Ingame-Advertising Neue Wege zur Zielgruppe
Dieser Fachartikel erschien im Leitfaden Online-Marketing
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Sie beherrschen die Strecke wie im Schlaf. Alle Anzeigen im Blick, jede Berührung des Steuerknüppels sitzt. Hinter der Haarnadelkurve kommt dieses Hochgefühl, das sich in jedem makellosen Spiel einstellt. Wenn das die Jungs sehen könnten! Dann bricht Ihre Konzentration für den Bruchteil einer Sekunde und Ihr Blick bleibt an einem Werbeplakat hängen. In der nächsten Runde fahren Sie rechts ran. Die Werbung für das neueste Geschäfts-Handy war ihnen schon „draußen“ aufgefallen. Und jetzt ist es zum Greifen nah - sogar mit einem Rabattgutschein für den Onlineshop des Herstellers. Sie heben die Hand, um das Plakat zu berühren, das Sie aus dem Rennspiel auf Ihrer vernetzten Spielkonsole direkt zur Webseite des Handy-Anbieters bringt.
Am nächsten Abend ist Ihr Platz an der Konsole schon besetzt: Auch Ihre 16-jährige Tochter liebt Rennspiele - eine gefährliche Gegnerin im 1:1-Modus. Sie werfen einen Blick über ihre Schulter. Sie meistert die Haarnadelkurve mit Bravour und reißt die Hände mit dem Kontroller in einer kurzen Triumphgeste nach vorne. Dann fällt ihr Blick auf eine Plakatwand am Spielfeldrand: ein rasanter Scooter! Immerhin sind es noch zwei Jahre bis zum Auto-Führerschein ...
Dies könnte der Traum eines Marketingleiters sein: eine Werbefläche in Toplage, die seine Kampagne nur den Passanten zeigt, für die sie Relevanz hat. Die Ziel-gruppe seines Unternehmens nimmt das Produkt in einer positiv aufgeladenen Situation wahr und ist nur einen Klick von der Transaktion entfernt. Für sein Kampagnenziel irrelevante Zielgruppen überlässt er gern anderen Anbietern und minimiert so die Streuverluste.
Die Zielgruppe spielt - spielen Sie mit?
Ingame-Advertising - Werbung innerhalb von Computerspielen - verspricht, diesen Traum wahr werden zu lassen. Der vorliegende Beitrag soll diese relativ neue Werbeform kurz vorstellen und ihre Potenziale, aber auch ihre Grenzen aufzeigen. Computerspiele stellen schon heute einen Markt dar, der mit dem Hollywood-Spielfilm vergleichbar ist. Im Kampf um die Aufmerksamkeit der Zielgruppe gibt es ein neues Schlachtfeld. Ob das aber im Elbenwald liegt, ist fraglich.
Spiele als Werbeträger
Ingame-Advertising oder Ingame-Werbung bezeichnet Produkt- oder Marken-werbung, die innerhalb eines Video-, Online- oder Computerspiels geschaltet wird. Die Möglichkeit, Produkte und Marken in Computerspielen zu positionieren, gibt es im Prinzip schon so lange, wie es solche Spiele gibt. So hat zum Beispiel der Spielehersteller Lucas Arts im Klassiker „Der Tag des Tentakels“ eine spielbare Demoversion des Vorgängertitels „Maniac Mansion 1“ versteckt. Sierra Online ist bekannt dafür, Spieler der Serien „Space Quest“ und „King‘s Quest“ bei Fehlern in andere Spiele des Herstellers zu katapultieren. Coca-Cola war eine der ersten großen Marken, die das Potenzial des Trends erkannte und beliebte Spiele wie „Die Sims“ und „Grand Theft Auto“ flächendeckend mit Automaten für Getränke aus dem eigenen Sortiment ausstattete. Seit Anfang 2006 nun bieten einige Vermarkter eine dynamische Form des Ingame Advertising an, bei der Werbe-flächen unterschiedlichster Formate in ein bereits vorhandenes Spiel eingeblendet werden.
Der Wirkmechanismus entspricht dem der seit Ende der 1990er-Jahre etablierten Adgames: Marke oder Produkt werden in einem positiv besetzen Umfeld präsen-tiert, der Kultcharakter des Spiels überträgt sich auf das Produkt, und im digitalen Umfeld kann die Leadstrecke bis zur Transaktion ohne Medienbruch durchgeklickt werden.
Grundsätzlich lassen sich drei Wege unterscheiden, Werbung in Spiele einzu-binden:
• als Absender-Sponsoring im Vor- oder Abspann oder in Ladepausen.
• durch Integration des Produkts in die Spielstory, zum Beispiel eines
Markenfahrzeugs in ein Rennspiel.
• durch Belegung von ausgewiesenen Werbeflächen im Spiel, wie etwa
Bandenwerbung in einem Fußball-Game.
Ein Unterschied steht jedoch fest: Während sich die üblicherweise kostenlosen Viralmechanismen verbreiten, hängt die Reich-Adgames über meist eingebaute weite von Ingame Advertising vom Erfolg des kommerziell vertriebenen Spieletitels ab. Eine noch so große Zielgruppenkongruenz nützt wenig, wenn der Werbeträger die Zielgruppe aufgrund mangelnden Spielspaßes, schlechter Rezensionen und unzureichender Vermarktung des Spiels gar nicht erst erreicht.
Sind wir nicht alle ein bisschen Homo Ludens ...?
Dabei haben sich die Spiele längst zu einem reichweitenstarken Markt entwickelt, der durchaus mit Hollywood mithalten kann. Die medial organisierte Diskussion um Computer- und Videospiele beschwört zwar in regelmäßigen Abständen Sucht, sozialen Abstieg und sexuelle Erfolglosigkeit der Spieler - doch die Zielgruppe hat nur noch wenig Ähnlichkeit mit dem Stereotyp des Chips-mampfenden Twens, der in der Kellerwohnung seiner Eltern vor sich hin studiert. Die Studie „Spielplatz Deutschland“, die im Herbst 2006 in Zusammenarbeit von EA, Jung v. Matt und GEE herausgebracht wurde, zeigt, dass heutige Gamer eine interessante, werberelevante Zielgruppe sind: Sie stehen mitten im Leben, gehen einer Ausbildung oder einem Beruf nach und leben mit ihrer Familie in einem Reihenhaus.
54 Prozent aller Computerspieler in Deutschland befinden sich laut Studie im Cluster der „Freizeitspieler“; für sie sind Computerspiele eine Art der Freizeitgestaltung, die sie ausüben, wenn es Beruf und Familie zeitlich zulassen. Gespielt wird in erster Linie, um zu entspannen. Das durchschnittliche Alter der „Freizeitspieler“ liegt bei überraschenden 44 Jahren. Das zweitgrößte Cluster bilden die „Gewohnheitsspieler“. Die durchschnittlich Dreißigjährigen sind mit Computer- und Videospielen aufgewachsen und diese gehören auch noch im Erwachsenenalter selbstverständlich zum festen Bestandteil der Freizeitgestaltung.
Auch Kinder sind mit Spielen zu erreichen. Laut einer Studie des Medien-pädago-gischen Forschungsverbunds Südwest [1] ist ein eindeutiger Trend zu mehr Technik im Kinderzimmer zu erkennen. So berichten dort die Haupterzieher der 6- bis 13-Jährigen Deutschlands, dass 43 Prozent der lieben Kleinen bereits eine tragbare Spielkonsole und zwölf Prozent eine portable Playstation besitzen. Über dreißig Prozent dieser Altersklasse nennen bereits einen Computer ihr Eigen, wenngleich teilweise auf kindliche Bedürfnisse abgestimmte Modelle.
So geht Ingame-Advertising
Mit der Zielgruppe sind auch die Mittel der Produktwerbung in Computerspielen erwachsen geworden. Heute werden üblicherweise zwei Formen angeboten: die statische Platzierung, bei der Produkte oder Markenrepräsentanten direkt in die erzählerische Rahmenhandlung des Spiels eingebunden werden, und die dynamische Platzierung, bei der wie in der „wirklichen Welt“ Werbeflächen gebucht werden können.
Statisch oder dynamisch?
Dynamisches Ingame-Advertising kann Bandenwerbung in einem Fußball-Game sein oder eine klassische Plakatwand an einer Häuserzeile. Seit einige der großen Spielehersteller dazu übergegangen sind, ihre Spiele nicht mehr als CD-ROM anzubieten, sondern als reinen Software Download im Internet, sind die Möglichkeiten für dynamisches Ingame Advertising so zahlreich wie in der nicht-digitalen Werbewelt. Die technische Abwicklung ist mit der bekannten Display-Werbung des klassischen Online-Marketing vergleichbar: Werbeflächen werden im Vorfeld definiert und können eingebucht werden. Geht der Spieler online, um aktuelle Patches, Updates oder gar neue Levels zu laden, was zum Teil automatisiert erfolgt, werden auch die Werbeflächen aktualisiert. Dies erlaubt zeitliche Flexibilität beim Einkauf und eine Einschränkung des Zeitraums der Werbeplatzierung. Die Abrechnung erfolgt meist mittels Tausender-Kontakt-Preis (TKP). Als Kontrollinstrument für die Auslieferung der Werbeformate dient das System des jeweiligen Ingame Advertising-Vermarkters.
Die statische Platzierung ist weniger flexibel, lässt sich dafür jedoch besser mit dem Produkt beziehungsweise der Marke verbinden. Das Prinzip der statischen Platzierung ist vom Kinofilm her bekannt und erprobt: Wenn der Agent seiner Majestät auf die Uhr schaut, einen Drink nimmt oder mit dem Auto davon rast - immer sind Marken im Blickfeld der Kamera und damit im Wahrnehmungsbereich des Kinopublikums. Im Spiel kann das Produkt Kulisse oder Requisite sein oder maßgeblich zur Handlung des Spiels oder der Spielmechanik beitragen. Dabei kommt es vor allem darauf an, dass das Produkt dem historischen Rahmen des Spiels und dessen Realismusgrad entspricht.
Statisches Ingame Advertising kann im Nachhinein nicht optimiert werden und ist auch im Vorlauf aufwendiger: Es stehen ausführliche Verhandlungen mit dem jeweiligen Spielehersteller an und schließlich müssen der erzählerische Rahmen des Spiels und die Kampagne aneinander angepasst werden. Diese Werbeform wird üblicherweise ab einem Budget von rund 150.000 Euro angeboten. Steht nur ein geringeres Budget zur Verfügung, ist die Werbebotschaft aus gesamtstrategischen Gründen zeitlich beschränkt oder soll nur eine identifizierbare Untergruppe der Spieler eines bestimmten Spiels angesprochen werden, empfiehlt sich die dynamische Variante.
Wie steht es mit der Performance?
Eine Erfolgsmessung über 3rd-Party-Adserver, wie man sie vom klassischen Online-Marketing kennt, ist zur Zeit weder bei statischem noch bei dynamischem Ingame Advertising möglich. PC-Spiele beschränken sich (noch) darauf, Transporteure zu sein, auch wenn ein Weiterklicken, zum Beispiel Image-in einen Onlineshop, heute schon denkbar und möglich ist. Üblich ist ein Auswertung auf Basis der Vermarkterzahlen, die nicht nur Auskunft über die korrekte Anzahl der ausgelieferten Sichtkontakte, sondern auch über die Verweildauer und den Blickwinkel der Spieler auf die jeweilige Werbefläche gibt. Damit bleiben die Möglichkeiten des Ingame Advertising nicht nur hinter den etablierten Standards der Erfolgsmessung zurück, sondern auch hinter den Erwartungen, die aufgrund der Interaktivität des Werbeträgers an genau diese Werbeform gestellt werden.
Erobern Sie den Elbenwald ...
... aber bleiben Sie „in character“. Nicht alle Spiele sind als Werbeträger gleicher-maßen und für alle denkbaren Produkte geeignet. Gerade die beliebten Genres der Fantasy- und Rollenspiele sind ein sensibles Umfeld. Die Spieler legen viel Wert darauf, auch in Chat-Unterhaltungen über den Spielverlauf in character zu bleiben, also die fiktionale Welt, in die sie mit allen Konsequenzen eingetaucht sind, nicht zu verlassen. Wenn Sie einen modernen Stadt-Flitzer bewerben wollen, versuchen Sie Ihre Zielgruppe dort zu treffen, wo sie nicht in der Rolle von Feen und Orks durch den Elbenwald streicht.
Die sogenannte Nutzerverfassung ist tatsächlich einer der kritischen Faktoren im Ingame Advertising. Werbetreibende wissen, dass eine themenunspezifische, nicht zielgerichtete und positive Grundverfassung die Wahrnehmung und Akzeptanz deutlich erhöht. Die Haltung von Spielern jedoch ist weder themenunspezifisch noch nicht zielgerichtet. Spiele erzeugen mit der Schaffung einer Alternativrealität mit eigenen Regeln und mit klaren Aufgaben einen hochkonzentrierten Sog, aus dem der aktive Spieler nur schwer herauszureißen ist. Werbung, die ablenkt und so die Spielkompetenz, den Erfolg und damit den Spielspaß vermindert, wird als störend empfunden.
Gerade dynamische Werbung sollte daher an konzentrationsschwachen und unkritischen Stellen im Spiel eingesetzt werden. Eine Plakatwerbung mit „Call-to-Action“, wie wir sie zu Beginn dieses Artikels „erträumt“ haben, wird schwerlich erfolgreich sein. Falls der hochkonzentrierte und zielgerichtet agierende Spieler sie überhaupt wahrnimmt, wird sie ihn wohl den Titel kosten. Gerade die positive Grundstimmung, in der man Spieler antreffen kann, ist eine komplexe Herausforderung für das Ingame-Advertising. Werbung soll schließlich nicht als Spielverderber wahrgenommen werden. Patentrezepte gibt es nicht. Es gilt, individuelle Konzepte zu finden, die Werbung in konzentrationsintensiven Phasen aus dem Fokus zu rücken und dem Spieler dort zu begegnen, wo er in einer entspannten und nicht zielgerichteten Verfassung für eine Auseinandersetzung mit adäquaten Werbeinhalten bereit ist.
Fünf Schritte des Ingame Advertising
1. Definieren Sie Ihre Kampagne: Soll ein Produkt oder eine Marke beworben werden? Ist das Ziel Aufmerksamkeit oder Transaktion?
2. Wählen Sie den Werbeträger sorgfältig: Wie ein prominentes Testimonial muss ein Computerspiel als Werbeträger dieselben Werte wie Ihr Produkt oder Ihre Marke transportieren und dieselbe Zielgruppe ansprechen.
3. Ob Sie statisch oder dynamisch werben wollen, hängt nicht nur vom Budget ab. Eine statische Platzierung muss sich nahtlos in den Spielbetrieb einfügen, um bei den Spielern nicht zu Irritationen zu führen und am Ende dem Markterfolg und damit der Reichweite des Spiels zu schaden.
4. Konzipieren und produzieren Sie individuelle Werbemittel, die genau auf den Werbeträger und die angepeilte Zielgruppe zugeschnitten sind. 5. Investieren Sie in Marktforschung. Testen Sie den Erfolg Ihrer Ingame-Kampagnen über das Reporting der Vermarkter hinaus. Denn nur so können Sie die notwendige Erfahrung sammeln, um wirklich performante Konzepte zu entwickeln und die Möglichkeiten der Werbeform auszureizen.
Literatur
[1] Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest: Kim-Studie 2006. - kostenloser Download unter http://www.mpfs.de, 2006.
IGA: http://www.iga-worldwide.com/
Doublefusion: http://doublefusion.com/
Jogo Media: http://jogomedia.com/
EA, Jung v. Matt, GEE: Spielplatz Deutschland, http://www.spielplatz-deutschland.de/
EA-Studien: http://publish.electronic-arts.de/publish/page204280515468314.php3
AOL academy: Erfolgsfaktor Nutzerverfassung, 2003 http://mediaspace.aol.de/html/kundenservice/marktforschung.htm