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Wahlen, Parteien und ihre Vertriebskonzepte

Die Versprechen der letzten Wahl sind wohl nicht mehr so wichtig.
Helmut König | 17.05.2019
© Pixabay cco Lizenz
 
Wahlmüdigkeit breitet sich aus

Nach jeder Wahl beklagen die Parteien die Wahlmüdigkeit der Bürger. Ob bei Bundes-, Regional- oder Europawahlen, viele Bürger scheuen offensichtlich den Gang zur Urne und verpassen so die Gelegenheit, an der politischen Entwicklung eines Landes mitzuwirken. Unterschiedlichste Begründungen müssen dafür herhalten, vom Wetter, über die nicht angenommenen Wahlkampfthemen bis hin zu ungünstigen Terminen oder Politikverdruss wird alles herangezogen, was der Politiker so finden kann. Nicht gehaltene Wahlversprechen sind bei der Begründung in der Regel nicht darunter, dafür ist es ja zu früh und die Versprechen der letzten Wahl sind wohl nicht mehr so wichtig.

Kurz vor der Wahl

Immer wenn ein Land kurz vor einer Wahl steht, sind die politischen Parteien rührig. Dabei ist ihnen leider manchmal fast jedes Mittel recht, um an das begehrte Wahlergebnis zu kommen. Je größer die Partei, je größer ihr Parteivermögen, desto ausgefeilter sind ihre Werbekonzepte, um die Wähler von ihren Argumenten zu überzeugen – könnte man meinen. Dabei lassen sich die Parteien manchmal von Visionen, manchmal von Parteipolitik und manchmal ganz einfach von dem Streben nach Macht leiten. Die Wahl baut in der Regel auf Personen auf, Sachthemen treten auch im derzeitigen Wahlkampf eher in den Hintergrund. Keine der Parteien arbeitet mit Vertriebskonzepten aber alle arbeiten mit den unterschiedlichsten Wahlversprechen. Dabei gilt die Devise; je kleiner die Partei, desto größer ist das Wahlversprechen – die Wahrscheinlichkeit ist ja gering, dass man es auch halten muss.

Wahlstrategien und Vertriebskonzepte

Ein Vertriebskonzept transportiert in der Regel eine Überzeugung. Ziel ist es, genug Argumente, positiv besetzte Positionen oder Versprechen für den Empfänger des Vertriebskonzeptes zu finden, um diesen Empfänger zu überzeugen und eine Reaktion auszulösen. Wenn das Konzept mit einem Produkt oder einer Dienstleistung zu tun hat, soll die Reaktion i.d.R. ein Kauf sein. Wenn es mit einem potenziellen Arbeitsplatz zu tun hat, kann es ein Arbeitsvertrag; wenn es mit einem zukünftigen Lebenspartner zu tun hat, die Aufnahme einer Beziehung sein. Bei einer Wahl sollte die Stimme des Wählers das Ziel sein. Diese Liste kann man für unterschiedlichste Bereiche weiterführen. Vertriebskonzepte funktionieren nur, wenn die Versprechen eingehalten werden, anderes Verhalten führt zum Abbruch eines Kontaktes. Dabei orientiert sich das Versprechen an den Bedürfnissen des Empfängers.

Versprochen wird nicht gebrochen

Wir leben heute in einer Zeit, wo Monopole selten geworden sind. Wenn also ein Versprechen gebrochen wird, hat die enttäuschte Person die Möglichkeit, auszuweichen. Beim Kauf gehen wir zu einem anderen Lieferanten oder in ein anderes Geschäft. Beim Arbeitsplatz wechseln wir den Mitarbeiter oder die Firma, bei einer Lebensbeziehung zeigt die wachsende Zahl der Scheidungen unsere Reaktion. In allen Fällen sind wir enttäuscht und mit dieser Enttäuschung halten wir auch nicht hinterm Berg. Wir erzählen also über schlechte Verkäufer, schlechte Arbeitgeber oder die Macken unserer ehemaligen Partner. Und das vielfach ausführlich und über einen langen Zeitraum. Industrien und Arbeitgeber können damit über Jahrzehnte große Probleme bekommen. Dabei muss man der Fairness halber sagen, dass in manchen Fällen die Schuld für die entstandene Situation auch bei uns liegen kann. Wie ist das aber bei einer Partei?

Parteien und Ehrlichkeit

Nicht eingehaltenen Wahlversprechen haben wir zu Hauf. In der Regel hoffen die Parteien, dass diese Versprechen bis zur nächsten Wahl vergessen sind, aber der Mensch neigt dazu, Negatives zu speichern und zu reagieren. Die Reaktion liegt in manchen Fällen in der Abwanderung zu einer anderen großen Partei, bei großen Koalitionen zur Abwanderung zu kleinen Parteien oder zu neuen oder Splitterparteien, die extreme Positionen beziehen. Oft führt dieses Verhalten auch zu Wahlverzicht, zur Resignation oder zur Wahl von Horst Schlämmer, da im Gegensatz zum Konsumverhalten kein besserer „Lieferant“ zur Verfügung steht. Das mündet dann, weil Alternativen fehlen, in einer niedrigen Wahlbeteiligung. Wer würde noch einmal bei einer Firma kaufen, die ihre Versprechen nicht gehalten hat, wenn er nicht muss.

Ursachenforschung

Parteien, Lieferanten und Arbeitgeber bestehen aus Menschen. Es gibt Menschen, die ihre politischen oder gesellschaftlichen Ziele verwirklichen wollen, Menschen, die möglichst bequem auf Kosten anderer durchs Leben kommen wollen und Menschen, die nach Macht streben und für die jedes Mittel recht ist, um ihre Machtvorstellungen zu erreichen. Sicher liegen die Probleme mit nicht gehaltenen Versprechen besonders in der letzten Gruppe. Sicher ist eine solche Gruppe in Parteien, die anders als Unternehmen geführt werden, stärker vertreten. Wenn die geplante Reaktion auf ein Versprechen wichtiger wird als die Erfüllung desselben, sollte man vorsichtig sein. Um es überspitzt zu sagen: Wenn uns jemand einen 6er im Lotto verspricht, wenn wir ihn wählen, riechen wir den Braten. Aber wenn uns jemand Steuererleichterungen trotz starkem Haushaltsdefizit anbietet, sieht die Sache oft anders aus. Es hilft uns nur ein waches Auge: Wahlversprechen kritisch auf Erfüllbarkeit prüfen, Parteien mit populistischen Versprechen (z.B. sorgenfreies Leben für alle) ignorieren, und Versprechen der vergangenen Periode vor der nächsten Wahl überprüfen. Und dabei nicht ins Boxhorn jagen lassen, meckern kann nur der, der mitentschieden bzw. mitgewählt hat.