Zeitungsverleger wollen keine staatlichen Hilfen, aber neue Rahmenbedingungen
Die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise haben den deutschen Zeitungsmarkt erreicht. „Das Jahr 2009 wird als das bisher schwierigste in die Geschichte der Zeitungen eingehen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Deutscher Zeitungsverleger (BDZV), Dietmar Wolff, heute bei der Jahrespressekonferenz in Berlin. In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres ist das Anzeigenvolumen (nicht Umsätze) der Zeitungen im Vergleich zum Vorjahr um mehr als zwölf Prozent zurückgegangen. Aufgrund der Situation im Arbeitsmarkt seien die Stellenanzeigen stark rückläufig (-41,1 Prozent), so Wolff. Rückgänge gab es auch im Bereich Immobilien (-18,2), Autorubriken (-17,6) und Markenartikel (-23,1). Bei den so genannten Großformen des Handels (+7,6, u.a. Lebensmitteldiscounter) und bei den Familienanzeigen (+1,2) gab es ein positives Ergebnis. Anders als in den Vorjahren trifft das Minus im Anzeigengeschäft die Zeitungen in Westdeutschland (-12,4 Prozent) fast ebenso hart wie Verlage in Ostdeutschland (-13,9).
Im Prozess des Wandels vom reinen Zeitungsdruck- zum komplexen Medienhaus treffe die allgemeine Wirtschaftskrise die Verlage mit voller Härte, so Wolff. Dennoch hätten die Unternehmen beste Voraussetzungen, stark aus der Krise hervorzugehen. Bereits in den Jahren nach dem Platzen der Internetblase ab 2001 hätten sich Verlage aller Größenordnungen unter enormen Anstrengungen auf die veränderten Gegebenheiten im Markt eingestellt. Anders als in den USA seien die Zeitungen in Deutschland sehr gut aufgestellt. Ein Grund sei die enge Bindung zu ihrem Publikum, die im Lokalen besonders ausgeprägt sei. Dazu gehöre außerdem ein Vertriebssystem, das mit der Zeitungszustellung bis zur Haustür weltweit beispielhaft sei. In Deutschland würden die besten Zeitungen der Welt gemacht und im Unterschied zu den USA und vielen anderen Ländern gelte hier nicht der ausschließlich renditeorientierte Shareholder value. Die deutsche Zeitungsbranche sei mittelständisch geprägt. An der Spitze stünden Verleger mit publizistischem und unternehmerischem Anspruch.
Wolff machte deutlich, dass der BDZV direkte Staatshilfen ablehne. Gleichwohl sei der Staat verpflichtet, die Rahmenbedingungen für die Presse zu verbessern. „Wenn es der Politik wirklich ernst ist mit dem unverzichtbaren Beitrag der Zeitung für die Demokratie, dann muss sich dies stärker als bisher in der Gesetzgebung niederschlagen.“ Dazu zähle die Möglichkeit, sich weitaus stärker als bisher am lokalen und regionalen Hörfunk und Fernsehen zu beteiligen. „Jetzt kommt es darauf an, dass die Verlage ihre Nutzer- und Werbemärkte ausweiten und die Produktionsprozesse in allen Bereichen weiter optimieren“, so Wolff. Nur wenn es den Verlagen möglich sei, in größeren Einheiten zu agieren, könnten sie auch langfristig ihre Position als Anbieter von Qualitätsinhalten und größte Werbeplattform sichern und ausweiten.
Voraussetzung dafür sei auch eine Lockerung des Wettbewerbsrechts. Der BDZV erwarte, dass die Bestimmungen zu Kooperationen liberalisiert werden. Ähnlich wie beim Zeitungsdruck und der Zustellung müssten auch im Anzeigenverkauf neue Kooperationen möglich sein. Vor allem angesichts der Fülle von verlagsfernen Medien, die im lokalen Markt Werbung verkaufen, müsse das Kartellamt seine Spruchpraxis anpassen. Der BDZV will unter anderem eine Veränderung der so genannten Aufgreifschwelle. Während Unternehmen in anderen Branchen, die fusionieren wollen, dies beim Kartellamt ab einem Gesamtumsatz von 500 Millionen Euro melden müssen, liegt die Schwelle im Pressebereich bei 25 Millionen Euro. Diese muss nach Auffassung des BDZV auf mindestens 100 Millionen Euro erhöht werden. Außerdem sollten so genannte Nachbarschaftsfusionen erleichtert werden. Hier fordert der BDZV eine so genannte Vermutungsregelung: Wenn über einen Zeitraum von zehn Jahren ein Verlag nicht mit einem neuen Produkt in den Markt der Nachbarzeitung eingedrungen ist, sollte das Kartellamt davon ausgehen, dass ein potenzieller Wettbewerb nicht besteht und somit die Unternehmen zusammengelegt werden können.
Erwartungen an die Bundesregierung
Von der künftigen Bundesregierung erwartet Wolff auch, dass der derzeit geltende Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent für Zeitungen weiter reduziert wird. „Es ist überhaupt nicht vermittelbar, dass der Staat die tägliche Zeitungsinformation mit einer Steuer belegt.“
Vom Gesetzgeber verlangt der BDZV ferner Unterstützung bei der Korrektur von Fehlentwicklungen im Internet. „Wir können nicht länger hinnehmen, dass unsere teuer produzierten Qualitätsinhalte von Dritten bedenkenlos kommerziell genutzt werden, ohne dass dafür auch nur ein Cent an die Verlage gezahlt wird“, so BDZV-Hauptgeschäftsführer Wolff. Nur mit einem umfassenden Leistungsschutzrecht könne dem „Content-Klau“ Einhalt geboten werden. Im nächsten Schritt gehe es dann darum, Bezahlmodelle für Internetinhalte zu entwickeln. Die Onlinewerbung allein werde nicht ausreichen, publizistische Qualität im Internet zu finanzieren. Deshalb müssten Wege gefunden werden, die von der Gratiskultur wegführten. „Es geht um den Erhalt der Qualitätspresse in einer digitalisierten Welt“, erklärte Wolff. Die Zeitungsverleger hätten an die neue Bundesregierung die klare Erwartung, dass die Themen Wettbewerbsrecht – insbesondere die Pressefusionskontrolle, Leistungsschutzrecht und Mehrwertsteuer „im Interesse der Zeitungskultur in Deutschland“ mit der gebotenen Eile bearbeitet würden.
Entwicklung der Zeitungsauflagen
Die Zeitungsauflagen sind im ersten Quartal 2009 im Vergleich zum Vorjahr um 2,12 Prozent (2008: 1,85) gesunken. In Ostdeutschland um 2,7 Prozent, im Westen um 2,05 Prozent. Während die Wochenzeitungen um 1,53 Prozent zulegten, verzeichneten alle übrigen Kategorien Rückgänge. Überregionale Zeitungen -1,06, regionale Abonnementzeitungen -1,83, Sonntagszeitungen -1,94, Kaufzeitungen -5,26.
Geschäftsentwicklung 2008
Bereits im letzten Quartal 2008 sei die Finanz- und Wirtschaftskrise vor allem im Werbemarkt stark spürbar gewesen, erklärte der Geschäftsführer Verlagswirtschaft des BDZV, Jörg Laskowski. Die Umsätze aus Anzeigen und Beilagen seien um 4,1 Prozent auf 4,64 Millionen Euro zurückgegangen. Die Vertriebsumsätze seien um 2,6 Prozent auf 4,37 Milliarden Euro gestiegen. Die Auflagenrückgänge seien durch Preisanpassungen kompensiert worden. Der Gesamtumsatz von 9,1 Milliarden Euro entspreche, so Laskowski, dem Niveau von 1995. Vor allem angesichts der Kostenentwicklung sei dieses Ergebnis nicht zufriedenstellend. Für das laufende Jahr sei mit weiteren Umsatzausfällen zu rechnen.
Reichweitenentwicklung Print und Online
Mit einer Gesamtauflage von über 25 Millionen Exemplaren erreichen allein die gedruckten Zeitungen 76 Prozent der über 14-Jährigen – davon 73 Prozent täglich. Hinzu komme die weiter wachsende Zahl von Onlinenutzern, erklärte der Leiter Kommunikation + Multimedia beim BDZV, Hans-Joachim Fuhrmann. Hier konnten die Zeitungen laut Arbeitsgemeinschaft Online Forschung AGOF ihre Reichweite im Vergleich zum Vorjahr um drei Prozent auf 41 Prozent steigern (2008: 38 Prozent). Mit anderen Worten: 17,3 Millionen Internetnutzer in Deutschland gehen regelmäßig auf Zeitungswebsites (2008: 15,5). Dabei gebe es wenige Überschneidungen, führte Fuhrmann aus. Der Anteil derjenigen, die beide Medienangebote nutzten, liege bei zehn bis 15 Prozent. Im Internet erreichten die Zeitungsmarken ein zum größten Teil neues und vor allem auch jüngeres Publikum.
09. Juli 2009
Im Prozess des Wandels vom reinen Zeitungsdruck- zum komplexen Medienhaus treffe die allgemeine Wirtschaftskrise die Verlage mit voller Härte, so Wolff. Dennoch hätten die Unternehmen beste Voraussetzungen, stark aus der Krise hervorzugehen. Bereits in den Jahren nach dem Platzen der Internetblase ab 2001 hätten sich Verlage aller Größenordnungen unter enormen Anstrengungen auf die veränderten Gegebenheiten im Markt eingestellt. Anders als in den USA seien die Zeitungen in Deutschland sehr gut aufgestellt. Ein Grund sei die enge Bindung zu ihrem Publikum, die im Lokalen besonders ausgeprägt sei. Dazu gehöre außerdem ein Vertriebssystem, das mit der Zeitungszustellung bis zur Haustür weltweit beispielhaft sei. In Deutschland würden die besten Zeitungen der Welt gemacht und im Unterschied zu den USA und vielen anderen Ländern gelte hier nicht der ausschließlich renditeorientierte Shareholder value. Die deutsche Zeitungsbranche sei mittelständisch geprägt. An der Spitze stünden Verleger mit publizistischem und unternehmerischem Anspruch.
Wolff machte deutlich, dass der BDZV direkte Staatshilfen ablehne. Gleichwohl sei der Staat verpflichtet, die Rahmenbedingungen für die Presse zu verbessern. „Wenn es der Politik wirklich ernst ist mit dem unverzichtbaren Beitrag der Zeitung für die Demokratie, dann muss sich dies stärker als bisher in der Gesetzgebung niederschlagen.“ Dazu zähle die Möglichkeit, sich weitaus stärker als bisher am lokalen und regionalen Hörfunk und Fernsehen zu beteiligen. „Jetzt kommt es darauf an, dass die Verlage ihre Nutzer- und Werbemärkte ausweiten und die Produktionsprozesse in allen Bereichen weiter optimieren“, so Wolff. Nur wenn es den Verlagen möglich sei, in größeren Einheiten zu agieren, könnten sie auch langfristig ihre Position als Anbieter von Qualitätsinhalten und größte Werbeplattform sichern und ausweiten.
Voraussetzung dafür sei auch eine Lockerung des Wettbewerbsrechts. Der BDZV erwarte, dass die Bestimmungen zu Kooperationen liberalisiert werden. Ähnlich wie beim Zeitungsdruck und der Zustellung müssten auch im Anzeigenverkauf neue Kooperationen möglich sein. Vor allem angesichts der Fülle von verlagsfernen Medien, die im lokalen Markt Werbung verkaufen, müsse das Kartellamt seine Spruchpraxis anpassen. Der BDZV will unter anderem eine Veränderung der so genannten Aufgreifschwelle. Während Unternehmen in anderen Branchen, die fusionieren wollen, dies beim Kartellamt ab einem Gesamtumsatz von 500 Millionen Euro melden müssen, liegt die Schwelle im Pressebereich bei 25 Millionen Euro. Diese muss nach Auffassung des BDZV auf mindestens 100 Millionen Euro erhöht werden. Außerdem sollten so genannte Nachbarschaftsfusionen erleichtert werden. Hier fordert der BDZV eine so genannte Vermutungsregelung: Wenn über einen Zeitraum von zehn Jahren ein Verlag nicht mit einem neuen Produkt in den Markt der Nachbarzeitung eingedrungen ist, sollte das Kartellamt davon ausgehen, dass ein potenzieller Wettbewerb nicht besteht und somit die Unternehmen zusammengelegt werden können.
Erwartungen an die Bundesregierung
Von der künftigen Bundesregierung erwartet Wolff auch, dass der derzeit geltende Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent für Zeitungen weiter reduziert wird. „Es ist überhaupt nicht vermittelbar, dass der Staat die tägliche Zeitungsinformation mit einer Steuer belegt.“
Vom Gesetzgeber verlangt der BDZV ferner Unterstützung bei der Korrektur von Fehlentwicklungen im Internet. „Wir können nicht länger hinnehmen, dass unsere teuer produzierten Qualitätsinhalte von Dritten bedenkenlos kommerziell genutzt werden, ohne dass dafür auch nur ein Cent an die Verlage gezahlt wird“, so BDZV-Hauptgeschäftsführer Wolff. Nur mit einem umfassenden Leistungsschutzrecht könne dem „Content-Klau“ Einhalt geboten werden. Im nächsten Schritt gehe es dann darum, Bezahlmodelle für Internetinhalte zu entwickeln. Die Onlinewerbung allein werde nicht ausreichen, publizistische Qualität im Internet zu finanzieren. Deshalb müssten Wege gefunden werden, die von der Gratiskultur wegführten. „Es geht um den Erhalt der Qualitätspresse in einer digitalisierten Welt“, erklärte Wolff. Die Zeitungsverleger hätten an die neue Bundesregierung die klare Erwartung, dass die Themen Wettbewerbsrecht – insbesondere die Pressefusionskontrolle, Leistungsschutzrecht und Mehrwertsteuer „im Interesse der Zeitungskultur in Deutschland“ mit der gebotenen Eile bearbeitet würden.
Entwicklung der Zeitungsauflagen
Die Zeitungsauflagen sind im ersten Quartal 2009 im Vergleich zum Vorjahr um 2,12 Prozent (2008: 1,85) gesunken. In Ostdeutschland um 2,7 Prozent, im Westen um 2,05 Prozent. Während die Wochenzeitungen um 1,53 Prozent zulegten, verzeichneten alle übrigen Kategorien Rückgänge. Überregionale Zeitungen -1,06, regionale Abonnementzeitungen -1,83, Sonntagszeitungen -1,94, Kaufzeitungen -5,26.
Geschäftsentwicklung 2008
Bereits im letzten Quartal 2008 sei die Finanz- und Wirtschaftskrise vor allem im Werbemarkt stark spürbar gewesen, erklärte der Geschäftsführer Verlagswirtschaft des BDZV, Jörg Laskowski. Die Umsätze aus Anzeigen und Beilagen seien um 4,1 Prozent auf 4,64 Millionen Euro zurückgegangen. Die Vertriebsumsätze seien um 2,6 Prozent auf 4,37 Milliarden Euro gestiegen. Die Auflagenrückgänge seien durch Preisanpassungen kompensiert worden. Der Gesamtumsatz von 9,1 Milliarden Euro entspreche, so Laskowski, dem Niveau von 1995. Vor allem angesichts der Kostenentwicklung sei dieses Ergebnis nicht zufriedenstellend. Für das laufende Jahr sei mit weiteren Umsatzausfällen zu rechnen.
Reichweitenentwicklung Print und Online
Mit einer Gesamtauflage von über 25 Millionen Exemplaren erreichen allein die gedruckten Zeitungen 76 Prozent der über 14-Jährigen – davon 73 Prozent täglich. Hinzu komme die weiter wachsende Zahl von Onlinenutzern, erklärte der Leiter Kommunikation + Multimedia beim BDZV, Hans-Joachim Fuhrmann. Hier konnten die Zeitungen laut Arbeitsgemeinschaft Online Forschung AGOF ihre Reichweite im Vergleich zum Vorjahr um drei Prozent auf 41 Prozent steigern (2008: 38 Prozent). Mit anderen Worten: 17,3 Millionen Internetnutzer in Deutschland gehen regelmäßig auf Zeitungswebsites (2008: 15,5). Dabei gebe es wenige Überschneidungen, führte Fuhrmann aus. Der Anteil derjenigen, die beide Medienangebote nutzten, liege bei zehn bis 15 Prozent. Im Internet erreichten die Zeitungsmarken ein zum größten Teil neues und vor allem auch jüngeres Publikum.
09. Juli 2009