiteren Teilsystemen abhängen. Außerdem ist transparent, welche Organisationen (Wissensträger) und Dienste bei Neuentwicklungen und Änderungen involviert werden müssen bzw. betroffen sind.
Somit dient das Systemmodell auch als gute Ausgangsbasis, um Prozesse und Workflows effizient und dynamisch zu gestalten wie auch zu optimieren.
Bei richtiger Anwendung kann Front Knowing ein virtuelles Produktmodell erzeugen, mit dessen Hilfe das Entwicklerteam das Produkt und dessen Prozesse simulieren und verifizieren kann. Dieses formale Modell des Gesamtproduktes kommt anschließend in allen nachfolgenden Phasen des Produktentstehungsprozesses als abgesicherter Master zum Einsatz.
Fazit
Mit dem Front-Knowing-Modell geplante Produkte bieten mehr Möglichkeiten und Flexibilität bei der Kostenreduktion in den frühen Phasen des wissensintensiven Produktentstehungsprozesses. Außerdem sind in den nachfolgenden Phasen erheblich weniger Highend-Qualifikationen notwendig, da das Produktwissen in ganzheitlicher Form bereits vorliegt und schwerwiegende Probleme größtenteils identifiziert und gelöst sind. Insgesamt beschleunigt sich dadurch die Produktentwicklung und die Qualität des Produktes verbessert sich. Ein weiterer Vorteil dieser Methode besteht darin, dass die Prozesse bereits in den frühen Phasen formal dokumentiert, wiederholbar und nachvollziehbar sind. Die Methode eignet sich deshalb hervorragend, um verschiedene Lösungsvarianten kostengünstig auszuprobieren. Nicht zuletzt ermöglicht Front Knowing ein formales, gemeinsames Produktverständnis zwischen allen Stakeholdern in einem dynamischen und kollaborativen Umfeld.
Literaturverzeichnis
[Kr07] Krallmann, H. et.al.: Systemanalyse im Unternehmen. Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München, 2007.
[Ru07] Rupp, C.: Requirements-Engineering und -Management, HANSER Verlag, München, 2007.
Trotz der hohen Vernetzung oder gerade wegen der vielfältigen heutigen Möglichkeiten wird die Entwicklung von komplexen, wissensintensiven Produkten immer schwieriger. Betroffen sind vor allem die Branchen Fahrzeugtechnik, Luft- und Raumfahrt und Pharma, wo viele unterschiedliche Organisationen, z.B. OEM, Business Units, Lieferanten, Forschungspartner, zusammenarbeiten. Dazu kommen unzählige beteiligte interne Einheiten. Außerdem ist eine Verschiebung von Kompetenzen vom OEM zu den Zulieferern bzw. zu anderen Business Units des Unternehmens in vollem Gange. Aus diesen Gründen fließt das Wissen für eine Produktneuentwicklung aus unterschiedlichsten örtlichen und organisatorischen Richtungen ein.
Virtuelles Engineering erhöht die Produktqualität
Gerade in der frühen Produktentstehungsphase definiert sich die spätere Produktions- und Produktqualität. Die Kunst liegt darin, neben dem klassischen Front Loading als Faktenbasis, auch möglichst viel Expertenwissen von Anfang an in den Entwicklungsprozess einzubinden, um die Nachbesserungsquote deutlich zu senken. Hierfür sind ein ganzheitliches IT-unterstütztes Management notwendig und idealerweise ein IT-gestütztes, vernetztes Produkt- und Funktionsmodell. Das Modell führt jegliche Informationen zunächst in einer Datenbasis zusammen und verbindet sie dann später nach den Vorgaben der Produktentwicklung hinsichtlich Zusammenspiel und Abhängigkeiten miteinander. Trotz der Erkenntnis, dass IT-Unterstützung das Entwicklerleben leichter macht, werden IT-Methoden und IT-Lösungen in den frühen Engineeringphasen bislang kaum eingesetzt. Das Modell „Front Knowing“ könnte sich hier als gängiger Weg etablieren, um frühzeitig und effizient erste, ganzheitliche Produktmodelle und Simulationen bereitzustellen. Front Knowing unterstützt das virtuelle Engineering, es setzt auf sehr viel Manpower am Anfang, was weniger Personaleinsatz in den späteren Phasen bedeutet. Ein solches Vorgehen war bislang eher bei Entwicklungen von Innovationsthemen der Fall, bei denen man ohne erhebliches Fachwissen, z.B. über ökologische Zusammenhänge, erst gar nicht starten konnte.
Vier Schichten bilden die Aufgabenkategorien ab
Ein Blick hinter die Modell-Kulissen zeigt, wie Front Knowing aufgebaut ist und wie es funktioniert. Zunächst einmal ist Front Knowing ein objektorientierter Ansatz für kollaboratives Arbeiten im Produktentstehungsprozess. Was heißt das? Alles was für die Entstehung eines Produktes relevant ist, wird als Objekt im System erfasst und mit weiteren Informationen ausgestattet. Die Objekte selbst gliedern sich in vier Kategorien (Schichten): Organisation, Funktion, Produkt und Prozess. Hinter jedem einzelnen Objekt dieser Schichten liegen die entsprechenden Beschreibungen, die grundsätzlich für das neue Produkt relevant sind. Sie reichen von allgemeinen Designnotwendigkeiten über präzise Bauteilbeschreibungen bis hin zu detaillierten Funktionsweisen.
Entscheidend ist das abgestimmte Vorgehen nach Plan
Während der Produktinitiierung wird festgelegt, welche Ziele mit dem Produkt und der Produktentstehung erreicht werden sollen. Auch welche externen Faktoren, z.B. Markt, Gesetze, Ökologie, Technologien etc. relevant sind und/oder beeinflussbar sein sollen. Wichtig bei der Initiierung einer Produktentwicklung ist die Abgrenzung des Produktes zu seiner Umwelt [Kr07], das heißt beispielsweise zu Konkurrenzprodukten, gesetzliche Rahmenbedingungen und zum technologischen State-Of-The-Art.
Als nächstes werden die beteiligten Organisationseinheiten und deren Kompetenzen identifiziert. Jede Organisationseinheit erhält eine externe Wissensadresse. Anschließend legt das Entwicklerteam die Kommunikationsstruktur fest, um die Einheiten miteinander zu vernetzen.
Im nächsten Schritt entwickelt das Team die Funktions- sowie Bauteilstrukturen und modelliert die Zusammenhänge zwischen Funktionen und Bauteilen. Alles entscheidend sind die weiteren Verbindungen: Die Elemente der Produkt- und Funktionsstruktur werden mit den Wissensträgern in Form von Ablaufdiagrammen verbunden. Hieraus entstehen sowohl (Teil-)Simulationen des Produktes (virtuelles Produkt) als auch eine Beschreibung des Wissenserzeugungsprozesses des Produkts. Sie enthalten die zeitliche Koordinierung zur Akkumulierung des Produktwissens und die wissensbasierte Zusammenarbeit der Beteiligten. In der letzten Phase wird das in den vorangegangenen Phasen gebildete Front-Knowing-Modell mit seinen detaillierten Anforderungen abgebildet.
Es ist durchaus möglich, dass das ausgefüllte Front-Knowing-Modell mehr Anforderungen als das spätere Produkt aufweist. Dies kann wirtschaftliche Gründe, marktbestimmte oder technische Motive haben. Eine Klassifikation der Anforderungen wird ebenfalls in das Front-Knowing-Modell integriert.
Sie besteht aus selbstverständlichen, unverzichtbaren Muss-Anforderungen an das Produkt. Außerdem aus Soll- bzw. Leistungsfaktoren und Kann- bzw. Begeisterungsfaktoren, die dem Kunden unter Umständen vorher nicht bekannt waren [Ru07]. Die Auswirkungen sowohl der Reduktion als auch der Addition von neuen Anforderungen lässt sich am Modell überprüfen.
Wenn das Front-Knowing-Modell mit den Informationen befüllt ist, liegt eine Art 4-D-Spezifikation (Organisation, Funktion, Produkt, Prozess) vor. Jede Änderung einer Anforderung wirkt sich auf die gesamte Produktentwicklung und damit auf das Gesamtergebnis aus. Diese Auswirkungen sind am Front-Knowing-Modell erkennbar.
Planvolles Experimentieren bringt Qualitätsvorteile
Das Modell bringt in vielerlei Hinsicht Vorteile für die Produktentwicklung bzw. den Produktentstehungsprozess mit sich. Einerseits können Firmen ihre neuen technischen Produkte sehr früh im Detail definieren und das Gesamtprodukt simulieren. Das Modell dient auch als Instrument, um verteiltes Wissen in das Gesamtsystem zu integrieren und effizient zu recherchieren. Front Knowing soll in einem ersten Schritt die Produkt-Modellierung mit Hilfe einer komfortablen Visualisierung und über dynamische Analysemöglichkeiten unterstützen bzw. erleichtern.
Dabei ist von vornherein bekannt, welche Teilsysteme von welchen Funktionen und weiteren Teilsystemen abhängen. Außerdem ist transparent, welche Organisationen (Wissensträger) und Dienste bei Neuentwicklungen und Änderungen involviert werden müssen bzw. betroffen sind.
Somit dient das Systemmodell auch als gute Ausgangsbasis, um Prozesse und Workflows effizient und dynamisch zu gestalten wie auch zu optimieren.
Bei richtiger Anwendung kann Front Knowing ein virtuelles Produktmodell erzeugen, mit dessen Hilfe das Entwicklerteam das Produkt und dessen Prozesse simulieren und verifizieren kann. Dieses formale Modell des Gesamtproduktes kommt anschließend in allen nachfolgenden Phasen des Produktentstehungsprozesses als abgesicherter Master zum Einsatz.
Fazit
Mit dem Front-Knowing-Modell geplante Produkte bieten mehr Möglichkeiten und Flexibilität bei der Kostenreduktion in den frühen Phasen des wissensintensiven Produktentstehungsprozesses. Außerdem sind in den nachfolgenden Phasen erheblich weniger Highend-Qualifikationen notwendig, da das Produktwissen in ganzheitlicher Form bereits vorliegt und schwerwiegende Probleme größtenteils identifiziert und gelöst sind. Insgesamt beschleunigt sich dadurch die Produktentwicklung und die Qualität des Produktes verbessert sich. Ein weiterer Vorteil dieser Methode besteht darin, dass die Prozesse bereits in den frühen Phasen formal dokumentiert, wiederholbar und nachvollziehbar sind. Die Methode eignet sich deshalb hervorragend, um verschiedene Lösungsvarianten kostengünstig auszuprobieren. Nicht zuletzt ermöglicht Front Knowing ein formales, gemeinsames Produktverständnis zwischen allen Stakeholdern in einem dynamischen und kollaborativen Umfeld.
Literaturverzeichnis
[Kr07] Krallmann, H. et.al.: Systemanalyse im Unternehmen. Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München, 2007.
[Ru07] Rupp, C.: Requirements-Engineering und -Management, HANSER Verlag, München, 2007.