Marketingautomation in 7 Schritten
Wohl kaum ein Thema ist im Marketing aktuell so „en vogue“ wie die Marketingautomation. Die Notwendigkeit hierfür ergibt sich aus der rasend schnellen Veränderung von Märkten und Entscheidungsprozessen von Kunden: • Die Top-Down-Segmentation von Zielgruppen stößt an Grenzen, weil die Datenmengen uns überfordern oder klassische Programme nicht mehr wirtschaftlich sinnvoll an homöopathisch kleine Zielgruppen angepasst werden können. • Kunden sind Multikanalnutzer. Dass ich die Kommunikationswege zum Kunden noch beherrsche, ist eine Illusion. Ich kann nur noch die Kanäle befüllen („one voice to the customer“). • Das Internet verlagert den Kundenkontakt hin zur Schriftform im digitalen Format und unpersönlicher Interaktion. Im Jahr 2020 werden laut einer bekannten Studie der Gartner-Group 85 Prozent der Kundenbeziehungen ohne persönliches Gespräch gepflegt. • Bevor Kunden sichtbar mit mir in Kontakt treten, informieren sie sich im Web oder den sozialen Medien. Im Schnitt sind heute bei einer Kaufentscheidung schon 57 Prozent des Verkaufszyklus‘ durchlaufen, bevor der erste direkte Kontakt mit dem Kunden stattfindet. • „People Business verliert“: So kauft ein großer Automobilkonzern heute schon 80 Prozent seiner Commodityteile über die eigenen Einkaufsplattformen im Web ein. • Der Verkaufszyklus dauert aber heute trotzdem 22 Prozent länger als noch vor fünf Jahren. Es kaufen 80 Prozent der zurückgewiesenen Leads („Not ready to buy“) dann trotzdem innerhalb der nächsten 24 Monate. Wie kann ich in dieser langen Spanne einen qualifizierten, relevanten und vor allem auch wirtschaftlichen Dialog führen?
Effektivität durch Automatisierung
Der Schlüssel, um an diesem Spiel der Marketingeffizienz (denn darum geht es letztendlich) als Hersteller oder Händler noch weiter teilnehmen zu können, heißt „Automatisierung der Marketingarbeit“, denn Marketingautomation führt zu einer Steigerung der Effektivität von 14,5 Prozent bei niedrigeren Kosten. Verkäufer aus Firmen, die Marketing Automation betreiben, haben 22 Prozent mehr Zeit für den persönlichen Verkauf. Kein Unternehmen, das sich nicht damit beschäftigt, kein Marketingverantwortlicher, welcher hier noch keine Seminare besucht hat oder gar schon Konzepte in der Schublade liegen hat und auch keine Agentur, die sich zu diesem Thema nicht gut aufgestellt wähnt - soweit die Theorie. In der Praxis hingegen sind die meisten Unternehmen keinesfalls auf die Revolution im Marketing vorbereitet, weil ihnen sowohl der technische Digitalisierungsgrad als auch die notwendigen strategischen Elemente für die partielle oder gar vollständige Automatisierung ihrer Marketingkommunikation fehlen. Um es bildlich zu beschreiben: Wir freuen uns darüber, dass wir in unserem Unternehmen die erste Dampfmaschine in Betrieb genommen haben und planen für das nächste Jahr den ersten Überschallflug. Wir werden uns an diesem Vorhaben aber ganz sicherlich technisch, geistig und mental verheben.
Sieben Schritte des digitalen Reifegrades
Der wesentliche Grund für diese weit verbreitete Fehleinschätzung in den meisten Marketingabteilungen und Unternehmensleitungen ist die systematische Unterschätzung der Anforderungen an eine funktionierende Marketingautomation. Aber welche Schritte sind hierfür zu leisten, welche Herausforderungen zu meistern? Oder vereinfacht ausgedrückt: Wie kann ein Soll-Ist-Vergleich erstellt werden um herauszufinden, wie groß die Lücke zwischen dem aktuellen Zustand unserer Marketingarbeit und dem Ziel der Marketingautomatisierung ist? Wie weit Sie in Sachen „Marketingautomation“ sind, zeigt der sogenannte digitale Reifegrad an. Dieser wiederum kann in sieben Schritten oder Stufen beschrieben werden, wie in der Abbildung oben dargestellt. In genau diesen sieben Stufen entfaltet sich der digitale Reifegrad einer Organisation. Dabei stellen die technischen und organisatorischen Schritte den kleineren Teil der Herausforderungen dar – das größere Problem ist in der Regel der mentale Wandel, den es in der Organisation und bei den Führungskräften bedarf. Am Anfang steht deshalb zunächst eine Momentaufnahme des aktuellen Status‘, den man durch eine strukturierte Analyse mittels Fragebogen vornehmen kann. Hier gilt es festzustellen, wo man sich realistisch verorten kann und wo noch Defizite bestehen. Als Faustregel kann man festhalten, dass bei einem durchschnittlichen Erfüllungsgrad von 80 Prozent „die nächste Raketenstufe gezündet werden kann“. Wie bei jedem Projekt können natürlich auch die Arbeiten parallelisiert werden. Hier ein kleiner Ausschnitt, wie ein möglicher Fragebogen aufgebaut sein kann:
Analyse der ersten fünf Schritte
Konkret müssen wir in einer Analyse zu den sieben Schritten folgende Fragen beantworten: Schritt 1: Wie kundenorientiert sind Sie heute schon? • Können Sie die digitalen Bedürfnisse Ihrer Zielgruppen mittels Customer Journey oder Beschreibung der Buyer Persona(s) abbilden? • Inwieweit sind Sie in der Lage, One-to-one-Marketing zu betreiben (auch wenn Sie das vielleicht aktuell noch gar nicht tun müssen)? • Wissen Sie, welche digitalen Kommunikationskanäle der Wettbewerb in welchem Umfang nutzt? • Gibt es für alle oben genannten Punkte ein praktikables Monitoring? • Wissen Sie, welche Instrumente Sie mittelfristig ausbauen wollen? • Wissen Sie, welche Systeme und Prozesse Sie hierfür anpassen müssen? Schritte 2, 3 und 4: Wie sind Sie strategisch und technisch aufgestellt? • Haben Sie Ihre Marketingdaten bestmöglich verknüpft? • Welche (für unseren Markt sinnvollen) digitalen Technologien nutzen Sie heute schon und welche noch nicht? • Wie groß ist der GAP zwischen beiden? • Welche Plattformen und welche Kooperationsmodelle können Ihre Marktausschöpfung steigern? • Welche davon wollen Sie sich in den nächsten zwei bis drei Jahren erschließen? • Haben Sie eine digitale Strategie und eine Technologie-Roadmap für die nächsten fünf Jahre? Schritt 5: Haben Sie den gewünschten technischen Automatisierungsgrad erreicht? • Wie viel Prozent des Kundenkontakts bzw. der Leadgenerierung erfolgen ohne inhaltliche menschliche Eingriffe? • Haben Sie spezifische Programme im Rahmen von Owned Media, mit denen Sie Interessenten zu Leads und Leads zu Kunden machen? • Betreiben Sie präzises Programmatic Advertising? • Bietet Ihr Web Analytics Auswertungen bis zur Einzelkundenebene an? • Bieten Sie weitestgehende spezifische Kommunikation für die einzelnen Mitglieder eines Buying Center an? • Können Sie bei den meisten Interessenten im Rahmen der elektronischen Medien die Customer Journey nachvollziehen?
Für die Schritte 6 und 7
Die Marketingautomation muss dabei parallel von einem Wandel der Organisation begleitet werden, der die letzten beiden Schritte hin zum digitalen Marketing ermöglicht. Dieser bedarf der Verantwortung für den digitalen Wandel bei der obersten Führungsebene, im Idealfall einem Geschäftsführer oder Vorstand, der seine Arbeitszeit vorwiegend der Digitalisierung widmet. Die rein technische Umsetzung, die uns ja hoffentlich in Schritt 5 gelungen ist, kann wiederum nur durch ein neues Denken und eine andere Zusammenarbeit erreicht werden. Denn ohne interdisziplinäre Teamarbeit, die Teilhabe von Mitarbeitern auch außerhalb von IT, Marketing und Vertrieb und die wirkliche Überzeugung aller, die in direktem Kundenkontakt stehen, wird uns die Mammutaufgabe des digitalen Wandels nicht gelingen.