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Marketing in der App-Economy

Kleine Software-Anwendungen, so genannte Applikationen (Apps), revolutionieren die digitale Industrie und damit auch das Marketing.
Matthias Berger | 23.11.2011
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Online-Marketing Band 2:
http://TopOnlineExperten.de



Kleine Software-Anwendungen, so genannte Applikationen (Apps), revolutionieren die digitale Industrie und damit auch das Marketing. Apps können einfach alles und werden inzwischen auf verschiedenste Endgeräte übers Internet geladen. Über fünfzig Milliarden App Downloads weltweit werden für 2012 prognostiziert. Der Internetzugang über mobile Endgeräte wird mehr genutzt werden, als über Desktop-PCs und Notebooks. Allen voran etablieren sich die Smartphones. Allein 468 Millionen werden laut Gartner weltweit in 2011 verkauft. Daneben entstehen App-Stores auch für Desktop-PC-Anwendungen, Spielekonsolen, Fernsehgeräte und selbst auf normale Telefonapparate lassen sich Apps laden und durch Skype, Facebook und Wettervorhersagen aufwerten. App-fähige Endgeräte werden zum Massenmedium.


Überangebot an Software

Die Zahl der verfügbaren Applikationen explodiert. Durchschnittlich werden acht neue Apps pro Monat von den Usern geladen. Der Kampf um den Weg auf die Endgeräte hat begonnen, meist nur über eine Listung in den „Top 10“ des Stores zu gewinnen. Um derzeit mit einer kostenlosen App im APPLE iTunes Store unter die Top 25 zu kommen, sind durchschnittlich mehr als 50.000 Downloads notwendig. Täglich. Die eigentliche Kunst ist aber, nicht nur den User zur Installation der App zu bringen, sondern ihn von der regelmäßigen Nutzung zu begeistern.

Schwer macht es der stark fragmentierte Markt: Es existieren über 4.500 Endgeräte mit teilweise unterschiedlichen Software- und Hardware-Komponenten und derzeit fünf bis sechs relevante mobile Betriebssysteme und Appstores und damit auch Philosophien der Betreiber.

Dies alles stellt Marketingentscheider und Entwickler vor große Herausforderungen. Der Einsatz als Marketing-Allzweckwaffe muss strategisch und konzeptionell sehr gut geplant werden.


Es müssen nicht immer „echte“ Apps sein

Die jeweiligen Apps sind technisch nicht kompatibel. Kaum ein Software-Anbieter oder eine Agentur bieten plattformübergreifende Lösungen an oder können alle Systeme bedienen. Die Entscheidung, welches Betriebssystem, welche Endgeräte bedient werden sollen, definiert ihr Markt und ihre Zielgruppe. Hat man es mit einer Business-to-Business (B2B)-Zielgruppe zu tun, muss mindestens für Apple und Blackberry entwickelt werden, Business-to-Consumer (B2C) für Android und Windows. Man hat es also schnell mit zwei bis sechs eigenen Softwareprojekten bei der Herstellung, aber auch später bei der Wartung und den Aktualisierungen zu tun. Ökonomisch gesehen ist es oft nicht effizient möglich, eine hohe Reichweite zu erzielen.

Kurzfristige Abhilfe können Mobile Websites in HTML5 und CSS3 schaffen. Allerdings teilen eben viele die Auffassung, dass beide Entwicklungen notwendig sind. Einer der Vorreiter ist der CEO von Yum Brands (PizzaHut) David C. Novak: „Apps are for loyalists and the mobile web is for customer acquisition“. Der Browser bleibt auch mobil langfristig der Erstkontaktpunkt zwischen Unternehmen, Marke und Interessenten.


Nachfolgend weitere Vor- und Nachteile der beiden Ansätze [1]:

Plattformübergreifende App-Lösungen sind kostengünstiger und besitzen einen geringeren Pflegeaufwand. Software wie Smart Web-App von Yoc oder Cross-App von Convisual helfen dabei. Aber Differenzierung, Alleinstellungsmerkmale, Mehrwerte und nachhaltiger Nutzen ist nur durch bestmöglichen Zugriff auf die spezifischen Gerätemerkmale, also durch gerätespezifische Apps, herstellbar.

Alternativ können Apps via HTML5, die sich wie Apps verhalten, eingesetzt werden. Teile der Leistungen, beispielsweise der Zugriff auf Datenbanken oder Buchungssysteme, wird über das Internet ermöglicht. Distribution, Pflege und Wartung sind wesentlich effizienter, gleichzeitig ist das Look und Feel wie bei echten Apps.

Im Kern jeder Strategie sollten auf jeden Fall mobile und Touch-optimierte Seiten stehen, die über internetfähige Geräte jeder Art genutzt werden können, für das Smartphone und Tablet, den Fernseher im Wohnzimmer, den Radiowecker am Bett, das Telefon am Arbeitsplatz oder das Navigationsgerät im Auto. Hierfür wird sich jeder mit jeder Technologie beschäftigen und über einen individuellen Stufenplan seine Erfahrungen sammeln müssen. Fest steht, dass aufwendige Websites in Zukunft nur noch die Ergänzung bilden. Mobile ist einzigartig und erfordert eigene Ideen, und nicht nur eine verkleinerte Version der Website. Es gilt „Mobile First“.


Einsatzmöglichkeiten für Unternehmen

Vor der Entscheidung für welches der Betriebssysteme oder welchen Weg eine App entwickelt wird, ist die Prüfung und Ausarbeitung der grundsätzlichen Konzepte, Einsatzmöglichkeiten und Zielgruppenansprache relevant. Je nach Strategie und Idee finden sich dann auch die geeignetsten technischen Lösungen.

Think Big: Die Möglichkeiten mit Apps betreffen alle Bereiche eines Unternehmens und alle Themen des Marketings. Apps können interne Prozesse unterstützen, Kundenbeziehungen verbessern, Kosten durch Selfservices senken, aber natürlich auch Marken inszenieren oder direkt abverkaufen. Apps sind nicht ausschließlich Werbemedium, sondern so universell wie das Internet selbst.

Das grundsätzliche Vorgehen in Ihrer App-Strategie kann auf vier Säulen basieren:

1. Optimierung des stationären Webauftritts in Richtung mobiler und app-fähiger Endgeräte. Ist allerdings angesichts der 4.500 verschiedenen Devices komplex.
2. Durch Mobile Marketing auf die mobilen Seiten lenken.
3. Entwicklung mindestens einer App mit entsprechend differenzierendem Nutzwert.
4. Nutzung der mobilen und app-fähigen Endgeräte als Geschäftswerkzeug.

Stellen Sie sich immer die Frage, wo und wie alle Ihre internen und externen Zielgruppen mit Ihrem Unternehmen, der Marke verbunden sind. Und in welchen (mobilen) Situationen Sie dabei sind. Die App-Nutzung ist immer verhaltensorientiert oder situationsbedingt. Dadurch wird Service wesentlich wichtiger als Information oder werbliche Kommunikation. Die App muss etwas Wertvolles, eine Unterstützung im (täglichen) privaten oder beruflichen Leben der Zielgruppe darstellen.

Es geht also absolut nicht um Werbung, sondern um die Herausforderung, die jeweilige Situation oder das markenrelevante Verhalten mit entsprechenden Mehrwerten anzureichern. Dies kann in Verbindung mit der Aktualität der Situation sein, also der Lieferung sofort verfügbarer Informationen. Oder der Kombination des Verhaltens mit dem sozialen Netzwerk des Nutzers. Oder in Kombination mit dem Ort und der Zeit des Nutzers. Oder alles zusammen, gepaart mit passenden Unternehmensprozessen, wie zum Beispiel Buchungssystemen.

App-Marketing wird sich deshalb auch mehr in Richtung konkreter Businessmodelle entwickeln, die reine physikalische Produkte zu Produkten mit integrierten Marketing- und Kommunikationsservices komplettieren.


Kosten einer App

Unabhängig von der Plattform können drei grobe Kostendimensionen identifiziert werden, die zur Einordnung von Idee und Funktionalität genutzt werden können. Wird die Idee für eine weitere Plattform umgesetzt, sollte das Budget um mindestens weitere zwei Drittel erhöht werden. Nicht vergessen werden sollte ein entsprechendes Mediabudget zur Bekanntmachung der App, das im Minimum genauso hoch sein sollte, wie die Entwicklungskosten selbst. Und als dritter Kostenfaktor ist die laufende Pflege und der Ausbau zu berücksichtigen, hier sind ebenfalls mindestens die Entwicklungskosten pro Jahr anzusetzen.

Die nachfolgend genannten Größenordnungen bei der Entwicklung einer App müssen also mindestens mal drei genommen werden, um Aussicht auf Erfolg in der App-Economy zu haben.


Erfolgsfaktoren

Stellen Sie sicher, dass die App einen bestimmten Nutzen erfüllt, einen relevanten Service oder Entertainment oder beides: Ist die Idee spielbar? Bringt es Menschen zum Lachen oder liefert ihnen Zugang zu hervorragenden außerordentliche Inhalten? Besitzt die App eine hervorragende eindrucksvolle Usability? Können die Inhalte nachhaltig als Referenz dienen? Aktualisiert sich der Content automatisch oder wächst er mit der Zeit? Kann der Content Social Web-Aktivitäten bereichern oder mit ihnen interagieren? Löst die App ein Problem? Passt die App zu einem bestimmten Nischenzielgruppenbedürfnis? Ist es neu, innovativ oder wertet es eine bestehende Idee, Anwendung entscheidend auf? Holt sie ein Maximum aus Hard- und Software heraus? Bietet die App etwas, das ihre Website nicht bietet?

Denken Sie mehr in einer Plattform, nicht in einer Kampagne, langfristig. Sichern Sie die Ressourcen für regelmäßige Updates und neue Features, reagieren Sie auf Kommentare und Wünsche der User.

Entwickeln Sie lokal relevanten Content. Marktspezifisch, in der Landessprache, passend zur jeweiligen Kultur und Endgeräteausstattung des Marktes. Die durchschnittliche Steigerung der Downloadzahlen liegt zwischen 18 Prozent und 22 Prozent, wenn die App in Landessprache angeboten wird.

Geben Sie Agenturen und Entwicklern ausreichend Zeit und Budgets für gut durchdachte Konzepte, Planung, deren Umsetzung und das Testing.

Gliedern Sie Ihre App-Strategie in die Gesamtmarketingstrategie Ihres Unternehmens ein. Machen Sie die App in sämtlichen Kanälen, extern und intern, bekannt.

Und zum Schluss: Hören Sie nie auf zu entwickeln! Nutzen Sie neue Trends, probieren Sie Dinge aus. Ein Schritt in die App-Economy ist notwendig und wird niemals abgeschlossen sein. Nach dem Launch der App folgt bereits die Optimierung und Entwicklung weiterer Apps. Aber das kennen Sie ja bereits alles aus dem Online-Marketing.


Literatur

[1] Quelle: Mobile Business, Ausgabe 3/11
Dudda, Klaus (Hrsg): Mobile Business, Monatlich erscheinendes Trend-Magazin für mobiles Management. – Medienhaus Verlag, Bergisch Gladbach.
Koller, Dirk: iPhone-Apps entwickeln: Applikationen für iPhone, iPad und iPod touch programmieren – Von der Idee zum App Store: So realisieren und vermarkten Sie Ihre Apps! – 360 S., Franzis Verlag, 2011.
Wooldridge/Schneider: The Business of iPhone and iPad App Development: Making and Marketing Apps that Succeed. – 480 S., Apress, 2011.
Küllenberg/Quente: Brand’s New Toy. Kreative Markenkommunikation mit Handy & Co. – 326 Seiten, mi-Fachverlag, 2006.
ReadWriteWeb: Einer der populärsten Technologie Blogs weltweit – http://www.readwriteweb.com/mobile/
Kutschka, Christian: app-economy – Der Blog für die neue app-wirtschaft – http://www.app-economy.com/
The Next Web Blog: Seit 2008 ein Spin-off der gleichnamigen Konferenz. Einer der Top 20 weltweit wichtigsten Technologie-Blogs – http://thenextweb.com/apps/
Cashmore, Pete: Mashable – Eine der Top Ressourcen für News in Social und Digital Media, Technology und Web Culture – http://mashable.com/mobile/