LG Berlin: Mitstörerhaftung des Merchants für seinen Affiliate bei Spam
Ein Artikel von Rechtsanwalt Dr. Bahr, http://www.Dr-Bahr.com
Die Kanzlei-Infos hatten am 26.11.2005 (= http://shink.de/wg1r1j) berichtet, dass nach Ansicht des LG Berlins im Rahmen einer einstweiligen Verfügung (Beschl. v. 22.11.2005 - Az: 15 O 710/05) ein Merchant für das rechtswidrige Versenden von Spam-Mails seines Affiliates haftet.
Inzwischen hat der Merchant gegen die Entscheidung Rechtsmittel eingelegt, so dass das LG Berlin nunmehr im Wege eines Urteils mit Entscheidungsgründen (Urt. v. 08.02.2006 - Az: 15 O 710/05 = http://shink.de/mm1sq0) über den Sachverhalt zu entscheiden hatte.
Die Berliner Richter bejahen hier ebenfalls die Mitstörerhaftung des Affiliates:
"Ohne einen derartigen Hinweis, der im Übrigen auch nicht in der zwischen der Antragsgegnerin und ihren eigenen Affiliate-Partnern geschlossenen Vereinbarung enthalten ist (...), muss es aber als sich geradezu aufdrängend angesehen werden, dass Affiliate-Partner zur Erhöhung der Wirksamkeit ihrer Werbung von der lediglich passiv werbenden Website zu aktiven Werbemaßnahmen in der Form von E-Mails übergehen werden.
Dies gilt umso mehr, als es aus der Sicht des Gerichtes nahe liegt, dass eine Vielzahl von am Affiliate-Programm teilnehmenden Betreibern von Websites auch aktiv werbend durch die Übersendung von E-Mails tätig werden wird. Es ist aber, wie die Antragsgegnerin mit Recht betont, ihren technischen Möglichkeiten entzogen, solche Affiliate-Partner, die als Betreiber von Websites die Banner und Links erhalten haben, daran zu hindern, diese auch im Rahmen von E-Mail-Werbung einzusetzen. Erstaunlich aus der Sicht des Gerichts ist daher nicht die Verwendung des Links im Rahmen von E-Mail-Werbung, sondern der Umstand, dass nach dem Vorbringen der Antragsgegnerin der vorliegend streitgegenständliche Missbrauch der erste ihr bekannt gewordene Fall ist."
Und weiter:
"Zumindest ist jedenfalls von der Antragsgegnerin zu verlangen, dass sie dann, wenn ihr Rechtsverletzungen durch in ihrem Interesse unternommene Werbemaßnahmen eines Affiliate-Partners bekannt werden, sie sich nicht darauf beschränken darf, die konkrete Werbemaßnahme zu unterbinden und beispielsweise durch Beendigung der Beziehung zu diesem Affiliate-Partner Wettbewerbsstörungen durch diesen für die Zukunft auszuschließen.
Vielmehr ist sie nach Auffassung der Kammer verpflichtet, umgehend im Rahmen des ihr Möglichen und Zumutbaren die Maßnahmen zu ergreifen, die entsprechende Wettbewerbsverstöße durch die anderen Affiliate-Partner verhindern.
Dies ist zunächst einmal die unmissverständliche Aufklärung aller Affiliate-Partner, dass Werbung zugunsten der Antragsgegnerin durch unverlangte Übersendung von E-Mails zu unterbleiben hat. Eine entsprechende Verpflichtung ist in die zwischen den Affiliate-Partnern und dem jeweiligen Affiliate-Diensteanbieter geschlossenen Verträge aufzunehmen, um die Ernsthaftigkeit des Verbots zu unterstreichen, ist das vertragliche Verbot durch ein Vertragsstrafeversprechen zu sichern.
Darüber hinaus ist nach Ansicht der Kammer die Einhaltung der Unterlassungsverpflichtung durch die Antragsgegnerin durch Stichproben zu überwachen."
Die aktuelle Entscheidung weicht von den bisherigen ein wenig ab: Hier ging es um eine unerlaubte Spam-Mail, in der ein Affiliate für den Merchant, einen großen Versandkaus-Konzern, geworben hatte. Da der Merchant keine vertraglichen Verbote, insb. keine Vertragsstrafe, in seinen AGBs für solche Rechtsverletzungen vorgesehen hatte, haftet er nach Ansicht der Berliner Richter als Mitstörer.
Im Klartext: Regelt der Merchant durch entsprechende eindeutige Bestimmungen in seinen AGB, dass Spam-Mails nicht erlaubt sind und Verstöße entsprechend geahndet werden, wird man eine Mitstörerhandlung nur noch schwerlich bejahen können. Anders als bei den sonstigen Mitstörer-Entscheidungen hat es somit der Merchant hier selber in der Hand, seine Haftung auszuschließen.
Ein ungutes Gefühl hinterlässt jedoch der folgende Satz des LG Berlins, der am Rande erwähnt wird:
"In Ansehung des Umstandes, dass die Antragsgegnerin die Werbung über die Affiliate-Partner ausschließlich im eigenen ökonomischen Interesse betreibt, mag es, was die Kammer jedoch dahinstehen lässt, bereits zweifelhaft erscheinen, ob nicht jedenfalls grundsätzlich von der Antragsgegnerin eine der Veröffentlichung von Werbung durch die Affiliate-Partner vorangehende Prüfung zu erfolgen hat."
Danach müsste der Merchant jede Werbung des Affiliate im Vorwege überprüfen. In der Praxis natürlich ein unmögliches Unterfangen.
Die Kanzlei Dr. Bahr unterhält mit Affiliate & Recht (http://www.AffiliateundRecht.de) ein eigenes Info-Portal zum Bereich der Affiliates, Merchants und Affiliate-Netzwerke.