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History repeating: Ist Facebook das neue Siebel?

Siebel war der Shooting-Star einer ganzen Branche. Heute ist es Facebook. Die Story weist viele Parallelen auf. Wiederholt sich Geschichte erneut?
Hansjörg Schmidt | 26.05.2010
Neue Begriffe prägen die aktuelle Dekade: Social Media, Content Sharing, Social CRM. Gepusht werden diese durch die sozialen Netzwerke, allen voran Twitter und Facebook. Eine regelrechte Goldgräberstimmung ist ausgebrochen und kaum ein PR- oder Marketingfachmann, der nicht zusätzlich den Begriff „Social Media-Experte“ in sein Profil aufgenommen hat. Die Veteranen unter uns fühlen sich bereits an die guten alten Zeiten der „New Economy“ erinnert.

Die CRM-Branche kennt die Siebel-Story

CRM und Social Media passen zusammen, keine Frage! Wir haben die Geschichte aber schon einmal gesehen. Vergleiche zwischen den beiden Phänomen sind nicht neu. Aber betrachten wir die Dinge auf der betriebswirtschaftlichen Ebene, wird uns eine ernüchternde Möglichkeit aufgezeigt: Wie damals gibt es Zeichen für eine Überhitzung und Ansätze für einen erneuten Absturz. Ein Vergleich geschichtlicher Parallelen wirkt schnell wie der Vergleich der bekannten Äpfel und Birnen. Wenn aber nur ein paar Punkte zutreffend sind, wird es eine Korrektur geben. Die CRM-Branche kennt die Siebel-Story und Facebook könnte das nächste Siebel werden.

Siebel wurde 1993 gegründet und erhielt Bekanntheit während des letzten IT-Booms. Es wuchs sprunghaft, doch innerhalb eines Jahrzehnts mehrten sich die Zeichen einer Krise. Konkurrenten entwickelten eigene Systeme, die die Fehler Siebels vermieden und Wettbewerber aus anderen Branchen stiegen in den CRM-Markt ein. Hinzu kam eine allgemeine Enttäuschung über gebrochene Versprechen. Das Geschäft geriet ins Straucheln. Die Verkaufszahlen konnten sich davon nicht mehr erholen. Siebel wurde schließlich auf Basis einer Bewertung übernommen, die die installierten Lizenzen (der vornehmlich unglücklichen Kunden) in den Mittelpunkt stellte und nicht die zukünftigen Marktentwicklung. Heute reden wir über CRM ganz anders als damals. Über Siebel aber redet keiner mehr.

Die Facebook-Story kennt viele Parallelen

Facebook wurde 2003 gegründet und zählt nach eigenen Angaben im Jahr 2010 über 400 Mio. Mitglieder. Parallelen zu Siebel gibt es einige. Ich glaube, dass vieles von Siebels damaligem Erfolg durch den allgemeinen Glauben an Technologie und Innovationen getrieben wurde. Während die gesamte Wirtschafts-Intelligenzia die Heilsbotschaft des CRM verkündete, wurde der daraus zu erwartende Umsatz für selbstverständlich gehalten oder bewusst missverstanden. Facebook ist ebenfalls in aller Munde und das Wachstum und die Möglichkeiten kennt anscheinend keine Grenzen.

Der Aufstieg Facebooks ist der Abstieg der traditionellen Vermarktungswege

Hat der aktuelle Trend der sozialen Medien in Facebooks Aufstieg seine Ursache, oder ist dies eher die Wirkung eines tieferen, weniger verstandenen Phänomens? Wahrscheinlicher liegt es eher an dem rasanten Rückgang der Glaubwürdigkeit und des Nutzens von Werbung. Die Flucht ins „soziale“ ist eher eine Abkehr von den traditionellen Vermarktungswegen. Denken Sie daran, wie CRM-Käufer vor einigen Jahren buchstäblich „aufgewacht“ sind aus dem Alptraum und ihnen klar wurde, dass fast drei Viertel der Implementierungen den Erwartungen nicht gerecht wurden.

Vieles von dem, was Anfang dieses Jahrtausends über CRM geschrieben wurde, wollte deutlich machen, dass es sich beim CRM nicht um Technologie, sondern eine Strategie handelt. Die Wahrheit ist, dass es sich vielmehr um eine Fähigkeit handelt. CRM ist die Fähigkeit, den Kunden mit seinen individuellen Bedürfnissen in den Mittelpunkt des unternehmerischen Handelns zu stellen. Die neue Idee der sozialen Medien ist die Interaktion mit dem Kunden auf Augenhöhe. Wenn dies nicht glaubwürdig erfolgt, handelt es sich um leere Inhalt. Dies ist nicht anders als CRM, dass nicht auf dem basiert, was einer realen Kundenbeziehungen zu Grunde liegt: Vertrauen. Wenn das Vertrauen fehlt, ist CRM nur ein Stück Software ohne Bedeutung.

Folgt der Dotcom-Blase nun die Social Media-Blase?

Siebel, wie die gesamte New Economy-Blase, hat viele Leute reich gemacht. Bis die Blase platzte! Zehn Jahre später haben private Investitionen Facebooks Wert auf mehr als $ 5.000.000.000. aufgepumpt. Aber hat der Markt wirklich bewiesen, dass er groß genug ist oder zuverlässige Mechanismen für die Zuordnung eines solchen Werts für das Unternehmen hat? Zumindest einige der verwendeten Modelle wirken ebenso suspekt, wenn nicht sogar noch verrückter als zu den Hochzeiten der Dotcom-Börsengurus. Der Praxistest muss erst noch bestanden werden.

Rund ums CRM entstand Ende 90er Jahre eine ganze Branche von Beratern. Zahlreiche Bücher wurden geschrieben,Vorträge gehalten, Artikel veröffentlicht und die populären Medien berichteten über das CRM-Wunder. Wissenschaftler, die eine gute Mahlzeit erkennen, wenn sie aufgetischt wird, haben den Unternehmen erklärt, was zu tun ist und was nicht. Detailliert wurden die unbegreiflich komplizierten Schritte beschrieben, die erforderlich seien, um erfolgreich CRM zu implementieren. Wenn es Misserfolge gab, war der Kunde daran schuld. Die Beschreibungen der heutigen Social Media-Gurus stehen dem in nichts nach. Wieder gibt es Listen, Berichte, Systeme. Auf jede erdenkliche Weise wird versucht, das Wissen an den Mann zu bringen. In jeder Ecke des Netzes findet sich ein "how to"-Beitrag und viele werden dafür bezahlt, Kampagnen umzusetzen. Wie in den Anfangszeiten des CRM, liegt die grundlegende Vermutung nahe, dass es nicht um einen konkreten geschäftlichen Zweck geht, sondern vielmehr, dass die Kampagnen sich selbst genügen und de facto eine Leistung darstellen, deren Zweck man erst sehen kann, bis man Geld dafür ausgegeben hat.

Es hat Jahre gedauert, um herauszufinden, was wirklich gut für das CRM war

Selbstverständlich bin ich ein großer Anhänger des CRM-Gedankens. Es ist ein über Jahre hinweg erprobtes und laufend verbessertes Konzept und die Software-Systeme sind viel besser geworden. CRM wurde ursprünglich verkauft, um die Kundenbeziehungen zu verbessern. Die wenigsten haben das geschafft. Stattdessen wurde es in den meisten Fällen zur Kostensenkung verwendet. Die Vorstellung, dass man Kundenbeziehungen in eine Maschine packt, ist verrückt. Es dauerte Jahre, um herauszufinden, was wirklich gut für das CRM war.

Betrachten wir nun die allgegenwärtige Facebook-Seite, die jedes neue Produkt oder die Dienstleistung haben muss, nur weil es online eine soziale Beziehungen schafft: Bisher scheint die Wirkung darin zu bestehen, das Engagement der Marken in den Massenmedien zum Branding mit einer weitaus billigeren Alternative zu ersetzen. Beide Ansätze beruhen darauf, mit den Menschen über Inhalte zu reden. Nur jetzt gibt man auch noch vor, noch nicht mal was verkaufen zu wollen. Glaubwürdigkeit geht anders!

Die Parallelen und Annahmen sind nicht perfekt. Aber die Muster sind zu ähnlich, zu dem was wir vor zehn Jahren erlebt haben. Der einzige Unterschied ist, dass einige der selbsternannten Social Marketing-Spezialisten das CRM-Fiasko noch im Kopf haben. Es gibt Stimmen, die einst eine „Just do it“-Mentalität gefördert haben, die jetzt über Umsatz sprechen und denen die Bedeutung der Übersetzung in sinnvolle Aktionen der Möglichkeiten der Social-Media-Aktivitäten klar ist.

Es ist entscheidend, dass wir die zugrunde liegende Ursache für das Interesse der Verbraucher in der sozialen Interaktion erkennen und Know How entwickeln, wie wir die neuen Plattformen sinnvoll einsetzen, damit daraus Kampagnen entstehen, die für die Kunden wie für die Unternehmen einen Mehrwert darstellen.

Facebook wird Social Media nicht zu seiner endgültigen Reife entwickeln

Wenn der Vergleich mit Siebel passt, dann ist Facebook nicht das Unternehmen, dass Social Media zu seiner endgültigen Reife entwickelt, sondern eher der Vertreter einer jungen Generation, die noch viel zu lernen hat. Insbesondere die Debatte um den Schutz der Privatsphäre kann dazu führen, dass sich viele verunsicherte Anwender wieder von Facebook abwenden. Ebenfalls nicht unerwartet wäre es, wenn sich die Anwender gegen die zunehmende Kommerzialisierung ihres „privaten“ Internets wehren. Wenn die Marketer die Plattform immer stärker nutzen, um ihre Zielgruppen zu erreichen, wird das Publikum auf die nächste Plattform ausweichen, um miteinander zu reden.

Egal wie die Geschichte ausgeht, was bleibt ist das grundlegende Thema. Social CRM ist die natürliche Evolution des Customer Relationship Management. Die Menschen melden sich bei Facebook an, weil sie mit echten Menschen in Kontakt treten wollen und neue kennenlernen.

Es geht um die Inhalte, nicht um die Werkzeuge!