Nicht lustig? Humor erlaubt: Drei Werkzeuge zum Punkten mit Pointen
„Wer Humor hat, der hat beinah schon Genie. Wer nur Witz hat, der hat meistens nicht einmal den.“ Arthur Schnitzler
Wer Vorträge halten oder Workshops leiten muss, steht oft vor einer Herausforderung: Wie lassen sich Inhalte spannend vermitteln? Wie gelingt es, vom grauen Alltag zum farbigen Vortrag zu kommen? Was tun, um ein fachlich wichtiges und manchmal ebenso trockenes Thema raffiniert einzuleiten, witzig zu ergänzen sowie kreativ zu präsentieren? Das alles soll stilvoll und nicht billig wirken und der Bezug zum Thema natürlich vorhanden sein. Zugegeben keine leichte Aufgabe! Doch wenn Humor als Unterstützung und nicht zum Selbstzweck dient, kann es mit etwas Übung gelingen, mit treffenden und zugleich locker dargebotenen Pointen bei den Zuhörern zu punkten.
Bevor wir uns mit stilistischen Mitteln und kommunikativen Eskapaden auf andere stürzen, beginnen wir dort, wo alles beginnt: Beim ICH! Denn auch das Humoristische beginnt bei jedem selbst. ICH stehe erst einmal ganz alleine da und überlege mir, mit welchen Ingredienzien ich beim anderen Eindruck machen kann, sofern ich es denn will. Will ICH meinen Vortrag, meinen Beitrag humoristisch aufpeppen? Oder will ich es nur, weil es sich gerade gut macht? Wenn wir Humor nur einsetzen, weil wir meinen, es werde von uns verlangt, können wir „Spaß“ auch gleich durch „Peinlichkeit“ ersetzen.
Was für ein Humortyp bin ich?
Humor lebt von Authentizität, von Echtheit. Das geht nur, wenn ich weiß, was „echt“ ist, was wirklich zu mir passt. Was finden wir normalerweise lustig? Scannen wir unseren Alltag. Welche TV-Sendung bringt uns zum Schmunzeln? Welcher Comedian treibt uns Lachtränen in die Augen? Von welchen YouTube-Videos erzählen wir unseren Freunden? So finden wir auf relativ einfache und sehr kurzweilige Art heraus, was uns gefällt. Genau dieses Gefühl für Humor haben wir in uns und können es meistens am leichtesten und vor allem authentisch einsetzen. Und dabei geht es nicht darum, jemanden zu imitieren oder einfach nur Witze nachzuerzählen, sondern die persönlichen Ausführungen wirksam mit unterhaltenden Elementen, eben Pointen, zu ergänzen und umzusetzen.
Wie entstehen Pointen?
Eine Pointe ist, einfach ausgedrückt, eine „unerwartete Wendung“. Eine gute Pointe ist, bildlich gesprochen, so, als wenn wir mit einem Auto auf einer geraden Strecke fahren und plötzlich völlig überraschend eine 90-Grad-Kurve kommt. Als inhaltliche Grundlage muss der Alltag herhalten, weil gerade dieser eine wahre Fundgrube für Pointen darstellt. Die Mär vom „grauen Alltag“ stimmt nicht. Unser Alltag ist farbig und wer diese bunte Vielfalt ganz bewusst wahrnimmt, findet ideale Grundlagen für Pointen. Leuten mit Humor sagt man eine ausgesprochen gute Beobachtungsgabe nach. So gesehen ist „Beobachten“ auch die zentrale Fähigkeit eines Pointen-Setzers, wie folgende drei Werkzeuge zum Punkten mit Pointen zeigen:
1. Die DIT-Pointe
oder Das-ist-typisch-Pointe
Setzen Sie sich an den Straßenrand, in ein Restaurant, in die Straßenbahn oder in den Eingangsbereich eines Shopping-Centers. Das ist lustig, wirklich. Was man da nicht alles sieht und hört. Versuchen Sie einmal genau hinzuschauen und zu entdecken, was vielleicht „typisch“ für ein Einkaufszentrum ist. Wenn Sie erkannt haben, was „typisch“ ist, hinterfragen Sie für sich das Gesehene und Gehörte. Dann erzählen Sie die Geschichte einschließlich Ihrer Gedanken locker in der Ich-Form, und schon haben Sie die erste Kurz-Story mit Pointe.
Neulich auf dem Postamt. Ich gab eine Buchsendung mit Empfänger im Ausland auf. Korrekterweise musste die Schaltermitarbeiterin jetzt eine kleine Zolldeklaration mit Inhaltsangabe ausfüllen. Ich legte ihr die Sendung auf die Schalterplatte. „Hat’s da was drin?“, fragte mich die vielleicht im innersten Herzen sehr wohl engagierte Mitarbeiterin. „Ja, ausnahmsweise“, meinte ich für mich. „Denn sonst sende ich ja ausschließlich leere Umschläge ins Ausland.“
Sie erzählen die Geschichte, bringen das „Typische“ auf den Tisch (sie fragt nämlich immer: „Hat’s da was drin?“) und schieben Ihre inneren Gedanken nach. Diese haben den Zweck, dass sich der Zuhörer des „Typischen“ bewusst wird, sich auch etwas ertappt fühlt – und genau das ist die Pointe. Vielleicht sollten wir uns im Alltag einfach wieder einmal öfter selbst zuhören? Vielleicht erzählen auch wir Dinge, von denen wir selbst nicht mehr wissen, was wir da eigentlich sagen. Jetzt nur noch den Bezug zu Ihrem Vortrags- oder Seminarthema herstellen, und schon haben Sie die Story in den Kontext gesetzt und arbeiten mit dem Überraschungsmoment, der jeder Pointe innewohnt.
2. Die IDUKV-Pointe
oder Irritation-durch-unangekündigt-Kontext-verändert-Pointe
Steigen wir gleich in die nächste Pointen-Variante ein. Eine Mikro-Theaterszene:
Romeo zu Julia: „Julia, was machst du auf dem Balkon?“
Julia zu Romeo: „Was wohl? Drinnen ist Rauchverbot!“
Bei aller Heiterkeit und für alle, die literarisch nicht so sattelfest sind: So hat sich der Dialog im Original definitiv nicht abgespielt. Wir hören Romeo und Julia und denken an das Liebesdrama. Eine Kontextveränderung hat stattgefunden, ohne dass der Zuhörer das wusste. Das löst Irritationen aus. Um eine Geschichte zu begreifen, braucht es Informationen. Oder wir setzen bewusst einen Kontextwechsel ein, um zum Denken anzuregen. Wir belassen den Dialog, ändern aber den Raum. Und schon gibt es eine andere Geschichte. Ein zweites Beispiel eines Dialogs der Weltgeschichte:
Adam: „Eva-a-a – liebst du mich noch?“
Eva: „Ja, wen denn sonst?“
Was ist das Absurde an diesem Dialog? Die Betonung liegt auf „mich“ statt auf „noch“. Im vorhandenen Kontext, sprich Paradies, mit nur diesen beiden Menschen, ergibt „mich“ überhaupt keinen Sinn, „noch“ würde es schon tun. Die Frage könnte nur lauten: Liebst du mich? Dialoge und Kommunikation ergeben nämlich nur dann Sinn, wenn beide Gesprächspartner im gleichen Kontext sind und vom Gleichen reden.
3. Die MÜT-Pointe
oder Die massiv-übertriebene-Pointe
Kennen Sie diese Werbeanrufe? Sie mögen Sie nicht? Ich erhalte diese Anrufe auch. Es gibt Phasen, da schlittere ich in meine Humorniederungen des gefühlten „Sadismus“ ab. Es klingelt oder das Gerät, das man über Generationen hinweg „Telefon“ nannte, beginnt einen downgeloadeten Rington von sich zu geben.
Geschickt leitet der Anrufer ein: „Möchten Sie beim Telefonieren auch Geld sparen?“ – „Nein.“ Der gewiefte Call-Agent, der doch schon in allen möglichen kommunikativen Wassern gebadet hat, meint dann mit gespieltem Interesse: „Was ist der Grund, dass Sie das nicht möchten?“ Super! – Jetzt kommt mein Part: „Wissen Sie, das ist jetzt gelebter Snobismus in epochaler Dekadenz. Wir haben zu Hause alles. Ein schönes Haus, einen prächtigen Garten, vier Autos, zwei Yachten im Mittelmeer, fünf Computer, drei Fernsehgeräte. Da haben wir uns überlegt – was haben wir noch nicht? – Klar, wir leisten uns jetzt einfach den teuersten Telefonanbieter. Das ist wahrer Luxus, nicht wahr?“
Warum soll das lustig sein? Die Pointe ist, dass die Geschichte derart übertrieben ist, dass wohl jedem klar wird, dass sie nicht stimmen kann. Sie bringen die Geschichte aber mit höchstmöglicher Glaubwürdigkeit vor. Hier entsteht die Spannung des Absurden. Tiefernst die Stimmlage, maßlos übertrieben der Inhalt.
Das Humorgefühl trainieren …
… im Alltag: Trainieren Sie Ihr Humorgefühl täglich, aber bitte halsen Sie sich nicht wieder zusätzliche Arbeit auf oder bauen Sie separate „Humorfenster“ in Ihren Alltag ein. Nein – nutzen Sie das, was Sie so oder so tun, um es kreativ zu hinterfragen. Sitzen Sie in der Eisenbahn, beobachten Sie die Menschen und überlegen Sie, was Sie hier jetzt humorvoll finden. Stehen Sie im Stau, lesen Sie die Aufschrift eines Lkw und lassen Ihren Gedanken freien Lauf, bis Ihnen dazu etwas Witziges in den Sinn kommt. Humor ist, wie anfänglich erwähnt, vor allem eine Sache der Kreativität. Und die lässt sich trainieren.
… im Vortrag / in der Präsentation: Packen Sie in Ihre Präsentationen ein paar Pointen. Nicht zu viele. Sonst verkrampfen Sie sich. Den Rest lassen Sie, wie er ist. Bauen Sie in zwei Ihrer fünf Thesen humoristische Gedanken ein, eine solide Schluss-Pointe, und dann gehen Sie hin und analysieren: Hat es funktioniert? Wenn nicht, was könnten die Gründe sein?
• War ich selbst zu wenig überzeugt davon?
• Oder war ich gedanklich abgelenkt?
• Habe ich an die Lacher und nicht an die Story gedacht?
• War mein Timing richtig?
Wenn Sie diese Fragen beantworten, haben Sie im Schnelldurchlauf die häufigsten Gründe, warum eine Pointe nicht wirkt. Grundsätzlich ist das nichts Schlimmes. Es muss und kann nicht immer lustig sein - selbst Bühnen-Profis kennen das. Zu viele Parameter können Sie nicht beeinflussen. Wenn Ihr Vorredner derart einschläfernd gewirkt hat, wird es schwierig. Oder wenn Sie der letzte Redner sind und eigentlich alle schon auf den Schluss warten und sich bildlich vorstellen, wie sie ihren Zug von hinten abfahren sehen. Entscheidend ist das Timing. Es kommt auf Sekundenbruchteile an. Das kann man nicht bewusst trainieren, man muss es einfach machen. Eine Pointe eine halbe Sekunde zu spät ist nicht lustig, weil alle den Ausgang schon erahnt haben oder die Spannung abgeflacht ist. Eine Pointe zu früh heißt, die Zuhörer haben Ihre Gedanken vielleicht nicht mitspinnen können und verstehen deshalb die Pointe nicht: „Da komm ich nicht dahinter, ist wohl zu hoch für mich.“ Wenn Sie wissen, was ankommt und was nicht, können Sie weitere Pointen und Gags einbauen. Immer mindestens zwei Drittel, die sicher „gehen“, und ein Drittel als Versuch von etwas Neuem. So bauen Sie Ihr Repertoire laufend aus, ohne dass das Ganze sprichwörtlich in die „Hose“ geht.
Ach ja … einen hab ich noch: Beginnen Sie nicht, mir zuliebe Witze zu erzählen. Lassen Sie Pointen entstehen und bauen Sie sie selbst. Gags von Ihnen sind echter und passender. Witze sind Konserven, vielleicht besser als gar nichts, aber die Gefahr einer Publikumsreaktion wie „Den kenn ich“ ist groß. Sie lässt sich mit etwas Eigenem vermeiden. Schaffen Sie Neues. Es gibt noch vieles, was der Welt zu sagen ist und was sie noch nicht gehört hat. Vielleicht verwenden Sie bekannte Zitate erstmals in einem neuen Kontext. Die wirken auch wie Pointen. Schaffen Sie Ihre Marke, Ihren typischen Humor. Denn wie der deutsche Journalist, Literatur- und Theaterkritiker Juda Löb Baruch (1786-1837) sagte: „Der Humor ist keine Gabe des Geistes, er ist eine Gabe des Herzens.“
Wer Vorträge halten oder Workshops leiten muss, steht oft vor einer Herausforderung: Wie lassen sich Inhalte spannend vermitteln? Wie gelingt es, vom grauen Alltag zum farbigen Vortrag zu kommen? Was tun, um ein fachlich wichtiges und manchmal ebenso trockenes Thema raffiniert einzuleiten, witzig zu ergänzen sowie kreativ zu präsentieren? Das alles soll stilvoll und nicht billig wirken und der Bezug zum Thema natürlich vorhanden sein. Zugegeben keine leichte Aufgabe! Doch wenn Humor als Unterstützung und nicht zum Selbstzweck dient, kann es mit etwas Übung gelingen, mit treffenden und zugleich locker dargebotenen Pointen bei den Zuhörern zu punkten.
Bevor wir uns mit stilistischen Mitteln und kommunikativen Eskapaden auf andere stürzen, beginnen wir dort, wo alles beginnt: Beim ICH! Denn auch das Humoristische beginnt bei jedem selbst. ICH stehe erst einmal ganz alleine da und überlege mir, mit welchen Ingredienzien ich beim anderen Eindruck machen kann, sofern ich es denn will. Will ICH meinen Vortrag, meinen Beitrag humoristisch aufpeppen? Oder will ich es nur, weil es sich gerade gut macht? Wenn wir Humor nur einsetzen, weil wir meinen, es werde von uns verlangt, können wir „Spaß“ auch gleich durch „Peinlichkeit“ ersetzen.
Was für ein Humortyp bin ich?
Humor lebt von Authentizität, von Echtheit. Das geht nur, wenn ich weiß, was „echt“ ist, was wirklich zu mir passt. Was finden wir normalerweise lustig? Scannen wir unseren Alltag. Welche TV-Sendung bringt uns zum Schmunzeln? Welcher Comedian treibt uns Lachtränen in die Augen? Von welchen YouTube-Videos erzählen wir unseren Freunden? So finden wir auf relativ einfache und sehr kurzweilige Art heraus, was uns gefällt. Genau dieses Gefühl für Humor haben wir in uns und können es meistens am leichtesten und vor allem authentisch einsetzen. Und dabei geht es nicht darum, jemanden zu imitieren oder einfach nur Witze nachzuerzählen, sondern die persönlichen Ausführungen wirksam mit unterhaltenden Elementen, eben Pointen, zu ergänzen und umzusetzen.
Wie entstehen Pointen?
Eine Pointe ist, einfach ausgedrückt, eine „unerwartete Wendung“. Eine gute Pointe ist, bildlich gesprochen, so, als wenn wir mit einem Auto auf einer geraden Strecke fahren und plötzlich völlig überraschend eine 90-Grad-Kurve kommt. Als inhaltliche Grundlage muss der Alltag herhalten, weil gerade dieser eine wahre Fundgrube für Pointen darstellt. Die Mär vom „grauen Alltag“ stimmt nicht. Unser Alltag ist farbig und wer diese bunte Vielfalt ganz bewusst wahrnimmt, findet ideale Grundlagen für Pointen. Leuten mit Humor sagt man eine ausgesprochen gute Beobachtungsgabe nach. So gesehen ist „Beobachten“ auch die zentrale Fähigkeit eines Pointen-Setzers, wie folgende drei Werkzeuge zum Punkten mit Pointen zeigen:
1. Die DIT-Pointe
oder Das-ist-typisch-Pointe
Setzen Sie sich an den Straßenrand, in ein Restaurant, in die Straßenbahn oder in den Eingangsbereich eines Shopping-Centers. Das ist lustig, wirklich. Was man da nicht alles sieht und hört. Versuchen Sie einmal genau hinzuschauen und zu entdecken, was vielleicht „typisch“ für ein Einkaufszentrum ist. Wenn Sie erkannt haben, was „typisch“ ist, hinterfragen Sie für sich das Gesehene und Gehörte. Dann erzählen Sie die Geschichte einschließlich Ihrer Gedanken locker in der Ich-Form, und schon haben Sie die erste Kurz-Story mit Pointe.
Neulich auf dem Postamt. Ich gab eine Buchsendung mit Empfänger im Ausland auf. Korrekterweise musste die Schaltermitarbeiterin jetzt eine kleine Zolldeklaration mit Inhaltsangabe ausfüllen. Ich legte ihr die Sendung auf die Schalterplatte. „Hat’s da was drin?“, fragte mich die vielleicht im innersten Herzen sehr wohl engagierte Mitarbeiterin. „Ja, ausnahmsweise“, meinte ich für mich. „Denn sonst sende ich ja ausschließlich leere Umschläge ins Ausland.“
Sie erzählen die Geschichte, bringen das „Typische“ auf den Tisch (sie fragt nämlich immer: „Hat’s da was drin?“) und schieben Ihre inneren Gedanken nach. Diese haben den Zweck, dass sich der Zuhörer des „Typischen“ bewusst wird, sich auch etwas ertappt fühlt – und genau das ist die Pointe. Vielleicht sollten wir uns im Alltag einfach wieder einmal öfter selbst zuhören? Vielleicht erzählen auch wir Dinge, von denen wir selbst nicht mehr wissen, was wir da eigentlich sagen. Jetzt nur noch den Bezug zu Ihrem Vortrags- oder Seminarthema herstellen, und schon haben Sie die Story in den Kontext gesetzt und arbeiten mit dem Überraschungsmoment, der jeder Pointe innewohnt.
2. Die IDUKV-Pointe
oder Irritation-durch-unangekündigt-Kontext-verändert-Pointe
Steigen wir gleich in die nächste Pointen-Variante ein. Eine Mikro-Theaterszene:
Romeo zu Julia: „Julia, was machst du auf dem Balkon?“
Julia zu Romeo: „Was wohl? Drinnen ist Rauchverbot!“
Bei aller Heiterkeit und für alle, die literarisch nicht so sattelfest sind: So hat sich der Dialog im Original definitiv nicht abgespielt. Wir hören Romeo und Julia und denken an das Liebesdrama. Eine Kontextveränderung hat stattgefunden, ohne dass der Zuhörer das wusste. Das löst Irritationen aus. Um eine Geschichte zu begreifen, braucht es Informationen. Oder wir setzen bewusst einen Kontextwechsel ein, um zum Denken anzuregen. Wir belassen den Dialog, ändern aber den Raum. Und schon gibt es eine andere Geschichte. Ein zweites Beispiel eines Dialogs der Weltgeschichte:
Adam: „Eva-a-a – liebst du mich noch?“
Eva: „Ja, wen denn sonst?“
Was ist das Absurde an diesem Dialog? Die Betonung liegt auf „mich“ statt auf „noch“. Im vorhandenen Kontext, sprich Paradies, mit nur diesen beiden Menschen, ergibt „mich“ überhaupt keinen Sinn, „noch“ würde es schon tun. Die Frage könnte nur lauten: Liebst du mich? Dialoge und Kommunikation ergeben nämlich nur dann Sinn, wenn beide Gesprächspartner im gleichen Kontext sind und vom Gleichen reden.
3. Die MÜT-Pointe
oder Die massiv-übertriebene-Pointe
Kennen Sie diese Werbeanrufe? Sie mögen Sie nicht? Ich erhalte diese Anrufe auch. Es gibt Phasen, da schlittere ich in meine Humorniederungen des gefühlten „Sadismus“ ab. Es klingelt oder das Gerät, das man über Generationen hinweg „Telefon“ nannte, beginnt einen downgeloadeten Rington von sich zu geben.
Geschickt leitet der Anrufer ein: „Möchten Sie beim Telefonieren auch Geld sparen?“ – „Nein.“ Der gewiefte Call-Agent, der doch schon in allen möglichen kommunikativen Wassern gebadet hat, meint dann mit gespieltem Interesse: „Was ist der Grund, dass Sie das nicht möchten?“ Super! – Jetzt kommt mein Part: „Wissen Sie, das ist jetzt gelebter Snobismus in epochaler Dekadenz. Wir haben zu Hause alles. Ein schönes Haus, einen prächtigen Garten, vier Autos, zwei Yachten im Mittelmeer, fünf Computer, drei Fernsehgeräte. Da haben wir uns überlegt – was haben wir noch nicht? – Klar, wir leisten uns jetzt einfach den teuersten Telefonanbieter. Das ist wahrer Luxus, nicht wahr?“
Warum soll das lustig sein? Die Pointe ist, dass die Geschichte derart übertrieben ist, dass wohl jedem klar wird, dass sie nicht stimmen kann. Sie bringen die Geschichte aber mit höchstmöglicher Glaubwürdigkeit vor. Hier entsteht die Spannung des Absurden. Tiefernst die Stimmlage, maßlos übertrieben der Inhalt.
Das Humorgefühl trainieren …
… im Alltag: Trainieren Sie Ihr Humorgefühl täglich, aber bitte halsen Sie sich nicht wieder zusätzliche Arbeit auf oder bauen Sie separate „Humorfenster“ in Ihren Alltag ein. Nein – nutzen Sie das, was Sie so oder so tun, um es kreativ zu hinterfragen. Sitzen Sie in der Eisenbahn, beobachten Sie die Menschen und überlegen Sie, was Sie hier jetzt humorvoll finden. Stehen Sie im Stau, lesen Sie die Aufschrift eines Lkw und lassen Ihren Gedanken freien Lauf, bis Ihnen dazu etwas Witziges in den Sinn kommt. Humor ist, wie anfänglich erwähnt, vor allem eine Sache der Kreativität. Und die lässt sich trainieren.
… im Vortrag / in der Präsentation: Packen Sie in Ihre Präsentationen ein paar Pointen. Nicht zu viele. Sonst verkrampfen Sie sich. Den Rest lassen Sie, wie er ist. Bauen Sie in zwei Ihrer fünf Thesen humoristische Gedanken ein, eine solide Schluss-Pointe, und dann gehen Sie hin und analysieren: Hat es funktioniert? Wenn nicht, was könnten die Gründe sein?
• War ich selbst zu wenig überzeugt davon?
• Oder war ich gedanklich abgelenkt?
• Habe ich an die Lacher und nicht an die Story gedacht?
• War mein Timing richtig?
Wenn Sie diese Fragen beantworten, haben Sie im Schnelldurchlauf die häufigsten Gründe, warum eine Pointe nicht wirkt. Grundsätzlich ist das nichts Schlimmes. Es muss und kann nicht immer lustig sein - selbst Bühnen-Profis kennen das. Zu viele Parameter können Sie nicht beeinflussen. Wenn Ihr Vorredner derart einschläfernd gewirkt hat, wird es schwierig. Oder wenn Sie der letzte Redner sind und eigentlich alle schon auf den Schluss warten und sich bildlich vorstellen, wie sie ihren Zug von hinten abfahren sehen. Entscheidend ist das Timing. Es kommt auf Sekundenbruchteile an. Das kann man nicht bewusst trainieren, man muss es einfach machen. Eine Pointe eine halbe Sekunde zu spät ist nicht lustig, weil alle den Ausgang schon erahnt haben oder die Spannung abgeflacht ist. Eine Pointe zu früh heißt, die Zuhörer haben Ihre Gedanken vielleicht nicht mitspinnen können und verstehen deshalb die Pointe nicht: „Da komm ich nicht dahinter, ist wohl zu hoch für mich.“ Wenn Sie wissen, was ankommt und was nicht, können Sie weitere Pointen und Gags einbauen. Immer mindestens zwei Drittel, die sicher „gehen“, und ein Drittel als Versuch von etwas Neuem. So bauen Sie Ihr Repertoire laufend aus, ohne dass das Ganze sprichwörtlich in die „Hose“ geht.
Ach ja … einen hab ich noch: Beginnen Sie nicht, mir zuliebe Witze zu erzählen. Lassen Sie Pointen entstehen und bauen Sie sie selbst. Gags von Ihnen sind echter und passender. Witze sind Konserven, vielleicht besser als gar nichts, aber die Gefahr einer Publikumsreaktion wie „Den kenn ich“ ist groß. Sie lässt sich mit etwas Eigenem vermeiden. Schaffen Sie Neues. Es gibt noch vieles, was der Welt zu sagen ist und was sie noch nicht gehört hat. Vielleicht verwenden Sie bekannte Zitate erstmals in einem neuen Kontext. Die wirken auch wie Pointen. Schaffen Sie Ihre Marke, Ihren typischen Humor. Denn wie der deutsche Journalist, Literatur- und Theaterkritiker Juda Löb Baruch (1786-1837) sagte: „Der Humor ist keine Gabe des Geistes, er ist eine Gabe des Herzens.“