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Harte Zeiten für Handelskooperationen

Ein Thesenpapier zur Zukunft der gewerblichen Verbundgruppen
Ulrich Eggert | 27.07.2009
Der Einbruch des Welthandels aufgrund der in den USA ausgelösten Finanzkrise gefährdet das Modell Deutschland. Dieses Modell besteht darin, dass vor allen Dingen die USA mehr ausgeben als ihnen eigentlich gut tut und Länder wie China und Deutschland, aber auch einige andere mitteleuropäische Staaten, relativ viel exportieren, um die Nachfrage dort zu decken. Aufgrund der starken Exportabhängigkeit Deutschlands wird die Krise besonders tief ausfallen und die Werte des BIPs in 2008 dürfte Deutschland erst 2014/15 wieder erreichen.

Die mit der Krise verbundene enorme Staatsverschuldung führt dazu, dass staatlicherseits vor allen Dingen nach den enormen Ausgaben für die Abwrackprämie kaum noch besondere Maßnahmen zur Konjunkturentwicklung ergriffen werden können. Insgesamt hat die Situation jedoch dazu geführt, dass die Staatsmacht gestärkt worden ist, nicht zuletzt durch die Rettung der Banken.
Damit sind die Wirtschaftsperspektiven für die nächsten Jahre in Deutschland nicht besonders berauschend. Das wird es mit sich bringen, dass die Verbraucher ihre Zurückhaltung im Konsum noch auf lange Sicht beibehalten werden, wenn auch einige Verbraucherindizes auf niedrigem Niveau bereits eine Stabilisierung erreicht haben.

Wenn im Herbst des Jahres die Zeitarbeitskonten leer sind, die Kurzarbeit kaum noch verlängert wird, weil immer noch nicht genügend Exportaufträge vorliegen, wird die Arbeitslosigkeit allmählich zunehmen und zum Ende des Jahres spätestens auch die Masse der Verbraucher in ihrem Konsumverhalten treffen.

Diese Aspekte deuten darauf hin, dass kurzfristig kaum ein Handelswachstum in Deutschland zu erwarten ist, weitere Aspekte unterstützen diesen Trend aber auch aus langfristiger Sicht:

• Die Einwohnerzahlen sinken bereits.
• Die Verbraucher fragen mehr Dienstleistungen als Waren nach.
• Dieser Dienstleistungsshift nimmt eher weiter zu.
• Die Einkommen werden kaum steigen.
• Aufgrund der Überalterung ist ein zusätzliches Zwangssparen entstanden, nämlich für die zweite, kapitalbasierte Rente.

Als Konsequenz ist ein Aufblühen der Nachfrage nach Konsumgütern in den nächsten Jahren in keinster Weise zu erwarten.

Der Handel hat auf diese Situation vor allen Dingen mit Flächenexpansion geantwortet: Kommt niemand zum Kaufen, dann baue ich erst einmal! Diese Strategie ist jedoch nur bedingt aufgegangen, denn sie hat letztlich zu einer enormen Verschärfung des Wettbewerbs geführt. Kein Markt dieser Welt steht in so scharfem Wettbewerb wie der Einzelhandelsmarkt in Deutschland.

Dieser Hyperwettbewerb wird im Rahmen der jetzigen Krise zu einer enorm harten Konsolidierung im deutschen Handel führen. Die lange Liste der in den letzten Monaten und Jahren in die Insolvenz gegangenen Firmen wird sich weiter fortsetzen, mit dem Ergebnis, dass erstmalig auch eine Flächenbereinigung stattfinden könnte und nicht eine Neubesetzung aufgegebener Flächen durch neue Handelsunternehmen.

Das ist im Prinzip auch bitter nötig, denn seit 1991 ist der Einzelhandelsumsatz in Deutschland vielleicht um 5 % gestiegen, die Verkaufsflächen im Handel jedoch um 40 %. Das heißt nichts anderes, als dass wir im Vergleich zu 1991 ein Drittel heiße Luft im deutschen Handel haben – und diese Luft muss raus! Sie entweicht derzeit durch stille und laute Insolvenzen.

Wie können Händler in dieser Situation überleben? Das sind vor allen Dingen folgende Aspekte:

• Verschärfung des Marketings
• Entwicklung neuer Formate
• Category Migration und damit Eindringen in andere Branchen
• Einstellung des Unternehmens auf die Zielgruppe Senioren durch Convenience etc.
• Integration von Dienstleistungssortimenten
• Schnellstmöglicher Einstieg in den E-Commerce
• Verschärfung der Kundenbindung
• Und vor allen Dingen aber: KOOPERATION

Wer heute nicht kooperiert, hat die Geschäftswelt nur bedingt verstanden! Die Bruttokosten aller Unternehmen steigen im Prinzip, nicht jedoch die Umsätze im Handel. Damit ist langfristig ein Verlust vorprogrammiert, deshalb muss jedes Unternehmen versuchen, Kosten nicht entstehen zu lassen oder Kosten los zu werden. Los werden kann man sie nur durch Verteilung und in diesem Sinne ist Kooperation letztlich ein Weg, entweder Kosten nicht entstehen zu lassen oder sie auf andere bzw. mehrere Schultern zu verteilen.

Und so haben sich allenthalben schon seit Jahrzehnten viele Einkaufkooperationen im Handel gegründet, um genau diesen Weg für die Händler zu ebnen. Nur: im Laufe der Jahre haben sich in diesen Gruppen vielfältige Probleme eingeschlichen.
Die meisten Probleme heutiger Verbundgruppen basieren i. d. R. auf mangelnder Homogenität der Mitglieder und damit verbundener mangelnder Ein¬kaufsmacht. Die Mangel-Konsequenz sind weitere Mängel hinsicht¬lich Entscheidungsgeschwindigkeit, Zentral-Marketing, Profilierung, personeller und finanzieller Ausstattung.
Weitere Probleme ergeben sich noch aus der allgemeinen Wettbewerbssituation, mangelnder Kooperationswilligkeit und mangelnder Verbindlichkeit der in Gremien getroffenen Entscheidungen.

Die Mitgliedsinteressen stehen zwar vor den Zentralinteressen einer Verbundgruppe, wenn jedoch die Mitglieder nicht bereit sind, einen Teil ihrer Freiheiten für die Selbstständigkeit im Gruppensystem aufzugeben, wird die Gruppe scheitern. Da ein „Handel ohne Kooperation“ aber nur eine Kümmerexistenz darstellt, die im Markt keine Chance hat, müsste doch hier ein Weg zu finden sein.

Heutige Verbundgruppen müssen die frühere „Kooperationsfolklore“ aufgeben und zu stringenten, voll integrierten Systemen werden, sie brauchen autoritäre Führung, die auf dauerhafte Entscheidungen der entsprechenden Gremien basiert. Eine rein ökonomische Steuerung vor einer emotionalen Steuerung ist erforderlich!

Denn es findet weiterhin im Rahmen des Hyperwettbewerbs ein sehr scharfer Ausleseprozess auf verschiedenen Ebenen statt:

• Händler untereinander
• Kooperationen untereinander
• Kooperationen gegenüber anderen Systemen

Verbundgruppen müssen auf der einen Seite ihre Kernkompetenzen steigern, auf der anderen Seite jedoch vor allen Dingen innovationsorientiert auftreten. Die Innovationen der Verbundgruppen erstrecken sich weniger auf die Produkte, sondern stärker auf die Geschäftsprozesse und Themen wie Vertikalisierung und vor allen Dingen im Auftritt nach außen. Kooperation müssen, wie schon zuvor gesagt, selbst zu Systemen werden, was ja nichts anderes heißt, als dass sie VERTRIEBSSYSTEME werden müssen. Einkaufen alleine in gemeinsamer Form reicht künftig nicht mehr aus, gemeinsames Verkaufen ist angesagt und dafür müssen auch die Informationen vom Handelsunternehmen zur Zentrale laufen, damit dort nicht nur einmal im Jahr, sondern täglich gewusst wird, wohin der Zug rollt!

Innovationen bedeuten auch nicht, dass Verbundgruppen sich einen riesigen Dienstleistungsapparat zulegen müssen, sondern die Dienstleistungen sind zwar wichtig für die Mitglieder, aber sie müssen kostengünstig gestaltet werden, d. h. gemeinsam mit anderen Kooperationen durch Kooperation der Kooperationen oder auch durch Auslagerung an Dritte, durch Outsourcing.
Der Umwandlung von der Einkaufs- zur Verkaufsorientierung auf der einen Seite steht auf der anderen Seite die Ausdehnung im Verkauf wie auch im Einkauf gegenüber. Deutschland ist häufig zu klein, Kooperationen / Verbundgruppen brauchen die Internationalisierung, d. h. die Europäisierung zumindest im Auftritt und Global Sourcing im Einkauf. Die Betriebsführung moderner Kooperationen muss auf E-Business basieren. Standardisierung der Artikelsysteme wie aber auch RFID und andere moderne Technologien sind unabdingbare Voraussetzungen in Zukunft für den Erfolg. Im Rahmen der Supply Chain muss eine Vertikalisierung erfolgen, eine Neuverteilung der Funktionen zwischen den Lieferanten auf der einen Seite, den Verbundgruppen und auch den Handelspartnern, den Mitgliedern, auf der anderen Seite. Es muss eine Vision der Gruppe entwickelt werden und auf dieser Basis eine Leitstrategie, die sich in Formate und Betriebstypen fortsetzt, um damit den Mitgliedern eine möglichst große Individualität vor Ort auf der Basis systemischer Prozesse bieten zu können.

Um hier jedoch die Klammer zu halten, ist ein semiautoritärer Stil und eine stringente Verbundgruppenführung unabdingbare Erfolgsvoraussetzung.

Nur ein hartes Kostenmanagement intern und in der gesamten Supply Chain vom Lieferanten bis zum Mitglied sichert die Zukunft der Gruppe. Sie bedarf deshalb eines Risikomanagementsystems, um sofort feststellen zu können, wenn es an irgendeiner Stelle „brennt“. Um das zu verhindern, bedarf es auch moderner Finanzierungssysteme, zum Beispiel Mezzanine Kapital oder Venture Capital als Eigenkapitalersatz sowie Factoring und ABS-Finanzierungen zur Optimierung der Fremdkapitalseite. Wenn diese Finanzierungsformen auch zurzeit – aufgrund der Finanzkrise – in Verruf geraten sind, so sind es doch keine „Negativkapitalien“ und sie werden ihren Weg zurück in die Realwirtschaft finden.

Aber auch das Marketing der Kooperationen muss aggressiver und professioneller werden. Die Gruppen brauchen emotionale Auftritte – und das bedeutet, dass sie selbst zur Marke werden müssen, die in die Vertikalisierung zu den Partnern und bis hin zum Verbraucher im Markt umgesetzt wird. Nur so können Wettbewerbsvorteile anderer Gruppen kompensiert und überhaupt ein Zentralmarketing aufgestellt werden.

Die Markenbildung ist eine logische Konsequenz aus Leitstrategie, Verkaufsorientierung und Systembildung. Diese „Dachmarke“ muss ergänzt werden durch ein Private-Label-Geschäft, durch Eigenmarken, die nur innerhalb der Verbundgruppe geführt werden, um sich im Markt differenzieren zu können.

Der entscheidende Aspekt ist und bleibt jedoch im Rahmen des Marketings der Verbundgruppen die Formatdefinition und das Geschäft der Mitglieder auf der einen Seite sowie der Einstieg in den E-Commerce auf der anderen Seite. Multi-Channel-Retailing ist langfristig nicht zu vermeiden und muss generell gepusht werden.

Aber noch einmal: Eine Verbundgruppe ist für die Mitglieder da – und nicht umgekehrt. Die Eigenständigkeit der Mitglieder muss trotz aller Zentralität erhalten bleiben, denn der freie Unternehmer arbeitet besser als ein Filialleiter! Um hier eine Deckung der Geschäftsprinzipien „Freiheit der Mitglieder“ auf der einen Seite und „Zentralität der Gruppe“ auf der anderen Seite erzielen zu können, sind Betriebstypen und Module der Zentralformate dringend erforderlich. Dazu gehört ein geeignetes Informationssystem. Über ASP bzw. SaaS müssen komplexe Betriebsführungs- und Steuerungssysteme in die Gruppen integriert und den Mitgliedern zur Verfügung gestellt werden. In Shared Service Centern gemeinsam mit anderen Kooperationen im Sinne von „Kooperation der Kooperationen“ können die Kosten weiter minimiert und trotzdem den Mitgliedern jegliche professionelle Leistung angeboten werden.

Diese und weitere Ausführungen finden Sie in der Kurz-Studie „Die Zukunft der gewerblichen Verbundgruppen im Handel“ von der Ulrich Eggert Consulting, Köln, Tel. 02234-943937, s. auch www.ulricheggert.de .

Die komplette, knapp 50 seitige Kurz-Studie ist als reines Text-Dokument
  kostenlos per Mail an mail@ulricheggert.de vom Autor erhältlich. Als Gegenleistung wird der Ulrich Eggert Consulting die Erlaubnis erteilt, dem Besteller regelmäßig ca 5-6 mal p. a. einen Newsletter/eine E-Mail bis auf Widerruf übermitteln zu dürfen.