Marketing 2009
Marketing ist jedenfalls keine Kundenorientierung!
Und platzt die Versachlichungsblase irgendwann?
Welches Image hat Marketing eigentlich?
Fragen wir Menschen mit unterschiedlichen Berufen:
Der Controller:
„Marketing ist Wischiwaschi und soll endlich richtige Zahlen liefern, damit ich seine Rentabilität berechnen kann.“
Der Ingenieur:
„Marketing ist nur was für Firmen, die keine leistungsfähigen Produkte entwickeln können.“
Der Designer: „Marketing ist ganz leicht. Berater reden nur drüber – ich mach es einfach.“
Der Sozialkundelehrer:
„Marketing ist der Versuch der Wirtschaft, den Bürgern noch mehr überflüssige Produkte zu verkaufen.“
Der BWL-Student:
„Für die Spezialisierung Marketing haben sich bei uns die entschieden, die zu doof für Rechnungswesen oder zu faul zum Lernen sind.“
Von den Antworten erfahren wir vergleichsweise viel über die Menschen. Vom Marketing erfahren wir nur, dass das Spektrum – überspitzt formuliert – von „nichtsnütziger Labertasche“ bis „allmächtiger Manipulator“ reicht.
Selbstbild und Praxis
Nach der Selbstdefinition des Marketings betreibt bereits jedes Unternehmen ganz automatisch Marketing – sofern es auf Märkten agiert.
Je stärker der Wettbewerb in einer Branche, desto höher entwickelt ist auch das Marketing. Auf reifen Märkten ist das Marketing besonders ausgefeilt. Auch ein Preiswettbewerb kommt nicht ohne Marketing aus: Nicht nur dass die Preispolitik als Teil des Marketings definiert wird, Kampfpreise ohne Kommunikationspolitik sind schlichtweg undenkbar. Auch regelmäßige echte Produktinnovationen (Herr Ingenieur!) zählt das Marketing zu seiner Produktpolitik.
Nur wenn das Marketing eines Unternehmens Spezialwissen erfordert, bildet sich eine Fachabteilung aus.
Anders als in der Theorie unterscheidet die Unternehmenspraxis deutlich zwischen Vertrieb, Unternehmenskommunikation und Marketing.
Vertrieb ist nun einmal zuerst da gewesen, das Marketing kam später dazu. Deshalb muss das Marketing sich in vielen Organisationen dem Vertrieb an die Seite stellen oder gar unterordnen. In zweiten Fall wird Marketing auf die Erstellung unterstützender Kommunikationsmittel reduziert.
Der Eiserne Vorhang zwischen Marketing und Unternehmenskommunikation (wahlweise auch Öffentlichkeitsarbeit oder PR) kommt aus dem Medienrecht, wonach eine klare Trennung zwischen Redaktionsarbeit und Anzeigengeschäft vorzunehmen ist. Außerdem begreift sich die Unternehmenskommunikation umfassender, da sie Kunden nur als eine unter vielen Bezugsgruppen sieht.
Strategisches Marketing
Wenn Laien Marketing wahrnehmen, dann nur in Form operativer Maßnahmen: Werbung, Sonderaktionen, Messestände, ein Logo, eine Kundenzeitschrift.
Was sie nicht sehen können ist die dahinter stehende Strategie – manchmal gibt es allerdings auch keine.
Positionierung, Zielsetzung und Marschrichtungsbestimmung müssen jeder Überlegung zu Instrumenten, Maßnahmen und Medien vorausgehen. Ohne Strategie können Marketingmaßnahmen wirkungslos bis schädlich sein. Wenn der Standpunkt falsch bestimmt oder die Marschrichtung verkehrt ist, hilft auch keine „Marketingexzellenz“ – Sie tun die falschen Dinge richtig.
Noch immer passiert es, dass Unternehmen in ihrer Orientierungslosigkeit einfach eine neue Werbekampagne lancieren, wie es 2008 die Adam Opel GmbH vorgeführt hat. Noch so gut gemachte Kampagnen nützen nichts, wenn sie keine klare Botschaft übermitteln oder die Botschaft zwar klar ist, aber ins Leere läuft. Die Botschaft ist nur dann etwas wert, wenn sie entweder eine gewollte Einstellung bzw. erwünschte Vorstellungswelt bestätigt und aktualisiert (Verführung) oder eine ungewollte Einstellung durch Irritation stört. Letzteres wäre bei Opel der Fall, wenn ausreichend viele Menschen über die neue Werbekampagne zu einer Einsicht gekommen wären wie „Mensch, na klar – das sind wirklich gute Autos und wenn ich einen Opel fahre, demonstriere ich Souveränität gegenüber dummen Klischees. Noch heute gehe ich zum Opel-Händler (und vergleiche nicht erst Preise und Leistungsdaten, um dann am Ende doch einen Dacia oder Kia zu kaufen).“ Leider verkauften sich die Fahrzeuge – wenn überhaupt – eher aufgrund von Null-Prozent-Finanzierung, Tankgutscheinen oder Gratis-Extras. Wohin das geführt hat, wissen Sie selbst. Das Problem ist die Marke, und die lässt sich eben nicht mal eben durch eine Werbekampagne „neu aufladen“. Markenführung gehört in die Hände kompetenter Manager, keinesfalls in die von Werbeagenturen!
Marketingdienstleister entwickeln keine Marketingstrategien. Agenturen fangen erst auf Maßnahmenebene an zu denken. PR-Agenturen können freilich Kommunikationsstrategien für einen Krisenfall oder temporäre Aktivitäten aufstellen – nicht jedoch Gesamtstrategien für die Unternehmskommunikation.
Bleiben wir beim Zweig der Kommunikationsstrategie: Aus der Strategie wird die Kommunikationsbotschaft abgeleitet und erst dann folgen Überlegungen zur Übermittlungsweise. Unternehmen gehen unstrategisch vor, wenn sie sich fragen: „Wir wollen Werbung schalten, was ist unsere Botschaft?“ oder „Wir sind Sponsor vom 1.FC Bubbelshausen, wo können wir überall unser Logo raufmachen?“
Die Reihenfolge der Überlegungen muss um 180 Grad gedreht werden: Zuerst kommt die Botschaft: „Wir sind die Experten für ABC“. Erst dann folgt die Fragestellung: „Was ist für unsere Botschaft das geeignete Verbreitungsmedium?“
Gegenstand des strategischen Marketings ist übrigens nicht das Produkt eines Unternehmens. Das Produkt ist nur Mittel zum Zweck. Es dient dem Markterfolg seines Herausgebers. Wenn man bei Opel glaubt, 26 neue Modelle könnten die Marke retten, haben sie zwar in der Reihenfolge richtig gedacht, aber die falsche Schlussfolgerung gezogen.
Definitionsgrößenwahn
Marketing sollte allerdings auch nicht all zu großspurig definiert werden: Laut einschlägiger Lehrbücher ist es eine allumfassende Managementfunktion, die sowohl auf die gesamte Unternehmensumwelt als auch nach Innen ausgerichtet sei.
Eine Definition die nahezu alles einschließt ist nutzlos, weil sie Marketing von anderen Unternehmensfunktionen ununterscheidbar macht.
Es wird sicher viele überraschen, aber Kundenorientierung gehört nicht zum Marketing. Kundenorientierung ist so alt wie Handel und Geschäft. Das Marketing hat sich jedoch erst in den letzten 100 Jahren ausdifferenziert.
Liebe Professorinnen und Professoren, tun Sie Ihrer Disziplin den Gefallen und nehmen Sie ab jetzt eine scharfe Abgrenzung des Marketings von General Management, Business Development und Kundenorientierung vor!
Das Business Development übersetze ich einfach mit „Ausarbeitung des Geschäftsmodells“. Es hat freilich sowohl Schnittmengen zur Kundenorientierung als auch zum strategischen Marketing. Der Schwerpunkt seiner Perspektive – und genau darauf kommt es an! – liegt in den Verknüpfungen zu Quellen der Leistungserstellung (Kernkompetenzen, Geschäftsprozesse, Wertschöpfungspartner), zur Kostenstruktur und zum Ertragsmodell.
Die Kundenorientierung blendet die Sachzwänge der Organisation komplett aus und geht von gegebenen Kundenbedürfnissen bei minimalen Marktgestaltungsmöglichkeiten aus.
Das Marketing blendet die Innenperspektive ebenfalls weitgehend aus – mit Ausnahme der Kernkompetenzen, die es auf kommunikable Unterscheidungsmerkmale abklopft (Alleinstellung, USP). Im Gegensatz zur Kundenorientierung geht Marketing – und oft passiert dort der Fehler der Vermischung mit der Kundenorientierung! – eben gerade nicht von gegebenen expliziten Kundenbedürfnissen aus, sondern fragt danach, wie das Unternehmen eine vorteilhafte Rolle im Spannungsfeld von Markt und Wettbewerb spielen kann. Marketing unterstellt ein Maximum an Wahlfreiheit bei der Marktgestaltung.
Alle drei Perspektiven müssen deutlich voneinander unterschieden werden, damit sie ihre jeweiligen Vorzüge voll entfalten und ihren bestmöglichen Leistungsbeitrag für das Unternehmen liefern können. Sie sollten sinnvollerweise vom General Management zusammengeführt werden.
Der strategische Anspruch eines langfristig vorausschauenden Marketings steht nicht im Widerspruch zur klaren Abgrenzung von Business Development und Kundenorientierung. Alle drei Zweige haben schließlich dem Markterfolg des Unternehmens zu dienen.
Blase Versachlichung
Die Marketingperspektive hat das Ziel, Antworten darauf zu liefern, mit welchen Geschäftsfeldern (Produkten, Dienstleistungen, Kundengruppen) ein Markterfolg so hoch und so wahrscheinlich wie möglich ist. Da weder das eine noch das andere mit Bestimmtheit vorhergesehen werden kann, muss es entschieden werden.
Vor diesem Hintergrund scheint es absurd, dass sich Marketingakteure bei nachgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette absichern müssen. Weil Organisationen aber aus miteinander kommunizierenden Entscheidungen bestehen, bleibt Marketingarbeitern oft nichts anderes übrig, als die Krücke der Versachlichung (=die Sprache der Bürokratie) zu wählen wenn sie ihre Entscheidungen in der Unternehmensorganisation anschlussfähig machen wollen.
Damit befinden sie in einer vertrackten Situation, die vielen nicht einmal richtig bewusst ist. Denn Marktverhältnisse und das Verhalten von Kunden und Wettbewerb lassen sich nicht ohne grobe Übersetzungsfehler in eine Versachlichungssprache übertragen. Dieses Problem konnte die betriebswirtschaftliche Marketingtheorie übrigens bis heute nicht lösen und wird es auch in Zukunft nicht können.
Wenn die Versachlichung gerade noch zweckmäßig darin ist, ein Produkt oder ein Unternehmen als zu vermarktende Sache zu betrachten, so versagt sie spätestens dort, wo es denjenigen ins Blickfeld rückt, der dieses Produkt oder Unternehmen kennen, erinnern, mögen und bezahlen soll.
4-7-P und Marketingmix ignorieren als Modelle die Aspekte der Differenzierung, der Evolution und des Marketingprogramms, die allesamt unerlässlich sind, um die Wirksamkeit von Marketingfunktionen plausibel und glaubwürdig zu beschreiben.
Wer Marketing wirklich praktiziert und nicht nur am Reißbrett Bulletpoints auflistet, ist mit der zunehmenden Unmöglichkeit konfrontiert, mit objektiven Kriterien das Verhalten derer zu beschreiben, die über Geldausgaben entscheiden.
Gleichzeitig fordern Controller (Siehe oben) objektivierbare Kriterien zur exakten Bestimmung des Return-on-Invest. Marketingakteure verhalten sich wie im Märchen Des Kaisers neue Kleider und täuschen weiterhin sich und ihre Kollegen mit Pseudo-Beweisen. Professoren und Berater pulvern auf Kongressen und Tagungen ständig neue Messmethoden auf diesen virtuellen Markt. Aber der Wunsch nach Accountability kann nicht erfüllt werden, wo es an Countability fehlt.
Keiner kann vorhersagen, ob auch diese Blase irgendwann platzt. Es profitieren einfach zu viele davon und kein Akteur hat tatsächlich Interesse an einer Einsicht.
Fragen wir Menschen mit unterschiedlichen Berufen:
Der Controller:
„Marketing ist Wischiwaschi und soll endlich richtige Zahlen liefern, damit ich seine Rentabilität berechnen kann.“
Der Ingenieur:
„Marketing ist nur was für Firmen, die keine leistungsfähigen Produkte entwickeln können.“
Der Designer: „Marketing ist ganz leicht. Berater reden nur drüber – ich mach es einfach.“
Der Sozialkundelehrer:
„Marketing ist der Versuch der Wirtschaft, den Bürgern noch mehr überflüssige Produkte zu verkaufen.“
Der BWL-Student:
„Für die Spezialisierung Marketing haben sich bei uns die entschieden, die zu doof für Rechnungswesen oder zu faul zum Lernen sind.“
Von den Antworten erfahren wir vergleichsweise viel über die Menschen. Vom Marketing erfahren wir nur, dass das Spektrum – überspitzt formuliert – von „nichtsnütziger Labertasche“ bis „allmächtiger Manipulator“ reicht.
Selbstbild und Praxis
Nach der Selbstdefinition des Marketings betreibt bereits jedes Unternehmen ganz automatisch Marketing – sofern es auf Märkten agiert.
Je stärker der Wettbewerb in einer Branche, desto höher entwickelt ist auch das Marketing. Auf reifen Märkten ist das Marketing besonders ausgefeilt. Auch ein Preiswettbewerb kommt nicht ohne Marketing aus: Nicht nur dass die Preispolitik als Teil des Marketings definiert wird, Kampfpreise ohne Kommunikationspolitik sind schlichtweg undenkbar. Auch regelmäßige echte Produktinnovationen (Herr Ingenieur!) zählt das Marketing zu seiner Produktpolitik.
Nur wenn das Marketing eines Unternehmens Spezialwissen erfordert, bildet sich eine Fachabteilung aus.
Anders als in der Theorie unterscheidet die Unternehmenspraxis deutlich zwischen Vertrieb, Unternehmenskommunikation und Marketing.
Vertrieb ist nun einmal zuerst da gewesen, das Marketing kam später dazu. Deshalb muss das Marketing sich in vielen Organisationen dem Vertrieb an die Seite stellen oder gar unterordnen. In zweiten Fall wird Marketing auf die Erstellung unterstützender Kommunikationsmittel reduziert.
Der Eiserne Vorhang zwischen Marketing und Unternehmenskommunikation (wahlweise auch Öffentlichkeitsarbeit oder PR) kommt aus dem Medienrecht, wonach eine klare Trennung zwischen Redaktionsarbeit und Anzeigengeschäft vorzunehmen ist. Außerdem begreift sich die Unternehmenskommunikation umfassender, da sie Kunden nur als eine unter vielen Bezugsgruppen sieht.
Strategisches Marketing
Wenn Laien Marketing wahrnehmen, dann nur in Form operativer Maßnahmen: Werbung, Sonderaktionen, Messestände, ein Logo, eine Kundenzeitschrift.
Was sie nicht sehen können ist die dahinter stehende Strategie – manchmal gibt es allerdings auch keine.
Positionierung, Zielsetzung und Marschrichtungsbestimmung müssen jeder Überlegung zu Instrumenten, Maßnahmen und Medien vorausgehen. Ohne Strategie können Marketingmaßnahmen wirkungslos bis schädlich sein. Wenn der Standpunkt falsch bestimmt oder die Marschrichtung verkehrt ist, hilft auch keine „Marketingexzellenz“ – Sie tun die falschen Dinge richtig.
Noch immer passiert es, dass Unternehmen in ihrer Orientierungslosigkeit einfach eine neue Werbekampagne lancieren, wie es 2008 die Adam Opel GmbH vorgeführt hat. Noch so gut gemachte Kampagnen nützen nichts, wenn sie keine klare Botschaft übermitteln oder die Botschaft zwar klar ist, aber ins Leere läuft. Die Botschaft ist nur dann etwas wert, wenn sie entweder eine gewollte Einstellung bzw. erwünschte Vorstellungswelt bestätigt und aktualisiert (Verführung) oder eine ungewollte Einstellung durch Irritation stört. Letzteres wäre bei Opel der Fall, wenn ausreichend viele Menschen über die neue Werbekampagne zu einer Einsicht gekommen wären wie „Mensch, na klar – das sind wirklich gute Autos und wenn ich einen Opel fahre, demonstriere ich Souveränität gegenüber dummen Klischees. Noch heute gehe ich zum Opel-Händler (und vergleiche nicht erst Preise und Leistungsdaten, um dann am Ende doch einen Dacia oder Kia zu kaufen).“ Leider verkauften sich die Fahrzeuge – wenn überhaupt – eher aufgrund von Null-Prozent-Finanzierung, Tankgutscheinen oder Gratis-Extras. Wohin das geführt hat, wissen Sie selbst. Das Problem ist die Marke, und die lässt sich eben nicht mal eben durch eine Werbekampagne „neu aufladen“. Markenführung gehört in die Hände kompetenter Manager, keinesfalls in die von Werbeagenturen!
Marketingdienstleister entwickeln keine Marketingstrategien. Agenturen fangen erst auf Maßnahmenebene an zu denken. PR-Agenturen können freilich Kommunikationsstrategien für einen Krisenfall oder temporäre Aktivitäten aufstellen – nicht jedoch Gesamtstrategien für die Unternehmskommunikation.
Bleiben wir beim Zweig der Kommunikationsstrategie: Aus der Strategie wird die Kommunikationsbotschaft abgeleitet und erst dann folgen Überlegungen zur Übermittlungsweise. Unternehmen gehen unstrategisch vor, wenn sie sich fragen: „Wir wollen Werbung schalten, was ist unsere Botschaft?“ oder „Wir sind Sponsor vom 1.FC Bubbelshausen, wo können wir überall unser Logo raufmachen?“
Die Reihenfolge der Überlegungen muss um 180 Grad gedreht werden: Zuerst kommt die Botschaft: „Wir sind die Experten für ABC“. Erst dann folgt die Fragestellung: „Was ist für unsere Botschaft das geeignete Verbreitungsmedium?“
Gegenstand des strategischen Marketings ist übrigens nicht das Produkt eines Unternehmens. Das Produkt ist nur Mittel zum Zweck. Es dient dem Markterfolg seines Herausgebers. Wenn man bei Opel glaubt, 26 neue Modelle könnten die Marke retten, haben sie zwar in der Reihenfolge richtig gedacht, aber die falsche Schlussfolgerung gezogen.
Definitionsgrößenwahn
Marketing sollte allerdings auch nicht all zu großspurig definiert werden: Laut einschlägiger Lehrbücher ist es eine allumfassende Managementfunktion, die sowohl auf die gesamte Unternehmensumwelt als auch nach Innen ausgerichtet sei.
Eine Definition die nahezu alles einschließt ist nutzlos, weil sie Marketing von anderen Unternehmensfunktionen ununterscheidbar macht.
Es wird sicher viele überraschen, aber Kundenorientierung gehört nicht zum Marketing. Kundenorientierung ist so alt wie Handel und Geschäft. Das Marketing hat sich jedoch erst in den letzten 100 Jahren ausdifferenziert.
Liebe Professorinnen und Professoren, tun Sie Ihrer Disziplin den Gefallen und nehmen Sie ab jetzt eine scharfe Abgrenzung des Marketings von General Management, Business Development und Kundenorientierung vor!
Das Business Development übersetze ich einfach mit „Ausarbeitung des Geschäftsmodells“. Es hat freilich sowohl Schnittmengen zur Kundenorientierung als auch zum strategischen Marketing. Der Schwerpunkt seiner Perspektive – und genau darauf kommt es an! – liegt in den Verknüpfungen zu Quellen der Leistungserstellung (Kernkompetenzen, Geschäftsprozesse, Wertschöpfungspartner), zur Kostenstruktur und zum Ertragsmodell.
Die Kundenorientierung blendet die Sachzwänge der Organisation komplett aus und geht von gegebenen Kundenbedürfnissen bei minimalen Marktgestaltungsmöglichkeiten aus.
Das Marketing blendet die Innenperspektive ebenfalls weitgehend aus – mit Ausnahme der Kernkompetenzen, die es auf kommunikable Unterscheidungsmerkmale abklopft (Alleinstellung, USP). Im Gegensatz zur Kundenorientierung geht Marketing – und oft passiert dort der Fehler der Vermischung mit der Kundenorientierung! – eben gerade nicht von gegebenen expliziten Kundenbedürfnissen aus, sondern fragt danach, wie das Unternehmen eine vorteilhafte Rolle im Spannungsfeld von Markt und Wettbewerb spielen kann. Marketing unterstellt ein Maximum an Wahlfreiheit bei der Marktgestaltung.
Alle drei Perspektiven müssen deutlich voneinander unterschieden werden, damit sie ihre jeweiligen Vorzüge voll entfalten und ihren bestmöglichen Leistungsbeitrag für das Unternehmen liefern können. Sie sollten sinnvollerweise vom General Management zusammengeführt werden.
Der strategische Anspruch eines langfristig vorausschauenden Marketings steht nicht im Widerspruch zur klaren Abgrenzung von Business Development und Kundenorientierung. Alle drei Zweige haben schließlich dem Markterfolg des Unternehmens zu dienen.
Blase Versachlichung
Die Marketingperspektive hat das Ziel, Antworten darauf zu liefern, mit welchen Geschäftsfeldern (Produkten, Dienstleistungen, Kundengruppen) ein Markterfolg so hoch und so wahrscheinlich wie möglich ist. Da weder das eine noch das andere mit Bestimmtheit vorhergesehen werden kann, muss es entschieden werden.
Vor diesem Hintergrund scheint es absurd, dass sich Marketingakteure bei nachgelagerten Stufen der Wertschöpfungskette absichern müssen. Weil Organisationen aber aus miteinander kommunizierenden Entscheidungen bestehen, bleibt Marketingarbeitern oft nichts anderes übrig, als die Krücke der Versachlichung (=die Sprache der Bürokratie) zu wählen wenn sie ihre Entscheidungen in der Unternehmensorganisation anschlussfähig machen wollen.
Damit befinden sie in einer vertrackten Situation, die vielen nicht einmal richtig bewusst ist. Denn Marktverhältnisse und das Verhalten von Kunden und Wettbewerb lassen sich nicht ohne grobe Übersetzungsfehler in eine Versachlichungssprache übertragen. Dieses Problem konnte die betriebswirtschaftliche Marketingtheorie übrigens bis heute nicht lösen und wird es auch in Zukunft nicht können.
Wenn die Versachlichung gerade noch zweckmäßig darin ist, ein Produkt oder ein Unternehmen als zu vermarktende Sache zu betrachten, so versagt sie spätestens dort, wo es denjenigen ins Blickfeld rückt, der dieses Produkt oder Unternehmen kennen, erinnern, mögen und bezahlen soll.
4-7-P und Marketingmix ignorieren als Modelle die Aspekte der Differenzierung, der Evolution und des Marketingprogramms, die allesamt unerlässlich sind, um die Wirksamkeit von Marketingfunktionen plausibel und glaubwürdig zu beschreiben.
Wer Marketing wirklich praktiziert und nicht nur am Reißbrett Bulletpoints auflistet, ist mit der zunehmenden Unmöglichkeit konfrontiert, mit objektiven Kriterien das Verhalten derer zu beschreiben, die über Geldausgaben entscheiden.
Gleichzeitig fordern Controller (Siehe oben) objektivierbare Kriterien zur exakten Bestimmung des Return-on-Invest. Marketingakteure verhalten sich wie im Märchen Des Kaisers neue Kleider und täuschen weiterhin sich und ihre Kollegen mit Pseudo-Beweisen. Professoren und Berater pulvern auf Kongressen und Tagungen ständig neue Messmethoden auf diesen virtuellen Markt. Aber der Wunsch nach Accountability kann nicht erfüllt werden, wo es an Countability fehlt.
Keiner kann vorhersagen, ob auch diese Blase irgendwann platzt. Es profitieren einfach zu viele davon und kein Akteur hat tatsächlich Interesse an einer Einsicht.