Mobile Research: Mythos und Realität der Onlineforschung
Mythos 1: Onlinestudien per Computer sind ein „Auslaufmodell“ und werden durch Befragungen per Smartphone substituiert / Mythos 2: Befragungen mit dem Smartphone erfolgen überwiegend unterwegs / Mythos 3: Für Mobile-Studienteilnehmer kommt nur die Teilnahme per Smartphone in Frage / Mythos 4: Auf die Zusammensetzung der Gerätenutzung kann kaum Einfluss genommen werden
Laut Arbeitskreis Deutscher Markt- und Sozialforschungsinstitute e.V. (ADM) wurden im Jahr 2018 ca. 40% aller Interviews online durchgeführt und dominierten somit sowohl telefonisch durchgeführte (28 %) als auch persönliche Befragungen (23 %). Innerhalb der Onlinestudien wird in den letzten Jahren ein höherer Anteil von Mobile Research (Teilnahme mit mobilem Endgerät) beobachtet. Die steigende Bedeutung der mobilen Onlineforschung bringt ebenfalls Herausforderungen und Diskussionspotenzial für die Forschenden mit sich. Gleichzeitig wird ein Bild skizziert, bei dem zukünftige Onlinestudien primär über mobile Endgeräte ablaufen werden. Auf Basis empirischer Ergebnisse sollen die wichtigsten Mythen zum Thema Mobile Research überprüft werden:
Die Ergebnisse der Untersuchung im Überblick:
Mythos 1: Onlinestudien per Computer sind ein „Auslaufmodell“ und werden durch Befragungen per Smartphone substituiert
Zwar haben die Anteile an Onlineinterviews per Smartphone in den letzten Jahren zugenommen, von einer Dominanz kann aber nicht die Rede sein. Die Beobachtung eines sehr heterogenen Mobilanteils in Onlinestudien kann Johannes Hercher, Vorstand der Rogator AG, durch interne Analysen bestätigen. Durch die Untersuchung von fast 400 Onlinestudien, die im Zeitraum von 2016 bis 2020 bei Rogator durchgeführt wurden, ließ sich feststellen, dass lediglich 15 % der Studien ohne Mobilanteil stattfanden. 50 % der Studien wiesen einen Mobilanteil von höchstens 5 % auf. Ca. 14 % der Studien hatten einen Mobilanteil von mind.
50 % und 10 % erfolgten ausschließlich über Smartphones. Dabei gilt es jedoch zu beachten, dass die ausgewerteten Projekte überwiegend aus dem B2B-Bereich stammen und diese Tendenzen im B2C-Bereich anders gestaltet sein könnten.
Mythos 2: Befragungen mit dem Smartphone erfolgen überwiegend unterwegs
Trotz der Tatsache, dass ein Großteil der Menschen regelmäßig mobil im Internet vertreten ist, präferieren die meisten Personen für die Teilnahme an Online-Befragungen überwiegend ein Notebook bzw. einen Desktop-PC. Diese Erkenntnisse lassen sich durch die Studienergebnisse von Rogator und exeo zur Akzeptanz und Präferenz von unterschiedlichen Gerätetypen in einer gemeinsamen Online-Studie über insgesamt fünf Untersuchungswellen aufzeigen. Die Analyse verdeutlicht, dass das Smartphone nicht das primäre Gerät der Wahl für die Studienteilnahme darstellt (B2C, Access Panel). Auch in der Gruppe der Smartphone-Besitzer entscheidet sich die Mehrheit der Studienteilnehmer (70 %) gegen eine Teilnahme per Smartphone. Insgesamt werden 85 % der Interviews zuhause durchgeführt und nicht unterwegs (mobil) oder am Arbeitsplatz. Selbst bei den Teilnehmern per Smartphone erfolgt die Teilnahme an der Befragung in 70 % der Fälle zuhause und somit nicht unterwegs bzw. an einem „mobilen“ Befragungsort.
Mythos 3: Für Mobile-Studienteilnehmer kommt nur die Teilnahme per Smartphone in Frage
Wenn es eine ausgeprägte Präferenz für einen speziellen Gerätetyp gibt, dann ist das der Wunsch, das Online-Interview per Desktop oder Notebook durchzuführen. Während im Mittel 24 % der Studienteilnehmer (Pricing Lab 2019) mobil teilnehmen, sind dies in der Altersgruppe unter 30 Jahre 52 %. Selbst in dieser Altersklasse kann nicht von einer eindeutigen Bevorzugung des Smartphones gesprochen werden. In den letzten Untersuchungswellen wurden jeweils die aktuelle Gerätenutzung und die Akzeptanz unterschiedlicher Gerätetypen erfasst. Dabei zeigt sich: Etwa 80-90 % der Probanden akzeptieren als Endgerät grundsätzlich einen Desktop-/Laptop-PC für das Interview, während der Vergleichswert für das Smartphone nur gut 40 % beträgt. Nur jeder fünfte Studienteilnehmer, der aktuell ein Smartphone für die Durchführung nutzt, gibt an, dass eine Befragung über Desktop oder Notebook nicht in Frage kommt. Ein Blick auf die zurückliegenden Studienteilnahmen der Befragten zeigt: Der Wechsel des Endgeräts ist weit verbreitet. Vor diesem Hintergrund lässt sich auch die vielfach aufgestellte These, erhebliche Teile der Gesamtzielgruppe seien nicht erreichbar, falls eine Teilnahme per Smartphone nicht möglich ist, nicht bestätigen. Nur jeder zweite Teilnehmer per Smartphone hat frühere Studien ausschließlich per Smartphone durchgeführt.
Mythos 4: Auf die Zusammensetzung der Gerätenutzung kann kaum Einfluss genommen werden
Die „Mobile-First-Strategie“ empfiehlt, Design und Inhalte von Websites primär für die Darstellung auf mobilen Endgeräten zu konzipieren. Auf Online-Befragungen bezogen, verspricht „Mobile First“ somit eine größere Teilnahmebereitschaft, die leichtere Ansprache jüngerer Zielgruppen sowie gesteigerte Rücklaufquoten, um nur einige der zahlreichen Vorteile zu nennen. Die sicherste Lösung wäre es, eine Umfrage immer für das kleinstmögliche Display zu konzipieren, denn was in einer kleinen Darstellungsform funktioniert, funktioniert mit Sicherheit auch auf einem großen Bildschirm. Jedoch eignet sich nicht jedes Befragungsthema für eine mobile Teilnahme. Hieraus leitet sich die Notwendigkeit ab, die Eignung einer Umfrage für die Durchführung auf mobilen Endgeräten im Vorfeld sorgfältig zu überprüfen und deren Qualität im Hinblick auf das Forschungsziel sicherzustellen. Das von Rogator und exeo entwickelte Tool „MobileScore“ hilft zum Zeitpunkt der Studienplanung, die Eignung des Fragebogens in Hinblick auf eine Smartphone-Teilnahme zu bewerten. „Somit kann bereits vor der Umfrage deren Qualität sichergestellt werden. Hier zählt Quality First anstatt Mobile First“, betont Prof. Dr. Andreas Krämer, CEO der exeo Strategic Consulting AG und Professor an der University of Applied Sciences in Iserlohn als Co-Autor der Studie Pricing Lab.
Das Tool wurde im Oktober 2018 von Rogator auf der Research & Results in München präsentiert und verzeichnete bisher Nutzerzahlen von knapp 3.000 Anwendern – Tendenz steigend.